0 Comments
In den letzten Monaten war ich schreiberisch von meinen Bildungsaktivitäten herausgefordert.
Seit dem 15.9.16 betreibe ich "GET BILDUNG - Der BLOG FÜR BILDUNGsneuigkeiten" und habe mir damit einen Traum erfüllt. Träume aber haben ja - wie allseits bekannt ist - auch ihre Schattenseiten, mir ist sogar ein buddhistisches Sprichwort in Erinnerung, das jene bedauert, deren Träume sich erfüllen. Für mich bedeutet die Verwirklichung meiner Vision, dass ich derzeit intensiv gefordert bin, das neue Medium regelmäßig mit gut recherchierten, spannenden und aktuellen Geschichten zu füllen. Diese Tätigkeit soll Teil meiner Erwerbsarbeit sein, daher bin ich gerade dabei AbonenntInnen zur Finanzierung zu gewinnen. Grundsätzlich sind auch diese Marketing-Aktionen für mich nichts Neues, sie brauchen aber doch mehr Aufmerksamkeit als ich mir gedacht habe. In dieser Zeit kommt der dichterische Ausdruck eindeutig zu kurz. Ideen sprudeln, Projekte liegen oft im Anfangsstadium brach und die Zeit dafür ist noch nicht reif. Doch für die Zeit um Weihnachten habe ich meinen ganz persönlichen Weihnachtswunsch beim Weihnachtsmann deponiert: Ich werde mich in den Wochen vom 19. Dezember bis zum 8. Jänner ausschließlich der Dichtkunst widmen. Mal sehen, ob das die Muse auch so sieht oder ob sie sich partout in dieser Zeitspanne auf Urlaub befindet. Eines aber wird es schon vor Weihnachten geben: Die Hörversion meines Kinderbuches "Olli und der Weihnachtsmann". Die gedruckte Version muss aus zeit- und veröffentlichungstechnischen Gründen wohl noch bis nächstes Jahr warten. Dafür habe ich mir dafür eine ganz besondere Idee einfallen lassen. Dazu dann mehr, wenn alles in trockenen Tüchern ist. Ein Gedanke, der mich seit geraumer Zeit bewegt:
"Ist der Grund, auf den ich heute geh' auch der Grund, auf dem ich morgen steh'?" Sachdienliche Hinweise erbeten! Vor kurzem saß ich mit einer Bekannten, die ich als weise Frau bezeichnen möchte, zusammen, um über ein uns beiden am Herzen liegendes Bildungsprojekt für junge Menschen abseits von Schule zu sprechen, das derzeit in der Krise steckt. Die Gründe mögen vielfältig sein, sie zeigen sich auch an allen Ecken und Enden. Das, was aber dem ganzen wirklich schwer zu schaffen macht, ist das fehlende Bewusstsein für das, was die jungen Damen und Herren tatsächlich brauchen: Entscheidungsfreiheit in klaren, haltgebenden Strukturen.
Genau das zeigt sich aber auch im Großen, nämlich unserer Gesellschaft. Da werden derzeit die Strukturen zulasten der (Entscheidungs-)Freiheit unter dem Deckmantel von Sicherheit auf ein unerträgliches Maß aufgebläht und so manch ein "Zauberer" treibt sein verführerisches Unwesen, in dem er nach längst vergangen Geglaubten stinkende Erlösung verspricht. Thomas Mann wusste von Zeiten wie diesen vor knapp hundert Jahren eine Novelle zu singen, die von Klaus Maria Brandauer kongenial verfilmt wurde - obwohl er in seiner Inszenierung von Mario und der Zauberer ein anderes Ende wählt, womöglich ein gegenwärtigeres. Das Dilemma vieler junger Menschen, die in dieser Gesellschaft aufwachsen, hat unser sehr sensibler und g'spüriger Ältester heute in einer "Perfomance" am Mittagstisch auf den Punkt gebracht. Da schwärmte er in höchsten Tönen davon, wie toll es wäre, ins Leben einzutauchen, nein sogar darin unterzutauchen, sich quasi rundum damit zu umgeben und es in sich eindringen zu lassen ... und dann fragte ihn unser Jüngster, frech und punktgenau: "Warum machst du das dann nicht?" Vorbei war's mit der Begeisterung und es legte sich eine unsägliche Schwere auf den vorhin noch so unbeschwerten Augenblick. Meine weise Bekannte hatte zum Ende unseres Gesprächs jenen Satz in den Raum gestellt, der meinem heutigen Tagebucheintrag den Titel gibt. Sie fügte noch hinzu: "I brauchat's ned, aber die anderen offenbar schon." Ich gebe ihr auch diesbezüglich recht. Was auch genau der "Schepperer" sein wird, ist für mich noch offen. Aus der Erfahrung mit Vergangenheit aber ist er wohl eine Not-wendigkeit. Zu hoffen bleibt, dass es ihm diesmal gelingt, das Bewusstsein der Menschheit nachhaltig zu verändern. Denn wenn wir dann bloß wieder einfach mit den gleichen Mitteln neu beginnen, dann haben wir den Abgesang auf unsere Spezies endgültig eingeläutet. Die Hoffnung stirbt bekanntlich zuletzt, die Zuversicht ist bei so vielen aber schon dahin ... Es mag populistische klingen, aber die EinwohnerInnen, besonders die sozialdemokratisch fühlenden Menschen unseres Landes, verlieren zusehends die Begeisterung am neuen SPÖ-Chef und Bundeskanzler Christian Kern. Totz alles Marketing-Schnikc-Schnacks, den er seit seinem Amtsantritt pflegt, folgt (auch marketingmäßig) ein Super-GAU auf den anderen. Zuletzt ließ er die SPÖ-Mitglieder zu CETA, dem Freihandelsabkommen der EU mit Kanada, befragen (bei dem 85 % der abgegebenen Stimmen kontra des Abkommens ausfielen), dann stilisierte er sich zum CETA-Gegner hoch und hob das mögliche Veto Österreichs im EU-Rat hervor, um schließlich heute im SPÖ-Vorstand ein Ja zu siganlisieren, dass er - wie er seither unermüdlich betont - mit einem großen ABER versehen möchte.
Warum "Ja, aber" und nicht gleich "Nein, bis ..."? Möglicherweise hat der schon etwas zerzauste Kanzler die neuesten Umfragen im Genick, die erstmals eine absolute Mehrheit für Schwarz-Blau ausweisen. Er wollte mit einem "Nein"scheinbar keine Koalitionskrise heraufbeschwören, die es der lopatka-gesteuerten ÖVP leicht gemacht hätte, sofortige Neuwahlen ausrufen zu lassen. Aber, was hat das für eine Wirkung auf seine potentiellen WählerInnen? Was hat das für Auswirkungen auf den hoffentlich bald zu Ende gehenden Präsidentschaftswahlkampf? Kern hat einmal mehr hoch gepokert - daher ist sein Fall umso tiefer. Um es mal nicht so einfach gestrickt und populistisch zu sehen, wie es jetzt so viele in den (sozialen) Medien tun: Was wäre dabei gewesen, die Bevölkerung einerseits mit der Sinnhaftigkeit von Freihandel vertraut zu machen und andererseits offen über die Fallstricke des derzeit vorliegenden Abkommens zu reden - und sich auf diese Weise als Fachmann und Hoffnungsträger zu etablieren? Kern hat seinen Zenit schon nach wenigen Monaten überschritten - und wenn mich nicht alles täuscht, könnte er sogar den Negativrekord von Alfred Gusenbauer einstellen, was die Dauer von Parteivorsitz und Kanzlerschaft angeht. What a day!
Zuerst stirbt in der Nacht auf heute der italienische Theater-Mann Dario Fo, der im Jahr 1997 mit dem Literaturnobelpreis bedacht wurde, dann feiert Christine Nöstlinger in der ihr bekannten Manier ihren 80er nicht und schließlich erhält Bob Dylan eben jenen Nobelpreis, der Fo 19 Jahre vor ihm zugestanden wurde. Die drei verbindet aus meiner Sicht ihr Widerstand gegen das Establishment, wobei sich alle drei nie politisch vereinnahmen lassen wollten und dennoch als Linke galten. Fo hat diese Distanz am wenigsten gehalten, bis zuletzt war er ja seit deren Gründung für die italienische Fünfsterne-Bewegung unterwegs, Dylan wohl am ehesten. Und Nöstlinger machte aus ihrer Gesinnung auch kein Hehl, hielt im Mai des Vorjahres eine vielbeachtete Rede im Nationalrat anlässlich des 70. Jahrestages der Befreiung des KZ Mauthausen und ist durch ihre emanzipatorischen Kinderbücher, die anfangs zum Skandal gerieten, bestens bekannt. Fo und Dylan verbindet nun also auch der Literaturnobelpreis und ebenso die Reaktion der KritikerInnen, die in der Verleihung eine glatte Fehlentscheidung sahen. Fo ist ja vielmehr durch seine Theaterstücke, die er mit seiner Frau Franca Rame schrieb, ins Licht der Öffentlichkeit gerückt, Dylan durch seine zugegebenermaßen poetischen Songs, die aber wie ich meine eher von der Musik-Text-Kombination leben, denn nur vom Text. Da gäbe es andere, deren Texte auch ohne Musik besser wirken. Aber natürlich ist Dylan ein Meister der Intertextualität, was ihn zu einem besonderen Sänger macht, da er in vielen seiner Songs die große Weltliteratur durchklingen lässt. Nun können wir uns hier noch das eine oder andere Duell liefern, ob Fo und Dylan würdige Preisträger sind und ob es nicht auch Nöstlinger als erste Kinderbuchautorin verdient hätte. (Astrid Lindgren hat es 1994 immerhin zum Alternativen Nobelpreis geschafft.) Ich denke, es gibt Wichtigeres zu tun. Stellen wir uns doch einfach in die ziemlich großen Fußstapfen der drei und machen wir in unserem Bereich auf unsere Weise mit den uns gegebenen Talenten und Fähigkeiten die Welt um das Quäntchen besser, das notwendig ist, dass sie nicht im nächsten Wahnsinn, der sich der Vergangenheit bedient, untergeht. Das wär doch was! Und auf diese Weise hätten Fo's Tod, Nöstlingers Nichtgeburtstag und Dylans Nobelpreis nicht nur ein gemeinsames Datum sondern auch einen gemeinsamen, einen tiefen Sinn. Vor einigen Jahren sprach mich eine Bekannte darauf an, ob ich die Fähigkeit der Bilokation beherrschte. Ich erinnere mich nicht mehr genau daran, worauf sie diese scherzhaft gemeinte Annahme begründete. Heute aber kam sie mir wieder in den Sinn, weil ich mich seit Wochen parallel in den verschiedensten Bereichen meines Seins bewege – ohne aber tatsächlich körperlich gleichzeitig sowohl da als auch dort zu sein.
Auslöser dieses Gedanken war folgendes: Während zwei meiner Jungs im Wohnzimmer auf meinem E-Board die erste Hälfte des Fußball-WM-Qualifikationspiels Serbien gegen Österreich verfolgten (wegendessen übrigens am Nachmittag noch am Jausentisch eine kurze Geschichtsstunde für die Jugend unserer Familie über die österreichisch-ungarische Monarchie, das Attentat in Sarajevo und den „Jugoslawienkrieg“ vor 20 Jahren stattfand), saß ich mit meiner Frau auf der Loggia um am Laptop die aktuelle Tatortfolge aus Dortmund zu sehen. Obwohl ich mich bewusst für den Fernsehabend mit meiner Frau entschieden hatte, war ich doch gleichzeitig mit oder bei unseren beiden Fußballfans. Das ganze verursachte eine komische Unruhe in mir, ich fühlte mich in einem seltsamen Stadium zwischen da und dort. Auch den heutigen Tag über war ich schon öfter in diesem Zustand: ich las Wolfgrubers Verlauf eines Sommers, den ich vor kurzem im Bücherschmaus antiquarisch erworben hatte, kam – während ich den heftigen Text setzen ließ – auf die Idee ein paar kleinere (Reparatur-) Arbeiten in der Wohnung zu machen, setzte mich zwischen diesen Arbeiten an den PC um die News auf orf.at zu lesen und stieß dabei unter „Science“ auf einen Beitrag über Altnazis im deutschen Justizministerium, den ich sogleich auf Facebook mit den Worten: „Eh klar - und in Österreich schaut's genauso aus!“ postete, fiel dann sogleich unter „Kultur“ über einen Gastbeitrag des Germanisten Rüdiger Campe mit dem Titel „Wie Institutionen den Bildungsroman ‚umgedreht’ haben“, was mich dazu führte in unserem Bücherregal Robert Walsers „Jakob von Gunten“, der dort dank meiner Frau steht und den ich noch nicht gelesen habe, herauszuholen und auf Wolfgruber zu legen. Die Gedanken, die mich in dieser Zeit bewegten war jene Spannung zwischen Bildung und Institution Schule, die mich ja seit mehr als einem Jahr so richtig umtreiben und die ein Teil meiner täglichen Aktivitäten geworden sind. Auch beeindruckte mich der Text am Buchrücken, in dem Martin Walser (der ja mit Robert nicht verwandt ist) schreibt: „Jakob von Gunten ist der Entwicklungsroman einer verhinderten Entwicklung. Das, was Jakob für das Leben ausrüsten soll, entzieht im das Leben. Das Prinzip Hoffnungslosigkeit ist das Prinzip dieses Erziehungsromans … Hier stimmt zum erstenmal einer der Gegenwart zu, wie sie ist: und wir erkennen so scharf wie noch nie, wie furchtbar sie ist.“ Und grade eben stolpere ich bei meiner Recherche über das Verhältnis von Martin und Robert Walser auf einen SPIEGEL-Artikel aus 2007 in dem Martin Roberts Buch als das Buch seines Lebens vorstellt. Vor kurzem habe ich nach knapp 2 Jahrzehnten nochmals Peter Hoegs Roman „Der Plan von der Abschaffung des Dunkels“ gelesen, fasziniert, erschreckt und mit der Erkenntnis zurück gelassen, dass gut gemeint in der Regel in eine furchtbare Katastrophe führt, weil die Praxis die dahinter liegende Theorie pervertiert, vor allem in Erziehungsfragen, vor allem in der Schule … aber eben nicht nur dort. Auch im Tatort konnte ich einem solchen Phänomen folgen: die dort dargestellte Dortmunder Polizeiarbeit hat sich schon längst auf das gleiche Niveau begeben wie die Taten jener, die sie zu bekämpfen versucht. Das Team um den von Jörg Hartmann gespielten Kommissar Faber bekämpft nicht nur die Verbrecher mit menschenverachtenden Mitteln sondern sich mittlerweile auch noch gegenseitig. Für mich stellt sich die Frage, wer derjenige oder diejenige sein wird, der oder die den ersten Mord an ihrem Kollegen, an ihrer Kollegin begeht; wobei die Männer hier eindeutig zu den Favoriten zählen. So weit, so zynisch. Für mich stellt sich in diesem Zusammenhang auch noch eine zweite Frage: Wie lange will ich mir diese Art von Sonntagabend-Fernsehunterhaltung noch geben … oder lasse ich demnächst meine Liebste alleine mit dieser Tradition und geselle mich zu meinen Jungs, um Fußball zu schauen … was sich angesichts der aktuellen Talfahrt des österreichischen Nationalteams allerdings auch als Flop herausstellen könnte … Dann lieber Walser und Wolfgruber – im Wechsel, so dass die schöne Welt der Paralleluniversen mein Dasein weiterhin meisterhaft bereichert. Heute Morgen auf dem Weg zur Uni bin ich an einer “humanisierten Arbeitsstätte” vorbeigeradelt. Das hat einen wahren Gedanken-Sturm und viele Fragen ausgelöst, die ich hier in Auswahl auf’s Blog-„Papier“ bringen will. Da fragte ich mich etwa: „Ist unsere Arbeitswelt schon derart animalisch, dass man sie humanisieren muss?“ Oder: „Ist es überhaupt zulässig, animalisiert als Antonym zu humanisiert zu verwenden oder ist das eine Verkennung der Tierwelt?“ Und dann: „Welche Form von Arbeit wird in einer humanisierten Arbeitsstätte angeboten und für wen?“ Auch: „Gibt es einen Unterschied zwischen Arbeit und Erwerbsarbeit?“ Daraus folgend: „Warum habe ich nur eine Existenzberechtigung wenn ich einer Erwerbsarbeit nachgehe oder zumindest nachweise, dass ich einen entsprechenden Arbeitsplatz ernsthaft suche oder mich für ihn ausbilden lasse?“ Und abschließend: „Are we human, or are we dancer?“
Die letzte Frage verdanke ich der amerikanischen Rockband „The Killers“. Brandon Flowers, Lead-Sänger der Gruppe, hat sich zum gleichnamigen Song schon mehrmals geäußert, weil er damit konfrontiert wurde, dass der Titel des Stücks missverständlich wäre. Sein trockener Kommentar lautete frei übertragen: Das ganze ist ein Tanz-Lied mit einem guten Beat, der Refrain sei inspiriert von einem Kommentar des Musikjournalisten Hunter S. Thompson, der feststellte, dass Amerika „was raising a generation of dancers". Flowers abschließend im O-Ton: „If you can't put that together, you're an idiot. I just don't get why there's a confusion about it." So weit, so gut. Lassen wir diesen Exkurs beiseite und widmen wir uns nochmals den humanisierten Arbeitsstätten und möglichen Antworten auf meine Fragen. Unsere Arbeitswelt ist nicht animalisch, sie ist ent-menschlicht. Wo Betriebswirte am Werk sind, wo shareholder ihren Anteil lukrieren sollen und alle sich zu den Gewinnern zählen wollen, da geht das immer auf Kosten eines anderen, letztlich auf Kosten aller. Oder: Die Tierwelt hat dem Menschen aus meiner Sicht jedenfalls voraus, dass sie die eigenen Artgenossen nicht oder nur im Notfall tötet. Der Wolf, der in diesem Zusammenhang gerne als des Menschen Feind zitiert wird, ist ein höchst soziales Wesen und hat den Humanoiden vieles voraus. So gesehen ist der Mensch nicht des Menschen Wolf, sondern eher sein Todfeind. Als Antonym würde ich auch in diesem Zusammenhang von Ent-Humanisierung sprechen und nicht von Animalisierung. Und dann: In der humanisierten Arbeitsstätte wird Arbeitsintegration für Menschen mit Behinderung angeboten. Dazu habe ich auf OKTO ein Video gefunden, in dem man sich ein Bild davon machen kann. Auch: Ja, leider sind Arbeit und Erwerbsarbeit zwei paar Schuhe, erst recht wenn man den Begriff Beschäftigung hinzufügt. Auch wenn ein Bundeskanzler Kern die Menschen in Beschäftigung bringen will, so hat er doch nichts anders vor, als sie mit Erwerbsarbeit zu befürsorgen, dass sie dem Staat nicht auf der Tasche liegen. L’etat c’est moi? Non, non. L’etat c’est nous! Daraus folgend: Es muss ein existenzgesichertes Leben ohne Zwang zur Erwerbsarbeit geben, die noch dazu viel zu selten den eigenen Talenten und Fähigkeiten entspricht und viel zu oft nichts zum persönlichen Wachstum oder der Weiterentwicklung der Gesellschaft beiträgt. Und abschließend – mein ernüchterndes, erschütterndes Resümee unserer Holzklotz-Gemeinschaft: We aren’t dancer, but certainly we aren’t human either. Ich freue mich auf Ihre Antworten dazu im Kommentar zu diesem Tagebucheintrag! Christian Kern, der marketing-geformte "Kanzler der Herzen", hat im ORF-Sommergespäch am vergangenen Montag versucht, alte Hüte neu zu verpacken und an die BürgerInnen zu bringen. Es mag ihm ob seines Charmes und seines eloquenten Lächelns, das ein ebensolches Äußeres begleitet, auch da und dort gelungen sein. Einer fundierten Analyse halten seine Aussagen allerdings nicht stand.
Zwei davon möchte ich herausgreifen und an ihnen aufzeigen, dass mit Parametern von gestern keine Zukunft zu gestalten ist: Zum einen sprach der Kanzler vom "In-Beschäftigung-Bringen der Menschen" mit dem Ziel bis 2020, also innerhalb von 4 Jahren, Vollbeschäftigung zu erreichen. Gleichzeitig hat er vor kurzem eine "Maschinensteuer" gefordert, weil er wahrnimmt, dass die laufende und wachsende Digitalisierung von Arbeitsabläufen jede Menge Jobs kosten wird. Seine Forderung ist aber nicht nur ein Widerspruch dazu, sondern sie ist vielmehr auch eine Fortsetzung einer Politik, die die Menschen beschäftigen will, obwohl diese, wenn sie psychisch und physisch gesund sind, ohnehin ausreichend beschäftigt sind. Was nicht ausreicht ist das dabei erzielte Einkommen, das bei gar nicht so wenigen dieser Beschäftigungen gegen Null geht. Viele der Werktätigen nehmen zudem in Kauf, dass sie einer Arbeit nachgehen, die ihnen nicht entspricht. Dabei werden sie dann physisch und psychisch krank. Hier handelt es sich um einen gessllschaftlichen Teufelskreis, der dringend durchbrochen werden will. Das richtige Mittel dazu ist aus meiner Sicht ein bedingungsloses Grundeinkommen in existenzsichernder Höhe. Finnland gibt hier leider kein gutes Beispiel, da es mit dem dort so genannten Grundeinkommen bloß die Sozialhilfe bündelt, um die Kosten zu senken. Wer bitte kann von € 560,- im Monat leben, wenn ein Haushalt dort durschschnittlich € 3.000,- ausgibt? Den für diesen Schritt nötigen Paradigmenwechsel weg von der Arbeit als Existenzgrundlage hin zum Sein hat noch keinE PolitikerIN in Österreich geschnallt, auch nicht der "wunderbare" Kanzler Kern. Zum zweiten preist Kern die Verlängerung der Ausbildungspflicht bis 25 an. Ein genialer Marketing-Schachzug, um die Jugendarbeitslosigkeit mit einem Schlag auf Null zu senken. Wer in Ausbildung ist, ist nicht arbeitslos und fällt elegant aus der Statistik. Das Drama dabei ist, dass das Leben der Menschen damit noch weiter eingeschränkt wird. Schon die Verpflichtung, sich bis 18 ausbilden lassen zu müssen ist ein eklatanter Widerspruch zum einst geborenen bildungshungrigen und neugierigen Menschen, dem durch das derzeitige Bildungssystem genau das abtrainiert wird, was nun von ihm verpflichtend gefordert wird. Das ist nicht nur quälend sondern absolut zynisch. Hier wäre es aus meiner Sicht viel besser, ein lebenslanges Recht auf Bildung zu emöglichen, das auch außerhalb von Schule in Anspruch genommen werden kann und das von der öffentlichen Hand finanziert wird. In Kombination mit dem Grundeinkommen, wäre das eine ideale Grundlage, auf dem neue Ideen wachsen können, die die Krise der Gesellschaften rund um den Erdball konstruktiv und kreativ lösen werden. Gerne hätte ich Christian Kern applaudiert. Nach seinen Ausführungen am Montagabend ist mir allerdings sogar der Buh-Ruf in der Kehle stecken geblieben, weil ich nicht nur enttäuscht sondern auch maßlos traurig war. Mögen meine Tränen - und die Tränen der vielen Menschen, die diese allerdings meist in Wut ausdrücken - die "vertrockneten" PolitikerInnen unseres Landes endlich zu neuem Leben erwecken ... Durch unseren WLAN-Anschluss bin ich - wie schon geschrieben - hier in der Einschicht der finnischen Wälder weiterhin mit der ganzen Welt verbunden. Ich nutze diese Möglichkeit sehr eingeschränkt, aber so alle paar Tage werfe ich einen Blick auf orf.at und in die Online-Präsenz der Wiener Zeitung.
Da las ich vor ein paar Tagen von einer für die deutsche Bevölkerung ausgegebenen "Bevorratungsliste". Meinen Recherchen nach steckt da die schon seit einigen Jahren in Arveit befindliche Überarbeitung der Zivilschutzpläne in der Bundesrepublik dahinter, die aber noch keineswegs abgeschlossen ist. Warum gerade in Zeiten wie diesen genau jener Teil der Verordnung an die Öffentlichkeit getragen wird, hat sicher einen Grund. Da wurde dann auch gleich wild drauflos spekuliert, die Bandbreite der mir bekannten Diskussionen zum Thema reichte von "Es steht ein Atomkrieg zischen den USA und Russland am Rücken Deutschlands bevor" bis zu "Ein genialer Schachzug, um den Handel, der am Boden liegt, ein bisschen zu pushen." Was jedenfalls ausgelöst wird, sind Verunsicherung und Angst. Dieser Zustand kommt in der Regel immer den Herrschenden zu gute, die damit ihr Recht auf Gleichschaltung der Bevölkerung zum Wohle aller manifestieren können. In Zeiten wie diesen, in denen den scheinbar Mächtigen durch wachsende Kritik an den Verhältnissen und eine starke Individualisierung der Menschen, das Ruder aus der Hand zu gleiten droht, ist die Angst-und Schrecken-Variante ein probates Mittel. Ermutigung sieht jedenfalls anders aus. Und die täte dringend Not. Nun ist auch der ORF in Wien auf diesen Zug aufgesprungen, was ich als journalistischen Fauxpas, wenn nicht sogar No-Go erachte. Unter der Schlagzeile "Wiener Haushalte sollen Zwieback lagern" findet sich ein Artikel, der auf eine schon seit Jahren vorhandene "Checkliste für den sicheren Haushalt" verweist. Als Einleitung steht da zu lesen: "Die Helfer Wiens haben hier für Sie einen ausführlichen 'Sicherheits-Einkaufszettel' zusammengestellt. So sind Sie und Ihre Lieben im Fall der Fälle bestens vorbereitet. Checken Sie, was Sie zu Hause haben und was möglicherweise fehlt. Und machen Sie Ihren Haushalt bereits beim nächsten Einkauf viel sicherer." Diese Formulierungen sind das eine, die Schlagzeile dazu das andere. So sinnvoll es ist, im Notfall nicht "am Trockenen" zu sitzen, so unberechtigt ist aus meiner Sicht die mediale Aufmachung dazu. Sie führt zum oben angeführten und bringt keineswegs das, was es sinnvoller - und notwendigerweise tatsächlich braucht: Sicherheit, Mut und Zuversicht. Dazu anzuleiten halte ich einerseits für den Auftrag jeder Regierung, die ja die Interessen des Volkes zu wahren hat, als auch für jenen der Medien. Da geht es um genaue und kritische Analysen der Situation, um Deeskalation (aber bitte keineswegs um Schönfärberei) und um Stärkung des logischen und gemeinschaftlichen Denkens. Durch das Hinterfragen solcher Maßnahmen - wie eben jener in Deutschland - werden ganz andere Lösungsansätze zu Tage kommen, als die mit solchen Maßnahmen und Meldungen verursachten. Da werden sich die Menschen auf ihre Hinterbeine stellen und dafür eintreten, dass sich das, was die Welt durch des Menschen Handeln so gefährlich macht, endlich aufzulösen beginnt. Vor Naturkatastrophen sind wir ohnehin nicht gefeit (auch nicht vor jenen, die wir durch fehlerhaftes Handeln in der Vergangenheit in die Wege geleitet haben), aber immerhin den von uns verursachten Dramen können wir auf diese Weise in der Zukunft Einhalt gebieten, abseits von Verschwörungstheorien und Alarmismus. Zu idealistisch gedacht? Ja möglicherweise, aber ich habe mich dazu entschieden, zwar alle Hoffnung (die ja so oft eine falsche ist) fahren zu lassen, damit aber der Zuversicht ihren nötigen Raum zu geben. Let's do this together: Make confidence not panic! |
Hinweis:
Meine Meinung zu aktuellen Themen habe ich bis 1.9.2015 im Blog "Mein Senf zu allem" veröffentlicht. Seither habe ich sie auf dieser Seite in meine Tagebucheinträge integriert.
Archiv
Juli 2019
|