Heute Morgen auf dem Weg zur Uni bin ich an einer “humanisierten Arbeitsstätte” vorbeigeradelt. Das hat einen wahren Gedanken-Sturm und viele Fragen ausgelöst, die ich hier in Auswahl auf’s Blog-„Papier“ bringen will. Da fragte ich mich etwa: „Ist unsere Arbeitswelt schon derart animalisch, dass man sie humanisieren muss?“ Oder: „Ist es überhaupt zulässig, animalisiert als Antonym zu humanisiert zu verwenden oder ist das eine Verkennung der Tierwelt?“ Und dann: „Welche Form von Arbeit wird in einer humanisierten Arbeitsstätte angeboten und für wen?“ Auch: „Gibt es einen Unterschied zwischen Arbeit und Erwerbsarbeit?“ Daraus folgend: „Warum habe ich nur eine Existenzberechtigung wenn ich einer Erwerbsarbeit nachgehe oder zumindest nachweise, dass ich einen entsprechenden Arbeitsplatz ernsthaft suche oder mich für ihn ausbilden lasse?“ Und abschließend: „Are we human, or are we dancer?“
Die letzte Frage verdanke ich der amerikanischen Rockband „The Killers“. Brandon Flowers, Lead-Sänger der Gruppe, hat sich zum gleichnamigen Song schon mehrmals geäußert, weil er damit konfrontiert wurde, dass der Titel des Stücks missverständlich wäre. Sein trockener Kommentar lautete frei übertragen: Das ganze ist ein Tanz-Lied mit einem guten Beat, der Refrain sei inspiriert von einem Kommentar des Musikjournalisten Hunter S. Thompson, der feststellte, dass Amerika „was raising a generation of dancers". Flowers abschließend im O-Ton: „If you can't put that together, you're an idiot. I just don't get why there's a confusion about it." So weit, so gut. Lassen wir diesen Exkurs beiseite und widmen wir uns nochmals den humanisierten Arbeitsstätten und möglichen Antworten auf meine Fragen. Unsere Arbeitswelt ist nicht animalisch, sie ist ent-menschlicht. Wo Betriebswirte am Werk sind, wo shareholder ihren Anteil lukrieren sollen und alle sich zu den Gewinnern zählen wollen, da geht das immer auf Kosten eines anderen, letztlich auf Kosten aller. Oder: Die Tierwelt hat dem Menschen aus meiner Sicht jedenfalls voraus, dass sie die eigenen Artgenossen nicht oder nur im Notfall tötet. Der Wolf, der in diesem Zusammenhang gerne als des Menschen Feind zitiert wird, ist ein höchst soziales Wesen und hat den Humanoiden vieles voraus. So gesehen ist der Mensch nicht des Menschen Wolf, sondern eher sein Todfeind. Als Antonym würde ich auch in diesem Zusammenhang von Ent-Humanisierung sprechen und nicht von Animalisierung. Und dann: In der humanisierten Arbeitsstätte wird Arbeitsintegration für Menschen mit Behinderung angeboten. Dazu habe ich auf OKTO ein Video gefunden, in dem man sich ein Bild davon machen kann. Auch: Ja, leider sind Arbeit und Erwerbsarbeit zwei paar Schuhe, erst recht wenn man den Begriff Beschäftigung hinzufügt. Auch wenn ein Bundeskanzler Kern die Menschen in Beschäftigung bringen will, so hat er doch nichts anders vor, als sie mit Erwerbsarbeit zu befürsorgen, dass sie dem Staat nicht auf der Tasche liegen. L’etat c’est moi? Non, non. L’etat c’est nous! Daraus folgend: Es muss ein existenzgesichertes Leben ohne Zwang zur Erwerbsarbeit geben, die noch dazu viel zu selten den eigenen Talenten und Fähigkeiten entspricht und viel zu oft nichts zum persönlichen Wachstum oder der Weiterentwicklung der Gesellschaft beiträgt. Und abschließend – mein ernüchterndes, erschütterndes Resümee unserer Holzklotz-Gemeinschaft: We aren’t dancer, but certainly we aren’t human either. Ich freue mich auf Ihre Antworten dazu im Kommentar zu diesem Tagebucheintrag!
0 Comments
Christian Kern, der marketing-geformte "Kanzler der Herzen", hat im ORF-Sommergespäch am vergangenen Montag versucht, alte Hüte neu zu verpacken und an die BürgerInnen zu bringen. Es mag ihm ob seines Charmes und seines eloquenten Lächelns, das ein ebensolches Äußeres begleitet, auch da und dort gelungen sein. Einer fundierten Analyse halten seine Aussagen allerdings nicht stand.
Zwei davon möchte ich herausgreifen und an ihnen aufzeigen, dass mit Parametern von gestern keine Zukunft zu gestalten ist: Zum einen sprach der Kanzler vom "In-Beschäftigung-Bringen der Menschen" mit dem Ziel bis 2020, also innerhalb von 4 Jahren, Vollbeschäftigung zu erreichen. Gleichzeitig hat er vor kurzem eine "Maschinensteuer" gefordert, weil er wahrnimmt, dass die laufende und wachsende Digitalisierung von Arbeitsabläufen jede Menge Jobs kosten wird. Seine Forderung ist aber nicht nur ein Widerspruch dazu, sondern sie ist vielmehr auch eine Fortsetzung einer Politik, die die Menschen beschäftigen will, obwohl diese, wenn sie psychisch und physisch gesund sind, ohnehin ausreichend beschäftigt sind. Was nicht ausreicht ist das dabei erzielte Einkommen, das bei gar nicht so wenigen dieser Beschäftigungen gegen Null geht. Viele der Werktätigen nehmen zudem in Kauf, dass sie einer Arbeit nachgehen, die ihnen nicht entspricht. Dabei werden sie dann physisch und psychisch krank. Hier handelt es sich um einen gessllschaftlichen Teufelskreis, der dringend durchbrochen werden will. Das richtige Mittel dazu ist aus meiner Sicht ein bedingungsloses Grundeinkommen in existenzsichernder Höhe. Finnland gibt hier leider kein gutes Beispiel, da es mit dem dort so genannten Grundeinkommen bloß die Sozialhilfe bündelt, um die Kosten zu senken. Wer bitte kann von € 560,- im Monat leben, wenn ein Haushalt dort durschschnittlich € 3.000,- ausgibt? Den für diesen Schritt nötigen Paradigmenwechsel weg von der Arbeit als Existenzgrundlage hin zum Sein hat noch keinE PolitikerIN in Österreich geschnallt, auch nicht der "wunderbare" Kanzler Kern. Zum zweiten preist Kern die Verlängerung der Ausbildungspflicht bis 25 an. Ein genialer Marketing-Schachzug, um die Jugendarbeitslosigkeit mit einem Schlag auf Null zu senken. Wer in Ausbildung ist, ist nicht arbeitslos und fällt elegant aus der Statistik. Das Drama dabei ist, dass das Leben der Menschen damit noch weiter eingeschränkt wird. Schon die Verpflichtung, sich bis 18 ausbilden lassen zu müssen ist ein eklatanter Widerspruch zum einst geborenen bildungshungrigen und neugierigen Menschen, dem durch das derzeitige Bildungssystem genau das abtrainiert wird, was nun von ihm verpflichtend gefordert wird. Das ist nicht nur quälend sondern absolut zynisch. Hier wäre es aus meiner Sicht viel besser, ein lebenslanges Recht auf Bildung zu emöglichen, das auch außerhalb von Schule in Anspruch genommen werden kann und das von der öffentlichen Hand finanziert wird. In Kombination mit dem Grundeinkommen, wäre das eine ideale Grundlage, auf dem neue Ideen wachsen können, die die Krise der Gesellschaften rund um den Erdball konstruktiv und kreativ lösen werden. Gerne hätte ich Christian Kern applaudiert. Nach seinen Ausführungen am Montagabend ist mir allerdings sogar der Buh-Ruf in der Kehle stecken geblieben, weil ich nicht nur enttäuscht sondern auch maßlos traurig war. Mögen meine Tränen - und die Tränen der vielen Menschen, die diese allerdings meist in Wut ausdrücken - die "vertrockneten" PolitikerInnen unseres Landes endlich zu neuem Leben erwecken ... |
Hinweis:
Meine Meinung zu aktuellen Themen habe ich bis 1.9.2015 im Blog "Mein Senf zu allem" veröffentlicht. Seither habe ich sie auf dieser Seite in meine Tagebucheinträge integriert.
Archiv
Juli 2019
|