Was einst die Religion war, ist heute die Erwerbsarbeit. Nicht vergleichbar, denken Sie? Ich wage dennoch den Vergleich, weil sich mir schon vor vielen, vielen Jahren ein Bild aufgedrängt hat. Katholisch sozialisiert wie ich war, suchte ich nach einer schweren Lebenskrise, dem wahren Glauben auf die Spuren zu kommen. Spuren, nicht Spur. Denn mir war krisenbedingt damals klar geworden, dass es immer eine Fülle von Pfaden aus etwas heraus, auf etwas hin gibt. Nicht umsonst heißt es ja auch: Viele Wege führen nach Rom (vgl. den gleichnamigen Song von Fettes Brot) . Diese Abwandlung der Redewendung, wonach alle Wege in die Hauptstadt des ehemaligen römischen Reichs führen, verändert zwar deren Sinngehalt, ist aber aus meiner Sicht eine ebenso zutreffende Formulierung.
Nun zurück zum Bild: Während einer römisch-katholischen Messe, die bis vor rund einem Jahrzehnt regelmäßig auf der Suche nach meinem Seelenheil besuchte (und ich muss sagen, es war zu jener Zeit durchaus wirksam – und ich als Religionslehrer, Begräbnisleiter und von der Kirche ob meiner damaligen Lebensgefährtin verhinderter Diakon - heute möchte ich sagen: Gott sei Dank! - in meinem neu gefundenen Glauben voll aufgegangen), erschien mir die vom Priester nach der Wandlung erhobene Hostie als Euro-Münze. Halleluja! Da wurde also vor meinen (inneren) Augen diese Oblate nicht zum Leib Christi, sondern zum Geldstück. Halleluja, sag ich. Ich spielte in den Tagen nach dieser Erkenntnis mit dem Gedanken, eine künstlerische Performance daraus zu machen, weil mir das Bild mit einem Mal so stimmig schien. Umgesetzt habe ich es nie, besprochen,das eine oder andere Mal im FreundInnenkreis, beschrieben erst jetzt, gerade eben. Diese unselige, ja unheilige Allianz zwischen Geld und Kirche gab es ja von Alters her, ich erinnere mich an den Ablasshandel, von Luther bekämpft und dennoch bis heute – wenn auch nicht unter diesem Titel – aktuell. Nicht verblüffend ist für mich daher auch die heutzutage weiterhin an den Tag gelegte Praxis der röm.-kath. Kirche, sich in Geldangelegenheiten die BürgerInnen unseres Landes betreffend nur mit äußerster Zurückhaltung einzubringen; und das alles unter dem Motto: wir mischen uns nicht mehr in die Tagespolitik ein, weil damit haben wir schon einmal ganz, ganz schlechte Erfahrungen gemacht. Dieser Vergleich allerdings hinkt aus meiner Sicht gewaltig. Nicht aber mein Vergleich von Religion und Erwerbsarbeit. Denn beide versprechen das Himmelreich (heaven), die eine nach diesem Leben, die andere bereits zu Lebzeiten (heaven on earth). Und beide erzählen uns das Blaue vom Himmel (sky). Nicht so der Mystiker Angelus Silesius, der mit seinen Ansichten wie so viele MystikerInnen der Kirche keine Freude gemacht hat: „Der Himmel ist in dir, suchst du ihn anderswo, du fehlst ihn, für und für“ wusste er aus eigener Erfahrung zu berichten. Die Hölle allerdings auch, ergänze ich hier unumwunden – auch aus eigener Erfahrung. Sartre meinte noch, „l‘enfer, c‘est l‘autre“, ich ergänzte in einer höchst melancholischen Lebensphase „l‘enfer, c‘est moi!“. Wenn ich also die Weisheit des Angelus Silesius anwende, dann wird mir bewusst, dass weder Religion im kirchlichen Sinn, noch Erwerbsarbeit im Sinne unseres unheilvollen Geld- und Wirtschaftssystems in der Lage sind, mein Leben zu retten. Sterben müssen wir alle Mal, das ist das Damoklesschwert unserer Existenz, mit dem wir so gar nicht umgehen können. Es ist ja auch – wenn du es mit dem Hirn erfassen möchtest – ein absurdes Geschehen. Der Sinn erschließt sich für mich nicht im „Woher?“ und „Wohin?“, sondern einzig und allein im Jetzt. Und das Jetzt verlangt anderes als Religion oder Erwerbsarbeit – die ja beide an der Vergangenheit bzw. Zukunft orientiert sind, es verlangt, den Himmel in dir zu entdecken oder um es mit C.G. Jung zu sagen: dein Selbst zu finden und es in die Welt zu setzen. „Davon wirst du nicht reich!“, meinte etwa meine Oma. Und sie hatte, ja hat so etwas von recht. Mit meiner Dichtkunst, die ich, um meinen - im wahrsten Sinn des Wortes notwendigen - Beitrag zum Familieneinkommen leisten zu können, immer wieder auch für längere, ja lange Zeiträume hintanstelle, verdiene ich kein Gramm Butter auf‘s Brot. Dennoch liebe ich es zu schreiben, ich gehe darin auf: Ich schreibe, also bin ich. Ein weiterer Bereich, in dem ich mich auch gerne verwirkliche, ist das Begleiten von Menschen, auch denen, mit denen ich zusammenlebe, meiner Familie, meinen Kindern. Andere mögen andere Berufungen verspüren, denen sie aufgrund des Einkommensdruckes nicht nachgehen können. Und das ist schändlich. Denn, wenn dieses Leben keine Zukunft nach der Erwerbsarbeit hat, weil man seine Pension nicht mehr erlebt bzw. keine Pension ausbezahlt bekommt, und ihm – im kirchlich-religiösen Sinn – auch keine Zukunft in einem Leben nach dem Tod beschieden ist, dann ist all das, was Religion und Wirtschaft fordern, nichts weiter als die vielzitierte Karotte vor der Nase – oder, um es mit Marx zu sagen: Opium für das Volk. Nun war Marx meines Wissens der Auffassung, dass jeder das Recht auf angemessene Arbeit und angemessenes Einkommen hätte. Ich gehe weiter und sage: Jede/r hat das Recht auf sein/ihr je sinnvolles Leben. Und jede/r hat das Recht auf ein Auskommen, das Einkommen oftmals nicht ermöglicht und schon gar nicht garantiert (siehe Prekariat und working poor), Demnach muss es Ziel einer Solidargemeinschaft sein, als den ich den Staat verstehe, ein bedingungsloses Auskommen zu garantieren und nicht ein bedingungsloses Grundeinkommen, das wieder davon abhängig ist, was jemand als Einkommen definiert. Nun ja, der Opiate gibt es viele in unserer Gesellschaft, da wären noch die (A)Sozialen Medien, Streaming und Fernsehen, die diversen gehypten Sportevents, vor allem der mittlerweile vom Kapitalismus völlig aufgefressene Fußball (Stichwort „Brot und Spiele“), Schönheitskult, Bildungswahn (ja, auch den gibt es aus meiner Sicht und er bildet sich in der Regel durch das Konsumieren von einer Ausbildung nach der anderen ab, also wohl richtiger :Ausbildungswahn), und noch viele mehr. Das Leben ist zu kurz, um es diesen Opiaten zu opfern! Wie aber diesen Teufelskreis durchbrechen? Vielleicht mit einem Einkommensexperiment wie Joshua Conens, den ich im Rahmen der Präsentation seines Filmes „CaRabA“ über die Zukunft des Bildungssystems kennenlernen durfte. Ich selbst habe noch kein Rezept, aber ich spüre das tiefliegende Sehnen und Bedürfnis, ein solches für mein Leben zu entdecken. Im sechsten Lebensjahrzehnt angelangt ist es schon reichlich spät, sicher noch nicht zu spät, aber höchste Zeit. Und für meine Kinder wünsche ich mir, dass sie ein solches unabhängiges Leben in Selbstbewusstsein, Selbstvertrauen und Selbstentfaltung leben dürfen. Wer also möchte mitdenken und mithandeln? Ideen und Lösungsvorschläge herzlich willkommen! [email protected]
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Kennen Sie das nicht auch?
Da hechelst du mit letzter Kraft auf die zwei, drei Wochen erwerbsarbeitsfreier Sommerzeit hin, freust dich auf die Ruhe (Endlich!) und dann: Bumm! Familie, Partnerschaft, die nicht abgelegten Rechnungen, das Haus, der Garten, ... alle fordern sie plötzlich ihr Tribut. Und noch bevor du das Wort Ruhe in Ruhe aussprechen kannst, bist du mitten drin in einem Gewitter ungeahnten Ausmaßes. Kommen dann noch irgendwelche erledigt geglaubte Vergangenheiten (Achtung: Jede/r von uns hat zumindest eine!) dazu, die die Sommerruhe dazu nützen, ihr Mütchen zu kühlen, dann wird's ein heißer Tanz, Klimawandel hin oder her. Nun will ich Sie nicht mit meinen Befindlichkeiten langweilen, ich bin nur auf der Suche nach Verständnis und Solidarität, die erhoffte Ruhe, die ersehnte Stille habe ich schon längst abgeschrieben. Geht's Ihnen auch so? Ich hoffe es. Bitte nehmen Sie mir das nicht krumm. Die Dichterseele leidet an so viel Alltag. Im Jänner war ich guter Hoffnung, hochschwanger mit den unzähligen Ideen meines genialen Geistes. Dann brach viel zu schnell der Trott des Erwerbslebens über mich herein und fraß mich auf, mit Haut und Haaren. Den Luftschlössern ging schnell die Luft aus, schneller als ein Atemzug dauert. Ich schaufelte mir drei Wochen zum Sommerbeginn frei - und hackelte, auch um die Auszeit finanzieren zu können. Daneben blieb alles andere auf der Strecke, auch das, was Jung das wahre Selbst nennt. Kann es das sein? Ich hoffe nicht. Die Jahre laufen, ich bin auf dem Weg zum Sechziger, lese Mankell und seinen letzten Wallander, lese Mankell's letztes Werk "Die schwedischen Gummistiefel", habe vor, Mankell's "Treibsand: Was es heißt ein Mensch zu sein" zu lesen und fühle mich bestätigt in meiner aberwitzigen Sorge vor dem Ende vor meiner Zeit. Wohin also laufen, wenn stille Zeiten in dir drinnen zu lärmen beginnen? Im Kreis? Da beißt sich nicht nur die Katze in den Schwanz. Auf und davon? Da holt dich die Vergangenheit bestimmt schon an der nächsten Ecke ein. In deine Mitte? Da brauchst du die nötige Ruhe, Technik und Zeit und woher die nehmen? Zum Therapeuten? Warum nicht? Aber er wird dir dein Leben auch nicht abnehmen können. Und wenn du den falschen erwischt, dann will er dich wieder zum Funktionieren bringen und wenn du den richtigen erwischt, dann könnte es passieren, dass kein Stein mehr auf dem anderen bleibt. Will ich das? Circulus vitiosus. Auf jeden Fall Zirkus. Der Zirkus des Lebens. Auch eine Idee von mir, die der Umsetzung harrt, nämlich der Niederschrift: Die Freiheit der Zirkuspferde. Paradoxon? Ja, nein. Gedankenirrgärten oder doch Labyrinthe? Gehe ich weiter, bleibe ich stehen, kehre ich um? Ich gebe auf. Und auf einmal ist sie da, die ersehnte Ruhe, breitet sich aus, in mir, um mich herum. Auch wenn sie wohl die Ruhe vor dem nächsten Sturm ist. Womit ich wieder bei meinem letzten Tagebucheintrag vom 4. Jänner dieses Jahres wäre. Das Leben dreht sich im Kreis oder doch in Spiralen oder sind es nicht eher Ringe, wie Rilke schon wusste? Let it go, let's go. Wäre schön, wenn Sie mitgingen. Sie wissen ja, die Dichterseele braucht Komplizen und Solidarität. Sie will verstanden werden - und geliebt. So einfach ist das - und so kompliziert. Schon sah ich ihn herannahen. Am Horizont zeigte er sich als dichter werdende Nebelwand, die auf uns zusteuerte. Just in dem Moment wollten wir mit unseren Rädern zum Bahnhof aufbrechen, um von dort mit dem Schienenbus in die Bezirkshauptstadt zu gelangen. Meine Frau hatte eine Einladung zum Abendessen, zu der sie mit Begleitung erwartet wurde. Unser Jüngster und ich waren von ihr dazu auserkoren worden. Noch waren wir zuversichtlich, den etwa zehnminütigen Weg mit dem Fahrrad vor dem Eintreffen des Wintersturms zu erreichen. Doch als wir unsere Jacken und Stiefel angezogen hatten und vor’s Haus in den Innenhof traten, war das Schneechaos mit böigem Wind bereits in vollem Gange. Wir hatten noch 25 Minuten, also mehr als doppelt so viel Zeit als unter normalen Umständen notwendig.
Meine Frau sprach schon von einem Zeichen, einem negativen, dass sie womöglich nicht zu diesem Treffen gehen sollte. Ich relativierte, während unser Jüngste umkehren wollte. Ich sprach ihm gegenüber von einem neuen Abenteuer, dass es nun zu bestehen gelte. Wir sattelten die Drahtesel in der gut geschützten und überdachten Einfahrt. Dann öffnete ich das große Hoftor und wir stapften ins Inferno. Der Wind war gegen uns. Unser Jüngster fuhr wie immer als Erster. Ich folgte, meine Frau hinterher. Nach knapp 100 Metern war Junior - verständlicherweise - nahe dran, schlapp zu machen. Der Wind nehme ihm den Atem, so schrie er dem Sturm entgegen. Wir stoppten, ich band ihm mein Piratentuch, das ich vorsorglich eingesteckt hatte, über Mund und Nase und wir nahmen ihn in die Mitte unseres Treks. Nun ging es besser. Der Schnee fiel waagrecht, der orkanartige Wind wehte ihn uns auch am Boden ständig entgegen. Wir fuhren mit gefühlten minus fünf Kilometern pro Stunde dem Bahnhof entgegen. An der Fußballarena gab es kaum ein Vorbeikommen und ich war nahe dran abzusteigen, zu schieben oder zu Fuß weiter zu gehen. Glücklicherweise gab es gleich danach, als die Kräfte deutlich zu schwinden begannen, auch den Kirchenweg, einen schmalen Fuß- und Radweg zwischen eng beieinander liegenden Häuserreihen. Hier war Durchschnaufen und kurze Erholung angesagt. Ich nutzte sie, um mich nach dem Befinden der hinter mir herfahrenden Familienmitglieder zu erkundigen. Alles Roger. Dann galt es links in die Hauptstraße abzubiegen, der Sturm machte mir das Erlauschen von links kommender Fahrzeuge schwer, sehen konnte man heute noch weniger als sonst. Aber viele waren zum Glück nicht unterwegs. Wir kurbelten die nächsten Meter in einem weiteren angenehmen Windschatten, den die Häuser entlang der Hauptstraße ermöglichten, herunter, der Schnee bedeckte aber an dieser Stelle die Straße schon zentimeterhoch. Ich dachte an das bevorstehende Schneeschaufeln nach unserer Rückkehr, sowohl am Gehsteig vor unserem Haus, als auch im Innenhof. Hoffentlich war niemand so ungeschickt in den Stunden unserer Abwesenheit das Trottoir vor unserem Anwesen zum Ausrutschen zu benutzen. Als wir uns der nächsten Ecke näherten, an der wir nach rechts in die Bahnstraße einzubiegen hatten, peitschten die Böen den Schnee erneut gegen unsere Fahrtrichtung. Ich blickte auf die Uhr. Noch zehn Minuten waren übrig. Ich blieb zuversichtlich, dachte aber kurz nach, ob wir lieber absteigen sollten, um heil um die Ecke zu kommen (und nicht um dieselbe gebracht zu werden). Als wir dort ankamen, herrschte plötzlich Stille. Der Wind hatte sich gerade in dem Moment offenbar für eine andere Richtung entschieden und wir nutzten diese Pause und nahmen die Kurve ohne Probleme. Mein Blick zurück verriet mir, dass die beiden anderen noch hinter mir waren. Die letzten Meter zum Bahnhof warn nochmals ein heftiges Strampeln gegen die Unbill des Winterwetters, dennoch erreichten wir unser Ziel wenige Minuten vor Abfahrt des Zuges, der überraschenderweise pünktlich daherkam und uns dem Treffen wieder ein Stück näherbrachte. Als wir wenige Minuten später den Zug wieder verließen herrschte Ruhe und Frieden. Der Schneefall hatte gänzlich aufgehört und der Wintersturm war abgeflaut. Wir kamen trocken und sicher und überpünktlich in der schon seit dem Mittelalter bestehenden Gastwirtschaft an. Es war ein wunderbarer Abend, an dem wir in die (Un-)Tiefen der regionalen Realpolitik zumindest einmal durch Erzählungen und eindrückliche Schilderungen eintauchen durften. Auf der Heimfahrt dachte ich nochmals an das von meiner Frau bei unserem Aufbruch ausgemachte Zeichen. Und relativierte meine Relativierung. Wenn sich meine Frau für das angedachte Projekt engagieren möchte, dann müsste sie sich ganz sicher warm anziehen, um mit den regionalen Bedingungen zurecht zu kommen und um den Stürmen und Untergriffen ihrer KontrahentInnen trotzen zu können sowie inhaltlich bzw. sachlich etwas weiterzubringen. Wobei das Tempo der erwünschten Fortschritte wohl auch bei gefühlter Minusgeschwindigkeit liegen dürfte. Aufgrund unserer Erfahrung mit dem Sturm, die wir an diesem Nachmittag machen durften, scheinen wir dennoch gerüstet zu sein. Die Frage ist nur, ob die Ausdauer auch über eine kurze Zeit hinausreicht. Meine Frau überlegt noch. Ich würde im Fall ohnehin nur im Hintergrund und als Stützkraft zur Verfügung stehen, da ich meine Aufgaben dort sehe, wo ich schon engagiert bin: der Gegenöffentlichkeit als zivilgesellschaftlicher und zivilcouragierter Aktivist Gehör zu verschaffen. Sie wurde jedenfalls zum nächsten Treffen eingeladen, um sich ein besseres Bild machen zu können Frau wird also sehen! Und Mann mit ihr. „Die UN-Kinderrechtekonvention ist mit ihren Standards der passende Rahmen für eine anspruchsvolle Kinder- und Jugendpolitik: Sie rückt junge Menschen in den Mittelpunkt unserer Aufmerksamkeit. Ein Grundprinzip aller Menschen, die für und mit Kindern arbeiten und leben, soll es sein, Kinder und Jugendliche als kompetente und eigenständige Persönlichkeiten wahrzunehmen. Ihre optimale Versorgung mit Wohn- und Lebensraum, Bildung und Betreuung, gesunder Nahrung sowie der Schutz vor Gewalt und Ausbeutung sind weitere wesentliche Ziele der Konvention. Denn Schutz, Vorsorge und Partizipation sind Voraussetzungen für die bestmögliche Entwicklung, auf die alle Kinder einen Anspruch haben.“ (https://www.kinderrechte.gv.at/) Die größte Herausforderung im Umgang mit den jungen Menschen in unserer Gesellschaft ist das Respektieren und die Akzeptanz Ihrer Subjekthaftigkeit. Das fällt uns im deutschen Sprachraum wohl auch deshalb schwer, weil wir den Heranwachsenden mit dem Begriff „das Kind“ bezeichnen, und ihn damit nicht nur sprachlich zum Objekt, zur Sache machen. Genau dort haken auch die konventionelle Erziehung und eine Vielzahl von pädagogischen Ansätzen ein, die davon ausgehen, dass es sich beim jungen Menschen um ein unfertiges, also noch nicht ganzes Wesen handelt, das zum vollen, zum richtigen Leben geführt werden müsse. Das richtige, das volle Leben ist dabei immer jenes, das der Erwachsene vorgibt (und meist nicht einmal vorlebt), der diese zu Kindern gemachten Menschen erzieht.
Unter dieser Perspektive sind so Formulierungen wie „als kompetente und eigenständige Persönlichkeiten wahrzunehmen“, „ihre optimale Versorgung mit Bildung“ oder „Partizipation“ immer mit dem Vorbehalt belastet, dass es sich eben um Kinder handelt und diese nur altersadäquat, also eingeschränkt für sich selbst sprechen können. Ein ebensolcher Vorbehalt haftet den Kinderrechten an, weil sie als eben für Kinder, also für Objekte, heruntergebrochene Menschenrechte verstanden werden, was sie aber nicht sind. Die Kinderrechtskonvention geht vielmehr davon aus, dass junge Menschen auf Grund ihres Alters besonders zu (be-)achtende Menschen sind. Mit den speziellen Formulierungen der Konvention für diese Altersgruppe wird ihnen aber nie und nimmer der Subjektstatus abgesprochen und damit auch keineswegs Tür und Tor für „Vergewohltätigung“ (Zitat Bertrand Stern) geöffnet. Nein, ganz im Gegenteil. Die besondere Schutzbedürftigkeit des Menschen ist nicht im Abtausch zur Einschränkung seiner Rechte zu haben. Denn: Alle Menschen sind gleich an Rechten und Würde geboren, also auch die jungen und die jüngsten. In der Praxis bedeutet dies, dass in allen Maßnahmen, die in der Begleitung dieser Heranwachsenden von Erwachsenen gesetzt werden, deren Recht auf freie Meinungsäußerung UND Mitbestimmung geachtet werden muss. Ebenso ist es Aufgabe der öffentlichen Hand, dass ihnen eine optimale Versorgung mit Bildung garantiert wird. Diese „Versorgung“ ist aber nicht auf die „Schule“ zu beschränken, denn dann würde der Staat ja das Menschenrecht auf eigene Meinung und Mitbestimmung eklatant missachten und die jungen Menschen zu halben Menschen oder noch weniger degradieren. Wenn wir also die Kinderrechtskonvention in unserem Land tatsächlich voll umsetzen wollen, nicht nur am Papier, sondern in der Praxis, so sind den Heranwachsenden alle Möglichkeiten frei sich zu bilden zur Verfügung zu stellen – und das kostenfrei. Und die gehen weit über das Angebot, das Schulen bieten können, hinaus. Denn dann könnte man keineswegs nach einem von Erwachsenen kreierten Curriculum vorgehen, sondern müsste den Interessen und Bedürfnissen der jungen Menschen folgen. Wer die Entfaltung eines Heranwachsenden tatsächlich Aufmerksamkeit schenkt, wird erleben, dass es keine Institutionen braucht, um tatsächlich zu lernen, weil dieser Vorgang ein völlig natürlicher, jedem Menschen innewohnender Prozess ist, der nicht von außen angeleitet werden muss. In diesem Sinn kann Bildung auch nicht zur Pflicht erhoben werden, weil sie ein Recht des Menschen ist – und zwar von Anfang an, ein Leben lang. Und genau das garantieren nämlich Kinderrechts- und Menschenrechtskonvention. (Beitrag aus meinem Bildungsblog auf nie-mehr-schule.at) Der fast traumlose Schlaf in den späten Morgen, die ersten Gedanken nach dem Erwachen an den festlichen, ausgelassenen Vorabend mit gutem Essen, Musik und Tanz in der angenehmsten Gesellschaft der Welt, das Anheizen unseres Küchenherdes, das gute Cider-Frühstück, die Vorbereitungen für das ersehnte Mittagessen, das Neujahrskonzert über Livestream und Beamer im erst kürzlich umgestalteten Wohnbüro, das herrliche steirische Wurzelfleisch mit dem frisch geriebenen Kren, der Kaffee danach mit dem letzten der Glücksfische, die anstrengende aber belebende Auseinandersetzung mit meiner geliebten Liebsten, die Reaktivierung der alten Schreibmaschine meines Schwiegervaters, das Match im Englischen Championship zwischen Derby County und Middlesborough (ebenfalls über Livestream und Beamer – und das ganz kostenlos) am gemütlichen roten Sofa mit zwei Bier und etlichen Grissini, die von unserem Jüngsten gestaltete Sendung im von ihm gegründeten „Radio Mizland – das Radio zum Wohlfühlen“ (Signation: Miau) zum Jahreswechsel, die er auf Kassette (!) aufgenommen hat, das gemeinsame Abendessen, die Mizzi-Katze und ihre neuesten Ideen, das abendliche Schreiben am Laptop, das Atmen in den nächtlichen Garten unter einem klaren Sternenhimmel bei kräftigem Wind – das Jahr hat an seinem ersten Tag bereits so viel für mich bereit gehalten, das es zu genießen und zu schätzen gilt.
Er-Füll(e)-te Zeit. I
Jahreswechsel sind künstlich erschaffene Situationen, die nichts mit dem individuellen Leben des Menschen zu tun haben. Sie sind der Geburtstag des neuen Jahres, mathematisch berechnet aus dem Sonnenzyklus und der durch unsere künstliche Lebensweise entstandenen Notwendigkeiten wie der Abschluss eines Wirtschaftszeitraumes. Die Natur kennt andere Gesetze. Aber sie wirtschaftet ja auch wesentlich besser als der Mensch. Auch Geburtstage haben selten etwas mit Entwicklungs- und noch seltener mit Entfaltungsschritten des Menschen zu tun. Ein Jahr älter zu werden ist kein Verdienst und auch kein Grund zum Feiern. Weisheit ist keine Frage des Alterns sondern eine Folge des sich Ins-Leben-Einlassens, der kritischen Reflexion alles Geschehenen und der richtigen Schritte auf dem Weg zur eigenen Individuation (C.G. Jung), also zur Entwicklung des jedem Menschen innenwohnenden vollen Lebenspotentials. Fülle. II Dennoch haben Jahreswechsel ihre Wirkung. Die einen feuern und ballern, was das Zeug hält, wieder andere tanzen sich für einige Stunden von der Lähmung ihres Alltags frei, die einen saufen sich das Vergangene schön, um das Neue mit einem Kater zu beginnen, wieder andere versinken in Melancholie und Depression. Für mich waren die letzten Tage vieler Jahre mit einer seltsamen Unruhe verbunden, an manchem Silvesterabend befielen mich Unwohlsein und Fieber – ohne erkennbaren Grund. Das waren jene Zeiten, in denen ich das Vertraute nicht loslassen wollte – war es auch noch so schrecklich – und das Neue und Unbekannte mir große Angst bereitete. Erst in den frühen Morgenstunden des Neujahrstages legte sich das Fegefeuer in meinem Inneren und ich schlief einer Genesung entgegen, die kaum jemals nachhaltig war. Die Wirkung des Wechsels vom Alten zum Neuen (Jahr) lässt sich aber auch bewusst gestalten: Reflexion des Vergangenen, Schlüsse ziehen und dem Zukünftigen durch ein bewusstes Gegenwärtigsein zur Geburt verhelfen. Leben findet immer bloß im flüchtigen Augenblick statt. Teuflisch, wenn man ihn festhalten will. Und: „Jedem Anfang wohnt ein Zauber inne“ (H. Hesse), wenn man ihn recht zu begehen weiß. III 2018 nach Christi Geburt (was für ein Anachronismus) haben wir Menschen verloren, denen Großes und Gutes nachgesagt wird, wie Ute Bock, Stephen Hawking, Milos Forman, Tom Wolfe, Philip Roth, Stefan Weber, Thomas Christine Nöstlinger, Aretha Franklin, Kofi Anan, Ignaz Kirchner, Montserrat Caballe, Bernardi Bertolucci, Penny Marschall, Amoz Oz und Eva Twaroch. Es starben auch etliche Schurken, doch fanden sich hydragleich umgehend andere, die in ihre Fußstapfen traten. Und: es wurden auch jene geboren, die der Welt früher oder später durch ihre Gegenwart Zukunft geben werden. Im Kleinen und damit im Großen. Dazu gehören sicher jene, denen es gelingt mit Hilfe der sie begleitenden Erwachsenen ihren individuellen Bildungsweg zu gehen und nicht zu SchubladendenkerInnen und Ja-SagerInnen zu werden, zu denen das staatliche Bildungssystem sie für gewöhnlich zu machen pflegt. Unser Planet braucht gerade jene dringender denn je. Egal ob sie PolitikerInnen, KünstlerInnen oder sonstwelche in der breiten Öffentlichkeit wahrgenommenen Lichtgestalten werden oder im Kleinen wirken, was sehr oft effizienter ist, wie werden das Angesicht der Welt prägen. IV Mein persönliches Jahr war von den vielen Höhen und Tiefen geprägt, die ein Menschenleben eben prägen. Ich darf mich insofern glücklich schätzen, als ich sicher nicht zu jenen zähle, die zwischen dem bösen Erwachen am Morgen und dem Einschlafen vor dem Fernseher von einem anderen Leben träumen, auf’s nächste Wochenende hoffen oder schon die Pension ersehnen, in denen dann endlich das eigene Programm läuft. Ich habe mich schon vor vielen Jahren entschieden, mein eigenes Ding zu leben, nicht immer zur Freude all jener, an deren Seite ich mein Leben verbrachte. Auch verbrachte ich mein Leben nicht immer an der Seite jener Menschen, an denen ich es idealerweise verbringen hätte sollen. Das liegt zwar schon Jahre zurück, wirkt aber das eine oder andere Mal immer noch nach. Auch mein durch meine Kindheit geprägter Hang für dieses oder jene Verantwortung zu übernehmen, wofür ich garantiert nicht verantwortlich bin, brachte mir mehr Hader als Segen. Im vergangenen Jahr musste ich mich mit einer solchen Situation beschäftigen – und als die Sache knapp vor dem Jahreswechsel kurz vor der Klärung stand, wurde der dementsprechende Termin um 2 Monate, also ins neue Jahr verschoben. Ärgerlich. Aber kein Grund zum Ärgern, vor allem weil dieses Gefühl mich weder in dieser Angelegenheit noch in allen anderen solche Emotionen erweckenden Situationen auch nur einen Millimeter voranbringt. So durfte ich 2018 auch an Gelassenheit und Zuversicht arbeiten, ich durfte mich vielmehr an ihnen abarbeiten ohne einen dauerhaften Erfolg zu verbuchen. Dennoch: Ich hatte auch im nunmehr in wenigen Stunden ablaufenden Jahr weniger mit Vergangenem zu tun als je zuvor, ich konnte mich also mehr denn je dem Gegenwärtigen widmen, das jede Menge Herausforderungen bot. Mein Vorhaben, dem Literarischen den nötigen Raum zu geben, ging trotz mehrmaliger Neustarts gründlich daneben, man könnte sogar von Rohrkrepierern sprechen, die nicht einmal das Licht der Welt erblickten, nachdem sie etwa auch hier in diesem Blog großspurig angekündigt wurden. Utopie also! Dennoch bin ich keineswegs bereit, mich diesbezüglich in Dystopischem zu ergehen und meine dichterischen Pläne auf die Pension zu verschieben oder gänzlich aufzugeben. Mir wurde aber sehr wohl bewusst gemacht, dass ein volles Leben eben keine Zeit lässt, das Erdachte auf’s Papier zu bringen. Also bewahre ich es in meinem Herzen – oder besser noch in meinem Notizbüchlein. Das Leben bot mir also wirklich viel, der Fußball kehrte nach etlichen Jahren wieder an meine Seite zurück, einerseits durch unseren Dorfklub, dessen Stadion in unmittelbarer Nähe zu unserem neuen Familiendomizil ist, andererseits durch den Mittleren und unseren Jüngsten, die beide ihr Können in den jeweiligen Kinder- bzw. Jugendmannschaften perfektionieren. Die Trainings, die Reise zu den Turnieren und zuletzt auch meine unterstützende Tätigkeit als Co-Trainer, die ich seit kurzem ausübe, beanspruchen die nötige Zeit, vor allem, weil ich letztere auch mit ganzem Herzen und Engagement angehen möchte. Die Tage seit Weihnachten haben auch die übliche jahresendzeitgemäße Katharsis über mich hereinbrechen lassen, was überhaut nicht angenehm ist, aber wann, wenn nicht jetzt, ist Raum dafür, Da ich mit Weihnachten schon abgeschlossen habe, sowohl mit dem religiösen als auch mit dem kommerziellen, bleibt ein feiner Abend im Kreis der Familie, in denen wir unserem in den Jahren entstandenen Ritual frönen, mit Weihnachtsfrieden, Weihnachtssauna, gutem, finnischen Essen und eine kleinen Bescherung für unsere Jungs durch den Weihnachtsmann bei einem kleinen Weihnachtsbaum, der heuer von unserem Mittleren bei den Waldspielen mit seiner Klasse gewonnen wurde. Der Setzling einer Nordmanntanne, der seit dem späten Frühjahr in einem Topf im Garten steht, hat ordentlich angetrieben und brachte es immerhin schon auf drei Kerzen, den üblichen, fast noch zu großen Strohstern an seiner Spitze und die eine oder andere kleine Holzfigur zur Verzierung. Von diesem Abend an brach die Weihnachtsruhe über mich herein, die mich mit mir selbst konfrontierte. In dieser vergangenen Woche durchlebte ich in meinen Träumen und auch tagsüber so Vieles aus den letzten 12 Monaten nochmals, wurde von mir und mir gegenüber zur Rechenschaft aufgefordert, verurteilte und begnadigte mich, haderte, verzweifelte und gab mir die Chance, nochmals von vorne zu beginnen. Eine anstrengende Zeit. Und eben mein mir innewohnendes Abschlussritual des Jahres, not-wendig und wertvoll, da es den Humus bildet, für das was kommen wird, 2019 und danach. V Zuletzt möchte ich noch dem von mir sehr geschätzten Erich Kästner das Wort erteilen: „Wird's besser? Wird's schlimmer? fragt man alljährlich. Seien wir ehrlich: Leben ist immer lebensgefährlich!“ Und das ist gut so! Eines Morgens im August stand sie plötzlich mitten im Wohnzimmer. Unsere erste Begegnung war von gegenseitigem Erschrecken gekennzeichnet. Sie duckte sich, ich hätte am liebsten einen Satz zurück gemacht, blieb äußerlich aber cool, nur mein Puls schnellte auf über 100 hinauf. Der Preis für sommernachts geöffnete Terrassentüren. Ich wunderte mich zudem augenblicklich, wie sie in unseren Vierkanter gekommen war.
Dann maunzte sie. Und ich ging über die Terrasse zum Kühlschrank in unsere Speisekammer, holte ihr eine Scheibe Bio-Braunschweiger und bot sie ihr zum Verspeisen an. Sie war skeptisch. Schnupperte links, schnupperte rechts, schnupperte oben, schnupperte unten. Solange ich die Wurst festhielt. Als ich sie fallen ließ, hatte sie sie aber umgehend im Maul und kaute dran herum, ließ sie wieder los, nahm sie neuerlich ins Maul und verdrückte sich mit dem guten Stück an einen ruhigen Ort im Garten. Wenig später stand sie wieder vor mir und maunzte. Ich entschied mich, ihr ein zweites Stück der geliebten Wurst zu schenken. Sie schnappte auch diesmal nicht gleich zu, sondern wiederholte ihr Schnupperritual und wartete, dass ich die Braunschweigerscheibe fallen ließ. Dann verzog sie sich abermals an den vorhin gewählten ruhigen Ort, um das Stück neuerlich auf Katzenart zu verspeisen. Wenig später, ich war schon wieder ins Haus zurückgekehrt, krachte es plötzlich im Garten; ein Krachen, das ich in den letzten Tagen schon öfter wahrgenommen hatte, nicht aber zuordnen hatte können. Ich schaute aus dem Fenster. Da sah ich, wie die Katze einen weiteren Anlauf nahm, um den Zaun aus Holzpaneelen zu überspringen. Sie scheiterte mit ebendiesem Krachen ein zweites Mal. Im dritten Anlauf klappte es und sie saß nach diesem Sprung noch kurze Zeit balancierend am oberen Rand der Abgrenzung zum Marillengarten, ehe sie mit einem weiteren Satz und nach einem dumpfen Aufprallen auf der anderen Seite das Zaunes das Weite suchte. In unserer Familienberatung entschieden wir, mal abzuwarten, ob die Katze uns wieder besuchen würde. In den nächsten Wochen kam sie immer öfter und schließlich regelmäßig morgens und abends. Inzwischen hatten wir zwei Futterschüsseln, eine Katzenbürste, Katzenmilch sowie Fleisch und Fisch gekauft, was sie fortan – frisch gekocht – gemischt mit Reis oder Flocken und Gemüse zwei Mal täglich kredenzt bekam. In dieser Zeit wurde sie auf Mizzi getauft. Kein Wunder, dass sie von nun an öfter einkehrte, auch untertags, den Dachboden, den Abstellraum, den Kellerabgang und den Garten nach unseren Mäusen durchsuchte, sich unter dem warmen Dach auch an mehreren Vormittagen nach durchwanderten Nächten ausschlief, und seit dem Herbsteinbruch am vergangenen Wochenende auch die meisten Nächte bei uns im Haus verbringt. Die Kartonkiste mit einer alten Decke meidet sie beharrlich und liegt lieber am Bett oder in einem weich gepolsterten Korbstuhl. Pünktlich zum Sonnenaufgang begehrt sie dann Auslass, um zwei Stunden später zum Frühstück zurückzukehren. Mittlerweile kracht es bei Ihrem Kommen und Ihrem Abgang jeweils nur einmal, da sie den Sprung aufs Zaunende mittlerweile locker beim ersten Mal schafft. So geben wir also Mizzi, der Mizzi-Katz oder – wie ich sie gerne nenne – Maria Mizzi-Kaze Quartier und haben sie als Zugewanderte aufgenommen, so lange sie halt will und mag. Sie erfreut uns fast täglich mit ihre Katzenweisheiten, die sie meinem Sohn Kimi und mir anvertraut und die wir mit ihrer Zustimmung auf einem eigens für sie eingerichteten Blog und Facebook-Profil veröffentlichen. Neun Monate nach dem Antritt der aktuellen österreichischen Bundesregierung wird nun mit unheimlicher Konsequenz und für jede/n all das, was mit dem Wahlsieg der Regierungsparteien gezeugt wurde, Schritt für Schritt in die Welt gesetzt.
Worum geht es dabei eigentlich? Sicherheit, ein Diktat der Wirtschaft und Nationalismus stehen aus meiner Sicht an vorderster Front im Kampf um die Stimmen des und die Stimmung im Volk. Dabei wird Populismus großgeschrieben, Feinde im Inneren und von außen gesucht und das „Der-überaus-starke-Willibald-Syndrom“ (nach einem Buch von Willi Fährmann: Der überaus starke Willibald, in dem eine Mäuserich die ganze Macht an sich reißt, in dem er die Albino-Maus für alles Unglück verantwortlich macht und ständig die Bedrohung durch die Katz‘ in den Mittelpunkt rückt, vor allem, wenn er auf eine Frage keine Antwort weiß) postuliert. Oder anders formuliert: Lasst’s den Papa doch bitte einfach tun, wenn er’s für euch schon richten soll. Wer jegliche Verantwortung delegiert, darf sich nicht wundern, was alles möglich ist. Die Zuckerldemokratie (entlehnt von Falter-Chefredakteur Florian Klenks Formulierung eines Zuckerjournalismus) hat natürlich ihren Preis, weil so viel Süßes langfristig einfach nicht gesund ist. Das Rauchverbot in der Gastronomie wurde aufgehoben, die Regierung setzt sich seit kurzem für eine Rückkehr der Fußballbundesliga vom Bezahlfernsehen in das Free-TV ein. Gleichzeitig beschneidet sie die freie Berichterstattung- was zu erwarten war – und verarscht die Bevölkerung – was zu befürchten war-, in dem der für die Aussendung verantwortliche Pressesprecher im Hinblick auf das E-Mail des Innenministeriums an die Polizeipressestellen aller Bundesländer sagt, „dass die Formulierung der kritisierten Passagen ein Fehler war, weil dadurch ein Feld für Interpretationen aufgemacht wurde“. Seine Absicht sei eigentlich eine „transparente Kommunikationspolitik“ gewesen. Geht’s noch? Auch der Innenminister wäre weder Absender noch Empfänger des Schreibens gewesen, hieß es in einer Aussendung des Innenministeriums, also demnach dafür auch nicht verantwortlich. Und Empfänger? Schreibt da ein Mitarbeiter seinem Chef etwas vor? Hat der Minister seinen Laden noch im Griff? Ich denke schon, aber einer muss halt der Dumme sein. Und da muss es halt auch solche geben, an denen man sich im Fall abputzen kann. Ansonsten werden wir ja auch mit Nicht-Themen am Laufen gehalten, um die eigentlichen Vorgänge nicht wahrzunehmen. Auch diese Regierung scheißt sich kein Jota um Transparenz und Ermächtigung des Volkes. Der Boulevard hat Morgenluft gewittert und schließt sich den Themen freudig an. Der kritische Journalist wird zum Verschwörungstheoretiker und kritische BürgerInnen zu SchwarzmalerInnen. Offen bleibt die richtige Strategie für eine andere Art der Politik. Da müsste jede/r selbst Hand anlegen, die nötige Verantwortung im Kleinen und im Großen übernehmen und handeln. Mit Demos und Petitionen allein ist es nicht getan, es sind die vielen kleinen Dinge, die im direkten Umfeld getan werden können (das Gespräch über das kritikwürdige Vorgehen mit den Kindern in der Familie, mit den KollegInnen am Arbeitsplatz, die Ermöglichung, sich seine eigene Meinung zu bilden und auch konstruktiv zu äußern in allen Bildungseinrichtungen des Landes, etc.) Und eines prognostiziere ich jetzt schon – man verzeihe mir die Polemik: Wenn’s einmal nicht mehr so gut läuft mit der Volksverarschung dann bleibt als letztes Mittel noch: Freibier für alle! 24 Stunden pro Tag und 7 Tage die Woche. Aber hoffentlich sind wir dann schon immun gegen Zuckerln dieser Art und geben bei den nächsten Wahlen die richtige Antwort. P.S. Im Übrigen bin ich der Meinung, Herbert Kickl hätte bei seiner Vorgeschichte von Bundespräsident Alexander Van der Bellen niemals als Innenminister angelobt werden dürfen. (Höre dazu auch das aktuelle Falterradio!) Wie in meinem Tagebucheintrag vom 1.7.18 geschrieben, hat mich Walter Hämmerle mit seinem Beitrag in der Wiener Zeitung auf den Mauthe gebracht. Sogleich erinnerte ich mich an meine Jugendtage in Wien und an die damals in der Stadt plakatierten Bunten Vögel der Volkspartei von Erhard Busek, dem seinerzeitigen Vizebürgermeister unserer Hauptstadt. Dabei spielte der eben genannte Jörg Mauthe eine wichtige Rolle, war er doch damals „nicht-amtsführender Stadtrat“ Von seinen literarischen Umtrieben ist mir bis dato nichts bekannt gewesen, das von ihm gegründete Wiener Journal, das heute leider zur Lifestyle-Beilage der Wr. Zeitung verkommen ist, war mir allerdings immer schon ein Begriff.
Nun begann ich also zu ihm zu recherchieren, schaffte zuerst antiquarisch die von Hämmerle zitierte „Große Hitze“ an, las mich danach durch „Die Vielgeliebte“, wenn man so will eine Fortsetzung des erstgenannten Werkes und begab mich letztlich in die Tagebuchaufzeichungen seines letzten halben Lebensjahres die posthum unter dem Titel „Demnächst oder Der Stein des Sisyphos“ erschienen sind. Mauthe ist im Jänner 1986 im 62. Lebensjahr seinem 6 Monate zuvor diagnostizierten Krebsleiden erlegen. Er wurde mir durch die Lektüre einerseits zum Seelenverwandten (vor allem literarisch, journalistisch und in seinen auf so vieles bezogenen Gedankengängen, nicht aber parteipolitisch) andererseits zum profunden Erklärer meiner vom Wienerischen tief geprägten Seele. Dem Hämmerle sei Dank dafür! Auch dafür bin ich dankbar, dass ich diese zum einen prophetischen (Hitzewelle und „Naturversagen“ durch menschliche Einflüsse – Mauthe war ja auch an der Seite von Nenning und Lötsch prominenter Besetzer der Hainburger Au – sowie Untergang der Bildung) zum anderen utopischen (eine gute Welt gebaut auf Netzwerken der Freundlichkeit und Liebe) Texte lesen durfte, die dennoch auch den Hang zur Dystopie und zur Schwermut haben. Aber so sind die WienerInnen halt: himmelhochjauchzend und zu Tode betrübt. In der „großen Hitze“ wird zudem das Österreichische beschworen, dass sich im Lauf der Jahre zusehends verflüchtigt hat. Österreich war dem Balkan immer näher als den Deutschen und die Ausnahme von der Regel, die die Regel bestätigte, war eine äußerst menschliche Alternative, die Probleme sehr oft individueller zu lösen im Stande war als der Buchstabe des Gesetzes. Nunmehr sind viele – und da nehme ich mich nicht aus – vom Virus der überbordenden political correctness befallen und leisten auf diese Weise paradoxerweise der Unmenschlichkeit Vorschub und damit der Verfestigung eines Systems, das dennoch dem Untergang geweiht ist. Auch Hämmerle meinte in seinem Leitartikel, dass dies ein großer Verlust sei. Die Vielgeliebte, um die sich (vor allem die Männerwelt) kristallisiert, gibt Beispiel davon, was es bedeutet, freundlich und liebevoll zu sein ohne zum Arschkriecher zu werden. Allerdings muss sie auch erkennen, dass diese Welt mit soviel davon nicht umgehen kann und letztlich (vor allem männliche) Egoismen die Oberhand gewinnen, wodurch sie erschöpft erkrankt und ihr Leben aushaucht. Mit ihr stirbt auch das um sie herum gebildete Netzwerk – und die Welt ist wieder um eine Chance der Weiterentwicklung ärmer. Es gäbe noch viel zu sagen, zu diskutieren, zu kritisieren, sich mit vielem aus der Gedankenwelt Mauthes, die in diesen drei Werken so augenscheinlich wird, auseinanderzusetzen. Gerne stelle ich mich diesem Dialog und freue mich, wenn die eine oder der andere sich dieser Werke ebenso bemächtigt wie ich und mir dann und wann seine/ihre Gedanken zukommen lässt. Für mich ist aber eines sicher: Die Welt wäre ärmer ohne Menschen wie Jörg Mauthe. Gut, dass diese Spezies mit ihm nicht ausgestorben ist. |
Hinweis:
Meine Meinung zu aktuellen Themen habe ich bis 1.9.2015 im Blog "Mein Senf zu allem" veröffentlicht. Seither habe ich sie auf dieser Seite in meine Tagebucheinträge integriert.
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Juli 2019
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