Am Anfang der vergangenen Woche erschien der griechische Finanzminister Giannis Varoufakis mit auffallend aufgestelltem Hemdkragean am Brüsseler Parkett und setzte damit seiner viel kritiserten "neuen Mode" ein weiteres Highlight drauf. Für mich war es intuitiv aber nicht bloß ein modischer Aspekt, sondern eine Aussage an alle seine "Partner". Und ich sollte recht behalten.
Am vergangenen Dienstag ließen meine Frau und ich den Fasching ausklingen, in dem wir einen alten Hans-Moser-Film ansahen. Ich entschied mich für die noch nicht gesehene farbige Fassung von "Opernball" aus 1956. Diese unetrscheidet sich vom Original aus 1939 (das auf Youtube nicht verfügbar ist, das ich aber auf VHS-Video habe) nicht nur durch dir Farbe, sondern durch eine andere Besetzung und eine wesentlich steifere, uncharmante Inszenierung. Sei's drum. Jedenfalls erfuhr ich auf diese Weise die eigentliche Botschaft des aufgestülpten Sakkokragens von Herrn Varoufakis. Gegen Ende des Film fordern einander die gehörnten Ehemänner gegenseitig zum Pistolenduell. Bevor das Duell beginnt, stellen sie den Rockkragen hoch. Bei meiner Recherche zum Thema Duell, bin ich dann in der an der Uni-Bibliothek eingescannten zweiten, ergänzten Auflage des Duell-Codex von Gustav Hergsell aus 1897 fündig geworden. Da steht unter Bekleidung beim Pistolenduell auf Seite 153: "Der Kragen des Rockes ist aufzustülpen, damit der weisse Hemdkragen, der leicht einen besseren Zielpunkt bieten könnte, gedeckt erscheint." BINGO! Damit ist klar, wie der griechische Finanzminister seine Verhandlungen anlegt und warum alle so gereizt reagieren. Dem ist nichts hinzuzufügen!
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Seit die GriechInnen sich für einen Kampf für ihre Würde entschieden haben, in dem sie Alexis Tsipras an die Macht gebracht haben, habe ich meine griechischen Anbindungen aktiviert.
Zuerst einmal habe ich ein Buch aus dem Regal geholt, das ich vor Jahren gekauft und noch immer nicht gelesen habe, obwohl ich alle fünf seit 1995 erschienenen früheren Fälle für Kommissar Kostas Charitos in Athen verschlungen hatte. Mit "Faule Kredite" startete Autor Petros Markaris im Jahr 2010 eine Krisentrilogie, die 2011 mit "Zahltag" und 2012 mit "Abrechnung" fortgesetzt und im Vorjahr mit einem Epilog namens "Zurück auf Start", der im kommenden März auch auf Deutsch publiziert wird , abgeschlossen wurde. Es ist genau das richtige Buch zur richtigen Zeit. Markaris schafft es in seine Krimis verpackt ein Sittenbild der griechischen Gesellschaft zu geben. Damit offeriert er uns LeserInnen auch einen tiefgründigen Einblick in die Mentalität der GriechInnen und auf diese Weise können wir uns interkulturell betätigen und die griechische Seele verstehen lernen. Ein Gewinn! In diesem Zusammehang erinnerte ich mich eines Kurzaufenthalt auf Zypern zu Ostern des Jahres 2000, zu dem mich mein damals als UNO-Soldat dienender Freund Franz eingeladen hatte. Ich war - wie er - im türkisch-besetzten teil der Insel in Famagusta untergebracht. Wir machten den einen oder anderen Ausflug in den griechischen Teil. Da lernte ich sowohl GriechInnen als auch TürkInnen besser kennen, ihre vielen Gemeinsamkeiten und ihre großen Unterschiede. Letzere können ja sogar Inseln teilen und Nachbarn zu Feinden machen ... Außerdem hatte ich vor vielen Jahren die Freude, den griechisch-orthodoxen Theologen Kyriakos Chamalidis kennenzulernen, als er schon seiner Berufung nachging und Tanzlehrer war. Durch die Tänze (ich besuchte einen Kurs für "Männer" sowie einen für "Freude und Trauer") lernte ich mich im Spiegel der griechischen Mentalität selbst besser kennen. Dies hat tiefe Spuren hinterlassen, ich gab danach einige Jahre lang selbst Seminare im griechischen Tanz. Noch heute habe ich die von ihm zusammengstellten CDs, die ich vor kurzem wieder gehört habe. Genial! Schön dass er sein Erbe noch zu Lebzeiten (Kyriakos ist 75) geregelt hat und sein Sohn Thomas 2007 seine Arbeit als Rechtsanwalt fahren ließ und in die Fußstapfen seines Vaters trat, Bei einem meiner Umzüge habe ich sämtliche Tanzanleitungen "verloren". Ein Anlass um die Chamalidis-Männer zu kontaktieren oder sogar eines ihrer Seminare in Österreich zu besuchen, Man wird sehen! Griechenland jedenfalls liegt mir offenbar schon seit mehr als 20 Jahren am Herzen, da es mir durch Chamalidis, Markaris und nun auch Tsipras eingehend nahe gebracht wurde. Dazu aber gibt es eine auch eine uralte kollektive Wurzel unserer westlichen Kultur, die mir als humanistisch-denkenden Menschen besonders nahe ist, und zu der ich ohne Probleme jederzeit zurückfinden kann. Für mich stellt sich die Frage, ob wir als europäische Gesellschaft nicht gerade dabei sind, diese nährende Wurzel zu kappen, nur weil uns die gegenwärtigen Blüten und Blätter und Auswüchse nicht sonderlich gefallen. Dieser Preis ist für mich zu hoch, auch weil er mit Geld nicht aufzuwiegen ist. Liebe, Arbeit und Wissen sind die Quellen unseres Lebens, Sie sollten es auch beherrschen. - Wilhelm Reich Gestern habe ich mir den ersten Teil der Nacht um die Ohren geschlagen, mit dabei war meine Frau. Und trotz zu erwartenden Montag-Morgen-Stress mit Schulbeginn für 2 Jungs nach den Ferien und Start im neuen Kindergarten für den Jüngsten, haben wir uns diese Freiheit genommen und nicht bereut.
Zum einen war der Film spannend und gut gemacht, mit einem diesmal sich selbst zurückhaltenden Klaus Maria Brandauer. Ich muss gestehen, dass ich mir den Film damals im Kino wegen ihm und seinen Performances nicht wirklich geben wollte. Daher war ich positiv überrascht. Zum anderen bin ich mit Wilhelm Reich seit einigen Jahren beschäftigt, haben wir doch bis vor kurzem in jenem Haus in Wien gewohnt, in dem Reich 1929 die erste Sexualberatungsstelle Österreichs eröffnet hat. Daran erinnert heute eine Gedenktafel am Hauseingang. Reich hat sich ja mehrfach in die Nesseln gesetzt, was fast verharmlosend klingt. Als Jude musste er nach Hitlers Machtübernahme Berlin Richtung Skandinavien verlassen; nach 6 Jahren im Exil bekam er einen Lehrauftrag für medizinische Psychologie an einer Universität in New York. Doch dort stieß man sich sehr schnell an seiner kommunistischen Weltsicht und er fiel der McCarthy-Verfolgung zum Opfer. Seine Ideen und Visionen waren ihrer Zeit voraus, obwohl er vielen Einzelnen helfen konnte, fühlten sich die Mächtigen in Medizin, Psychotherapie und Politik von ihm bedroht und setzten zu seiner "Vernichtung" an. Kein Wunder, dass er in seinem Testament verfügte, dass seine Schriften und Erkenntnisse erst 50 Jahre nach seinem Tod (nämlich 2007) veröffentlicht werden durften. Aber auch heute noch mutet manches seiner Forschungsergebnisse wie von einem anderen Stern an. Offenbar ist es immer dort, wo es um Lebensenergie geht, besonders mysteriös. Das müssen sich ja hierzulande auch alle jene MedizinerInnen gefallen lassen, die Traditionelle Chinesische Medizin praktizieren, homöopathisch behandeln oder den Kräften der Natur vertrauen; noch heikler wird es für jene, die sich energetischen Methoden als Ergänzung zur herkömmlichen Medizin verschrieben haben. Aus meiner Erfahrung ist es hilfreich, nicht so eingleisig unterwegs zu sein und andere Sichtweisen zu respektieren. Vom Akzeptieren ist da noch keine Rede. Das aber dürfte für Reich besonders schwer gewesen sein: seine Biografen beschreiben ihn als einen Menschen, der schwarz-weiß gedacht hat. War man nicht für ihn, war man gegen ihn. Sicher ein Hindernis dabei, der breiten Masse seine Erkenntnisse verständlich zu machen. |
Hinweis:
Meine Meinung zu aktuellen Themen habe ich bis 1.9.2015 im Blog "Mein Senf zu allem" veröffentlicht. Seither habe ich sie auf dieser Seite in meine Tagebucheinträge integriert.
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Juli 2019
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