Immer wieder komme ich zu dem Schluss, dass Alter und unser Gesellschaftssystem nicht zusammen passen. Da wir Europäer schleichend amerikanisiert wurden (um mal ein Stereotyp zu dreschen) und nunmehr gemeinsam mit den USA daran gehen den Rest der Welt zu amerikanisieren, sehe ich schwarz für eine Rückkehr einer Ehrung der Alten und des Alters.
Und die Alten, die wir als in der (medialen) Öffentlichkeit präsent erleben, machen es uns auch leicht, diese Annahme täglich bestätigt zu sehen. Aktuelles Besipiel ist der FIFA-Boss Sepp Blatter, der gerade demonstriert, dass Alter und Weisheit nichts miteinander zu tun haben (müssen). Zum Glück kenne ich einige wenige - weniger prominente - weise, ältere und alte Menschen in meiner Umgebung. Und sehe auf diese Weise, dass es möglich ist, diesem Ideal eines weisen Alten, einer weisen Alten zu entsprechen. Dazu muss man/frau allerdings irgendwann aus dem Teufelskreis der auf Dauer pubertierenden Gesellschaft aussteigen. Das wiederum gelingt nur über die mühsame aber ertragreiche Arbeit an sich selbst und die Reflexion des eigenen Lebens. Am besten in Begleitung einer/eines weisen Alten. So werde ich in den nächsten Tagen in weiser und weiblicher Begleitung einen Retreat mit mir und zu mir selbst starten, um weiser und lebensfähiger zu werden. Denn im eigenen Saft bin ich schon genug geköchelt in den letzten Wochen, Monaten, ja sogar Jahren. Und dabei bin ich immer zäher und ungenießbarer geworden. Höchste Zeit also für die eine oder andere neue Perspektive, deren Erkennen sicher auch schmerzvoll sein wird. Darum habe ich dies ja sehr, sehr lange vermieden. Aber nun ist der Weltschmerz fast unerträglich geworden, also zumindest stärker als die Angst vor der Veränderung. Der richtige Zeitpunkt für den nächsten Schritt, ein weiser Alter zu werden, der andere in ihrem Leben begLeiten kann. Und nicht einer, der es immer nur besser weiß, aber nicht besser macht.
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Gestern abend haben meine Frau und ich eine überraschend deutliche ARTE-Dokumentation über den bevorstehenden Crash der EU gesehen. Aus der Perspektive einer nahen Zukunft wird auf das Projekt Europäische Union zurückgeschaut. Es ist vorbei. Und es ist nicht besser geworden, nein, es ist alles außer Kontrolle geraten, weil alles aus Sicherheitsgründen nur noch kontrolliert wird. Pervers!
Allerdings sind wir wirklich auf dem besten Weg dorthin, einmal mehr, dass Science Fiction prophetisch ist. Daher auch mein heutiger Haiku zum Tag. Wie schon so oft in der Geschichte Europas beginnt die Sache mit wirtschaftlichen Schwierigkeiten und die falsche Reaktion der Regierenden, die dann nationalistische Tendenzen an die Oberfläche schwappen lassen bis sie alles andere überdecken. So ein Nationalstaatsbewusstsein bietet dann die Option, dass einer es dem anderen heimzahlt. Ob das jetzt soziale Unruhen in einem Land bis hin zum Bürgerkrieg sind oder tatsächlich neue kriegerische Auseinandersetzungen zwischen einzelnen Ländern ist nicht mehr so wichtig. Wenn alles einmal zerstört ist, kann man wieder von vorne anfangen - und alles neu aufbauen. Da brummt dann die Wirtschaft wieder und das alte System hat sich in ein nächstes Jahrhundert gerettet. Den Preis für die Aufrechterhaltung dieses alten, abgewrackten Vehikels einer neoliberalen Wirtschaft der Märkte, zahlen ohnehin nur die, die schon jetzt zur Kasse gebeten werden; dann halt womögich mit ihrem Leben oder dem ihrer Kinder, Angehörigen, FreundInnen, Bekannten, etc. Die Fettäuglein, um sie mal polemisch so zu nennen, schwimmen auch nach dem Sturm im Suppenteller obenauf. Mein Pessimismus scheint sich von Tag zu Tag mehr zu bestätigen. Und so viele schauen zu, trauen ihren Wahrnehmungen nicht, schwimmen mit in der Hoffnung, dass alles nicht so schlimm wird. Das war in Eurpopa auch vor 1914 so und ebenso vor 1939. Nun wurde die EU auch aus dem Grund ins Leben gerufen, um Kriege innerhalb Europas ein für alle Mal Vergangenheit sein zu lassen. Die derzeitigen Tendenzen vom Griechenland-Bashing bis zu den EU-Austrittsphantasien Großbritanniens zeigen einmal mehr, dass wir alle aus der Geschichte nichts gelernt haben. Traurig und tragisch für uns, dass wir 3 Söhne haben, denen sich eine solche Welt offenbart, die alles andere als lebenswert scheint. Traurig und tragisch für mich, dass ich mich mit meinen Möglichkeiten als Rufer in der Wüste erlebe, was wenig erfolgversprechend scheint. Traurig und tragisch für alle, dass sie sehenden Auges wie Lemminge in den Abgrund laufen und sich damit das Leben noch viel schwerer machen als es wäre, wenn wir uns solidarisieren würden im Kampf um unser Leben! Und da gibt es Mittel und Wege, die nicht gewalttätig und zerstörerisch sind. Zerstört würde dadurch nur die Macht derer, die uns "unterjochen" und uns immer noch vorgaukeln, dass wir, wenn wir ihr Spiel mitspielen, eines Tages wie sie obenauf schwimmen auf der Suppe des Lebens. Aber, wenn wir da mitspielen, dann steht der Sieger schon fest. Wie hat Andreas Hofer einst den Seinen zugerufen? Es ist auch für uns höchste Zeit für einen Neustart - Frauen und Männer dürfen sich gleichermaßen angesprochen fühlen!
William Shakespeare ist mir wegen seiner Pathetik und Dramatik sehr, sehr nahe. Da ich von Zeit zu Zeit ein echter Drama-King bin - was mir nicht immer nützt - liebe ich seine Stücke, seine Sprache und die Art, wie er Geschichten erzählt.
Seit Shakespeare's Werke auch kongenial verfilmt werden (ich denke an Kenneth Branagh, aber auch die "Ver-Gegenwärtigungen" von Hamlet mit Ethan Hawk oder Romeo & Juliet mit Leo di Caprio)macht's noch mehr Spaß´, finde ich. Da kannst du dich so richtig reinleben und identifizieren oder eben das Gegenteil, auch das ist cool. Zu meinen Lieblingszitaten aus Romeo und Julia - eigentlich müsste ich im konkreten Fall Lieblingsworten sagen - gehört "star-crossed". Meine erste Assoziation war - bvor ich mich mit dem Wort auseinandersetzte - das es da zwei gab, die sich schicksalhaft über den Weg gelaufen sind, also deren "Sterne" sich gekreuzt haben. Drum war ich dann auch etwas überrascht, als die deutsche Übersetzung dafür "unsternbedroht" bot. So falsch lag ich zwar nicht, aber eben doch entscheidend daneben. Denn genau dieser für mich zuerst überraschende Begriff ist eine genaue und geniale Übersetzung. Sie wird übrigens Schlegel zugeschrieben, wiewohl ich sie auch bei Mathias Hahn gefunden habe. Bei meiner Recherche habe ich dann noch die eine oder andere Übersetzung gefunden, die ich meinen LeserInnen nicht vorenthalten will: ... ein Liebespaar von bösem Stern bedroht ... (Frank Günther, DTV, 1995) ... vom Unstern schwer bedroht ... (Schlegel) ... die durch ihr unglückseliges Ende bloß ... (Projekt Gutenberg) ... von Sternen, die sich kreuzten, schlimm bedroht ... (Bechtolf & Wiens, 1999) Diesen Übersetzungen, die ja immer auch Übertragungen sind, füge ich noch meine Ideen dazu: ... ein Paar schicksalsdurchkreuzter Liebe ... ... schicksalsdurchkreuztes Liebespaar ... ... schicksalsdurchkreuzte Liebende ... ... ein Paar, vom Schicksal um die Lieb' gebracht ... Und damit soll's vorerst genügen! "Verdingen" könnte ein Wort sein, dass sich - obwohl es so altbacken und verstaubt klingt - bald wieder großer Aktualität erfreuen könnte. Das, was es aussagt, ist ohnehin seit einigen Monaten äußerst zeitgemäß, obwohl es keiner noch so richtig war haben möchte.
Ich lasse jetzt mal die Etymologie außen vor, wiewohl die auch sehr interessant ist, ebenso dir traurige Geschichte der Verdingkinder, die als Arbeitskräfte verkauft und missbraucht wurden - was noch gar nicht so lange her ist. Vielmehr möchte ich das Naheliegende offen legen, weil es doch so oft übersehen wird. In unserem Kampf aller gegen alle um das pure Überleben, wähnen wir uns meist einen Schritt weiter als andere auf der schiefen Ebene hoch zu den Oberen Zehntausend. Das ganze Bemühen aber gleicht dem Hochrennen auf der sich gerade um 90 Grad neigenden Titanic vor ihrem Untergang. Sich selbst zum Ding machen, assoziiere ich, wenn ich verDINGen höre. Und das tue ich wirklich, wenn ich mich ob dieses "Überlebenskampfes" zu allem hergebe, was meine Existenz sichert, egal ob es mir entspricht oder nicht. Verdingung führt immer in die Sklaverei oder Leibeigenschaft. Es untergräbt alles, was mich ausmacht und es bringt nur jenen etwas, die mich benutzen. Ich selbst aber bleibe letztlich gnadenlos auf der Strecke. Die Existenz ist dann nicht nur materiell bedroht sondern ganzheitlich, weil ich auch meine Psyche nachhaltig beschädige. Tun vor Sein nannte das Erich Fromm und schrieb dagegen an. Er postulierte in seinem Meisterwerk "Haben oder Sein" das primat des Seins vor dem Tun. Gefolgt sind ihm nur wenige, weil das Tun einfach so verführerisch ist und sich die Identität der meisten unserer Zeitgenossen über ihren beruf definiert; erkennbar spätesetns dann, wenn Arbeit verloren geht oder die Pension in den Schock führt. Anstatt gemeinsam "gegen den Tod anzukämpfen", im dem wir die Welt für die kurze Zeit, in der wir in ihr leben, für alle so lebenswert wie nur möglich gestalten, versuchen wir immer noch einander auszutricksen und das größere und bessere Stück vom Lebenskuchen zu ergattern. Am Ende gibt es, wie sich schon abzeichnet, nur Verlierer. Die einen, die sich verdingen, um existieren zu können, die anderen, die sich ihrem immer größeren Reichtum verdingen. Für Geld tun wir alle alles. Das muss sich ändern. Viel diskutiert wird dieser Tage über die Abschaffung des Bargeldes. Ich veruche gerade diesem Hype - auch für einen Beitrag auf Radio Orange - nachzugehen. Was ist dran, was ist Panik oder gar Verschwörungstheorie?
In diesem Zusammenhang und im Zusammenhang mit einer sehr persönlichen Frage habe ich ein Buch von Eugen Drewermann wieder zur Hand genommen. In "Von der Macht des Geldes" erhellt der Autor anhand von drei Märchen (Rumpelstilzchen, Der gestifelte Kater und Die Bremer Stadtmusikanten) die Hintergründe eines zutiefst menschenfeindlichen Geldsystems, das wir uns selbst geschaffen haben - und das wir noch dazu mittlerweile für gottgegeben, also unveränderlich halten. Spannend für mich war, dass ich mich vor kurzem wieder mit dem Märchen von den Stadtmusikanten beschäftigte. Dieses - und vor allem einen Satz daraus - hat mir eine liebe WegbegleiterIn vor knapp zwei Jahren einmal in einer krisenhaften Zeit "geschenkt": "Was besseres als den Tod findest du allemal." Auch mein Jüngster fasste vor kurzem die Bremer Stadtmusikanten aus dem Bücherregal und ließ sie sich von mir vorlesen. Und als ich Drewermann aufschlug, war die Lasche des Schutzumschlages genau an dieser Stelle eingeschlagen ("etwas Besseres als den Tod findest du überall") Viel gäbe es zu berichten, das sprengte aber meinen Tagebucheintrag. So will ich es bei wenigen, aber für mich bedeutsamen Zitaten belassen, die Drewermann uns am Geldsystem hängenden und leidenden mitgibt: Bremer Stadtmusikanten: "...worum es geht, ist der 'Einbruch' einer neuen, revolutionären Weltbetrachtung, um die 'Einführung' einer Geistesart, die den guten Bürgern in der Tat 'gespenstisch' vorkommen muss. 'Ein Gespenst geht um in Europa', schrieb denn auch Karl Marx ..." (Eugen Drewermann, Von der Macht des Geldes, Düsseldorf 2007, S.144) "Wer inmitten von 'Wirtschaftsasylanten' und 'Hungerflüchtlinge' allen Ernstes ein Haus sein Eigen nennt, lebt in Pracht und Luxus ... Armut, Elend und Verzweiflung - so die Geisteshaltung von Kommunisten und Urchristen - lassen sich nicht durch (eine) noch eifrigere Vermehrung von noch merh Prunk und von noch mehr Schätzen - auf dass es irgendwann denn doch für alle reichen möge - aus der Welt schaffen, sondern nur durch Beschränkung, Verzicht und Teilen. ... Wer inmitten von 'Wirtschaftsasylanten' und 'Hungerflüchtlinge' allen Ernstes ein Haus sein Eigen nennt, muss es anderen weggenommen, geraubt haben, und man hat folglich - so die Weltsicht aller 'armen Tiere' der Welt - ein Recht, die ursprüngliche Ordnung wiederherzustellen, in dem man ihn daraus vertreibt." (ebd. S. 145 f.) "Ein gewalttätiges Vorgehen, das ist ihnen klar, kommt für sie durchaus nicht in Betracht, davon verstehen die mutmaßlichen Räuber allemal mehr. ... in dieser Formation lassen sie nun im Chor, so gewaltig es geht, ihre Stimmen erschallen ... und der Erfolg ist durchschlagend ... Die Räuber ... flohen in größter Furcht in den Wald hinaus." (ebd. S. 142 f.) "Dies ist aber das eigentlich Märchenhafte an diesem Märchen: dass es -mit heiterem Augenzwinkern - die revolutionäre Gewalt, die in ihm liegt, vermeidet, indem es sie in das Gewissen der strukturellen Gewalt der Besitzenden selber verlegt." Denn: "... wann wäre Gewalt je tauglich gewesen, Weisheit zu lehren?" (ebd. S. 148 f.) "Eine 'andere' Welt kann es nur geben durch eine Änderung unseres gesamten Gesellschaftssystems. ... seine (des Märchens, Anm.) brennende Aktualität ist spürbarer den je. Wovon sie kündet ist ... die Rückerinnerung an eine verlorene Dimension der Menschlichkeit. ... Die ganze Welt könnte ein Paradies sein, ein Haus darin es den vier Bremer Musikanten, stellvertretend für alle 'Freigesetzten', so wohl gefällt, dass sie nicht wieder heraus wollten. Und so ist innerlich auch dies als eine Art 'Hausbesetzung' zu verstehen: es nach und nach zu lernen, den Freiraum des Lebens zu betreten, der sich öffnet, sobald wir uns von den verfremdenden Zwecksetzungen und Planungsvorgaben unsers Daseins zu lösen beginhen. All die verinnerlichten Schuldgefühle, sobald wir unsere Zeit nur einmal 'sinnlos' vertun und 'unnütz' vergeuden, basieren auf dem Minderwertigkeitsgefühl, nicht wirklich etwas wert zu sein, wenn wir nicht durch 'Wertschöpfung' etwas 'leisten'; doch der wahre Grund unseres Lebens besteht in jener heiligen Angstfreiheit ..." (ebd. S. 150) Diese Tatsachen sind nun auch mitten in unseren "reichen, westlichen" Gesellschaften angekommen, sie betreffen nicht mehr einige wenige und dann eventuell bloß Zugewanderte. Nein, der Keil geht mitten durch die Gesellschaft und spaltet die oberen 10 % von den anderen 90%. Letztere aber sind keineswegs eine homogene Gruppe, weil viele von ihnen noch immer glauben, dass sie durch ein Mitspielen im System (auch mit unfairen Mitteln) gute Chancen auf einen Platz bei den "Oberen Zehntausend" haben. Es braucht also eine Solidarität der "Unterdrückten", die mit ihrem "Geschrei" das Gewissen der Besitzenden rühren, so dass ihnen angst und bang wird. Erleben wir das nicht gerade immer wieder - aufflackernd an vielen kleinen und großen Ort rund um den Erdball? Rumpelstilzchen: "...indem es uns warnend, mahnend, beschwörend vor Augen stellt, was der verordnete Zwang zur 'Goldspinnerei' aus uns machen muss. 'Du bist unendlich viel mehr wert als alles Geld und Gut dieser Welt ... Du bist in deinem Dasein etwas Unbezahlbares. Du musst deine Existenzberechtigung nicht erst erarbeiten. Lass Dir Deine Schönheit nicht rauben. Tausch dich nicht ein gegen Erfolg und Karriere. Versuche, dich selbst zu bewahren gegen die Verbotsschilder all der 'Väter' und 'Könige' der sogenannten Realität. Sie meinen nicht dich; sie wollen nichts als die Vergrößerung ihrer selbst, als die Vermehrung ihres Besitzes - sie leben nicht wirklich, sie sind lebendige Tote. Höre nicht auf sie. Richte dein Augenmerk auf dich selbst. Du hast ein Recht auf deine Gefühle, und selbst in deinen Traurigkeiten liegt mehr Wahrheit als in all ihren Vergnügungen. Erlaube dir. glücklich zu sein. Du nimmst damit niemandem etwas weg. Die beste Art, Verantwortung wahrzunehmen für etwas Lebendes, ist: selber zu leben. Für die Menschen an Deiner Seite kannst Du nichts besseres tun, als der Mensch zu werden, der Du in Wirlichkeit bist. Denn als 'Königin', als 'König' leben wirst Du erst, wenn Du das 'Goldspinnen' drangibst, - und wenn Du beginnst, an Dich selber zu glauben." (ebd. S. 69 f.) Dem möchte ich heute nichts hinzufügen. Gestern war einer dieser Tage. Wie sich ja Wochenenden und Ferienzeiten immer auch besser dazu eignen, zu sich selbst zu kommen. Und das ist bei weitem nicht immer angenehm.
Gestern also war einer dieser unangenehmen Tage, in denen mir bewusst wurde, dass unsere Gesellschaft zwar mittlerweile so weit ist (Stichwort "G'sunde Watsch'n") körperliche Gewalt gegen Kinder und Jugendliche durch deren Eltern oder Bezugspersonen zu sanktionieren. Wenn es sich aber um seelische Übergriffe und Grenzverletzungen handelt, schaun die meisten von uns weg, aus meiner Erfahrung sogar beim Jugendamt oder bei Gericht. Schlimmer wird's dann noch bei Trennungskindern, denn wie soll es bewiesen werden, dass man zum Kindeswohl handelt und nicht um dem/der Ex eins reinzuwürgen. Meine eigenen Erfahrungen aus der Kindheit haben mich für dieses Thema sehr sensibel gemacht. Ich leide immer mit, wenn ich Kinder in diesen Situationen begegne und derartige Übergriffe wahrnehme. Wenn ich dabei bin, kann ich sie sofort ansprechen; wenn ich sie erzählt bekomme, dann wird es aus oben genanntem Grund schon schwieriger. Manchmal verunmöglicht eine Situation, in der sich Kinder befinden, sogar jegliches Eingreifen, weil es die Situation möglicherweise noch schlimmer macht. Ich schreibe hier bewusst um den heißen Brei herum. was sonst nicht so meine Art ist, weil ich die Würde der Betroffenen nicht verletzen möchte. Der gestrige Tatort ("Kälter als der Tod")war einer der ganz tiefgehenden Darstellungen einer schier ausweglosen Situation. In seiner Überspitzung jedenfalls hat er die Not davon betroffener Menschen eindrucksvoll dagestellt. Den Emotionen kann nichts hinzugefügt werden. Blaue Flecken tun weh, auch auf der Seele. Und sie verheilen erst dann, wenn es in mühevoller (therapeutsicher) Arbeit gelungen ist, die Ereignisse zu integrieren, also als Bestandteil des eigenen Lebens zu sehen. Akzeptanz des Erlebten, das Bestandteil der eigenen Geschichte ist, die nicht umgeschrieben werden kann, ist nötig. Das Verzeihen ist aus meiner Sicht kein notwendiger Schritt zur (Ver-)Heilung; es ist oft sogar kontraproduktiv. Was aber wirklich wichtig wäre, ist die Akzeptanz dieser Seelenwunden durch die für Kinder verantwortlichen öffentlichen Stellen: Obwohl blaue Flecken auf der Seele, die keiner, der nicht dabei war, sehen kann, ein (Kinder-)Leben nachhaltig beeinträchtigen, sind sie für Gerichte und Jugendämter leider kein Grund, Kinder zu schützen. Da wäre wohl Flucht oft das einzige, das dem gerecht werden könnte. Aber ist das die Lösung? Ich bin ratlos ... Familienausflug in die Lernwerkstatt Pottenbrunn bei St. Pölten. Unser Kleinster war ganz begeistert, da er immer schon Westbahn fahren wollte, ich war für einen Bericht über die Schule für meine Radiosendung "Nie mehr Schule" am kommenden Mittwoch auf Radio Orange unterwegs.
Es war ein bunter lebendiger Tag mit vielen bleibenden Eindrücken. Was mich nachhaltig beindruckt hat war die Tatsache, dass alle, mit denen ich gesprochen habe (von der Schulleitung, über GründerInnen, LehrerInnen, Eltern und SchülerInnen), einen sehr reflektierten Blick auf das Geschehen in ihrer freien Schule hatten. Hier wurde niemals schöngefärbt, sondern immer auch kritisch hinterfragt. Ein Satz ist mir in besonderer Erinnerung, er kam von einem Begleiter (wie die Unterrichtenden in dieser freien Schule genannt werden)und lautete sinngemäß so: Wir sind nicht das Allheilmittel für Schulprobleme. Nicht jedes Kind, das in der öffentlichen Schule nicht zurechtkommt, ist bei uns richtig und gut aufgehoben. Da braucht es noch so manches mehr. Beeindruckt war ich dennoch vom Konzept, dass sich am Prozess und der Dynamik der kindlichen Entwicklung orientiert und nicht an den Inhalten, die der Lehrplan sonst so vorgibt. Daher hat die Lernwerkstatt auch ein eigenes Curriculum, den Herzogenburger Lehrplan, der genau dies berücksichtigt. Neben Motorik und Denken geht es u.a. um Kategorien wie Wahrnehmen, Fühlen, Merken/Erinnern, Kreativität und die Intuition. Auch ist Bewegung eine wesentliche Grundlage, da sie als Motor des Lernens gesehen wird. Die Menschen, denen ich während des 25-Jahr-Feste begegnete waren trotz aller Nachdenklichkeit froh und ausgelassen. Auch wenn nicht immer alles Wonne und Waschtrog ist, verstehen sie es auch zu feiern. Auch das ist eine Gabe, die es heute nur nch selten gibt. Unsere Jungs jedenfalls waren mit dem Spieleangebot bestens bedient und so kamen wir alle müde aber angenehm zufrieden am späten Nachmittag zurück nach Wien. Jetzt geht's an die Suche nach eine passenden Schule für unseren Jüngsten. Zwei Jahre haben wir noch Zeit. Nicht mehr lang also ... In der vorvorigen Nacht und am gestrigen Feiertag gab es einige Gewitter in Wien-West. Zu Blitz und Donner hatte ich viele Jahre meines Lebens ein sehr ambivalentes Verhältnis. Da war Bewunderung vielmehr aber war da Angst. In Erinnerung habe ich vor allem jene gewittrigen Regenschauer, die ich in den Bergen der Obersteiermark Sommer für Sommer erlebt habe und die oft in Unwetter ausarteten. Ganz besonders ängstlich war ich, als wir bei einer Wanderung knapp vor dem Schutzhaus von Blitz und Donner und einem heftigen Platzregen überrascht wurden. Wir hatten vom Wald aus ein Hochplateau zu überqueren und mein Vater überlegte, was die bessere Lösung wäre: unter den Bäumen zu bleiben oder zur Hütte zu rennen. In meinem Kopf gingen damals alle möglichen Anweisungen meines Vaters in bezug auf Gewitter herum, von "Alle metallischen Gegenstände ablegen, auf Elms-Feuer achten, nicht unter den Bäumen stehen, sich flach auf den Boden legen mit möglichst breiter Körperoberfläche, niemals über ein ungeschütztes Hochplateau laufen, etc."
Ich weiß nicht, warum sich mein Vater damals dennoch für den Lauf über das Hochplateau entschieden hat, zumindest habe ich das so in Erinnerung. Ich weiß nur, dass wir zwar klitschnass aber wohlbehalten in der Schutzhütte ankamen. Es krachte noch das eine oder andere Mal heftig, der Blitz schlug einige Male in direkter Nähe ein, aber dann war der Spuk schnell vorbei. In der Hütte - beim Abendessen - erzählten andere Gäste von ihren Gewitter-Erlebnissen, unter anderem von einem Kugelblitz, der ein ganzes Holzhaus in zwei Teile geschnitten hatte. "Jäger-Latein" oder bloße Übertreibung - als Kind machte es mächtig Eindruck und verstärkte meine Angst. Meine Eltern konnten oder wollten das nicht relativieren. Mit der Gewitter-Angst hatt es erst viele, viele Jahre später ein Ende. Ich musste zuerst meine Angst vor Aggressionen, Streit und Konflikt überwinden, bevor ich Gewitter lieben lernte. Mittlerweile bin ich nicht nur ein Fan dieses Naturereignisses sondern ich genieße es auch, wenn Dinge durch einen Konflikt offen angesprochen und klar gestellt werden. Das hat wirklich eine reinigende, manchmal sogar kathartische Wirkung. Und so hörte ich in der vorvorigen Nacht begeistert dem Donnergrollen und dem Regenrauschen zu und am gestrigen Feiertag setzte ich mich mit meinem Sohn auf die Loggia um den Blitzen zuzusehen und dem Donner zu lauschen und den heftigen Platzregen zu bestaunen. Auch er war total begeistert. Kein Wunder, hat er doch zu Konflikten ein unverkrampftes Verhältnis, er provoziert sie als knapp Vierjähriger von Zeit zu Zeit sogar bewusst. Und ich darf diesbezülich immer noch lernen! Zeitung lesen, Nachrichten hören bzw. sehen, durch die Sozialen Netzwerke surfen - das wird mir regelmäßig viel zu viel. Vom Hochgefühl des Surfens auf den Meereswellen oder denen eines österreichischen Sees bleibt da allerdings nicht viel übrig! Die Wochenenden sind diesbezüglich immer besonders anstrengend, weil sie mir Zeit bieten, mich mit eben jenem zu beschäftigen.
Schnell entsteht da zwischen Erdbebenkatastrophen, Hungersnöten, Kriegswirren oder sozialen Unruhen sowie Terroranschlägen und so manchem mehr ein heilloses Überfordertsein, ein endlose Ohnmacht und die eine Frage: "Wo bitte soll ich anfangen?" Die Antwort, die ich für mich gefunden habe, ist so einfach und doch so herausfordernd: "Bei dir selbst und in deinem nächsten Umfeld!" Das bedeutet, vor der eigenen Haustüre zu kehren, nein mehr noch im eigenen Inneren aufzuräumen: all die beeinträchtigenden Erfahrungen, all die Vorurteile, all die eingefahrenen Sichtweisen und die daraus resultierenden Handlungen, ... Das bedeutet ferner kein Prediger und Redner zu werden vor den und für die eigenen Kinder, sondern ein vorbildhaft Handelnder, an dessen Beispiel sich gelingendes Leben lernen lässt. Und es bedeutet auch, sich nicht ständig dem Intelektuellen zu widmen, sondern sich den Niederungen des Alltags zu stellen. Bleibt die Frage: Habe ich so viel Mut und auch Demut, dies für mich und die Meinen - und damit für die Welt zu machen? Glaube ich an den Grundsatz, dass ich niemanden anderen als mich selbst, sehr wohl aber andere durch mein Beispiel ändern kann? Es ist wahrscheinlich immr noch leichter, wochenendweise oder sogar täglich in dieses anfangs beschriebene Gefühlschaos zu stürzen, als den ersten Schritt auf dem alternativen Weg zu machen. Das eine ermöglicht auch Nichts-Tun(-Können), das andere erwartet konkretes Handeln von dir. Mal schauen wieviel Mut und auch Demut ich habe ... Unser Jüngster und ich fahren täglich S-Bahn. Daher ist er ein echter Bahnfreak, der sich auch für die Ansagen interessiert. Eine davon lautet: "Bitte beachten Sie beim Aussteigen den Niveauunterschied zwischen Zug und Bahnsteig!"
Nachdem heute einige Jugendliche, die - wie sich später durch eine Intervention meines Vierjährigen herausgestellt hat - noch nie mit der S-Bahn gefahren sind und diese Ansage daher noch nicht kannten, diese daher veralberten, bin ich diesbezüglich zum Nachdenken gekommen. Den Niveauunterschied beachten hat bei mir viele Assoziationen ausgelöst, noch dazu, wo ich gerade eben über Facebook ein herrlich witziges und tieftrauriges Video von Volker Pispers über unser Wirtschaftssystem verfolgt habe. Seine Worte könnten meine Worte sein. Dazu habe ich in meinem Blog "Mein Senf zu allem" unter dem Titel: "Warum lassen wir uns eigentlich täglich so ins Hirn scheißen" heute schon geschrieben. Also zu den Assoziationen:
Die Liste ließe sich noch lange fortschreiben, aber ich mal hier einen Cut, um mich dem Alltag zu stellen und die Finanzen der Familie für Mai zu checken. Da werde ich mal wieder den Niveauunterschied zwischen unserer Arbeit und unserem Einkommen feststellen. Denn neben unseren Berufen sind wir 24-Stunden-Eltern und außerdem noch zivilgesellschaftlich tätig. Das muss man sich heutzutage leisten können. Gut ich geb zu, wir haben keinen Fernseher und auch kein Auto und unsere Jungs kennen den Computer nur von unserer Arbeit. Aber dennoch sind wir bestens informiert - und investieren viel in unser aller Bildung. |
Hinweis:
Meine Meinung zu aktuellen Themen habe ich bis 1.9.2015 im Blog "Mein Senf zu allem" veröffentlicht. Seither habe ich sie auf dieser Seite in meine Tagebucheinträge integriert.
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Juli 2019
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