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Tagebuch

# 05/19: Opium für's Volk

27/7/2019

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Was einst die Religion war, ist heute die Erwerbsarbeit. Nicht vergleichbar, denken Sie? Ich wage dennoch den Vergleich, weil sich mir schon vor vielen, vielen Jahren ein Bild aufgedrängt hat. Katholisch sozialisiert wie ich war, suchte ich nach einer schweren Lebenskrise, dem wahren Glauben auf die Spuren zu kommen. Spuren, nicht Spur. Denn mir war krisenbedingt damals klar geworden, dass es immer eine Fülle von Pfaden aus etwas heraus, auf etwas hin gibt. Nicht umsonst heißt es ja auch: Viele Wege führen nach Rom (vgl. den gleichnamigen Song von Fettes Brot) . Diese Abwandlung der Redewendung, wonach alle Wege in die Hauptstadt des ehemaligen römischen Reichs führen, verändert zwar deren Sinngehalt, ist aber aus meiner Sicht eine ebenso zutreffende Formulierung.

Nun zurück zum Bild: Während einer römisch-katholischen Messe, die bis vor rund einem Jahrzehnt regelmäßig auf der Suche nach meinem Seelenheil besuchte (und ich muss sagen, es war zu jener Zeit durchaus wirksam – und ich als Religionslehrer, Begräbnisleiter und von der Kirche ob meiner damaligen Lebensgefährtin verhinderter Diakon - heute möchte ich sagen: Gott sei Dank! - in meinem neu gefundenen Glauben voll aufgegangen), erschien mir die vom Priester nach der Wandlung erhobene Hostie als Euro-Münze. Halleluja! Da wurde also vor meinen (inneren) Augen diese Oblate nicht zum Leib Christi, sondern zum Geldstück. Halleluja, sag ich. Ich spielte in den Tagen nach dieser Erkenntnis mit dem Gedanken, eine künstlerische Performance daraus zu machen, weil mir das Bild mit einem Mal so stimmig schien. Umgesetzt habe ich es nie, besprochen,das eine oder andere Mal im FreundInnenkreis, beschrieben erst jetzt, gerade eben.

Diese unselige, ja unheilige Allianz zwischen Geld und Kirche gab es ja von Alters her, ich erinnere mich an den Ablasshandel, von Luther bekämpft und dennoch bis heute – wenn auch nicht unter diesem Titel – aktuell. Nicht verblüffend ist für mich daher auch die heutzutage weiterhin an den Tag gelegte Praxis der röm.-kath. Kirche, sich in Geldangelegenheiten die BürgerInnen unseres Landes betreffend nur mit äußerster Zurückhaltung einzubringen; und das alles unter dem Motto: wir mischen uns nicht mehr in die Tagespolitik ein, weil damit haben wir schon einmal ganz, ganz schlechte Erfahrungen gemacht. Dieser Vergleich allerdings hinkt aus meiner Sicht gewaltig.

Nicht aber mein Vergleich von Religion und Erwerbsarbeit. Denn beide versprechen das Himmelreich (heaven), die eine nach diesem Leben, die andere bereits zu Lebzeiten (heaven on earth). Und beide erzählen uns das Blaue vom Himmel (sky). Nicht so der Mystiker Angelus Silesius, der mit seinen Ansichten wie so viele MystikerInnen der Kirche keine Freude gemacht hat: „Der Himmel ist in dir, suchst du ihn anderswo, du fehlst ihn, für und für“ wusste er aus eigener Erfahrung zu berichten. Die Hölle allerdings auch, ergänze ich hier unumwunden – auch aus eigener Erfahrung. Sartre meinte noch, „l‘enfer, c‘est l‘autre“, ich ergänzte in einer höchst melancholischen Lebensphase „l‘enfer, c‘est moi!“.
Wenn ich also die Weisheit des Angelus Silesius anwende, dann wird mir bewusst, dass weder Religion im kirchlichen Sinn, noch Erwerbsarbeit im Sinne unseres unheilvollen Geld- und Wirtschaftssystems in der Lage sind, mein Leben zu retten. Sterben müssen wir alle Mal, das ist das Damoklesschwert unserer Existenz, mit dem wir so gar nicht umgehen können. Es ist ja auch – wenn du es mit dem Hirn erfassen möchtest – ein absurdes Geschehen. Der Sinn erschließt sich für mich nicht im „Woher?“ und „Wohin?“, sondern einzig und allein im Jetzt. Und das Jetzt verlangt anderes als Religion oder Erwerbsarbeit – die ja beide an der Vergangenheit bzw. Zukunft orientiert sind, es verlangt, den Himmel in dir zu entdecken oder um es mit C.G. Jung zu sagen: dein Selbst zu finden und es in die Welt zu setzen.

„Davon wirst du nicht reich!“, meinte etwa meine Oma. Und sie hatte, ja hat so etwas von recht. Mit meiner Dichtkunst, die ich, um meinen - im wahrsten Sinn des Wortes notwendigen - Beitrag zum Familieneinkommen leisten zu können, immer wieder auch für längere, ja lange Zeiträume hintanstelle, verdiene ich kein Gramm Butter auf‘s Brot. Dennoch liebe ich es zu schreiben, ich gehe darin auf: Ich schreibe, also bin ich.

Ein weiterer Bereich, in dem ich mich auch gerne verwirkliche, ist das Begleiten von Menschen, auch denen, mit denen ich zusammenlebe, meiner Familie, meinen Kindern. Andere mögen andere Berufungen verspüren, denen sie aufgrund des Einkommensdruckes nicht nachgehen können. Und das ist schändlich. Denn, wenn dieses Leben keine Zukunft nach der Erwerbsarbeit hat, weil man seine Pension nicht mehr erlebt bzw. keine Pension ausbezahlt bekommt, und ihm – im kirchlich-religiösen Sinn – auch keine Zukunft in einem Leben nach dem Tod beschieden ist, dann ist all das, was Religion und Wirtschaft fordern, nichts weiter als die vielzitierte Karotte vor der Nase – oder, um es mit Marx zu sagen: Opium für das Volk. Nun war Marx meines Wissens der Auffassung, dass jeder das Recht auf angemessene Arbeit und angemessenes Einkommen hätte. Ich gehe weiter und sage: Jede/r hat das Recht auf sein/ihr je sinnvolles Leben. Und jede/r hat das Recht auf ein Auskommen, das Einkommen oftmals nicht ermöglicht und schon gar nicht garantiert (siehe Prekariat und working poor), Demnach muss es Ziel einer Solidargemeinschaft sein, als den ich den Staat verstehe, ein bedingungsloses Auskommen zu garantieren und nicht ein bedingungsloses Grundeinkommen, das wieder davon abhängig ist, was jemand als Einkommen definiert.

Nun ja, der Opiate gibt es viele in unserer Gesellschaft, da wären noch die (A)Sozialen Medien, Streaming und Fernsehen, die diversen gehypten Sportevents, vor allem der mittlerweile vom Kapitalismus völlig aufgefressene Fußball (Stichwort „Brot und Spiele“), Schönheitskult, Bildungswahn (ja, auch den gibt es aus meiner Sicht und er bildet sich in der Regel durch das Konsumieren von einer Ausbildung nach der anderen ab, also wohl richtiger :Ausbildungswahn), und noch viele mehr.

Das Leben ist zu kurz, um es diesen Opiaten zu opfern!

Wie aber diesen Teufelskreis durchbrechen? Vielleicht mit einem Einkommensexperiment wie Joshua Conens, den ich im Rahmen der Präsentation seines Filmes „CaRabA“ über die Zukunft des Bildungssystems kennenlernen durfte.

Ich selbst habe noch kein Rezept, aber ich spüre das tiefliegende Sehnen und Bedürfnis, ein solches für mein Leben zu entdecken. Im sechsten Lebensjahrzehnt angelangt ist es schon reichlich spät, sicher noch nicht zu spät, aber höchste Zeit. Und für meine Kinder wünsche ich mir, dass sie ein solches unabhängiges Leben in Selbstbewusstsein, Selbstvertrauen und Selbstentfaltung leben dürfen.

Wer also möchte mitdenken und mithandeln? Ideen und Lösungsvorschläge herzlich willkommen!
makrajalainen@karjalainen-draeger.at
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