Nach 45 Minuten hab‘ ich die Patsch’n g’streckt, obwohl ich mich ehrlich bemüht habe. Da ich um 15 Uhr zur Liveübertragung der als Duell unter dem Titel „Die großen Drei um drei“ von den österreichischen Bundesländerzeitungen inszenierten Konfrontation zwischen Bundeskanzler Kern, Außenminister Kurz und FPÖ-Chef Strache noch anderes zu tun hatte, zog ich mir die Aufzeichnung erst knapp vor Mitternacht rein. Diese Tatsache aber war nicht der Grund für meine Müdigkeit, weil ich, wenn’s wirklich spannend ist, auch zu so nachtschlafender Stunde hellwach sein kann.
Vielmehr zog sich die „Diskussion“, die mehr einen Aneinanderreihung von Monologen war, wie ein Kaugummi. Da wurde Altbekanntes als die Lösung des Problems (z.B. Bildungspflicht) verkauft, da wurden Rezepte geboten, die keinerlei Linderung der offenen Wunden unserer Gesellschaft bringen werden (z. B. Deutsch vor Schule). Da wurde die eine oder andere Wuchtel geschoben (z. B. Strache zu Kurz: „Ich freu mich, dass Sie ein Fan von mir sind!“). Und genau das war so ermüdend. Der eine hatte die Weisheit mit dem Löffel gefressen (Kurz), der andere versuchte verzweifelt zu zeigen, dass alle Ideen eigentlich von ihm stammen (Strache), der dritte gab den coolen „Papa“ (seiner aufgekratzten „Söhne“), der’s schon richten wird, wenn man ihn bloß weiter ließe (Kern). Der Succus der danach befragten Chefredakteure der Bundesländerzeitungen, den ich mir nach Abbruch des Duell-Schauens noch schnell vor dem Zu-Bett-Gehen zu Gemüte führte, brachte das erwartbare Ergebnis: alle waren der Ansicht, dass wir wohl auf die nächste blau-schwarze Regierung zusteuern würden und Verteidigungsminister Doskozil die SPÖ in der Opposition anführen werde. Für meine derart negative Bewertung der drei Männer am Schmäh ist wohl auch die Sendung „erlesen“ verantwortlich, die ich mir kurz vorher zum Ausklang des von mir mit dem 3. Nie-mehr-Schule-Aktionstag begangenen Internationalen Tag der Bildungsfreiheit in der ORF-TV-Thek gemeinsam mit meiner Frau angeschaut habe. Da führte Konrad Paul Liessmann den für die Schulen verantwortlichen PolitikerInnen vor Augen, dass sie unter dem Motto „Beste Bildung für alle“ wohl eher der Vermittlung von Unbildung frönten, um an der Macht zu bleiben. Mehr Kontrast geht nicht. Aber machen Sie sich selbst ein Bild. Ich möchte ich den drei Schmähbrüdern, die unser Land in der Hand haben(wollen) abschließend noch eine Erkenntnis Albert Einsteins um die Ohren hauen: „No problem can be solved from the same level of consciousness that created it.“ Aber so viel Bildung ist wohl (und da bin ich ganz bei Liessmann) brandgefährlich – vor allem für die drei und ihren Machtanspruch. Da bilden wir doch lieber alle aus und halten sie (für) dumm.
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Gestern also war es soweit. Die Straßenbahnlinie, die mich seit meiner Kindheit begleitet hat, stellte ihren Betrieb ein. Laut Sonderfahrplan fuhr die letzte Blaue sogar erst heute um 0.34 Uhr vom Westbahnhof nach Unter St. Veit. Mit Betriebsbeginn ist ab dem heutigen Tag zwischen Westbahnhof und Hietzing dann der 60er unterwegs, den Streckenteil von Hietzing nach Unter St. Veit übernimmt der 10er.
Unser Jüngster und ich haben den Abschied vom 58er ausgiebig zelebriert. Glücklicherweise haben die Wiener Linien einen zuerst als Geheimtipp gehandelten Abschlussnachmittag doch noch im Internet veröffentlicht und einer Straßenbahnlinie, die mehr als 100 Jahre im Wiener Öffi-Netz aktiv war, einen gebührenden Abschied ermöglicht. Mein Sohn und ich starteten also um 16.36 in der Hummelgasse mit einer besonderen Wagenkombination aus Triebwagen 2 und Beiwagen 3442. Der 2er ist immerhin seit 1944 auf Schiene, hat die völlig vergessene Bim-Farbe beige und sieht auch sonst so ganz besonders aus. Danach wechselten wir am Westbahnhof in die Kombi aus Triebwagen 1 und Beiwagen 5210 und fuhren retour. Und weil wir dann immer noch nicht genug hatten, fuhren wir noch einmal, diesmal mit einem altbekannten Gespann aus Triebwagen E1 und Beiwagen C3 zurück zum Westbahnhof, das unser Jüngster schon aus den Zeiten im Kindergarten gut kennt, weil wir damit auf der Linie 5 allmorgendlich zu seiner Bildungsstätte gondelten. Einmal hat ihn eine Fahrerin sogar dazu eingeladen, die Klingel zu betätigen und ihm dann auch noch dies und das erklärt. Meistens aber saßen wir entweder still auf der Dreierbank direkt hinter den FahrerInnen oder wir nahmen im Beiwagen auf den beiden Sitzen gleich im vordersten Bereich Platz, auf denen man den besonderen Blick nach drau0en hat und sich wie die FahrerInnen selbst fühlen kann. Von Zeit zu Zeit war es uns sogar vergönnt, dass wir den C3 mit Holzboden erreichten, der diesen für mich so heimeligen und angenehmen Geruch ausstrahlt. Mit ihm aber – so habe ich gehört – soll es amit heutigem Tag ebenfalls vorbei sein. Zurück zum 58er. Der ist in meiner Erinnerung auch als jene Linie verankert, die mein Vater, der in Kriegs- und Nachkriegszeiten im 15. Bezirk aufgewachsen ist, sehr gut kannte; so gut, dass er auch noch mehr als 30 Jahre später – als wir auf unseren Wanderungen hie und da Straßenbahn spielten – die Haltestellen auswendig aufsagen konnte. Dabei hielt ich seinen rechten Arm, der den „Gashebel“ darstellte. Je mehr ich ihn nach oben drückte, desto schneller ging er. Wenn ich seinen Handrücken drückte, machte er die Ansage der nächsten Station. Auch ich bin in meiner Kindheit, deren erste Jahre ich in Penzing nahe der Kennedybrücke erlebt habe, oft von Hietzing auf die Mariahilferstraße zum Einkaufen gefahren. Damals gab es ja noch keine U-Bahn und die Bim tuckerte vom Westbahnhof die gesamte innere Mariahilferstraße bis zum Burgring entlang. Später dann, als ich bei meiner ersten Freundin nahe dem Schwendermarkt wohnte, brachten er und sein Kollege, der 52er, mich nach Schönbrunn zum Jogging. Und in den letzten Wochen und Monaten gab es nach langer Abstinenz wieder die eine oder andere Fahrt, wenn ich mal „unberadelt“ und zum Gehen zu bequem den Umweg von zuhause über Hietzing nahm, um an eine meiner Wirkungsstätten zu gelangen. Die 58er-Strecke bleibt zwar erhalten, der 58er selbst aber ist Geschichte, so wie mein Vater und die vielen Ereignisse, die mich mit ihm verbinden. Auf ein Neues! Was ist der Mensch doch für eine „besondere“ Spezies. Was hat der Mensch doch – trotz anderer Erfahrungen – immer noch den Anspruch die Krone der Schöpfung zu sein und daher die Erde nach seinen Vorstellungen zu gestalten. Wohin das führt, sehen wir tagtäglich, vor allem jene, die sich trotz ihres Menschseins mit der Natur verbunden, sich als ein Teil von ihr fühlen.
Nun geht es also wieder einmal um den Wolf, wie orf.at berichtet. Bauernvertreter wollen Südtirol, Tirol und Bayern zur wolffreien Zone machen und den Abschuss der Tiere ermöglichen. Der Wolf aber ist eine jener Tierarten, die in der EU (derzeit noch) unter Schutz steht. Dessen unberechtigter Abschuss kann sogar mit einer Freiheitsstrafe bis zu drei Jahren geahndet werden. Der WWF sieht das Problem nicht beim Tier, sondern in der ungeschützten Weide- und Herdenhaltung der Nutztiere, vor allem der Schafe. In meinen Ausführungen möchte ich heute in aller Kürze einen anderen Blick auf die Natur und hier vor allem den Wolf richten, der uns ja schon im Märchen das das „personifizierte“ Böse vor Augen geführt wird. Der Mensch erlebte die Natur in ihrer Macht und Gewalt immer schon als feindselig und versuchte sie in den Griff zu bekommen. Das gelingt ja heutzutage auch in einem noch nie dagewesenen Ausmaß, allerdings oftmals durch Zerstörung. Diese Vernichtung der uns umgebenden Natur aber bringt letztendlich bloß eine Vernichtung des Menschen, der sich seines Status, ein Teil eben dieser von ihm bekämpften Natur zu sein, trotz aller Bemühungen nicht entziehen kann. Es ist und bleibt Illusion, dass unsere Spezies nichts mit dem „primitiven“ Teil der Schöpfung zu tun hat und gottähnlich über den Dingen schwebt. Die Bekämpfung und die damit verbundene Zerstörung des Ungezähmten, Wilden zeigt unseren Umgang mit den uns innewohnenden, von uns oft als Schattenseiten erlebten Trieben. Diese brechen sich, vor allem wenn sie verdrängt oder unterdrückt werden, immer wieder Bahn und führen dann auch zu Systemen, die wir als gottgegeben ansehen, obwohl sie menschengemacht sind. Hier möchte ich das derzeit herrschende Wirtschaftssystem oder auch unser verschultes Bildungssystem als Beispiele anführen. Überall wird versucht dem Urtümlichen, das aber auch die Kreativität und den ganze Schatz der Menschheit beinhaltet, den Garaus zu machen. Unsere Gesellschaften leisten sich als Ventil den einen und die anderen KünstlerInnen, selbst aber versucht jedeR seinen eigenen Schrebergarten zu pflegen und den NachbarInnen nur ja nichts von den eigenen, ungewollten Tiefen und Untiefen zu zeigen. Der Wolf in uns ist es, den wir im Außen bekämpfen wollen, anstatt ihn in unserem Innen zu zähmen, also zu integrieren. Dazu braucht es jede Menge (Selbst-)Reflexion, die nicht nur Zeit kostet, sondern auch einen Haufen Mut erfordert. Diese Zeit haben wir derzeit (noch) nicht, weil wir, um existieren zu dürfen, derzeit auf Erwerbsarbeit angewiesen sind, sei sie auch noch so entfremdet und sinnentleert. Die derzeit voranschreitende Digitalisierung macht es aber bald notwendig, die Existenzsicherung der Massen auf andere, neue Beine zu stellen. Vor einem bedingungslosen Grundeinkommen fürchten sich die Verantwortlichen deswegen, weil sie den aufgrund der sinnentleerten Erwerbsarbeit sich selbst entfremdeten Menschen nicht zutraut, dass sie mit einer Grundsicherung sinnvolles anzufangen wissen. Dazu kommt noch, dass Menschen, die sich dann tatsächlich Zeit zum Nachdenken nehmen, schnell erkennen werden, dass in dieser Welt jede Menge schiefläuft. Und wenn der auf diese Weise aufgeweckte Wolf in uns auf die „Schafe“ der Gesellschaft ungezähmt losgelassen wird, na dann … Wahrscheinlich würden die Verantwortlichen dann auch zu jenen Mitteln greifen, die sie sich derzeit für die Wölfe überlegen. Probater aber wäre es, schnellstmöglich Maßnahmen zu ergreifen, dass die Menschen (wieder) zu sich selbst finden, um ihren Stellenwert in der Natur zu erkennen und um ihre Aufgaben in der und für die Gesellschaft zu wissen. Dazu gehört für mich eine umfassende Bildung, die den Namen wirklich verdient, und die uns Menschen in Selbständigkeit und Eigenverantwortung führt, so dass wir unseren Beitrag zum Wohle der Gemeinschaften, in denen wir leben, leisten können. Dann, und nur dann, muss der Wolf (in uns) nicht mehr getötet werden, ist er doch integrierter Bestandteil unserer Natur. |
Hinweis:
Meine Meinung zu aktuellen Themen habe ich bis 1.9.2015 im Blog "Mein Senf zu allem" veröffentlicht. Seither habe ich sie auf dieser Seite in meine Tagebucheinträge integriert.
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Juli 2019
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