Nach einem Familienausflug zum Wolfrathplatz, dem Herz von Ober St. Veit - wo wir ein Paket von der Post, das genau an dem einzigen Werktag dieser Woche zugestellt worden war, an dem keiner von uns zu Hause war, abholten, jener Postfiliale, die von unserem Wohnort rund 3 Kilometer entfernt liegt (obwohl wir eine in der Nähe haben, die in 5 Gehminuten erreichbar ist, aber leider auf der anderen Seite des Wienflusses, also im 14. Bezirk liegt, und daher für uns nicht zuständig ist) - nach diesem Familienausflug also machte ich mit dem Rad noch einen Abstecher in den nächstliegenden Großmarkt, der auch eine Trafik beherbergt - die Trafik in Ober St. Veit war schon seit mittags geschlossen-, um für meine Frau Zigaretten zu holen.
Nachdem ich zwei Packungen der Glimmstängel erworben hatte, überkam mich ein unbändiger Gusto auf Schokolade, auf die ich noch während der Vormittagseinkäufe leichten Herzens verzichtet hatte. Das Restgeld auf den Zehner, den ich zur Bezahlung in der Trafik aufgewendet hatte, sollte dafür reichen. Wie erfreut war ich dann, als es sogar meine Lieblingsschokolade noch bis zum 9.4.2104 um 10% vergünstigt gab, also ich bloß um ein Cent mehr auszugeben hatte, als das Restgeld auf die Tschick. Und ein paar kleinere Münzen hatte ich ja noch in meinem Portemonnaie. Ich suchte nach der passenden Bezahlstelle und hatte im Samstagabend-Torschlusspanik-Großmarkt-Kassa-Stress das Glück, dass ich eine fand, an der nur ein junges Paar anstand, zwar mit vollem Wagen, aber insgesamt recht bemüht, die Sache mit dem Zahlen schnell hinter sich zu bringen. Interessant fand ich die Waren auf dem Förderband und so beschäftigte ich mich ein wenig intensiver mit den beiden und möglichen Vorhaben, auf die ihre Einkäufe schließen ließen. Da lagen jede Menge Packungen mit Fleisch bereit zur Bezahlung, allesamt um 50 % verbilligt. Cevapcici - 50% billiger, Faschiertes vom Weidejungrind - 50 % verbilligt, Lammkoteletts - in Aktion um 50% vom Normalpreis. Ich fantasierte. Die beiden sahen gar nicht nach bedürftig aus. Ich hörte meine Ahnen sagen: Beim Fleisch sei vorsichtig, grad beim Faschierten ... Zuletzt kamen da noch einige Grilltassen unter den Kartoffeln zum Vorschein und das Rätsel schien gelöst. Also - das alles wird doch noch heute gegessen werden. Entwarnung. In dem Moment nimmt die Kassierin das Ding auf dem Förderband der Supermarktkassa, das meine Schokolade von den Waren der beiden und den Waren meines Hintermannes trennt (mittlerweile weiß ich durch Googeln, dass es viele Bezeichnungen dafür gibt, so z.B. die "professionellen" Bezeichnungen: Warentrenner, Warenteiler, Waren(ab)trennstab, Warentrennleiste, Warentrennholz, Dreikantwarentrenner, Vierkantwarentrenner. Weitere gebräuchliche Namen, die aber einem Kunden teilweise höchst suspekt vorkommen müssen: Kundentrenner, Kundenteiler, Kundentrennstab, Produkttrenner, Kassentrennleiste, Separator, Kundenseparationsleiste, Kundenabgrenzer. Eher individuelle Lösungen: Kundenlatte, Kundenstange, Kundenknüppel, Konsumknüppel, Konsumprügel, Brots top, Claimabstecker, Spießbürgerwall, Laufbandpolizist, Warenauffließbandabtrennungsteilausplastikmanchmalauchausholz, Warenkundenkassierüberblickshilfe, Rentnerberuhigungsstäbchen, Höflichkeitsmahnstecken, Kassentoblerone. Aus der Kindersprache, sehr griffig: Deins-Meins. ) In diesem Moment verschwindet dieses Ding durch die Hand der Kassadame vom Förderband und wird schwungvoll in die dafür vorgesehene Schiene befördert um mit den anderen bereits dort befindlichen Dingern mit einem sanften Stoß nach weiter hinten geschoben zu werden. Die andere Hand fasst meine Schokolade und noch während sie die beiden vor mir fragt, ob die auch noch zu ihrem Einkauf gehöre, zieht sie sie schon über den Scanner, um dann nach meinen laut gerufenen Worten: "Na, des is meine" mit einem verzweifelten Kopfschütteln und einem "Jetzt ist's zu spät" einen tollen Lösungsvorschlag zu kreieren: Sie spricht den männlichen Teil des Paares, der seine Brieftasche schon in Händen hält, um zu zahlen, an und weist ihn an, mir 1 Euro 79 zu bezahlen. Kurze Pause bei allen Beteiligten, ehe ich meine, dass ich die an ihn zu zahlen hätte, weil es ja meine Schokolade wäre. Nach einer weiteren Pause sage ich: "Aber die Schoko is bis 9.4. ja noch um 10 % billiger." Darauf die Kassiererin: "Des ziagt die Kassa ohnehin nachher ab!" Vor so viel Logik muss ich kapitulieren. Mein Mitgefühl mit einer Frau, die wahrscheinlich schon knapp 12 Stunden im Dienst für die wochenendeinkaufshungrige Menschheit ist, wird grenzenlos. Ich öffne meine Geldtasche und tausche die bereits vorbereiteten 1,61 Euro gegen € 1,80, drücke sie dem weiblichen Teil des Paares in die Hand, verzichte auf den Cent, den sie mir aus ihrer schnell geöffneten Geldbörse geben will und drängle mich - mit der Tafel Schokolade (wie bin ich denn eigentlich wieder an die ran gekommen?) an den beiden vorbei Richtung Ausgang. Da stehen mir plötzlich zwei Polizisten im Weg, die beiden waren mir schon beim Reinkommen aufgefallen, weil sie irgendeinen Konflikt hatten, der eine telefonierte angespannt, der andere wollte bloß einkaufen. Wir schauen uns kurz in die Augen, der eine nimmt die Tafel Schokolade in meiner Linken in Augenschein, der andere telefoniert immer noch und redet etwas von einem verlorenen Schlüsselbund. Ich lächle und gehe weiter Richtung Ausgang, die Worte für den Notfall ("Ich bin auf die Schokolade eingeladen worden") im Hinterkopf. Ohne Probleme komme ich aus dem Großmarkt raus, geh zu meinem Rad, stecke den Schlüssel ins Fahrradschloss und muss feststellen, dass heute wieder einer dieser Tage ist, an dem es sich nicht problemlos aufsperren lässt. Als ich so vor mich hin probiere, den Schlüssel drehe, am Schloss ruckle und reiße, stehen plötzlich die beiden Polizisten hinter mir. Der eine telefoniert immer noch und schaut geistesabwesend zwar in meine Richtung aber doch an mir vorbei, der andere nimmt mich diesmal länger in den Gewahrsam seines Blickes. Als ich schon leicht zu schwitzen beginne, löst sich das Schloss mit einem Ruck, ich lächle den mich fixierenden Polizisten an, wünsche ihm ein schönes Wochenende, setze mich auf mein Rad und düse in selbiges ab.
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Es ist jetzt schon wieder einige Wochen her, dass ich Frank Schätzing's Buch "Der Schwarm" zu Ende gelesen habe. Nun ist mir der Autor im Kieler Tatort vom letzten Wochenende in einer eher skurrilen Rolle wieder begegnet - und wo widme ich ihm und seinem Buch noch ein paar Zeilen. Denn sein Auftritt im Sonntagsabendkrimi samt Beitrag auf der Tatort-Homepage zeigen eines sehr deutlich: der Autor ist noch immer auf Promotion-Tour für die Verfilmung seines Bestsellers, den er - wie Kritiker behaupten - schon in Drehbuchmanier geschrieben haben soll.
Wie auch immer ... Meine Erkenntnisse aus seinem Roman sind eher inhaltlicher und keinesfalls stilistischer Natur. Die Idee von einer Intelligenz, die alles Wissen der gesamten Welt und ebenso all deren Erfahrungen und Erkenntnisse verinnerlicht und somit jederzeit zur Verfügung hat, ist bestechend, aber eben unmenschlich. Wir müssen uns alles immer selbst erarbeiten, nehmen Erkenntnisse erst wahr, wenn wir sie selbst erfahren haben und berauben uns damit einer schnelleren und intensiveren Weiterentwicklung. So schaut die Welt auch aus. Wir sind ja auch nicht in der Lage das Lernen von Faktenwissen zu Gunsten von Überblick und dem Erstellen von Zusammenhängen sowie den daraus resultierenden Schlussfolgerungen im Schulalltag zu minmieren, geschweige denn gleich ganz zu verbannen. So kochen wir weiterhin im eigenen Saft und machen Albert Einstein alle Ehre, der folgendes gesagt haben soll: " Probleme kann man niemals mit derselben Denkweise lösen, durch die sie entstanden sind." Zurück zur Intelligenz von Schätzings Schwarm: in diesem Zusammenhang erinnere ich mich an C.G. Jungs Theorie vom kollektiven Unbewussten und hoffe auf eine baldige Verifizierung der meist in der Eso-Szene beheimateten Behauptung eines kollektiven Bewusstseins. Oder ist es auch unmenschlich, wenn man den Menschen eine ihrer größten Schwächen endgültig fladert? Übrigens: Den Titel meines Tagebucheintrags habe ich aus der Wiener Zeitung vom 19.3.14 geflaucht. In diesem geht es um das Crowdfunding als alternatives Finanzierungsmodell für Projekte, die keine Bank unterstützen würde. |
Hinweis:
Meine Meinung zu aktuellen Themen habe ich bis 1.9.2015 im Blog "Mein Senf zu allem" veröffentlicht. Seither habe ich sie auf dieser Seite in meine Tagebucheinträge integriert.
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Juli 2019
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