Die Ostertage sind mir die lieberen. Was zu Weihnachten – in der Dunkelheit der eben erst vergangenen längsten Nacht des Jahres - mit Ignoranz oder versuchter Vergebung errungen werden will, ist am Beginn des Frühjahres um vieles einfacher zu erfahren. Die Lebendigkeit der Welt kommt dir aus allen Ecken und Enden entgegen. Du kannst kaum vorbeileben an den frischen Trieben, den sprießenden Keimen, den sanft oder auch kräftig duftenden Blüten, dem Segen des lebensspendenden Regens oder der Erfrischung deines Herzens. Auch ist Ostern nicht beladen mit dem Titel „Familienfest“, etwas, das Weihnachten leisten muss, egal ob mit, ohne oder mit einer „Problem“-Familie. Wenn Menschen, die sich ein Jahr lang nicht um ihre Beziehung gekümmert haben, alljährlich in dieser (Un-)Heiligen Nacht zusammenkommen, kann selbst bei allerbesten Absichten nur jenes Schmutzwäschewaschen herauskommen – wie bei PartnerInnen, die im Urlaub plötzlich auf sich und einander alleine gestellt sind.
Ostern hingegen ist für mich ein Fest der Befreiung, ein Fest des Ablegens der Fesseln des allgegenwärtigen Todes, den ich mehr fürchte, als mir lieb ist, und der mich deshalb so zu lähmen vermag, dass ich mein Leben nicht mehr erfahren will. Auf diese Weise verhindere ich den mir – so wie allen Lebewesen – drohenden Exitus nicht, aber ich verhindere mein Leben. Da tut es doch gut, sich der Tatsache bewusst zu werden, dass Leben eben ein ständiges Werden und Vergehen ist und dass ich, auch bei allergrößten Bemühungen, nicht gefeit vor dem Ende meiner Existenz bin. Also nehme ich Ostern zum Anlass, um alles los zu werden, was sich im Laufe des vergangenen Jahres angesammelt hat, um meine Lebendigkeit zu zähmen und mein wirkliches Leben zu verhindern. Heuer ist das angesichts einer Regierung, die auf Kontrolle, Sicherheit und Furchtmache setzt, besonders wichtig. Das Leben ist lebensgefährlich und führt unausweichlich zum Tod. Das aus Furcht heraus ungelebte Dasein aber lässt uns schon zu seiner Zeit weit vor der Zeit Verstorbene sein. Das jedenfalls kann nicht die Idee der Existenz sein. Der Frühling, der um Ostern herum ausbricht, ist beredtes Zeugnis für den tatsächlichen Lebenssinn. Mögen ihn alle erkennen und erleben – what a wonderful world this would be.
0 Comments
|
Hinweis:
Meine Meinung zu aktuellen Themen habe ich bis 1.9.2015 im Blog "Mein Senf zu allem" veröffentlicht. Seither habe ich sie auf dieser Seite in meine Tagebucheinträge integriert.
Archiv
Juli 2019
|