Ich bin der Meister der Gefängnisse im Kopf und ich habe es mir in diesem goldenen Käfig sehr bequem gemacht. Wie die da in meinen Kopf hineingekommen sind, ist eine mir bewusste und bekannte Geschichte, daran habe ich viele Jahre gearbeitet - und dennoch: Ausbruchsversuche verlaufen früher oder später, aber regelmäßig im Sand. Vielleicht bin ich das eine oder andere Mal weiter gekommen als davor, aber dennoch immer wieder ins Vertraute zurückgekehrt. Ich fühle mich auch manchmal wie das Zirkuspferd, das plötzlich freigesetzt wird, spüre Zügel, wo keine mehr sind, höre das Knallen der Peitsche, wo keine mehr ist, sehne mich in der furchterregenden Freiheit nach der Klarheit und Struktur des Zirkusalltags und nach dem Direktor, der mir sagt, wo’s langgeht. Da kann man sich dann den einen oder anderen Ungehorsam leisten, nur um zu zeigen, dass man ein freier Mensch ist. Das tun wir ja alle ja mal, in dem wir einen über den Durst trinken, ein anderes Mal so richtig die Sau raus lassen oder von Zeit zu Zeit schwarzfahren, das Auto im Parkverbot abstellen oder uns scheiden lassen. Zu mehr Widerstand und Ungehorsam reicht es dann aber auch wieder nicht.
Mythologisch lässt es sich mit einer unserer Kultur zugrunde liegenden Bibelerzählung klarstellen: wie lange haben die Hebräer gebraucht, um sich aus den Fängen Ägyptens zu befreien? Und haben die, die sich in der Tradition dieser Bibel bewegen, wirklich verstanden, was der Dekalog bedeutet? Dieser wird ja gerne salopp mit “Die zehn Gebote” übersetzt, was völliger Humbug ist. Niemals ist in dieser Geschichte des mitlaufenden Anfangs (wie der deutsche Religionspädagoge Hubertus Halbfas Mythen gerne beschreibt, da sie Lebensgründe liefern, auf denen Menschen von Anfang an bis heute und auch in Zukunft ihre Existenz aufbau/t/en) namens Exodus (“Auszug”) von Geboten die Rede und immer wird der Prolog zum Dekalog vergessen ohne den das ganze nur missverständlich enden kann. Also mal im Klartext: Ich bin JHWH (das sind die vier hebräischen Buchstaben die für das Unaussprechliche, da tiefste Geheimnis des Lebens, stehen und die dann fälschlicherweise als Jahwe oder Jehova ausgesprochen werden), der dich/euch aus Ägypten (als Sinnbild für Knechtschaft, der Gefangenschaft, dem Gefängnis im Innen und Außen) herausgeführt hat, daher werdet ihr/wirst du … Und dann folgt das Zehnwort, der Dekalog. Und der klingt dann aus dieser Perspektive völlig schlüssig und logisch. Wer wird schon so „blöd“ sein und etwa morden, wenn er/sie doch nun befreit ist? Wer wird nochmals andere „Götter“ anbeten, als das Leben selbst, das Freiheit ist? Ich möchte mich hier nicht in alle Details vertiefen, aber auch zu den durchaus diskussionswürdigen „Geboten“ gibt es aus dem historischen aber auch aus dem tiefenpsychologischen Kontext nachvollziehbare Schlussfolgerung die alle dem „In-der-Freiheit-Bleiben“ dienen. Nun wir Menschen – ich als Meister darin weiß, wovon ich rede – lieben es offenbar in selbst geschmiedeten Gefängnissen zu leben, seien es Wirtschafts- oder Gesellschaftssysteme bzw. politische Systeme; alle die sind in ihrer Absolutheit als Gefängnisse gedacht über sie hinaus zu denken ist strikt verboten – bis auf ein paar wenige Spinner, meist Philosophen genannt – die man von Systemseite schon aushält. Notfalls machen wir sie auf die eine oder andere Weise mundtot. Dann herrscht wieder die gewohnte Ordnung. Und – was noch perfider ist – wir geben diese Sichtweise als einzig wahre an die nächste Generation weiter. Mittlerweile werden in unserem Land alle jungen Menschen von 4-18 Jahre durch verpflichtende Kindergartenjahre, Schul- und Ausbildungspflicht indoktriniert. Noch geht es uns gut genug, dass wir bereit sind, diesen goldenen Käfig zu akzeptieren. Was, wenn die Situation weiter kippt? Lassen wir uns dann in einen großen Krieg hineinhetzen, der die Ultima Ratio der Herrschenden ist oder bekämpfen wir im eigenen Land den Klassenfeind? So jedenfalls hat es bislang immer geendet, wenn dieser Plan von der Unterdrückung der Gesellschaft zu scheitern drohte. Nachher kann man ja wieder von neuem mit denselben oder bestenfalls leicht adaptierten Rezepten anfangen. Mann, es ist höchste Zeit, dass ich mal meine Gefängnisse dauerhaft verlasse, merke dass die Fesseln gar nicht versperrt sind und riskiere, dass Freiheit ihren Preis hat. Und damit meinen Jungs ein gutes Bespiel bin und hoffentlich auch vielen anderen Menschen in meiner unmittelbaren Umgebung, Schneeballeffekt inklusive! Hie und da mache ich ja schon den einen oder anderen zaghaften Schritt, aber insgesamt gurke ich nach wie vor im Gefängnishof oder beim einen oder anderen Freigang herum ohne nachhaltigen Effekt. Das will geändert werden. Das will ich ändern. Ist nicht des Menschen Wille sein eigenes Himmelreich? Wer will nicht wie im Himmel leben …
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Diese Metapher fand ich vor vielen, vielen Jahren als ich mich eine Zeit lang als Singer/Songwriter versuchte. Sie fiel mir im Nachklang des am vergangenen Mittwoch auf ARD ausgestrahlten Film "Operation Zucker. Jagdgesellschaft" wieder ein, ausgelöst durch dessen Bilder.
Der war eine jener Produktionen, von denen ich die Finger lassen sollte, da sie mich aufs äußerste hernehmen. Ich wagte mich in Begleitung von Reetta gestern abend via Mediathek doch auf das Terrain - und es war gut, dass wir die Ausstrahlung von Zeit zu Zeit unterbrechen und uns dazu so unsere Gedanken machen konnten. Im Zusammenhang mit dem Kampf gegen die sexualisierte Gewalt (den sexuellen Missbrauch), die dem Plot nach in der gezeigten Form vor allem in der sogenannten gehobenen Gesellschaft verortet ist, fielen auch so Worte wie "Wir sind mitten im Krieg!" Die Rollen waren gut besetzt, doch wirkte der Film eben allein schon durch sein Thema und die - wenn man den TeilnehmerInnen der anschließenden Diskussion bei Maischberger glaubt - reale aber durchaus noch geschönte Schilderung. Nun ist der sexuelle Missbrauch immerhin ein Straftatbestand und dennoch, vor allem, wenn er Minderjährige betrifft, immer noch ein schwierig zu beweisender Sachverhalt. Besonders dann, wenn die jungen Menschen zu Personen mit einer dissoziativen Persönlichkeitsstörung gemacht werden, die dann nicht in der Lage sind, ihre Peiniger zu belasten. Das sich hier vor allem Gerichte aufgrund der mangelhaften Beweislage die Hände binden lassen, ist für mich schier unglaublich. Jetzt denke ich an die vielen Kinder und Jugendlichen, die glücklicherweise nicht sexueller Gewalt zum Opfer fallen, aber leider Gottes von ihren Bezugspersonen emotional missbraucht werden. Das ist kein Straftatbestand und er ist - weil es keinerlei körperliche Spuren gibt - noch schwerer zu beweisen. Wenn man HeinzPeter Röhr folgt, der in seinem Buch "Ich traue meiner Wahrnehmung" über beide Formen dieser Gewaltanwendung an Minderjährigen schreibt, sind die Auswirkungen psychisch gesehen aber dieselben. Es bleiben blaue Flecken auf der Seele. Auch in diesem Fall schauen viel zu viele regelmäßig weg, weil sie meinen, das ist doch lieb gemeint und nicht so schlimm. Wenn dann ein Junge mit acht sich Sorgen um seine Mutter macht und ihr den verloren gegangegen Mann ersetzt. Wenn die Tochter die Prinzessin des Vaters ist und ihm jeden Wunsch von den Lippen abliest. Wenn ... ja wenn ... es gibt tausende Beispiele, an denen sich diese Form der Gewaltanwendung an jungen Menschen durch ihre Bezugspersonen zeigen lässt. Und dennoch schauen auch hier die Gerichte, nämlich jene für Familienrecht, regelmäßig weg, weil sie es als ihren Auftrag sehen, Kindern zu ihrem Recht auf beide Eltern zu verhelfen. Was aber tun, wenn ein Elternteil oder sogar beide dem Kind gar nicht gut tun? Zu weit gedacht? Mir rinnt es kalt den Buckel runter, wenn ich daran denke, dass wir trotz Kindeswohl und Kinderrechten im 21. Jahrhundert in mittelalterlich dunklen Zeiten leben - und die Jüngsten in unserer Gesellschaft immer noch als Objekte behandelt werden. Das Kind. Das sagt alles. "Nur wer dich wirklich kennt, dem deine Augen zeigen, dass die ärgsten Schreie jene sind, die endlos schweigen. Nur wer dich wirklich liebt, der wird verstehen, was du in Kindertagen alles gesehen." So lautet der Refrain meines vor 20 Jahren komponierten und getexteten Songs. Und er ist alle jenen gewidmet, die ihre Kindheit trotz allem überlebt haben. Und die das Glück hatten, dass sie liebenden Menschen begegnet sind, an deren Seite und mit deren Hilfe sie heil werden konnten. Auch wenn die Narben noch das eine oder andere Mal schmerzen. Wir beide, Reetta und ich, wollten immer schon die Welt retten. Die große Welt. So haben wir und auch kennengelernt, damals vor mehr als 6 Jahren. Zuerst auf Facebook dann im real life. Arigona Zogaj hieß unser Anliegen und damit verbunden die Asylpolitk der damaligen Bundesregierung.
Und dann brach das einfache Leben über uns herein. Unser Leben. Die kleine Welt. Da stehen wir nun, Nonkonfomisten, die den Nonkonformismus fürchten, weil er anstrengend ist, weil er bisweilen bedrohlich, weil er uns an die Grenzen und darüber hinaus bringt. Und das schon oder gerade wegen der Tatsache, dass wir unser Leben fernab eines gesellschaftlichen Kuschelkurses führen. Für unsere Jungs, für ihre Anliegen, für uns, für unsere Anliegen. Und wollen dennoch geliebt werden. Und verstehen nicht, warum man uns das Leben schwer macht. Und wollen von denen anerkannt werden gegen deren Vorgaben wir kämpfen. Und wollen geliebt werden. Genügt uns die gegenseitige Liebe nicht? Wir könnten auch anders. Schon versucht. Spürt sich aber elend an. Ist noch anstrengender. Gibt nichts her, das Mitspielen, die gute Miene zum bösen Spiel. Der Kampf um das Wohl unserer Jungs führt in den einen oder anderen Konflikt, ja Rechtsstreit: Besuchsrecht, Schutz vor emotionalem Missbtrauch, Schulpflicht. Der Kampf um unser Wohl führt zu Konflikten mit denen, die das anders sehen: Behörden, Ex, KollegInnen. Ganz schön einsam das Leben als Nonkonformist. Existenzangst ab und an. Dürfen wir so sein wie wir sind? Ist man wirklich schon ein Soziopath, wenn man den eigenen Weg geht? Wo mitspielen, wo außen vor bleiben? Also Soziopath sicher nicht: ein feines Netzwerk an FreundInnen, die mit uns gehen, nicht alles teilen, was wir da tun und lassen aber dabei bleiben. Und es gibt auch die, die unsere Sicht teilen, von nah und fern im virtuellen und realen Leben. Wir sind doch nicht so allein ... Und: wir haben einander. Was ist das für eine Kraft, die da ist, viel zu oft unbemerkt. Die muss in unser Bewusstsein. Dann sind wir unschlagbar! Unstoppable! Heute war es wieder mal so weit. Gegen 17 Uhr klingelte es an diesem Sonntagnachmittag an unserer Wohnungstüre. Wir waren gerade mitten beim Wohnungsputz. Ich ahnte es. Ich schaute durch den Spion. Ich wusste es. Ich öffnete die Türe und nahm die Worte entgegen:
"Heute ist ein lauter Tag." "Ach so?", sagte ich. "Ja, schon seit 7 Uhr." "Wir putzen!" "Ach Sie putzen. Na das kann ja dann nicht mehr lange dauern." "Nein, so 10 Minuten noch." "Gut. Auf Wiedersehen." "Auf Wiedersehen", schloss auch ich freundlichst das Gespräch und hoffe, dass es dieses Wiedersehen nicht so schnell gibt. Die Dame, die hier an der Türe klopfte, lebt in der Wohnung über uns. Die Dame ist über 80 und aus meiner Sicht voll fit. Die Dame hat schon seit unserem Einzug hier vor drei Jahren ein Problem mit uns, vor allem mit unseren drei Jungs, die pro Woche maximal 10 Stunden hier sind. Wir hatten schon das eine oder andere Gespräch. Unser Kleinster bekam vor knapp 3 Jahren einen Eisbär von ihr mit der Auflage, dass er nicht mehr so laut sei, da war er knapp zwei Jahre alt. Unsere Söhne sind bis auf den einen oder anderen, nicht mehr als wenige Minuten dauernden Konflikt, die reinsten Engel. Die kennen die Regeln des Zuhauseseins und halten sich dran. Auch die morgendliche Unruhe, die kurzzeitig an den Wochenenden wieder eingetreten ist, haben wir seit einigen Wochen mit ihrer Hilfe wieder im Griff. Es gibt also wirklich nichts zu meckern. Zumal wir unsere Nachbarn, also auch jene, die gerade vor der Türe gestanden ist, zu Weihnachten mit Selbstgemachten beschenkt haben. Vielleicht war das Klopfen ein reiner Kontaktversuch, den ich falsch verstanden habe. Vielleicht wollte sie unsere Lebensverhältnisse und uns endlich mal kennen lernen. Vielleicht hätte ich sie auf einen Kaffee einladen sollen. Vielleicht sollte ich das aus einem anderen Anlass demnächst tun ... Gestern hab ich auf Radio Orange in der Sendung "Wienerlieder" den deftigen Titel "Krügerl vor'm G'sicht" von Bronner und Qualtinger gehört. Darin geht's ganz schön zur Sache und der Wiener kriegt ordentlich sein Fett ab, wird er doch als daueralkoholisiert dargestellt. Nun stammt das Lied ja aus den 1960er-Jahren und ich habe keine Ahnung wie sich der Alkoholkonsum in unserem Land seither entwickelt hat.
Aber eines hat sich mit Sicherheit verändert: Waren wir damals noch "dauerfett" so sind wir heute - möglicherweise zusätzlich - voll auf chemischen Drogen. Die Verschreibung von Psychopharmaka hat sich enorm ausgeweitet, es werden ja mittlerweile auch immer mehr Kinder mit diesen legalen "Rauschmitteln" versorgt, etwa mit Ritalin bei allen Formen von AD(H)S. Jetzt werd' ich mal polemisch: war ma früher noch gedröhnt von den natürlichen Rauschzuständen durch gegorenes Getreide und all seine Spielarten oder ebensolche Weintrauben so kriegt ma jetzt - zusätzlich - von den Pharma-Dealern auch noch das eine oder andere Pulverl, das einen wieder auf Vordermann und zum Funktionieren bringt. Ich möcht' nicht wissen, wieviele Pharmajunkies da in ihren Autos und/oder an ihren Arbeitsplätzen sitzen, und sich auf diese Weise angstfrei und veränderungsresistent zum Unwohl der Gesellschaft einbringen. Damals wie heute wird jedenfalls nicht oder nur kaum auf Ursachenforschung wert gelegt. Und wenn, dann nicht auf die Veränderung derselben. So bleib' ma also a rauschige G'sellschaft, die sich auf diese Weise nach und nach selbst degeneriert anstatt das Leben mal selbst in die Hand zu nehmen und nicht bloß ferngesteuert durch den Alltag zu torkeln. Oder wie es Bronner/Qualtinger treffend ausdrücken: "Ein Spitzerl, a Schwipserl, a Räuscherl, a Schweigerl – Sonst fühl'ma uns nimmermehr wohl! Weil hab i erst des nötige Quantum do drin Dann merk i net was für a Trottl i bin " Prost! Whose woods these are I think I know. Heute ist der perfekte Wintertag. Ich hatte lange schon nicht solche Freude am Draußensein. Gut, dass sich der Schnee entschieden hat, mal an einem Samstag Wien zu beehren. Am Vormittag war es ja noch nicht so weit, dennoch nutzten wir die seit einer Woche vorhandene Schneedecke um nochmals Rodeln zu gehen, diesmal war die ganze Familie dabei. Es war ein Riesenspaß. Wir umrundeten den Sender Himmelhof und machten zwischendurch drei Mal Station. Die nutzen unsere Jungs um ihre "SnowJets" in Fahrt zu bringen. Auf dem Heimweg begann es dann tatsächlich wieder zu schneien. Dieser Schneefall hält zum Zeitpunkt, da ich diese Zeilen schreibe, nunmehr seit 11 Uhr vormittags, also rund 8 Stunden an. Daher nutzte ich diese Möglichkeit zu einem "einsamen" Spaziergang vor dem Abendessen. Es ist so schön, wenn die Welt plötzlich stiller wird, wenn sie langsamer wird, werden muss. Selbst die ÖBB-Busse nahmen den Kreisverkehr diesmal sehr bedächtig und auch die meisten Autofahrer ließen sich von den unaufgeräumten Straßenverhältnissen in ihre Schranken weisen. Auf den Seitenwegen etwas abseits der dichtbefahrenen Hauptstraßen war ich dann in der beginnenden Nacht mit mir und den Flocken allein. Ich blieb immer wieder stehen, um die Gegenwart zu genießen. Der zugefrorene Halterbach, die Spuren jener, die vor mir unterwegs gewesen waren - mit und ohne Hund - und das Fallen der Flocken - alles hinterließ dieses Gefühl der Zugehörigkeit, das ich im Alltag, in einer von Menschen zu der, wie sie ist, gemachten Welt sträflich vermisse. In diesem Moment überkam mich die Lust, dieses Leben noch heute abend gebührend zu feiern. Ich kehrte also in die Zivilsation zurück, eines meiner Frost'schen Lieblingsgedichte rezitierend. Auf ihn bin ich übrigens durch den Film "Dead Poets Society" gestoßen, in dem er mit einem anderen meiner Lieblingsgedichte, nämlich mit "The Road Not Taken" präsent ist. Ich betrat die grelle Halle eines naheliegenden Supermarkts und kaufte für Reetta und mich noch eine Packung Bio-Lachs. Trotz einer kleinen "Katastrophe", die mich zuhause unser Backrohr betreffend erwartete und mich zuerst in Rage versetzte, also alte Muster aufbrechen ließ, genossen wir letztendlich dieses gechmackvolle Abendmahl mit getoastetem Schwarzbrot, Zitrone, Senf und Kren sowie einem Glas ausgezeichneten Grünen Veltliners. Denn: Es gibt immer nur den gegenwärtigen Augenblick, den es nicht zu versäumen gilt. Das Backrohr hat bis morgen Zeit, wenn's dann noch wichtig ist ... Alles muss nach etwas schmecken: das Erdbeerjogurt nach Erdbeeren, der Mocca-Müsliriegel nach Kaffee und das Ketchup nach Tomaten. Kompliziert wird es für die Geschmacksnerven dann, wenn etwa die Erdbeeren im Jogurt mehr nach Erdbeeren schmecken als die, die wir im Sommer vom Erdbeerfeld holen. Da tritt dann schnell die Ernüchterung ein, dass die nicht so das wirklich Wahre sind.
Dabei sind sie es doch, die Erdbeeren sind, also auch nach Erdbeeren schmecken, je nach Reifegrad halt mal süßer oder noch ein wenig herb oder schon ein bisschen matschig oder ... Die moderne Nahrungsmittelindustrie gaukelt uns mit ihren künstlichen, also chemisch produzierten Aromen und den Geschmacksverstärkern Geschmäcker vor, die es in der Realität nie gegeben hat und auch nie geben wird. Wir sind also ziemlich geschmacklos unterwegs in einer Welt wie dieser. Und das meine ich im doppelten Wortsinn. Das ist wirklich ernüchternd. Für mich bedeutet das, mich immer mehr von diesen fertigen Produkten zu entfernen, und die Alternativen auch unseren Jungs schmackhaft zu machen. So habe ich grade mal wieder für Reetta und mich Spaghetti zum Abendessen gekocht und dazu ein selbstgemachtes Tomatenpesto kredenzt, ganz frisch und natürlich und herrlich nach Knoblauch schmeckend, nach echtem natürlich. Und: Unsere Jungs haben das Glück, das an allen drei Orten, an denen sie wochentags zu Mittag essen frisch für sie gekocht wird. Das ist eine wundervole Fügung, die wir alle sehr zu schätzen wissen, einfach geschmackvoll! Übrigens: Das nächste Erdbeerjogurt gibt's bei uns erst im nächsten Frühsommer, wenn die österreichischen Erdbeeren reif sind und wir sie ins Jogurt naturale schnippeln. Wem das zu wenig süß ist, der kann sich gerne noch ein wenig Honig dazugeben, was aber im Erdbeerjogurt noch niemals notwendig war. Heute vor 6 Jahren haben meine Frau Reetta und ich uns zum ersten Mal persönlich getroffen. Wir folgten der Einladung einer gemeinsamen Facebook-Freundin zu einem Treffen zur Bildung einer Aktionsgruppe für Arigona Zogaj in den Keller des Cafe Weidinger am Wiener Gürtel. Die damals noch minderjährige junge Dame aus dem Kosovo war zum Gesicht einer Bewegung für einen neuen Umgang mit AsylwerberInnen geworden, nachdem die österreichischen Regierungen seit 1997, beginnend mit dem SPÖ-Innenminister Karl Schlögl, und natürlich besonders unter schwarz-blau von 2000-2007, die Asylgesetzgebung nach und nach verschärft hatten.
Das Treffen und die besprochenen Maßnahmen konnten damals allerdings nicht verhindern, dass Arigona und ihre Familie im Juni 2010 in den Kosovo abgeschoben wurden. Nunmehr aber lebt die ganze Familie bis auf den Vater seit 2012 mit Niederlassungbewilligung in Österreich. Ende gut, alles gut, so kann ich nur hoffen. Das Treffen im Cafe Weidinger konnte damals auch nicht verhindern, dass Reetta und ich uns nach etwas mehr als einer Stunde von der versammelten Gemeinschaft verabschiedeten und - auf Reettas Vorschlag hin - zu einem persönlichen Treffen im Cafe Carina an der U6-Station Josefstädterstraße verabredeten. Wir plauderten dort noch an einem Stehtisch (das Cafe war damals noch nicht im heutigen, umgebauten Zustand und es war ein Raucherlokal) bei ein paar Bier über Arigona und das Leben. Begleitet wurden wir von der Performance eines seinen Geburtstag mit einer Bühneshow feiernden Hobby-Gitarristen - ein herrliches und mir bis heute erinnerliches Erlebnis. Ich vertschüßte mich dann so gegen 10, während Reetta noch blieb. Was auch noch blieb,war der Eindruck von einer starken, selbstbestimmten Frau und ein sehr lebendiges Gefühl, zuhause angekommen zu sein. Letzteres verdrängte ich über Nacht wieder und ernüchtert schritt ich am nächsten Morgen ans (All-)Tag(s)werk. Für mich war es zu diesem Zeitpunkt nicnt vorstellbar, mein bisheriges Leben aufzugeben, weil das ja bedeutet hätte, zuzugeben, dass ich mich auf allen Ebenen verrannt hatte, fern jeglichen Maßes, das mir entspricht. Nun, das Leben hat Reetta und mich in zwei weiteren Etappen dann doch zusammengeführt. Und auf den Tag genau sieben Monate nach dieser ersten Begegnung haben wir geheiratet. Happy end, nein happy beginning für die gemeinsame Fahrt aus dem Hafen der Ehe aufs wildbwegte Meer des Lebens. Und wir lernen weiterhin täglich dazu, wie wir diese, unsere Fahrt mit den drei Jungs, die mit uns unterwegs sind, gestalten können, ohne Schiffbruch zu erleiden. Eine pure Herausforderung, die es notwendig macht, das Verständnis von Fehlern endgültig neu zu definieren: sie sind nicht das Zu-Vermeidende, wie wir es in der Schule gelernt haben, sondern die Basis der Weiterentwicklung, wie es das Leben lehrt. Möglichkeiten dazu haben wir zuhauf! Also: Schiff ahoi! Schwere Abend-Kost für Reetta und mich - in drei Portionen, also an drei Abenden, haben wir uns die insgesamt sechs Teile der ARD-Serie "Die Stadt und die Macht" einverleibt. Die Mischung aus Familien- und Beziehungsdrama sowie Politthriller war aus meiner/unserer Sicht gut gelungen.
Für mich, der ich sowohl politisch interessiert, als auch engagiert bin, war die Story einmal mehr die Warnung vor dem falschen Maß. Für mich ist eine Laufbahn als Politiker, obwohl mir das immer wieder der eine oder andere Mensch in meinem Umfeld zutrauen oder zumuten würden, dezidiert ausgeschlossen. Mein Maß ist das möglichst authentische Leben und die Wirkung in meinem direkten Umfeld. Wenn sich da dann jemand angesprochen fühlt und es auch so macht, na bitte. Und wenn daraus eine Bewegung wird, wunderbar! Das nenn' ich dann organisches Wachstum. Vielleicht wird sich ja das politische Handeln auch einmal so entwickeln, dass es dem natürlichen Leben entspricht. Dann werde ich meine Verantwortung - so wie jedeR andere - in einem solchen "System" übernehmen. Aber dafür ist die Zeit längst noch nicht reif. Ich bin ein konsens- und - aufgrund meiner Supervsionsausbildung auf integrativer Basis, also auf Basis der humanistischen Psychologie - prozessorientierter Mensch, der die Ressourcen jedes Einzelnen wecken und fördern will. Im Film aber wurde deutlich das derzeitige Machtgefüge dargestellt, dass sich höchstens an Kompromissen orientiert und ansonsten versucht, das Maximum nicht das Optimum zu erreichen. Da gibt es auch keine Rücksicht auf das Persönliche, das aber ein wesentlicher Aspekt des Menschseins ist. Wie gesagt - nix für mich! Nun zu den schauspielerischen Leistungen: Von Anna Loos war ich überrascht, so habe ich sie noch nicht erlebt und eine solche Performance habe ich ihr auch nicht zugetraut. Der Rest des Ensembles hat eine starke Leistung gebracht - wie auch nicht anders zu erwarten. Aber einer ist dann doch noch ganz eklatant hervorgestochen: Martin Brambach. Ein Wahnsinn, was er da geleistet hat. Zuerst habe ich ihn vor vielen Jahren als Apotheker in der ARTE-Serien "KDD" wahrgenommen, seither in einer Fülle an Filmen erlebt. Zwei Interviews, um den Mann besser kennen zu lernen, seien meinen LeserInnen ans Herz gelegt: eines aus dem Jahr 2011 im KURIER und das andere vor kurzem in der FAZ. Ich jedenfalls habe mich bisher an jeder seiner Darstellung gefreut, aber sein Auftritt als "Spin doctor" in dieser ARD-Serien war - bis jetzt - die Rolle seines Lebens. Also zusammenfassend: nicht entgehen lassen (ist noch bis 11.2. in der ARD-Mediathek zu sehen), ganz heiße Empfehlung! "The only other sound’s the sweep Kein Abend, nein, ein Sonntagmorgen. Dass ich mir vor einigen Wochen meinen kleinen, feinen Schreibtisch hier ans Fenster hinter unserer Loggia gestellt hat, bewährt sich mehr und mehr. Nun ist es mir möglich, meinen Blick immer wieder nach Draußen zu richten, in die Natur, direkt vor diesem Fenster. Und dieser Blick animiert mich, mir auch mal mehr Natur zu "geben, dann wechsle ich von Zeit zu Zeit ins Wohnzimmer und habe durch unseren "Triptychon-Fernseher" - das dreiteilige Fenster - den noch weiteren Blick ins Grün. Dieses Grün ist heute aber durchwegs ein Weiß.
Gleich ist mir Robert Frost eingefallen, sein Gedicht "Stopping by Woods on a Snowy Evenening" und dazu interessanter Weise jene deutsche Übertragung, die bei "downy flake" von "leichter Flocke" spricht. Auch ich habe einmal den Versuch gestartet, dieses Gedicht ins Deutsche zu übersetzen. Bei mir ist daraus die "daunenleichte Flocke" geworden. Na ja, zufrieden stellt mich das nicht. Ich habe seither keinen neuen Versuch unternommen, die Übersetzung von Lyrik hat ihre eigenen Gesetze und Regeln. Damit möchte ich mich aber unbedingt einmal befassen. So sitze ich also hier an meinem Schreibtisch, den Blick abwechselnd auf das Display meines Laptops und den sanft fallenden Schnee draußen gerichtet und versuche mich im Texten ... Nö, texten kann ich später auch noch. Jetzt lad' ich unseren Jüngsten zu einem Schneespaziergang an den Wienfluss und den Halterbach ein. Und mach mir damit selbst auch eine Freude! |
Hinweis:
Meine Meinung zu aktuellen Themen habe ich bis 1.9.2015 im Blog "Mein Senf zu allem" veröffentlicht. Seither habe ich sie auf dieser Seite in meine Tagebucheinträge integriert.
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Juli 2019
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