Lang, lang ist's her, dass ich mich mit dem Unterschied zwischen Arbeit und Erwerbsarbeit zu beschäftigen begonnen habe. Das war in meiner jugendlich-politischen Phase, als ich in den Zwanzigern meines Lebens zuerst 4 Jahre als freigestellter Betriebsrat einer großen österreichischen Bank und dann knappe zwei Jahre als Geschäftsführer einer österreichweiten Familienorganisation ge-arbeit-et habe.
In der ersten Tätigkeit hatte ich ganz viel Kontakt mit GewerkschafterInnen aller Couleurs und begriff, wie wichtig Erwerbsarbeit für alle Menschen wäre, weil sie finanziell unabhängig mache. In der späteren Beschäftigung war es der von mir vertretenen Organisation ein Anliegen, die unbezahlte Hausarbeit, die damals noch viel mehr Frauen und Mütter leisteten, mit einer angemessenen Bezahlung auszustatten um ihrer wirklichen Bedeutung gerecht zu werden und ihr einen angemessenen Wert zu geben. Diese beiden Sichtweisen wurden und werden heute nach wie vor gegeneinander gestellt - zum Schaden des Ganzen wie ich denke. Für mich jedenfalls begann damit die Zeit, mich mit "Beschäftigung" zu beschäftigen, mit dem Wert des Lebens, mit der Existenzberechtigung, die man sich erst verdienen muss und dem bedingungslosen Grundeinkommen. Ich studierte Fromms Essay, der kongenial bereits vor fünfzig Jahren darstellte, dass die Angst vor einem Basiseinkommen, das an keine Bedingungen geknüpft ist, völlig überzogen ist. Jeder psychisch und physisch gesunde Mensch ist in der Lage sich sinnvoll und gemeinschaftsfördernd zu beschäftigen, in dem er seine Talente und Fähigkeiten der Allgemeinheit zur Verfügung stellt und dabei selbst eine Freude hat. Gut, die Bedingungen haben sich insoferne verändert, als wir heute davon ausgehen müssen, dass immer mehr Menschen psychisch und physisch nicht mehr in der Lage sind, zu arbeiten. Vielleicht aber wären sie es, wenn sie das ihre machen könnten und sich nicht mehr als Opfer eines entlarvend bezeichneten Arbeitsmarktes sehen würden? Oder sind sie schon im Teufelskreis gefangen, dass Erkrankung durch Beschäftigung und daraus folgende Beschäftigungslosigkeit sie nicht mehr auf die Beine kommen lässt, auch weil sie den Zugang zu dem verloren (oder vielleicht sogar niemals entdekct haben), was in ihnen steckt? Das unselige Motto "Arbeit macht frei", das uns in den Kopf geschissen wurde bzw, das wir uns bereitwillig hineinscheißen haben lassen (wie die Minions in meinem letzten Blogbeitrag), hat sich - egal von welcher Seite und mit welchen Worten es propagiert wurde - als Lüge entpuppt. Darauf verweist auch die derzeit auf ARTE laufende 6-teilige Miniserie "Trepalium", deren deutscher Titel verharmlosend "Stadt ohne Namen" lautet. Hier wird eine fiktive Stadt der Zukunft gezeigt, in der die 80% Arbeitslosen, hier "Untätige" genannt", hinter einer Mauer in Verslummung und Elend leben. Die "Aktiven" hingegen leben in einer glatt-gestriegelten Welt, in der sie sich dem Zwang zur Arbeit unterwerfen, immer in Gefahr bei Nichtfunktionieren hinter die Mauer verbannt zu werden. Da der Arbeitsminister (und Gatte der Premierministerin) von Rebellen entführt wurde, ist die Regierungschefin bereit, deren Forderung durch die Anstellung von 10.000 Untätigen zu erfüllen. Diese sogenannten "Solidarischen" werden nun für ihr Dasein im jeweils einem Haushalt der Aktiven (wo sie aber nicht anerkannt und weiterhin meist untätig, aber zumindest geldverdienend ihre Tage verbringen). Ich möchte hier nicht zu viel verraten, das muss man selbst gesehen haben. Die Story nimmt schnell Fahrt auf, man kann sich dem Geschehen schwer entziehen und kriegt das Gefühl, dass diese Dystopie gar nicht mehr so fern ist. Im Film wurde darauf verwiesen, dass das französische Wort "travail" (Arbeit) von "Trepalium", einem antiken Folterinstrument, stammt. Meine Recherche dazu hat diesen ethymologische Ursprung zwar bestätigt, aber konnte mir nicht erklären, wie dieser Zusammenhang entstanden ist. Wer hat das Wort zum ersten Mal ausgeprochen, wer hat es in die Welt gesetzt. Hat es einen Bedeutungswandel erfahren? Was gilt? Dass erzwungene Arbeit immer Folter ist, dass Arbeit ünter folterähnlichen Arbeitsbedingungen stattfindet oder bleibt nur die metaphorische Bedetung, als die die Hedonisten Arbeit immer verstehen? Abschließend möchte ich noch festhalten, dass für mich Fromms Utopie einen Lösungsansatz für die Dystopie "Trepaliums" darstellt. Aus meiner Sicht ist es dringend not-wendig hier schon jetzt konkrete Übergangsmaßnahmen in Gang zu setzen als - typisch menschlich unmenschlich - erst in der Akutphase zu handeln; wobei dann der Handlungsspielraum wesentlich begrenzter sein wird. Damit Arbeit wirklich frei macht, braucht es eine Anerkennung der Beschäftigung, die aus jeder und jedem Einzelnen aufgrund der jeweiligen Potentiale, Talente und Fähigkeiten entspringt. Und diese Potentialentdeckung und -entwicklung ist ein lebenslanger Prozess, der von allen professionell und liebevoll begleitet werden sollte, die mit jungen Menschen "unterwegs" sind.
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Hinweis:
Meine Meinung zu aktuellen Themen habe ich bis 1.9.2015 im Blog "Mein Senf zu allem" veröffentlicht. Seither habe ich sie auf dieser Seite in meine Tagebucheinträge integriert.
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Juli 2019
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