Von Psychopathen habe ich an dieser Stelle schon öfter geschrieben. Es gibt sie häufiger als wir gemeinhin glauben und sie kommen öfter in verantwortlicher Positionen vor, als es den Organisationen und Institutionen, denen sie vorstehen, gut tut.
Das heute von mir gewählte Beispiel ist der türkische Präsident Recep Tayyip Erdoğan, der aus der Putsch-Nacht in seinem Land gestärkt hervorgeht und seine Machtfülle nunmehr bis an die Grenzen des Möglichen ausweiten wird. Denn: Wer will im 21. Jahrhundert bitte eine Militärdiktatur? Wer will nicht Teil eines freies Volk mit einem freigewählten und mächtigen Präsidenten sein, der alles richten wird, damit die Bevölkerung ungestört ihrer Arbeit, dem Klatsch des Boulevard, den aktuellen virtuellen Hypes am Handy oder am PC, den familiären Scharmützeln oder den neuesten Soaps, ob Doku- oder nicht, nachgehen kann? Na eben! Für mich wirkt die ganze Sache wie eine Inszenierung eines psychopathischen Diktators. Zumindest, meine ich, wird er von der Sache gewusst haben und sie nun zu seinem Vorteil nutzen. Natürlich haben ihm und seinem Rechtsstaat schon alle "wichtigen" PolitikerInnen der westlichen Welt ihre Unterstützung zugesagt. Die Manipulation ist aufgegangen. Er sitzt fester im Sattel als je zuvor. Wie ich zu diesen Schlüssen komme? In meinem Leben habe ich mehr mit psychopathischen Persönlichkeiten zu tun gehabt, als viele andere. Ich war von ihnen fasziniert und bin zu ihrer Marionette geworden bis hin zur Selbstaufgabe. Ich habe alle negativen Persönlichkeitsanteile dieser Personen übernommen und mich ständig schuldig bzw. verantwortlich gefühlt. Ich musste mühsam lernen, wer ich wirklich bin und wo ich das lebte, was diese Personen von mir erwarteten. Daher kann und will ich nicht schweigen, wenn solche Menschen Einfluss nehmen auf das Leben anderer oder sogar ganzer Völker, bisweilen auch der ganzen Welt. Damit Sie sich als LeserIn selbst ein Urteil bilden können habe ich allgemeine Merkmale von psychopathischen Persönlichkeiten in meinen Worten zusammengefasst. Das sind u.a.:
Mein sehnlichster Wunsch ist es, dass alle erkennen, wann sie es mit einem Psychopathen zu tun haben, ihre Angst vor diesen und dessen Macht - die aus deren Ohnmachtsgefühl resultiert - überwinden und die notwendigen Schritte setzen. Das kann einerseits die Konfrontation sein, wobei dann jegliche Empathie hintangehalten werden muss. Im Volksmund heißt es nicht umsonst, dass nur ein noch größerer Psychopath einen Psychopathen ausschalten kann. Die größte Angst dieser Menschen ist ihre Bloßstellung. Das heißt, es braucht Verbündete und den richtigen Zeitpunkt, um sich dieser Strategie zubedienen. Die andere Möglichkeit ist das "Aus-dem-Weg-Gehen", was bedeutet, dass man alles in Sicherheit bringt und möglichst so weit weggeht, dass keine Zugriffsmöglochkeiten mehr bestehen. Jedenfalls ist es ein weiter Weg, nicht zum sekundären Psychopathen zu werden, also mitzuspielen. Der erste Schritt aber ist es, sich bewusst zu werden, dass es Psychopathen gibt und dass man sie anhand ihrer Verhaltensweisen erkennen kann. Beim türkischen Präsidenten dürfte das mittlerweile sehr einfach sein.
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Heute am späten Vormittag war es endlich soweit. Ich kaufte zum ersten Mal seit Jahrzehnten wieder mal eine LP, heute neudeutsch "Vinyl" genannt.
Und das kam so: Eigentlich war ich zu einem Treffen in die Bücherei an der Philiadelphiabrücke gefahren, um Infos für eine mögliche Story, die ich journalistisch verarbeiten möchte, zu bekommen. Mein Gesprächspartner erschien aber nicht und nachdem ich ihn auch telefonisch nicht erreichen konnte, nutzte ich die Zeit bis zur Abfahrt meines Retourzuges, um mich ein wenig im dortigen Einkaufszentrum umzuschauen. Im Supermarkt kaufte ich noch eine Flasche Rotwein für meine Frau und mich zum Mittagessen, das heute unser Mittlerer zubereitete (Die Tigerpilznudeln aus dem Kochbuch von Janosch sind ihm ausgezeichnet gelungen!), danach machte ich eine Runde beim Müller. Zuerst hielt ich nach interessanten DVDs Ausschau, was nicht erfolgreich war, dann war ich überrascht über die Vinyl-Regale, die gleich daneben standen. Ich stöberte in den Platten, fand die Beatles, John Lennon und viele andere bekannte KünstlerInnen, auch die Red Hot Chili Peppers. Irgendwie bekam ich Lust, unsere Plattenspieler mal wieder etwas Neues zu bieten. Und da: Plötzlich lächelte mich ein sonnenbebrillter junger Mann mit schwarzem schulterlangen Haar an, der auf den Holztreppen vor einem Haus saß und eine Packung Tabak in den Fingern hielt. Ein Bild, das ich schon irgendwo gesehen hatte. Dann fiel mein Blick auf den Titel, der auf den oberen Rand der Plattenhülle gedruckt war: "Rodriguez - Coming from reality". Wow ... die Überraschung war gelungen. Wie ich an anderer Stelle in meinem Tagebuch geschrieben habe, bin ich dem Singasongwriter aus Detroit erstmals heuer und durch Zufall sowie seinen Song Cause, der in einem Tatort gespielt wurde, begegnet. Danach war ich Feuer und Flamme für seine poetischen Texte und stimmungsvollen Melodien. Ich fand heraus, dass er genau im heurigen Jahr sogar einen Gastauftritt im Schloß Esterhazy beim Nova Jazz & Blues-Festival am 8.Juli hatte. Die aktuellen Lebensumstände verhinderten eine persönliche Begegnung mit dem nunmehr 74-jährigen, ich begnügte mich mit Youtube-Audios und dem Betrachten der oskargekrönten Dokumentation "Searching for Sugarman", die sein Leben eindrucksvoll darstellt. Und dann heute dieser neuerliche Zufall: Rodriguez beim Müller und das auf Vinyl. Ich konnte nicht anders, als in diese erste Langspielplatte seit Jahrzehnten zu investieren. Beim Mittagstisch dann erfreute ich die ganze Familie mit den 10 Songs, die für mich allesamt Kultcharakter haben. Oder was ist sonst von Worten wie diesen zu halten: "Just a song we shared, I'll hear Brings memories back when you were here ... Of the love we woved would never Melt like snowflakes in the sun." (I think of you) "But oh if you could see The change you've made in me That the angels in the skies Were envious and surprised That anyone as nice as you Would chance with me" (Silver Words?) "Judges with metermaid hearts Order super market justice starts Frozen children inner city Walkers in the paper rain Waiting for those knights that never came The hi-jacked trying so hard to be pretty" (Sandrevan Lullaby) "Cause the smell of her perfume echoes in my head still Cause I see my people trying to drown the sun In weekends of whiskey sours Cause how many times can you wake up in this comic book and plant flowers?" (Cause) Der Sozialdemokrat, nein besser gesagt, der von der SPÖ bestellte Verteidigungsminister Hans Peter Doskozil ließ den Hinweis auf 1934, den der Journalist Robert Wieser im ORF-Report am verganganen Dienstag in sein Interview mit ihm einbrachte, im wahrsten Sinne des Wortes einfach links liegen.
Auch die in der Sendung gemachte Aussage des Vorarlberger FPÖ-Abgeordneten Reinhard Eugen Bösch, wonach man sich aus Sicht der Freiheitlichen keinen besseren Verteidigungsminister wünschen könne, spricht Bände. Aus dem zum "Helden des Flüchtlingsdramas in Nickelsdorf" hochstilisierten ehemaligen burgenländischen Landespolizeidirektors ist ein höchst militanter Minister geworden, dem nach eigenen Angaben die Sicherheit der Bevölkerung am Herzen liegt. Da er auf die Frage nach seinen Motiven keine andere Auskunft als die eben angeführte gibt, steht aus meiner Sicht zu befürchten, dass dahinter (auch) ein gefährlicher Ego-, wenn nicht sogar Psycho-Trip eines offenbar bisher völlig verkannten Menschen steht. Man kann jetzt so wie der ORF den Teufel an die Wand malen und in Interviews und Filmchen zeigen, was das Bundesheer in Form der gestärkten Militärpolizei so alles plant - derzeit nur für Auslandseinsätze, jederzeit bei Zuteilung entsprechender Befugnisse auch im polizeilichen Assistenzeinsatz im Inland. Damit aber wird meines Erachtens genau das Gegenteil bewirkt und die von Innen- und Verteidigungsminister gemeinschaftlich ins Leben gerufene Legende vom Schutz der Bevölkerung ordentlich befeuert. Für mich scheint es viel wesentlicher, dass in Erinnerung an die zerstörerischen Kräfte, die eine unselige Allianz aus Militär und Polizei bewirken kann (Stichwort 1934), alle Maßnahmen getroffen werden, um der unter dem Deckmantel der "Flüchtlingskrise" geschürten Existenz- und Fremdenangst entgegen zu wirken. Hier wird von den scheinbar Mächtigen ein Szenario entwickelt, dass sich immer weiter in Richtung Sicherheit auf Kosten von Freiheit neigt. Doch die wahre Macht liegt in unserem Händen, geht sie doch in unserer Demokratie nach wie vor vom Volk aus. Wenn wir uns darum bemühen uns ein eigenes, authentisches Bild von jeglicher Situation zu machen, das nicht von scharfmachenden und ihre eigenen Machtinteressen verfolgenden PolitikerInnen und den ihre Aussagen unkritisch wiedergebenden Boulevardmedien getönt ist, dann werden wir eine andere Wirklichkeit erkennen. Wir werden unsere Ohnmacht verlieren und bemerken, was wir alles tun können, um die Krisen, die uns tagtäglich um die Ohren geschlagen werden, nicht nur als gefahr sondern als Chance zu begreifen. Auf diese, und nur auf diese Weise, können wir Doskozil und Konsorten stoppen und eine Welt gestalten, die (wieder) lebenswert ist. Auch hier liegt das Geheimnis im Kleinen gemäß dem Motto "Think global, act local". Mit dieser Sichtweise können (wieder) Gemeinwesen entstehen, die wirklich tragfähig sind und die die richtige Balance zwischen Schutz und Sicherheit sowie Freiheit finden. Dialog zwischen einem Touristen und einem Einheimischen aus einer gar nicht so fernen Zukunft in Braunau am Inn, Salzburger Vorstadt Nr. 15:
"Sagen Sie, stand da nicht das Geburtshaus vom Adolf Hitler?" "Adolf wer?" "Na Adolf Hitler, der Führer!" " Wenn Sie an Führer suchen, dann wenden Sie sich am besten ans Tourismusbüro, des is in die Richtung einfach gradeaus am Stadtplatz, können's nicht verfehlen." "Sie verstehen mich nicht, ich meine den Reichskanzler, den Führer des Großdeutschen Reiches." "Kenn i ned." "Aber da stand doch sein Geburtshaus, hier an dieser Stelle." "Von wem ham's denn des?" "Hier schau'n Sie!" (Tourist zeigt auf eine Seite in seinem Reiseführer) "Des muas a Irrtum sein. Und jetzt entschuldigen Sie mich, ich hab wichtigeres zu tun, als mich mit solchen G'schichten zu beschäftigen." Der Einheimische geht ab und lässt den Touristen verduzt und kopfschüttelnd zurück. Für mich ist der Umgang mit der umstrittenen Immobilie in Braunau am Inn ein typisch österreichischer. "Für mich wäre ein Schleifen wie bei Fritzl-Haus in Amstetten die sauberste Lösung", sagte vor kurzem Innenminister Wolfgang Sobotka laut Ö1. Heute wird im Ministerrat ein Gesetzesentwurf zur Enteignung der derzeitigen Eigentümerin beschlossen, die sich standhaft gegen einen Verkauf wehrt. Die Gründe sind mir nicht bekannt, aber eine Enteignung? Dem Innenminister tut es leid, aber man könne nicht anders, sagt er, denn das öffentliche Interesse sei hier einfach viel größer als das eigene. Schon bisher war sein Ministerium Mieter des Hauses und bezahlte laut Ö1 rund € 5.000,- pro Monat. Damit soll jetzt endlich Schluss sein. Die Frau erhält eine Entschädigung, die Höhe wird durch ein Gutachten festgestellt werden. Und dann wird eine 12-köpfige Kommission entscheiden, was mit der Immobilie geschehen soll. Hier beißt sich die Katze mit Methoden aus einer vergangenen Zeit in den Schwanz. Hier gibt es zwar nichts zu gewinnen. Aber es gibt sicher bessere Lösungen als die nun gewählte, die dem Geschichtsbewusstsein eines Landes, das sich bis heute als erstes Opfer Hitlers wähnt, es aber nie war, gerechter werden würde, als einfach mal wieder alles unter den Teppich zu kehren. Der Ort nämlich, egal ob mit oder ohne Haus, lässt sich nicht von der Landkarte wegradieren. Mein Leben ist gezeichnet von den Kriegen im Kleinen wie im Großen. Glücklicherweise musste ich an keinem großen Krieg teilnehmen, obwohl ich im Rahmen meines achtmonatigen Präsenszdienstes in meinem neunzehnten und zwanzigsten Lebensjahr darauf vorbereitet wurde. Die im Kleinen aber sind mir bestens vertraut - von Kindesbeinen an. Und auch heute noch verstricke ich mich in den einen oder anderen - oder werde darin verstrickt.
Zwei Filme, die ich am Ende der vorigen Woche mit meiner Frau gesehen habe, sind erschütternde Beispiele, wohin das eine und das andere führen kann - und viel zu oft führt. Im Zweiteiler "Saigon - L'eté de nos 20 ans" und in Sidney Lumets "Before the Devil Knows You're Dead" wird auf ganz unterschiedliche Weise auf die großen und kleinen Kriege eingegangen. Der französische Film, der auf ARTE ausgestrahlt wurde, beleuchtete den Indochina-Krieg, in den sich die Grand Nation verstrickt hatte, aus der Perspektive dreier Jugendfreunde. Motive und Motivation sich an diesem Wahnsinn zu beteiligen sind so verschieden wie die Menschen: der eine muss trotz eines schweren Herzfehlers die militärische Familienehre aufrecht erhalten, um sich seinem Konflikt mit dem Vater nicht zu stellen, der andere vertuscht mit seiner Flucht nach Vietnam einen tödlichen Verkersunfall, den er (mit-)verursacht hat. Und der letzte frönt seiner Leidenschaft als Spieler, in dem er sich als Schieb betätigt und damit zwischen die Fronten gerät. Dazu kommt die Liebe, die gelebt werden will und letztlich doch nicht gelebt werden kann; auch hier ein Konflikt, dessen Lösung letztlich nicht gelingt. Das Ende der drei ist höchst unterschiedlich. Und auch das Ende des Krieges, von dem wir im Film noch lange entfernt sind, ist ein unrühmliches - wie das Ende aller Kriege. Der Titel des Films von Lumet basiert auf einem irischen Trinkpruch, der in einer Kurzform so lautet: "May you be in heaven for half an hour before the devil konows you're dead." In seiner Langform wird er so gesprochen: "May your glass be ever full. May the roof over your head be always strong. And may you be in heaven half an hour before the devil knows you're dead." Darin werden zwei Brüder - kongenial von Ethan Hawke und Philip Seymour Hofmann verkörpert -, beide aus unterschiedlichen Gründen verschuldet, zu Verbrechern, die das Juweliergeschäft der Eltern ausrauben, um ein neues Leben beginnen zu können. Der zuerst geniale Plan scheitert katastrophal und führt in die Abgründe eines Familienkonflikts zwischen Vater (in dieser Rolle absolut sehenswert Albert Finney) und Sohn, der im Film nur todbringend gelöst werden kann. Wo auch immer hier mit einer konstruktiven Bearbeitung begonnen werden hätte können, wissen wir nicht, da wir erst mitten in der Tragödie Zeugen eines unausweichlich scheinenden Untergangs der Familie Hansen werden. Für mich war in beiden Filmen die in den Krieg und den damit verbundenen Untergang führende Dynamik sehr deutlich wahrnehmbar. Gelänge das doch auch in jenen Momenten, da man nicht Zeuge sondern Beteiligter ist. Um aus einer Situation raus zu kommen, muss jedenfalls nicht alles zerstört werden (weder ein andere Land noch eine Beziehung), es braucht viel mehr die Kunst des konstruktiven Streitens und den Mut, auch Lösungen zu respektieren, die keine gemeinsamen sind. Daran arbeite ich und dabei begleite ich Menschen aller Altersgruppen im Rahmen einer meiner beruflichen Tätigkeiten. Das möchte ich hiermit auch allen PolitikerInnen ins Stammbuch schreiben die derzeit meinem Gefühl nach diese Dynamik entweder vollkommen unterschätzen oder sogar bewusst geschehen lassen. Möge ihnen ein Funken Gefühl, ein Funken Verstand und ein Funken Menschlichkeit geschenkt werden, damit sie uns alle nicht zur Hölle schicken ... In der dieswöchigen Ausgabe der Frankfurter Allgemeinen Sonntagszeitung findet sich auf Seite 54 im Feuilleton unter dem Titel "Das muss von Finnen kommen" die von Bettina Hartz verfasste Rezension des von meiner Frau Reetta übersetzten und im Guggolz-Verlag erschienenen Erzählung des finnischen Literaturnobelpreisträgers Frans Eemil Sillanpää "Hiltu und Ragnar".
Bettina Hartz, die sich auch in der Recherche über den Nobelpreisträger und den Hintergrund der Erzählung äußerst sattelfest zeigt, weiß, dass diese klassische Novelle von Zartheit und Einfühlung in menschliches Empfinden gekennzeichnet ist, "die an Schnitzler erinnert, während die Schilderung der erstickenden bürgerlichen Verhältnisse, zwischen den Generatione, zwischen den Geschlechtern, auf wenigen Seiten die Intensität eines Ibsenschen Dramas entwickelt." Und: "Sillanpää erzählt von der Verstrickung der beiden jungen Leute von innen heraus, in leisen Tönen, vollkommen unsentimental, oft sogar frech und rauh." Die Stärke dieser Erzählung wird eben besonders durch diese ganz nahe an der Sprache des Schriftstellers befindlichen Übersetzung deutlich, die Peter Urban Halle am 13.4. in der NZZ (S. 38, "Verwirrte Gefühle"), als holprig kritisierte. Meines Erachtens ist diese "Holprigkeit" im Deutschen, so es denn überhaupt auf diese Weise wahrgenommen wird, eben der Sprache Sillanpääs geschuldet, die sich gegen das Glatte und Ausgebügelte sperrt. Um es mit den Worten von Sylvia Staude in Ihrer Betrachtung in der Frankfurter Rundschau vom 10. Jänner dieses Jahres unter dem Titel "Im See zur Ruhe legen" zu sagen: "Reetta Karjalainen hat die stellenweise ironisch angereicherte Nüchternheit Sillanpääs in kühl-präzises, zart altmodisches Deutsch übertragen." Ich hab das Büchlein in wenigen Stunden und fast in einem Zug gelesen. Es ließ mich betroffen und seltsam berührt zurück. Und ich fand Anklänge an das Jetzt, in dem für einen Großteil der Menschen selbst in unseren "hochentwickelten" Ländern die Klassengesellschaft und die daraus resultierende "Sklaverei" (wieder oder noch immer) zum Alltag gehören. Gerade geht der zweite dieser beiden Sommertage, die mich an damals sehr erinnern, in sein allerletztes Drittel. Der Morgen kühl mit um die 15 Grad, der Wind aus Westen, ja Nordwesten, die Sonne immer wieder hinter Wolken ... die Seele frisch, der Blick ganz klar, so der Verstand - bei höchstens Mitte zwanzig Celsius.
Im Herzen macht sich jene Sehnsucht breit, die nach Erfüllung heischt, doch weiß, dass nur ein Augenblick davon genug sein muss, ist es doch dieses Leben. Wenn es gelänge Augenblick an Augenblick zu fügen ohne den Blick zurück, auch ohne Zukunft, dann wäre viel gewonnen. Doch so erinnere ich mich trotz allen Sehnens so voller Sehnsucht meiner Kindheit, die sommers zwischen Alter Donau und Bergen in der Obersteiermark ihr Dasein lebte. Verlebte. Erlebte. Mit Großvater im Strandbad, dort im Fußballkäfig. Mit Mutter, auch mit Vater beschattet von der Veitsch, vom Niederalpl. Die erste Hälfte dieser Sommer gezeichnet von der Lebensfülle und voller Hoffnung; die zweite meist ein Abgesang, rann durch die Finger, geprägt vom nahenden Beginn des nächsten Aufenthalts im Schulgefängnis und Zuhause. Es dämmerte schon früh in diesen Tagen. Davor oft auch die widerliche Schwüle, die viel zu selten von Gewittern mir heftig von der Haut gewaschen wurde. Wie fürchtete ich diese Wetter überall, noch mehr im Bergland. Sie zeigten mir die Macht des viel zu lange Unterdrückten. Und dann: Der Duft von Futterwiesen, Sommerblumen, dem Wasser und der Sonne auf der Haut. Der Klang von Morgenvögeln, dem Wind in Buchen, Tannen, Föhren, der Stimme jenes Baches, an dem ich mich verliebte. Und im Geschmack des süßen Klees verging so manche bittere Stunde schneller. Da spürte ich die Wiesen, durch die ich nicht nur lief, sondern auch rollte, noch lange nachher - ganz tief im Innern unter meiner Haut. Und sah die blauen Himmel besser und griff begierig nach dem tiefen Sinn des Lebens. Zwei Sommertage so wie damals - und ich bin wieder mitten drin im Sein. Ist eine Wonne. Dieser Text ist auch in den "short storys" unter dem Titel "Sommerleben" zu finden. |
Hinweis:
Meine Meinung zu aktuellen Themen habe ich bis 1.9.2015 im Blog "Mein Senf zu allem" veröffentlicht. Seither habe ich sie auf dieser Seite in meine Tagebucheinträge integriert.
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Juli 2019
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