Die WM-Tage ziehen sich schon. Mehr vom gleichen. Je älter ich werde, desto weniger interessieren mich diese Großereignise. Sicher auch deswegen, weil sie ihren Charakter verändert haben.
Das einzige, was mich dazu bewegt, Fußball zu schauen, sind meine 3 Söhne, denen ich diese "Freude" nicht verderben will. Auch bei ihnen lässt das Interesse aber von Spiel zu Spiel nach bzw. auch schon während eiens Spieles. Sie können gut einschätzen, wann sie interssiert sind und wann es genug ist. Zudem bietet sich dabie auch eine gute Möglichkeit, mit ihnen über die verschiedenen Nationen zu reden, die Länder "kennenzulernen" durch Suche am Kinderatlas, durch Gespräche über die Situation der Kinder dort, etc. Auch lässt sich so manches über die Rolle des Geldes in der Welt philosophieren und darüber reden wie realistisch es ist, ein Topfußballer mit ner Menge Cash zu werden. Und dass man mit über 30 bereits sehr alt ist für dieses Geschäft. Zufällig habe ich bei der Recherche auf youtube (ich suchte einen Film mit Axel Milberg) einen Mehrteiler von Dieter Wedel aus 1995 entdeckt, starbesetzt mit dem Titel "Der Schattenmann". Passt ja ganz gut auch auf Joseph Blatter, der sich gerne Sepp nennen lässt. Über das "Warum?" lässt sich von hier aus nur spekulieren. Mir fällt der Seppel im Kasperltheater ein, das der Weltfußball und vor allem der Weltfußballverband ja sind. Da er nicht der Kasperl sein will, ist er der andere, manchmal G'scheitere! 5 Abende und insgesamt fast 9 Stunden beschäftigten sich meine Frau und mich mit dem organisierten Verbrechen in Frankfurt am Main in den Mitt-Neunzigern des vorigen Jahrhunderts. Mario Adorf brilliert nonchalant als "Pate", den "guten" Bullen, der dann "böse" wird und fast die Seiten wechselt mimt Stefan Kurt, ein Schweizer Schauspieler, den ich nicht in Erinnerung hatte. Er kratzt zwar letztendlich nach einem Gefägnisaufenthalt und dem Verlust seines ganzen "guten" Lebens, scheinbar die Kurve, hat aber aufgrund des Drehbuchs keine Chance, das noch zu beweisen. Dramaturgisch wird der Film von Folge zu Folge immer dichter, die Konturen zwischen Gut und Böse verschwimmern immer mehr, die Sympathien wechseln auch beim Seher die Seiten. Mehrmals. Am Ende bleibt die Einsicht, dass Schattenmänner lange Schatten werfen, so lange, dass ihnen keiner entkommt, der sich ihnen entgegenstellt. Zurück zur FIFA. Der Sepp wirft auch lange Schatten - und es scheint, dass er bis zu seinem Tod nichts anderes tun möchte, als der FIFA vorstehen und neue Visionen, wie zuletzt eine interterrestrische Fußball-WM, die von diesem Planeten abhebt. Outerspace sozusagen. Und einige Funktionäre wurden auch schon Opfer dieses Schattens, auch wenn sie weit weniger Dreck am Stecken hatten, als der Boß. Jetzt weiß ich auch, warum mir Fußball immer wenig bedeutet. Ich habe meinen kindlichen Blick darauf verloren, den meine Söhne noch haben: dass es um Sport und Wettkampf geht und nicht um Macht und Geld.
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Guten Mutes begebe ich mich erneut in seinen "Frost" eingedenk meiner Worte, dass Schreiben Therapie ist und - so folgere ich - auch Lesen Therapie sein kann. Am 12.2. dieses Jahres schrieb ich in meinem Tagebuch oben Zitiertes.
Nun ist dem Winter ein Frühling gefolgt und auch dieser grade eben in den Sommer übergegangen. Aber Frost bleibt. Ich lese immer wieder mal ein paar Seiten, lege das Buch zur Seite, manchmal verlege ich es auch, um es nicht lesen zu können oder zu müssen. Dennoch bin ich fest entschlossen, es diesmal zu Ende zu bringen. Dieser Sommer eignet sich eigentlich recht gut dafür, ist er doch heiß und kann den Frost, der mich beim Frost-Lesen immer wieder überkommt, gut ausgleichen. Aber, da fällt mir ein, dass es doch auch eine gute Möglichkeit wäre, den Sommer als Sommer zu genießen und den Frost für den Herbst oder Winter aufzuheben, wo er doch zuhause ist. Ich lamentiere. Und weiß noch nicht, wie es weitergeht und kann auch heute nicht mehr sagen als "Wo ich lande, werde ich berichten." Twin Peaks-Schauen ist Geschichte. Jetzt, da die Fußball-WM Einzug in das Hauptabendprogramm der Fernsehsender gehalten hat und wir schon 3 Wochen vor Beginn der üblichen Sommer-Wiederholungszeit im TV mit Konserven-Filmchen unterhalten werden, wird mir schmerzlich bewusst, dass meine Frau und ich diese geistreiche Fernsehserie von David Lynch zu früh in unser gemeinsames Abendprogramm eingebaut haben.
Tja und außerdem wird mir bewusst, dass ich noch nichts zum Ende des Epos geschrieben habe. Das hole ich hiermit nach. Wir könnten fälschlicherwiese zum Schluss kommen, dass die letzte Szene aus Twin Peaks einem jegliche Hoffnung nimmt. Dale Cooper, Schönling und genialer FBI-Special-Agent von Lynch's Gnaden, zurückgekehrt aus der "Unterwelt" in den Wäldern um die 50.000-Seelen-US-Gemeinde an der kanadischen Grenze, betritt nach einigen Tagen Bettruhe das Badezimmer seines Zimmers im Great Northern-Hotel, um sich Zähne zu putzen. Der große Spiegel, der uns da als SeherInnen sofort ins Auge sticht, verheißt nichts Gutes. Und tatsächlich grinst dem guten Cooper der böse Bob ins Angesicht. Zusätzlich schlägt dieser so lange mit dem Kopf gegen den Spiegel bis dieser bricht und seine Stirn blutig ist. Dann schaut er nochmals in die Kamera und wiederholt den Stehsatz: "Wie geht's Annie?". Damit lässt uns Lynch allein - und wir können munter losspekulieren, was denn als nächstes passieren werde in Twin Peaks. Wir können sogar hoffen, der Meister möge seinem Werk noch ein Sequel folgen lassen ... Bei näherer Betrachtung hat mich meine Frau, die oft der optimistische Part in unserer Zweisamkeit ist, darauf hingewiesen, dass das Ende durchaus etwas Gutes habe. Annie nämlich, die von Cooper aus der Unterwelt Gerettete, ist mit dem Leben davon gekommen, obwohl es ganz, ganz schlecht für sie ausgesehen hatte. Da werden doch Mythen bedient, jener von Orpheus und Eurydike nur mit umgekehrten Vorzeichen und abgewandelt, oder von der Liebe, die über alle Grenzen geht. Für mich aber, als meist pessimistischer Teil unserer Zweisamkeit, ist es nur eine Frage der Zeit bis der Retter, der sich aus Liebe opferte, zum Mörder wird - und damit dem Bösen in der Welt zum Sieg verhilft. Wer mag sich ihm denn schon entgegenstellen? Doch meine Frau hat einmal mehr das letzte Wort: "Annie's Liebe - oder glaubst du nicht an Märchen?" Dem ist nichts hinzuzufügen. Außer diese Zeile. Mein letztes Wort! … dann kann er was erleben. Erst recht, wenn eine fünfköpfige Familie sich aufmacht, um in Baden bei Wien ein Second-Handfahrrad für den ältesten Sohn abzuholen.
Und das kam so: Am Anfang der vergangenen Woche hatte meine Frau Reetta die Idee, für unseren Ältesten ein günstiges Fahrrad zu organisieren. Das letzte war irgendwann vor unserem Umzug vor einem Jahr plötzlich unter ungeklärten Umständen von seinem Parkplatz im Keller verschwunden. Der Sommer naht ja nicht nur, er ist schon voll ausgebrochen, und der Wunsch nach familiären Radtouren wuchs mit jedem Grad, den das Thermometer nach oben kletterte. Nachdem Reetta ein Fahrrad auf einer der bekannten Second-Hand-Plattformen gefunden hatte, übernahm ich die Organisation des Transportes. Da es in Baden abzuholen war, kamen wir beide schnell auf den Gedanken, damit am folgenden Samstag einen Familienausflug in die Bezirkshauptstadt fünfundzwanzig Kilometer südlich von Wien zu verbinden. Ich befragte den Routenplaner AnachB, der vor kurzem mit dem VOR-Planer eine Ehe eingegangen war, und erhielt die Info, dass die Reise von Wien Hütteldorf etwa fünfundvierzig Minuten in Anspruch nehmen würde. Das traf sich ausgezeichnet, denn so konnten wir zwischen einer und eineinhalb Stunden in Baden verbringen, unserem familiären vorehelichen Kurzzeitdomizil des Jahres zweitausendzehn, und mal schauen, was sich denn seit damals so getan hat. Der Samstag kam und Reetta bekam an diesem Morgen Zweifel, ob eine Reise einen solchen Aufwand für ein Fahrrad, das möglicherweise zu klein wäre, lohnte. Als ich sie nach meiner Internetrecherche beruhigen konnte, entschlossen wir uns, uns mit den drei Jungs auf den Weg zu machen. Als Fan mobiler Technik probierte ich über mein Smartphone die Tickets über den ÖBB-App zu bestellen, bekam aber die Auskunft, dass dies nicht für die gesamte Strecke möglich sei. Auch der schnell eingeschaltete Laptop brachte bei der versuchten Online-Buchung dasselbe Ergebnis. Hier wurde auch der Grund annähernd klar: Bei der mitgelieferten Fahrplanabfrage ergab sich ein viermaliges Umsteigen, egal wie ich es drehte und wendete. Zuerst U4, dann U6, dann ein Regionalzug bis Mödling, dann eine Busfahrt bis Pfaffstätten und zuletzt noch eine zweiminütige erneute Zugfahrt zum Zielort. Der Bus hatte eine Nummer, die mit dem Kürzel „BusSV“ eingeleitet war. Ich kombinierte und kam zu dem Schluss, dass es sich um einen Schienenersatzverkehr handelte. Verwundert war ich von der Tatsache, dass die Fahrzeit trotz alledem nicht steigen sollte. In diesem Moment schien ich auch alle Erfahrungen mit den ÖBB und vor allem ihrem Schienenersatzverkehr einfach vergessen zu haben. Und damit nahm das Schicksal seinen Lauf. Wir brachen also um 8.30 Uhr auf, damit wir noch genug Zeit hatten, um am Bahnhof Meidling die online nicht buchbaren Tickets nach Baden zu erstehen. Bis dahin lief alles glatt. Auf Grund des Pfingstwochenendes war das Kundencenter allerdings prall gefüllt und an jedem der Terminals stand eine lange Schlange von Reisewilligen. Durch Zufall entdeckte ich kurz nach dem Betreten des Fahrscheinverkaufsbereiches ganz rechts eine Kasse, an der nur ein Mann stand; dies allerdings schon geraume Zeit, wie die Diskussionen mit dem Bediensteten zu zeigen schienen. Ich blickte auf die Uhr und erkannte einen Spielraum von zwanzig Minuten bis zur Abfahrt des Zuges. Mein Puls ging wieder auf normale Werte zurück. Zu meiner Überraschung war die Diskussion der beiden kurze Zeit später – wenn auch nicht zur Zufriedenheit aller Beteiligten, aber zumindest zu meiner – beendet und ich bestellte die Tickets mit der Einleitung: „Nachdem ich die Fahrkarten nicht online buchen konnte …“ Der Verkäufer wies mich auf den Schienenersatzverkehr zwischen Pfaffstätten und Baden hin. Ich schluckte diese von meinen Recherchen differierende Information und wunderte mich über den erhöhten Fahrpreis. Dieser wurde mir damit erklärt, dass sich die Ermäßigung aufgrund des Fahrkartenkaufes am Schalter sich von fünfzig Prozent auf fünfundvierzig reduziere. Mein Widerspruch, dass ich ja diesmal gar keine andere Möglichkeit hätte, wurde mit „Des is halt so“ mehr als ignoriert. Nun stand ich wieder mitten im Universum der Österreichischen Bundesbahnen und mir schwante Böses. Noch böser wurde es, als ich nach dem Ticket für ein Kinderfahrrad fragte. „Ob der Bus sie mit an Radl mitnimmt, waß i ned!“ Daher verkaufte mir der Bundesbahner auch keines. Am Bahnsteig angekommen wies uns die Zugzielanzeige darauf hin, dass unser Zug bis Pfaffstätten führe. Also hatte der Mann am Schalter doch recht gehabt. So gab ich einer fragenden Dame genau jene Auskunft. Dass dem dann doch nicht so war, stellte ich nach der ersten Durchsage des Schaffners im Zug fest. Diese besagte, dass der Zug bis Pfaffstätten fahre (sic!) und wir im Bahnhof Mödling in die bereitgestellten Busse des Schienenersatzverkehres umsteigen mögen, die uns dann bis zum Bahnhof Pfaffstätten brächten, wo wir dann weiteren Anschluss Richtung Wiener Neustadt hätten. Warum dann unser Zug nach Pfaffstätten fährt, konnte ich in dem Moment noch nicht erklären. Auch der Schaffner, den eine Reisende auf diese verwirrende Anzeige bzw. Ansage aufmerksam machte, sagte bloß: „Man kann’s halt keinem recht machen.“ Und: „Des is halt immer a bissel a Durcheinander!“ Immerhin hatte er eine Erklärung, warum es an diesem Pfingstwochenende keinen durchgehenden Zugverkehr auf der Südbahn gäbe: „An diesem Wochenende fahren weniger Leut‘ und weniger Züge!“ Zweiteres war ohne Zweifel zu bestätigen, ersteres konnte ich anhand der in Mödling auf den Schienenersatzverkehr Wartenden eindeutig widerlegen. Die Busse jedenfalls waren am Bahnhofsvorplatz noch nicht bereit gestellt, wie es uns versprochen worden war. In diesem Moment erinnerte ich mich an die (längst) vergangenen Erlebnisse ähnlicher Art. Und sofort wusste ich: Es hat sich nichts geändert. Mein Schulfreund Martin kam mir in den Sinn, der bei den ÖBB die Abteilung für Informationen für Reisende (die genaue Bezeichnung ist mir leider entfallen) leitet(e). Auch er hatte ähnliche Antworten parat, als das Gespräch auf dieses Thema kam. Seither sind wir uns nie wieder begegnet. Zufall? Wir nahmen den zweiten Bus, nachdem der erste übervoll abgefahren war. Zu diesem Zeitpunkt hatten wir bereits fünfzehn Minuten Verspätung auf den im Internet ausgewiesenen Fahrplan. Dann tuckerten wir gemütlich aus Mödling raus, befuhren die beschauliche Weinbergstraße und durchquerten das Heurigenidyll Gumpoldskirchen - mitten durch die Altstadt. Bei einer der engen Kurven musste unser Bus sogar zurückschieben, um sie zu kratzen. Ich dachte an den Streckenplaner – und verwünschte ihn. Ebenso dachte ich, dass eine Zugfahrt zwischen Mödling und Pfaffstätten ca. fünf Minuten dauern würde. In diesem Bus saßen wir 20 Minuten fest. Die drei Jungs und meine Frau blieben echt finnisch, nämlich cool. Mir ist es dieses Blut ja nicht vergönnt, also schwitzte ich ein wenig! In Pfaffstätten durften wir dann – sehr zur Freude unseres Kleinsten – einen „Doppeldeckerzug“ besteigen, der uns nach weiteren sieben Minuten Wartezeit in vier Minuten und nach knapp zweistündiger Reise nach Baden brachte. Dort hatte sich in den letzten Jahren nichts geändert. Der Brunnen am Bahnhofsvorplatz kam mir ein wenig „spanisch“ vor. Aber genaueres wage ich nicht zu behaupten. Nach der Übernahme des Fahrrades begaben wir uns in den nunmehr neu benannten „Arthur-Schnitzler-Park“ (als Ersatz für Conrad von Hötzendorf), dessen Hauptweg (immer schon) Arthur-Schnitzler-Allee heißt. Auf den Wiesen zwischen den Alleen standen mehrere an Hochstände erinnernde Holzkonstruktionen, im Behälter für die Info-Folder, der mit den Worten „Entartet Kunst“ beschmiert war, herrschte gähnende Leere. Ach ja, in Österreich sind die Nazis ja überall. Und Arthur Schnitzler hatte den guten alten Conrad noch nicht wirklich abgelöst! Wir beschlossen Zuflucht in der Bahnhofshalle zu nehmen. Ich löste sogar ein Ticket für das Fahrrad und verwarf meinen Plan, irgendjemanden der ÖBB-Bediensteten danach zu fragen, ob ich das Fahrrad mit dem Bus mitführen dürfe. Im Notfall wollte ich es darauf ankommen lassen. Wenigstens das war dann aber nicht notwendig. Der Zug kam pünktlich um 11.02 Uhr an und fuhr eine knappe Minute später wieder los; Richtung Mödling, wie die Hinweistafel am Bahnsteig mitteilte. Im Zug wurde diese Anzeige bestätigt, mit dem Hinweis, dass wir im Bahnhof Pfaffstätten in die dort bereitgestellten… . Eh schon wissen! Auf der kurzen Fahrt bis zum Umsteigen hatte ich eine ÖBB-ische Erleuchtung! Ich verstand mit einem Mal die Zugzielanzeigen! Sonnenklar! Der Zug und der Bus waren eins! Und am Ziel musste man dann umsteigen, in einen Anschlusszug. Daher Pfaffstätten, daher Mödling! In der Realität aber warteten dort dann wieder keine Busse und wir durften dieser in der prallen Sonne harren, etwa zehn Minuten lang. Also doch nichts mit Einssein. Unsere Jungs hatten das Glück, dass sie von unserem Standort aus den Grund für die Streckenunterbrechnung beobachten konnten: Gleisbauarbeiten. Der erste Bus füllte sich rasch, wir nahmen auch diesmal den zweiten. Das Rad und ich, wir stellten uns in den für Kinderwagen und Rollstühle geschaffenen Bereich in der Mitte. Zwei der drei Jungs setzten sich auf die beiden Klappsessel gleich daneben, meine Frau und der Älteste gingen weiter nach hinten. Der Bus fuhr an, um wenige Meter später stehen zu bleiben. Der Grund waren weitere Fahrgäste, die noch mitfahren wollten. Als ich die Gruppe gröhlender (junger) Männer auf die sich öffnenden Türen zustürmen sah, ergriff mich der tiefe Wunsch, den Bus umgehend zu verlassen und auf den nächsten zu warten. Ehe ich das meinen Lieben kommunizieren konnte, war das Gefährt zum Bersten gefüllt und an ein Entkommen nicht mehr zu denken. Ich beschloss eine finnische Meditation zum Kühlen meines wallenden Blutes einzulegen. Es gelang nur mäßig, denn die Herren hatten die wunderbare Gabe, sich nichts zu scheißen und uns mit ihren entbehrlichen Wortmeldungen zu unterhalten. Als einer der Männer gleich nach dem Einsteigen, warum auch immer, die Worte „Da wachst dir ja a Muschi“ von sich gab, wurde sogar unser Kleinster rot. Wahrscheinlich vor Hitze, denn die Klimaanlage hatte offenbar ihren Dienst quittiert. Immerhin fuhren wir diesmal nicht durch beschauliche Heurigenorte sondern daran vorbei; es ging aber auch nicht schneller und ich konnte einen weiteren Härtetest eingekeilt zwischen Fensterscheibe, Fahrrad und schwitzenden, brüllenden, lachenden Männern bestehen. Und ich bestand ihn. Obwohl meine Körpertemperatur stetig stieg und mein Schweiß alle Hände voll zu tun hatte, mich kühl zu halten. Ein paar Statements möchte ich noch zum Besten geben, die mir vor Augen führten, dass die Menschheit nicht nur aus gebildeten Wesen und solchen mit Manieren besteht: Es war vom Sturmtruppführer die Rede, der das Bier in seinem Rucksack verwaltete; ein mitreisender Junkie suchte glücklicherweise das Weite, nachdem er mehrfach als Mädel verhöhnt wurde, womit uns und vor allem den Kindern eine Welle der Gewalt erspart geblieben ist. Ich hatte erstmals das Gefühl, wie es sein müsste, wenn man einer solchen Gruppe mit seiner abweichenden Meinung kam. Mit Glück würde man es überleben, die Zahl und der Grad der Verletzungen aber wären unbestimmt. Irgendwann wurde einer durstig und bestellte beim (Bier-)Führer seine Portion. Die meisten schlossen sich an. Es wurde noch lauter. Wir überstanden auch diesen Teil der Reise mit diesem Mob. Dann war nur noch eine Schnellbahnfahrt von Mödling nach Meidling zu bewältigen, mit Halt in jedem Bahnhof selbstverständlich. Dort angekommen gönnten wir uns eine Pizza vom Imbissstand und fuhren anstatt die U-Bahn zu nehmen, weiter mit der S-Bahn direkt nach Hütteldorf und dann auf den Rädern heim – zur Mittagspause. Nach viereinhalb Stunden hatte unser Ausflug ein Ende genommen. „Das war ein Abenteuer“ wie unser Kleinster treffend sagte. Und jeder von uns konnte dabei eine Menge vom und fürs Leben lernen. |
Hinweis:
Meine Meinung zu aktuellen Themen habe ich bis 1.9.2015 im Blog "Mein Senf zu allem" veröffentlicht. Seither habe ich sie auf dieser Seite in meine Tagebucheinträge integriert.
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Juli 2019
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