Premiere für mein neues Format im Rahmen meiner Tagebucheintragungen: ich werde wöchentlich in einem "Septiarium" - in Anlehnung an den lateinischen und im Deutschen bereits veralteten Begriff "Diarium" - sehr persönlich über ausgewählte, vor allem politische und persönliche Ereignisse und Erfahrungen der letzten sieben Tage berichten.
Wie anders als mit dem Refrain aus dem Kometenlied aus dem Lumpazivagabundus des genialen Johann Nestroy lässt sich die derzeitige Weltlage in Kürze zusammenfassen. Aber ist es wirklich schon so schlimm? Gerade als ich mich an die Arbeit machte, diese Zeilen zu schreiben, kam über orf.at die Eilmeldung herein, dass Kampfflugzeuge sechs Orte in der Provinz Aleppo angegriffen hätten.Dies wurde sowohl von Regimegegnern als auch von der oppositionsnahen Beobachtungsstelle für Menschenrechte bestätigt. In den Stunden danach meldete sich auch das russische Koordinationszentrum zu Wort, um bekannt zu geben, dass die Waffenruhe in den vergangenen 24 Stunden insgesamt neunmal gebrochen worden wäre. Ansonsten aber, würde sie doch eingehalten. Seit Samstag also gilt das Ruhen der Kämpfe in Syrien, davor haben sich alle Beteiligten nochmals redlich bemüht, Vorteile für sich heraus zu holen. Das ist einer der unerträglichen Zynismen des Krieges. Wie die Wiener Zeitung in ihrer Wochenendausgabe titelte haben die dortigen Kampfhandlungen, die vor 1808 Tagen begonnen haben, 1,9 Millionen Verwundete und 470.000 Tote gefordert, insgesamt sind dadurch 10,8 Millionen Menschen zur Flucht gezwungen worden. "...und nun?" lautet die mehr als berechtigte Schlagzeile. Österreich bekleckert sich in Sachen Kriegsvertriebene derzeit nicht gerade mit Ruhm. Die innenministerin und der Verteidigungs- sowie der Außenminister bilden diesbezüglich ein "kongeniales" Trio, das vom Bundeskanzler nach Kräften unterstützt wird. Da dürfen sich die anderen Regierungsmitglieder entspannt zurücklehnen und diesen Herrschaften die Drecksarbeit überlassen. Und mit Dreck wird diesbezüglich wahrlich nicht gespart. Unter dem Motto "Managing Migration Together" wurden diese Woche bei einer Konferenz mit den Balkanländern wir alle, vor allem aber die Griechen nach Strich und Faden verarscht, im Besonderen die direkt Betroffenen, die um Leib und Leben rennen. Seit dem duelliert sich Bundeskanzler Faymann mit dem griechischen Regierungschef, dem er Reisebüro-Mentalität unterstellt. Die Innenminitserin wurde von der griechischen Regierung dieser Tage quasi mit Einreiseverbot belegt und orf.at titelte heute völlig entgegen einer realistischen Einschätzung: "Festsitzende Flüchtlinge: Athen immer mehr unter Druck". Unter Druck sind meiner Ansicht nach in erster Linie die Vertriebenen und Fliehenden, die haben offenbar ihre Existenzberechtigung verloren. Unter Druck gesetzt sollten sich auch alle Regierungen der EU fühlen, wenn sie an die menschliche Katastrophe denken, die sie mit ihrem Kasteldenken verursachen. Wer von Flüchtlingskrise spricht, der lügt, es ist vielmehr eine Krise der EU und ihrer nationalstaatlich denkenden Länderregierungen. Das großmundig angekündigte "Migrations-Management" muss anders aussehen. Zumal eine Gemeinschaft von 500 Millionen Menschen bei gutem Willen locker eine Lösung für die Integration von mehreren Millionen Schutzsuchenden finden kann. Stattdessen aktivieren die Länder ihre Verteidigungslinien, um den Schutz der eigenen Bevölkerung zu garantieren. Österreich hat dazu laut Kurier jene Spezialtruppe an die Südgrenze nach Spielfeld entsandt, die sich auch im Kosovo bei der Niederschlagung von Volksaufständen bewährt hat. Zudem wurden Panzer vor Ort gebracht. Auf diese Weise schürt man Bürgerkriege, die Opfer nochmals zu Opfern machen. Zudem hat man jene Situation mitverursacht, die zu Krieg und Flucht geführt hat oder man hofiert Diktatoren und Machthabern, die ihr Volk unterdrücken; alles natürlich zum Wohl des eigenen Volkes: Die Wirtschaft muss brummen und mit ihr die wirtschaftlichen Beziehungen, egal mit wem. Hauptsache der Rubel rollt. In diesen Wirren feierte ich am vergangenen Dienstag meinen 50. Geburtstag und veröffentlichte mein Plädoyer für das Leben mit dem Titel "Freiheit! Auf gutem Grund!". Es ist eine Aufforderung an alle, sich auf die eigenen Haxen zu stellen und an vielen kleinen Orten viele kleine Dinge zu tun, um so das Angesicht der Welt zu ändern. Sich die eigene Freiheit bewahren oder aber erkämpfen ist eine unbedingte Not-wendigkeit in Zeiten wie diesen. Wenn sie auf gutem Grund steht, dann braucht es all die von den Regierenden derzeit beschlossenen Sicherheitsmaßnahmen zum Schutz der Bevölkerung nicht. Und mit einer solchen Freiheit befindet man sich auch auf gutem, also sicherem Grund. That's it! Also lesen und tun! Erschreckt hat mich ein Bericht im Schweizer Fernsehen über ein dunkles Kapitel der Schweizer Geschichte: bis 1981 wurden tausende Menschen in Straf- und Erziehungsanstalten eingewiesen ohne je eine Straftat begangen zu haben. Durch sogenannte Versorgungsgesetze wurden seit 1860 die Grundrechte vor allem der Unterschricht außer Kraft gesetzt. Die Aufarbeitung dieses Skandales hat eben begonnen. Um noch in der Schweiz zu bleiben: die von der SVP ins Leben gerufene Volksinitiative zur Verschärfung von Bestimmung zur Ausweisung von straffällig gewordenen Ausländern hat am heutigen Sonntag keine Mehrheit bekommen. Immerhin. Dennoch gilt auch sie als eine der vielen Nadelstiche einer wachsenden Zahl an EU-BürgerInnen, die sich gegen die geltenden Menschenrechte stellen. "All animals are equal bute some are more equal than the others.", sagte schon George Orwell in seiner "Animal Farm". Wie recht er doch hatte. Und wer dazu gehört bestimmen natürlich die, die an der Macht sind. Am Rande sei noch erwähnt, dass die USA auf ein Präsidentschaftswahlduell zwischen Hillary Clinton und Donald Trump zusteuern. Für mich eine Wahl zwischen Pest und Cholera. Beachtlich zwar die Leistung von Bernie Sanders, aber er wird sich mit seinen menschlichen Ideen für ein neues Amerika weder bei den Demokraten durchsetzen, noch würde er das in einem Präsidentschaftswahlkampf gegen seinen Kontrahenten. Irgendwie ist es ihm persönlich zu wünschen, dass ihm das erspart bleibt. Zumal auch der jetzige Präsident schnell im Strudel der Macht verloren war - für sich und die Welt. Auch ein anderer Präsident hat sich darin verloren: Josef Blatter ist seit Freitag als Boss des Weltfußballverbandes FIFA Geschichte. Ob sein Nachfolger Gianni Infantino, ebenfalls Schweizer, das Amt anders anlegt ist ob der Strukturen dieser Männergesellschaft schwer in Zweifel zu ziehen. Wo sind die Zeiten hin, als Fußball noch Spaß machte und Geld noch keine Rolle spielte. Auch in diesem Bereich sind die Trends der Zeit ablesbar. Wir steuern fröhlich in den Untergang! Der Komet kommt! Und wie lässt Nestroy das seinen Knierim sagen: "Wenn auch ’s meiste verkehrt wird, bald drent und bald drüb’n, Ihre Güte ist stets unverändert geblieb´n; Drum sag’ i, aus sein’ Gleis’ wird erst dann alles flieg’n, Wenn Sie Ihre Nachsicht und Huld uns entzieh’n. Da wurd’ ein’ erst recht angst und bang, denn dann stund’ d’Welt g’wiß nicht mehr lang." Wie recht er doch hat. Wenn Vorsicht, Härte und Hartherzigkeit die Oberhand gewinnen - worin sie mit unser aller Hilfe schon sehr weit gekommen sind - dann steht die Welt gewiss nicht mehr lang. Die Menschheit hätte dann wirklich endgültig ihre Existenzberechtigung verloren ...
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14 Tage ist es schon her, dass ich hier meinen letzten Tagebucheintrag gemacht habe.
Wahnsinn, mir kommt's einerseits vor, als wäre das erst gestern gewesen und andererseits hat sich in diesen beiden Wochen ein Gutteil meines Lebens komprimiert - also scheint es mir, als wären Jahre wenn nicht Jahrzente vergangen. Wie ich an anderer Stelle bereits geschrieben habe, hatte ich schon seit Wochen das Gefühl, dass die Zeit vor meinem Fünfziger eine andere Dynamik entfaltet als meine Lebenszeit es für gewöhnlich tut. Nun hat sich offenbar in den Tagen vor und nach dem großen Fest alles nochmals "dynamisiert". Lebensthemen meldeten sich zurück, die offenbar noch nicht bewältigt sind, neue Herausforderungen stellten sich ein und meist war es ein Mix aus beidem - was die Sache kniffliger machte. Ich musste zur Kenntnis nehmen, dass deren Bearbeitung und Bewältigung keine Frage des Alters, sicher aber keine Frage eines Geburtstages - und sei er auch noch so rund - ist. Also bin ich im Moment hin und her gerissen und am Finden des richtigen Weges durch diese Stürme meines Lebens. Eine wunderbare Auszeit aber, eine Oase der Stille, das Auge des Orkans gleichsam, waren die Stunden im Wiener Bücherschmaus, wo ich mit zahlreichen Gästen und im Kreise meiner Liebsten im Rahmen einer Lesung mein Geburtstagsfest feiern durfte. Wie mir zahlreiche E-Mail-Zuschriften sowie die Kommentare zum Posting von drei Fotos auf meiner Facebookseite nach dem Fest zeigten, war es nicht nur für mich ein stimmungsvoller und stimmiger Event. Große Freude hatte ich nicht nur mit den Reaktionen auf meine Texte, die ich für diesen Abend ausgewählt hatte, sondern auch mit den zahlreichen Geschenken, für die ich mich bei jedem der Gratulierenden schon persönlich bedankt habe. Sie alle trafen damit ins Schwarze! Um dem Motto meiner Feier "Freiheit! Auf gutem Grund" Rechnung zu tragen, habe ich einen Text zum Thema verfasst, der in voller Länge als "Cahier d'exercices No. 1" ab sofort sowohl als Druckwerk als auch als E-Book erhältlich ist. Ich wünsche diesem Werk viele, viele LeserInnen und dadurch motivierte Menschen, die jedeR am passenden Ort mit vielen kleinen Aktivitäten das Angesicht der Welt verändern! Damit wäre auch meinem größten Geburtagswunsch Rechnung getragen. Die Welt darf nicht schon wieder tanzend in den Untergang torkeln ... Lang, lang ist's her, dass ich mich mit dem Unterschied zwischen Arbeit und Erwerbsarbeit zu beschäftigen begonnen habe. Das war in meiner jugendlich-politischen Phase, als ich in den Zwanzigern meines Lebens zuerst 4 Jahre als freigestellter Betriebsrat einer großen österreichischen Bank und dann knappe zwei Jahre als Geschäftsführer einer österreichweiten Familienorganisation ge-arbeit-et habe.
In der ersten Tätigkeit hatte ich ganz viel Kontakt mit GewerkschafterInnen aller Couleurs und begriff, wie wichtig Erwerbsarbeit für alle Menschen wäre, weil sie finanziell unabhängig mache. In der späteren Beschäftigung war es der von mir vertretenen Organisation ein Anliegen, die unbezahlte Hausarbeit, die damals noch viel mehr Frauen und Mütter leisteten, mit einer angemessenen Bezahlung auszustatten um ihrer wirklichen Bedeutung gerecht zu werden und ihr einen angemessenen Wert zu geben. Diese beiden Sichtweisen wurden und werden heute nach wie vor gegeneinander gestellt - zum Schaden des Ganzen wie ich denke. Für mich jedenfalls begann damit die Zeit, mich mit "Beschäftigung" zu beschäftigen, mit dem Wert des Lebens, mit der Existenzberechtigung, die man sich erst verdienen muss und dem bedingungslosen Grundeinkommen. Ich studierte Fromms Essay, der kongenial bereits vor fünfzig Jahren darstellte, dass die Angst vor einem Basiseinkommen, das an keine Bedingungen geknüpft ist, völlig überzogen ist. Jeder psychisch und physisch gesunde Mensch ist in der Lage sich sinnvoll und gemeinschaftsfördernd zu beschäftigen, in dem er seine Talente und Fähigkeiten der Allgemeinheit zur Verfügung stellt und dabei selbst eine Freude hat. Gut, die Bedingungen haben sich insoferne verändert, als wir heute davon ausgehen müssen, dass immer mehr Menschen psychisch und physisch nicht mehr in der Lage sind, zu arbeiten. Vielleicht aber wären sie es, wenn sie das ihre machen könnten und sich nicht mehr als Opfer eines entlarvend bezeichneten Arbeitsmarktes sehen würden? Oder sind sie schon im Teufelskreis gefangen, dass Erkrankung durch Beschäftigung und daraus folgende Beschäftigungslosigkeit sie nicht mehr auf die Beine kommen lässt, auch weil sie den Zugang zu dem verloren (oder vielleicht sogar niemals entdekct haben), was in ihnen steckt? Das unselige Motto "Arbeit macht frei", das uns in den Kopf geschissen wurde bzw, das wir uns bereitwillig hineinscheißen haben lassen (wie die Minions in meinem letzten Blogbeitrag), hat sich - egal von welcher Seite und mit welchen Worten es propagiert wurde - als Lüge entpuppt. Darauf verweist auch die derzeit auf ARTE laufende 6-teilige Miniserie "Trepalium", deren deutscher Titel verharmlosend "Stadt ohne Namen" lautet. Hier wird eine fiktive Stadt der Zukunft gezeigt, in der die 80% Arbeitslosen, hier "Untätige" genannt", hinter einer Mauer in Verslummung und Elend leben. Die "Aktiven" hingegen leben in einer glatt-gestriegelten Welt, in der sie sich dem Zwang zur Arbeit unterwerfen, immer in Gefahr bei Nichtfunktionieren hinter die Mauer verbannt zu werden. Da der Arbeitsminister (und Gatte der Premierministerin) von Rebellen entführt wurde, ist die Regierungschefin bereit, deren Forderung durch die Anstellung von 10.000 Untätigen zu erfüllen. Diese sogenannten "Solidarischen" werden nun für ihr Dasein im jeweils einem Haushalt der Aktiven (wo sie aber nicht anerkannt und weiterhin meist untätig, aber zumindest geldverdienend ihre Tage verbringen). Ich möchte hier nicht zu viel verraten, das muss man selbst gesehen haben. Die Story nimmt schnell Fahrt auf, man kann sich dem Geschehen schwer entziehen und kriegt das Gefühl, dass diese Dystopie gar nicht mehr so fern ist. Im Film wurde darauf verwiesen, dass das französische Wort "travail" (Arbeit) von "Trepalium", einem antiken Folterinstrument, stammt. Meine Recherche dazu hat diesen ethymologische Ursprung zwar bestätigt, aber konnte mir nicht erklären, wie dieser Zusammenhang entstanden ist. Wer hat das Wort zum ersten Mal ausgeprochen, wer hat es in die Welt gesetzt. Hat es einen Bedeutungswandel erfahren? Was gilt? Dass erzwungene Arbeit immer Folter ist, dass Arbeit ünter folterähnlichen Arbeitsbedingungen stattfindet oder bleibt nur die metaphorische Bedetung, als die die Hedonisten Arbeit immer verstehen? Abschließend möchte ich noch festhalten, dass für mich Fromms Utopie einen Lösungsansatz für die Dystopie "Trepaliums" darstellt. Aus meiner Sicht ist es dringend not-wendig hier schon jetzt konkrete Übergangsmaßnahmen in Gang zu setzen als - typisch menschlich unmenschlich - erst in der Akutphase zu handeln; wobei dann der Handlungsspielraum wesentlich begrenzter sein wird. Damit Arbeit wirklich frei macht, braucht es eine Anerkennung der Beschäftigung, die aus jeder und jedem Einzelnen aufgrund der jeweiligen Potentiale, Talente und Fähigkeiten entspringt. Und diese Potentialentdeckung und -entwicklung ist ein lebenslanger Prozess, der von allen professionell und liebevoll begleitet werden sollte, die mit jungen Menschen "unterwegs" sind. Gestern hat eine Facebook-Freundin eine Grafik in ihrer Chronik gepostet, in dem unter dem Titel "Meaning of Facebook logo" mehrere blaue menschenähnliche Figuren, den Kopf in der Krümmung des FB-Logos nach vorne geneigt mit Blick auf ihr Handy bzw. Tablet, das sie im Winkel des FB-F-Striches vor sich hertragen, abgebildet sind.
Beeindruckend einfache Darstellung, bedrückend aufschreckende Aussage - zumindest aus meiner Sicht. Meine Assoziation: "blue bent minions". Und welcheR bin ich? Das Thema Abhängigkeit, Untertanentum und Sklaverei hat mich in den letzten Wochen wieder intensiver beschäftigt. Angefangen hat alles mit unserem Jüngsten, der in einem Laden eine dieser schon seit Monaten angebotenen Minions-Stofffiguren entdeckt hat und sogleich einen Kaufauftrag erteilte. Nun sollte er - genauso wie seine Brüder - längst wissen, dass Aufträge dieser Art - und seien sie auch noch so charmant vorgebracht - keine Chance auf Erfolg haben. Also gab es auch diesmal ein klares "Nein". Er bechäftigte sich dann noch eine Zeit mit den verschiedenen dort liegenden "Modellen" von Minions, während ich meine Einkäufe beendete. Wir verließen das Geschäft ohne Minion aber mit einem Thema, das die ganze Familie noch ein Wochenende lang beschäftigte. Mir war zu allererst wichtig zu erfahren, worum es im Film von den Minions ging. Auskunftsperson war diesbezüglich unser Mittlerer, der ist immer auf dem neuesten Stand, weil er in solchen Angelegenheiten Kommunikation mit seinen KollegInnen in Schule und Hort pflegt. So erfuhren wir, dass diese "drolligen" Wesen einem "Chef" ohne Wenn und Aber zu folgen hatten und bei gehorsamer Pflichterfüllung als Lohn jede Menge Bananen bekommen. Einfach g'strickt und höchst effizient. Alle wollen Minions sein. Ein großer Lebensmittelkonzern bietet seit geraumer Zeit auch "Überbackene Minions" (in unserer Sprache: Ofen-Gnocchi mit Mozzarella) an, dafür wurde bis vor kurzem auch in Großplakaten geworden. Alle wollen also Minions sein. Der Mittlere hätte nichts dagegen, der Kleine findet's doof und der Große steht drüber. So unterschiedlich können die jungen Menschen einer Familie sein ... Aber zurück zu unserer reflektierenden Wochened-Diskussion über Untertanen-Mentalität. Meine Frau und ich sind diesbezüglich wirklich Spaßbremsen, aber das ganz bewusst, denn wo sich der Spaß aufhört, da hat er aufzuhören! In vielen Gesprächen, hauptsächlich während unserer bzw. im Anschluss an unsere Mahlzeiten, erarbeiteten wir im Dialog verschiedene Sichtweisen auf's Thema. Wir erläuterten Verhaltensweisen und ihre Folgen und kamen zu tollen Erkenntnissen. In den Abendstunden hatten Reetta und ich dann, als unsere Jungs schon schliefen, noch die Gelegenheit unseres eigene Minions-Mentalität zu hinterfragen. Bekanntlich - um es mit Alice Miller zu sagen - lernt unser Nachwuchs ja nicht durch unsere Worte sondern unser Vorbild. Wer also ständig predigt zieht Prediger groß und keine "guten" Menschen. Wir erkannten, dass es auch in unserem Verhalten mehr als genug von dieser Unterwürfigkeit oder dem einen oder anderen Opfer-Dasein (Opfer der Umstände, Opfer dieses oder jener, ...) gibt. Kein gutes Vorbild also für unsere Söhne. Daran arbeiten wir nun, um die Freiräume zu erkennen, die wir in jeder Situation haben und unsere Ohnmacht in Macht zum Machen zu verwandeln. Da fällt mir abschließend noch Viktor Frankl ein, der während und aufgrund seiner Erfahrungen im Nazi-KZ eine befreiende Weltsicht entwickelt hat. Jeder Mensch ist demnach in der Lage, auch unter inhumansten Bedingungen einen Sinn im Leben zu sehen, trotzdem Ja zum Leben zu sagen und einen Willen zum Sinn zu entwickeln. Ihm gelang dies, in dem er an Vorträge und Vorlesungen dachte, die er halten würde, wenn er hier raus wäre. Wenn jemand oder etwas auf einen wartet, hat man demnach wesentlich bessere Überlebenschancen. Sein Motto: "Ihr könnt mir alles antun, aber ihr habt nie in der Hand, wie ich darauf reagiere!" Der Mensch ist zwar nie frei von seinen Bedingungen, aber frei zu seinen Bedingungen Stellung zu nehmen. Das, ihr scheinbar Mächtigen, das ist die wahre Macht! Yanis Varoufakis musste gleich am Tag nach der Präsentation seiner Demokratisierungs-Initiative DiEM25 Prügel einstecken, weil er freimütig und wahrheitsgemäß gesagt hatte, dass ein Scheitern möglich wäre und man dann etwas anderes probieren würde, etwa in den Untergrund gehen ...
So tickt unsere europäische Zivilisation. Wir haben keine Fehlerkultur und schon gar keine Kultur des Scheiterns. Schon in der Schule lernen wir -meist aber schon davor von unseren Eltern, die das ebenfalls in der Schule oder von ihren Eltern gelernt haben -, dass Fehler machen "Pfui" ist. Diese Kultur der Fehlervermeidung führt dazu, dass wir nur dann etwas sagen, wenn es hundertprozentig "bewiesen" ist oder uns sonst ruhig und angepasst verhalten. Oft bekommen die SchülerInnen die guten Noten, die einfach tun und nur ja nichts fragen, könnte ja als Unwissen oder gar Blödheit interpretiert werden, im schlimmsten Fall sogar als LehrerInnen-Verarschung und Renitenz. Bloß so kommt die Welt nicht weiter. Alle großen Entwicklungen sind durch das Prinzip des "Aus-Fehlern-Lernens" entstanden. Oder wie sagte es Samuel Beckett so schön: "Ever tried. Ever failed. No matter. Try Again. Fail again. Fail better." Nur durch diese Einstellung lässt sich die Welt verändern. Aber das muss man trainieren, das ist echt harte Arbeit, weil es einem ja - ich sage mal - schon von Geburt an abgewöhnt wird. Daraus resultiert auch der katastrophale Umgang unserer Gesellschaft mit dem Scheitern. Im Normalfall landest du vor dem Konkursrichter, musst dich in aller Öffentlichkeit rechtfertigen und im schlimmsten Fall ein Leben lang deine Schulden begleichen. Schulden und Schuld - eine unliebsame und krankmachende Verbindung mit ihrer Wurzel in einem völlig entfremdeten Christentum. Wo bleibt das jüdische Jobeljahr, demgemäß man alle 7 Jahren frei wurde und neu anfangen konnte! Ich wünsch uns allen mehr von dieser wahrhaftigen Stimmung, die in Yanis Varoufakis Rede mitschwang. Mehr Achtung und Achtsamkeit im Umgang miteinander ist dringend angebracht, mag man nicht auch noch die letzten Keime bahnbrechender Ideen und zukunftsträchtiger Projekte brutal zertreten. Daher nochmals zum Einprägen Beckett: "Ever tried. Ever failed. No matter. Try Again. Fail again. Fail better." Es begann wie es beginnen musste im Zeitalter der visuellen Medien: das Video mit der Musik von Eno brachte es knackig auf den Punkt, was Democracy in Europe Movement, kurz DiEM 25, innerhalb der nächsten 10 Jahre stemmen will, nämlich nichts weniger als die Demokratisierung Europas. Dazu passend auch der Slogan der Bewegung: “The European Union will bei democratised. Or it will disintegrate.”
Anfangs hielt das Aushängeschild der Bewegung, der ehemalige griechische Finanzminister und “Wirtschafts-Rockstar” Yanis Varoufakis eine Grundsatzrede über Beweggründe, Ziele und erste Schritte der Initiative. DiEM 25 möchte der Vernetzung verschiedenster Graswurzelbewegungen, die nicht zwingenderweise aus der linken Ecke des politischen Spektrums stammen müssen, Struktur und Rahmen, vor allem aber Vernetzung bieten. Basierend auf dem auf der Homepage abrufbaren Manifest sollen all jene, die sich mit diesen Grundsätzen identifizieren können, an allen Ecken und Ende Europas am Aufbau einer paneuropäischen Vereinigung mittun. Dazu wird in Kürze auch eine eigens kreierte App zur Verfügung stehen, betonte Varoufakis. Das erste Ziel, das er ausgab, war: Ab heute, dem 10.2.16 das Livestreaming aller Sitzungen der europäischen Institutionen zu fordern und die Veröffentlichung der Protokolle dieser Sitzungen. Wenn dies nicht geschehe, so Varoufakis, dann müssten die, die wir bezahlen und die wir gewählt haben, erklären, warum sie dies nicht tun. Mehrmals betonte er wie wichtig ihm die Rückkehr des “Demos”, also des Volkes, in die Demokratie sei. Warum er sich das antue, beantwortete er so: damit er der nächsten und übernächsten Generation in die Augen schauen könne und ihnen sagen könne, er habe die Probleme erkannt und sein bestes getan, die Welt zu verändern. Er war bemüht, sich nicht in die Rolle des Messias oder Anführers zu begeben, denn das hätte das von ihm selbst ausgerufene “Bottom-up” konterkariert. Daher kamen dann in weiteren Reden über drei Stunden lang verschiedene Perspektiven der Demokratisierung Europas unter dem Motto “unity in diversity” zur Sprache. Starken Eindruck hinterließen bei mir Parlamentsabgeordnete Caroline Lucas von den britischen Grünen und der spanische Europaparlamentarier Miguel Urbán Crespo von Podemos. Sie hatten auch den Vorteil, dass sie in ihren Muttersprachen redeten und daher sehr authentisch rüberkamen. Dann kam auch noch Julian Assange zu Wort, der per Videostream aus der ecuadorianischen Botschaft live zugeschaltet wurde. Das und seine Worte führten zu großen Beifallskundgebungen im Publikum, wobei er inhaltlich nichts Neues sagte. Brilliant wie immer aber Slavoj Zizek, auch er mit einer Videobotschaft und den ihm eigenen stets interessanten philosophischen und grundlegenden Ausführungen. Abschließend lud Varoufakis noch zu Fragen ein, was dazu führte, dass er von einem Griechen gleich einmal massiv angegriffen wurde. Dieser machte ihn für die Zahlungsverkehrsbeschränkungen verantwortlich, womit er keine Bezüge mehr aus Griechenland bekäme. Varoufakis konterte, in dem er die Verantwortung dafür den europäischen Institutionen übertrug, womit er zwar zweifellos recht hatte, aber seinen Landsmann nicht wirklich beruhigen konnte. Das wird sicher noch eine der harmloseren Formen des Widerstandes gegen eine Bewegung sein, die keinen Stein auf dem anderen lassen will. Mit stärkerem Gegenwind jedenfalls ist zu rechnen. Und der kommt durchaus auch aus jenen Reihen, die DiEM 25 einen will. Gesine Schwan machte es als erste öffentlich, als sie zwar Varoufakis’ Analyse der Situation bestätigte, aber Gegenpositionen zur seinen Lösungsstrategien einnahm. Auch dauerte es lange, bis sich aus dem Publikum Menschen fanden, um den Weg zu den drei Mikrofonen auf sich zu nehmen, um Fragen ans Podium zu stellen. Das, was die meisten verunsicherte war wohl der Ansatz, dass sie aufgerufen sind, selbst aktiv zu werden, um das Manifest in die Welt zu bringen. Da steht keiner vorne, und sagt wo’s lang geht. Denn die Menschen wünschen sich in Zeiten wie diesen nichts sehnlicher als den Messias, den König, den Führer, der dem Volk die Verantwortung abnimmt und den Weg weist. Fällt er, muss man nicht über eigene Fehler nachdenken und kann locker kritisieren. Ist er erfolgreich rühmt man sich, Teil seines Reiches zu sein. Obwohl des öfteren die französische Revolution beschworen wurde, blieb fraglich, ob die Initiative dort ankommt, wo sie sich verorten möchte, nämlich in der breiten Masse. Der dafür notwendige Paradigmenwechsel ist im Bewusstsein dieser Menschen nämlich nicht einmal in Ansätzen vollzogen. Diese Art der Enttäuschung so mancher Menschen im Publikum nahm Varoufakis gelassen hin, denn er ist keiner, der jemanden anderen täuschen will. Daher ist es auch gut, dass das von Anfang an klar ist. Ob die Bewegung also dennoch in Schwung kommt, werden die nächsten Wochen zeigen. Zu wünschen wäre es allemal, dass viele kleine Leute an vielen kleinen Orten viele kleine Dinge tun, um das Angesicht der Welt nachhaltig zu verändern, wie es die Xhosa in diesem bekannten Sprichwort sagen. Hier die Aufzeichnung zum "Nachschauen" und -hören! Ja, ich weiß, der Vorname von Herrn Willemse wird so gesprochen wie geschrieben. Dennoch erlaube ich mir in seinem Andenken dieses Wortspiel. Er selbst war ja ein wahrer Wortkünstler, dessen Texte man gebannt lesen oder hören musste. Nachrufe auf ihn gab es in den letzten Tagen schon genug, wie etwa den im Spiegel oder jenen in der Wiener Zeitung. Er wird mir, uns, dieser Welt fehlen - keine Frage!
Ich möchte nun noch eine Beobachtung anfügen, die mich immer betroffen machte, wenn ich Roger Willemsen am Werken sah, zuletzt gestern abend in der Aufzeichung seiner Lesung von "Hohes Haus" im österreischischen Parlament aus dem Jahr 2014. So sehr ich seinen Eifer bewunderte, so sehr ich seinem Brennen für das, was er machte, Respekt zollte, so sehr ich sein Hofnarren-Dasein schätzte, so nahm ich doch auch immer die Kehrseite seines Tuns wahr, das ihn wie ein Kerze von beiden Seiten brennen ließ und ihn manchmal, in ganz wenigen Augenblicken den Ausdruck des traurigen Clowns ins Gesicht zauberte, nur um in der nächsten Sekunde wieder sein schelmisches Lächeln aufzusetzen. Für mich ist das Aufzeigen von Missständen in der Form der Ironie und Satire, das kenne ich aus meiner eigenen Geschichte, immer auch eine persönliche Gratwanderung, die einen auch ganz schön einsam und krank machen kann, zerfressen sozusagen von dem, was man den anderen vor Augen führen will - ob soviel Mitgefühl und Empathie, die leicht ins Mitleid und die Trauer kippen kann. Und dann vergisst man oft auf sich selbst und die eigenen Gefühle, die eigene Wut, die eigene Traurigkeit. Nun kenne ich Roger Willemsen zu wenig, um zu wissen, wie es ihm damit gegangen ist, aber diese oben beschriebene Assoziation hatte ich oft, wenn ich ihn sah. Natürlich hat diese meine Projektion mehr mit mir selbst zu tun als mit ihm; sie gibt mir jedenfalls zu denken über die Art wie ich den anderen meinen Spiegel vorhalten will und mich dabei idealerweise selbst erkennen und weiter entwickeln kann. "Better to burn out than to fade away ", wird Kurt Cobain zitiert - vielleicht mag das in einer anderen Dimension auch für Roger Willemsen gegolten haben. Schade ist es allemal, dass er schon mit Sechzig gehen musste, denn ohne ihn spürt sich die Welt im Moment nicht mehr so richtig richtig an. In meinem Bericht über die feierlichen Feierlichkeiten des vergangenen Wochenendes habe ich doch glatt etwas vergessen. Na ja, es hätte dort wohl nicht wirklich dazugepasst. Als Kontrapunkt möglicherweise, aber ... ein eigener Beitrag dazu ist sicher sinnvoller.
Also: Samstagabend nahmen Reetta und ich die knapp dreistündige fiktive Verfilmung der Ereignisse um den angeblichen Selbstmord von Uwe Barschel im Jahr 1987 auf uns, die auf ARD ausgestrahlt wurde. Gestärkt von den Festivitäten trauten wir uns in jene Niederungen der Niedertracht, die PolitikerInnen aus Politik machen. Dennoch: es war wirklich schwer auszuhalten, was da geschildert wurde. Bevor ich die Inhalte weiter kommentiere noch etwas zum Formalen. Der Film hielt meiner Meinung nach gut die Balance zwischen den Sichtweisen, eingebracht durch die beiden Journalisten, die jeweils für die eine bzw. die andere Perspektive standen. Am Schluss kippte das Ganze zu Gunsten des Aufdeckers. Aber das ist für mich nur schlüssig, denn irgendetwas stimmt an den Ereignissen um den mutmaßlichen Selbstmord des ehemaligen Ministerpräsidenten von Schlesweig Holstein nicht. Und dies ist jedenfalls - auch heute noch - aufklärungsbedürftig. Womit ich am Titel dieses Blogbeitrages anschließen möchte: Das was PolitikerInnen aus der Politik machen ist das krasse Gegenteil von dem, was ich darunter verstehe. Vom griechischen Πολιτικά (politiká) stammend, bezeichnete der Begriff ursprünglich alle diejenigen Tätigkeiten, Gegenstände und Fragestellungen in den Stadtstaaaten (der Polis) des antiken Griechenland, die das Gemeinwesen betrafen. Auch heute noch wird sie im "Lexikon Politik" als "die die Regelung der Angelegenheiten eines Gemeinwesens durch verbindliche Entscheidungen" bezeichnet. (Lexikon Politik. Hundert Grundbegriffe. Reclam, Stuttgart 2009, S. 205-209). Tja - und diese Regelung der Abgelegenheiten bis hin zu verbindlichen Entscheidungen kann man ja auf ganz verschiedene Weise gestalten. Und hier beginnen die verschiedenen Perspektiven und eine Reihe von Missverständnissen. Im Film jedenfalls wird für mich stimmig dargestellt, wie PolitikerInnen Politik (miss-)verstehen, nämlich zur Durchsetzung der eigenen Interessen, die sie dann als verbindliche Entscheidungen für das Gemeinwesen, also uns alle, festlegen. Die "Sache des Volkes" (res publica) aber, der wir den Namen Republik verdanken, verstehe ich anders. An anderer Stelle habe ich schon davon geschrieben, dass einiger meiner FreundInnen und Bekannten mich gerne in der Politik sehen würden. Wenn ich aber daran denke, welchen Filz es da zu beseitigen gäbe, wird mir schon beim Hinschauen ganz schwindlig. Wenn ich dann noch daran denke, wie mein Leben, inklusive derer, die mir wichtig sind, bei diesem Versuch zu entfilzen, in den Dreck gezogen würden, schaudert's mich so, dass ich nur eine Entscheidung treffen kann: Ich lass es! Der Film hat mich in dieser, meiner Sichtweise bestätigt. Er hat mir eine schlechte Nacht bereitet, um am Morgen mit vielen Fragen zu erwachen. Eine der wesentlichsten war die: "Wie gestalte ich als mündiger Bürger dieses Gemeinwesen, unseren Staat, mit?" Die eine oder andere Idee dazu kommt mir jedenfalls - und eine Hoffnung keimt in mir ob der Gründung von DiEM auf, einer paneuropäischen Graswurzelbewegung, die morgen in Berlin von ihrem prominenten Proponenten namens Yanis Varoufakis auf der dortigen Volksbühne vorgestellt wird. Ich bin jedenfalls morgen abend ab 20.30 h per Livestream dabei, um mir ein Bild zu machen. Dann werde ich weitere Überlegungen anstellen, wie ich mich - in meinem Verständnis des Begriffes - politisch einbringen kann. In Österreich gibt es seit kurzem auch eine hoffnungsvolle Bewegung namens DemoS (Demokratische Soziale initiative), die gerade drauf und dran ist, ihr Manifest namens Österreich 3.0 (derzeit nur in der gleichnamigen Facebookgruppe zum Download zu haben) zu entwickeln und noch in diesem Jahr vorzustellen. Zum Bildungsteil des Konzepts habe ich das meine beigetragen, es war ein sehr wertschätzendes, konstruktives Arbeiten in einem Rahmen, der weit über das Bestehende hinausreicht und daher zukunftsträchtig ist. Mal sehen, wo es hingeht - und wo mein Platz dabei ist. Weil nur zuschauen und kommentieren möchte ich nicht, das bin ich nicht nur mir sondern vor allem meinen Kindern schuldig! Das war ein intensives Wochenende für unsere ganze Familie.
Am Freitag nachmittag nahmen wir bei uns zuhause Abschied von Reettas Vater Erkki. Mit dabei waren unter anderen auch seine beiden Schwager, die Zwillingsbrüder Eero und Jussi, die extra aus Finnland angereist waren. Es war eine feine Zeit, in der Erinnerungen ausgetauscht wurden, in der aber auch viel über die Gegenwart und Zukunft geplaudert wurde. Im Vordergrund jedenfalls stand das Leben, das wir Häppchen, Salade nicoise, Bier, gutem Wein und Runebergin (sprich: [rʉːnəbærj]) tortut. Letztere werden zu Ehren des finnlandschwedischen Schriftstellers Johan Ludvig Runeberg (sprich: [ˈjuːhan ˈlʊdvɪɡ ˈrʉːnəbærj]) anlässlich seines Geburtstages am 5. Februar gebacken und verspeist. Er gilt als Nationaldichter Finnlands, weil das erste Gedicht Vårt land („Unser Land“) aus seinem berühmtesten Werk Fänrik Ståls sägner („Fähnrich Stahl“), das in 35 Heldenballaden dem finnischen Krieg von 1808-1809 gewidmet ist, zur Nationalhymne Finnlands wurde. Der im Original schwedische Text wurde ins Finnische übertragen. Auch das zeigt die schicksalhafte Verbindung der beiden Nachbarländer und ihr bis heute nicht immer konfliktfreies Mit- bzw. Nebeneinander. Der Samstagnachmittag war dann dem Besuch eines lieben Freundes gewidmet, der seinen Geburtstag in "seinem" Wiener Bücherschmaus - dem literarischen Nahversorger" feierte. Damit hat er sich vor kurzem seinen Lebenstraum erfüllt, die Buchhandlung und ihr sozialer Hintergrund lege ich hiermit allen LeserInnen ans Herz. Was schenkt man einem Buchhändler? Natürlich ein Buch. Die sehr poetische Einladung Georgs assoziierte ich sofort mit Janosch's "Geburtstagsparty für den Tiger" und unsere Jungs waren sofort bereit ihr Exemplar als Geschenk für Georg zur Verfügung zu stellen. Es erschien uns unter anderem deswegen die beste Möglichkeit, weil wir es nicht bei der Konkurrenz kaufen wollten und auch nicht über den Bücherschmaus bestellen wollten. So griffen wir den Vorschlag unseres Jüngsten dankbar auf. Auch wenn das Buch schon zahlreiche Gebrauchsspuren aufweist, aber gerade deswegen ist es ja auch ein "wertvolles" Unikat. In netter Runde verbrachten wir dort mehr Zeit als geplant, die Jungs vertieften sich in die vielen Bücher, die ihnen geboten wurden, ebenso schmausten wir vom delikaten Büffet. Am Ende teilten wir noch die Geburtstagstorte, um uns so gestärkt auf den Weg nach Hause zu machen. Es ist wunderbar, solche Freunde zu haben! Der Sonntag bot dann gleich zwei Anlässe zu feiern. Zum einen startete das chinesische neue Jahr, zum anderen galt es den Faschingausklang zu feiern. Da wir beim Einkaufen am Samstag darauf vergessen hatten, unseren Plan chinesisch zu kochen zu berücksichtigen, aßen wir die von den Jungs bestellten selbstgemachten Hamburger. Aber als Nachtisch gab es dann ebenso selbstgemachte Glückskekse - natürlich mit Botschaft drin! Reetta musste die Feierlichkeiten während unserer Mittagspause kurz verlassen, da sie einen ihrer Sprachschüler in Finnisch zu unterweisen hatte, aber bei ihrer Rückkehr gegen 16 Uhr war die nächste "Sause" (vgl. Janosch, Riesenparty für den Tiger) schon im Gange. M.A. Numinen unterhielt uns per CD mit Schlagern der 20er-Jahre, die er natürlich ins Finnische übertragen hatte und mit seiner eigenwilligen Stimme interpretierte. Die Darbietung war jedenfalls dem Anlass höchst angemessen und brachte uns in fröhliche Stimmung. Zur Jause gab es dann selbstgemachten Kindersekt und selbstgekaufte Dinkel-Krapfen. Den Höhepunkt bildete das gemeinsame Anschauen von "Dinner for one", das unsere Jungs noch nie zuvor gesehen hatte. Wir mussten mehrmals unterbrechen, da vor allem der jüngste und der mittlere heftig Tränen lachten und eine Verschnaufpause brauchten, um dem Ganzen weiter folgen zu können. Die beiden waren zu diesem Zeitpunkt als Darth-Vader und Batman kostümiert, ein kongeniales Duo. Zuvor waren sie schon in andere Kostüme geschlüpft, waren Tigger (aus Pu-Bär), Räuber Hotzenplotz, Zauberer Petrosilius Zwackelmann und Günter Kastenfrosch, der eine Tigerente liebt. An diesem Abend fiel es niemandem von uns schwer ins Bett zu fallen und umgehend einzuschlafen! Lohn eines oder Tribut an ein feierliches Wochenende, das seinem Namen mehr als alle Ehre machte! Dieser Tage kann man in der Servus-TV-Mediathek das Video zu einem 1989 gedrehten Post-Western namens "Zwei Cheyenne auf dem Highway" sehen. Der Titel des Streifens schreckte mich zuerst reichlich ab. Im Lauf meiner Recherche für einen Film für unseren Fernsehabend wagte ich es dennoch mich mit ihm zu beschäftigen und stieß schon von der Beschreibung her auf ein kleines Juwel.
Tatsächlich stellte sich auch die Umsetzung der Story, vor allem durch die gute Performance von Gary Farmer, der einige Jahre später auch für seine Darstellung des Nobody in Jim Jarmusch's Dead Man ausgezeichnet wurde, als gelungen heraus. In einer kleinen, aber nicht unbedeutenden Nebenrolle ist Graham Greene zu sehen, der ein Jahr später in seiner Rolle als "Strampelnder Vogel" neben Kevin Kostner in "Der mit dem Wolf tanzt" brillierte. Hier spielt er einen indianischen Vietnam-Veteranen, eindrucksvoll erschreckend in diesen wenigen Augenblicken, die das Drehbuch ihm gibt. Insgesamt bietet der knapp 90-minütige Film einen Einblick in die Lebensverhältnisse der elementaren Bewohner Nordamerikas in den ihnen von der US-Regierung zur Verfügung gestellten Reservaten. Auch der Umgang mit dieser indigenen Bevölkerungsgruppe, die nunmehr eine Minderheit darstellt, wird pointiert präsentiert. Herausstreichen möchte ich auch die Identitätssuche auf die sich einer der beiden Protagonisten (nämlich der von Gary Farmer verkörperte Philbert Bono) während einer Reise mit seinem "Pony"(einem verrosteten Buick Wildcat) macht und die er letztlich erfolgreich bewältigt. Offen bleibt wie er dieses (wieder-)gewonnene Selbst in sein weiteres Leben integrieren wird und ob ihm dies dauerhaft gelingt. Das ist vielleicht auch eine der wenigen Schwächen des Films, dass er genau die Antwort auf diese Frage des Leben-Könnens von indigenen Wurzeln im Amerika der Gegenwart nicht gibt. Aber möglicherweise gibt es da auch keine Pauschal-Rezepte sondern nur die jeweils eigenen Lösungen. Insgesamt habe ich mich jedenfalls vom Thema, der Story und den Bildern berührt und durchaus auch aufgewühlt gefühlt. Für alle, denen nach mehr als nach einem "Rot-Weiß"-Western ist, sei der Film jedenfalls empfohlen. Insbesondere dann, wenn man sich mal auf die indiansche Perspektive einlassen möchte. |
Hinweis:
Meine Meinung zu aktuellen Themen habe ich bis 1.9.2015 im Blog "Mein Senf zu allem" veröffentlicht. Seither habe ich sie auf dieser Seite in meine Tagebucheinträge integriert.
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Juli 2019
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