Das ORF-Funkhaus in der Argentinierstraße 30a steht vor dem Aus. Alle dort befindlichen Radiostudios sollen aus Kostengründen ins ORF-Zentrum auf den Küniglberg übersiedeln. Bei RadiomacherInnen und KünstlerInnen regt sich heftiger Widerstand, es wurde sogar eine Initiative gegründet, die den Ankauf des Funkhauses plant.
Gerhard Ruis von der IG AutorInnen hat gemeinsam mit dem Literaturhaus Wien eine Funkhausanthologie ins Leben gerufen, in der zahlreiche AutorInnen ihre Erinnerungen an dieses kulturelle Institution Österreichs festhalten. Auch ich bin seit heute mit einem Beitrag vertreten, den ich auch hier veröffentliche: Es war am 26. Oktober 1984, als ich zum ersten Mal in meinem Leben das Funkhaus in der Argentinierstraße betrat. Noch dazu war ich mit meinen damals 18 Jahren gleich auf der Bühne des Großen Sendesaals zu Gast, weil ich den von Radio Wien ausgeschriebenen Autoren-Wettbewerb in der Kategorie Hörspiel gewonnen hatte. Dieser Nationalfeiertag hatte mich kurz vorher bei der Angelobung in einer Wohnhausanlage im 23. Bezirk zum Soldaten gemacht und zeigte die Ambivalenz meines damaligen Lebens. Meinen achtmonatige Präsenzdienst beim Bundesheer hatte ich am 1. Oktober angetreten, weil ich mich nicht in der Lage fühlte, meinem Vater, der Berufssoldat war, entgegenzutreten und meinen Weg zu gehen. Den beschritt ich seit meinem 16. Lebensjahr mit Texten und Gedichten und eben jenem Hörspiel. Das handelte von einem Landjungen und einem Stadtmädchen, einer unglücklichen Liebe und dem Selbstmord des jungen Mannes namens Edi. Ich hatte dabei eine zweite Ebene eingeführt, in der mein Protagonist aus dem Jenseits sein Leben und die Ereignisse der letzten Wochen und Tage sozusagen von oben nochmals kommentiert. Es war eine gesellschaftskritische Abrechnung mit den handelnden Personen, die ich in echt so nicht zu Wege gebracht hatte. Es war ein unbeschreibliches Gefühl, dass mein Text und die ihm innewohnenden Gedanken in die Welt hinaus übertragen wurden. Ich erlebte nach den beengenden Stunden des militärischen Vormittags, das ungemein belebende Gefühl der Freiheit. Mein Leben war aber auch in den nächsten Jahren noch viel von Konformität und Angepasstheit bestimmt, das Gegen-den-Strom-Schwimmen übernahm weiterhin meine dichterische Seite. Die aber spielte im Funkhaus dann keine Rolle mehr. Als ich Geschäftsführer einer großen österreichischen Familienorganisation war, wurde ich ins Studio einer Sendung auf Radio Niederösterreich eingeladen, in der es um die Arbeiterkammerkampagne “Stopp dem Kinderfang” ging. Dabei wurde den in Supermärkten in Kassennähe platzierten Süßigkeiten der Kampf angesagt. In der Call-in-Sendung gab ich meine Meinung zum besten und beantwortete HörerInnen-Fragen. Kurze Zeit später lud man mich zu einer Abendsendung zu Struwwelpeter und Erziehungsmaßnahmen ein, ich weiß nicht mehr ob es Radio NÖ oder Wien war. Erinnern kann ich mich noch an die sehr dichte Atmosphäre im Studio, es war offenbar ein heißes Thema und ich weiß noch, dass ich am Ende ziemlich verschwitzt und erschöpft und froh war, wieder an der frischen Luft zu sein. Die Pädagogik prägte ja dann sehr bald mein weiteres berufliches Leben - und die Gedanken über gelungene Erziehung bzw. die Zeitgemäßheit von Erziehung ließen mich nicht mehr los. Irgendwann später war ich nochmals bei einer Sendung von Lizzy Engster auf Radio Niederösterreich zu Gast und durfte meine Ferienwochen für Kinder im Waldviertel vorstellen. Das war mein letzter Auftritt im Funkhaus, dessen Atmosphäre sich aber tief eingeprägt hat. Vor kurzem erst hätte es beinahe ein weiteres Mal die Chance gegeben, im Funkhaus zu sein, aber ich musste den Termin mit den KollegInnen von Freak Radio aufgrund einer familiären Verpflichtung absagen. Dem Radio aber bin ich treu geblieben, gestalte ich doch seit etwas mehr als einem Jahr im freien Wiener Radio Orange eine monatliche Sendereihe mit dem Titel “Nie mehr Schule - das Magazin für alle, die Bildung verändern wollen”. Wie sich zeigt, ist es mit meiner Anpassung ans System mittlerweile vorbei und ich genieße nun endlich nicht nur dichterisch sondern auch beruflich, die Freiheit, die mir die erste Begegnung mit dem Funkhaus vor mehr als 30 Jahren verheißen hat. Das Funkhaus, das auf diese und jene Weise mein Leben geprägt hat, wird mir jedenfalls fehlen.
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Hinweis:
Meine Meinung zu aktuellen Themen habe ich bis 1.9.2015 im Blog "Mein Senf zu allem" veröffentlicht. Seither habe ich sie auf dieser Seite in meine Tagebucheinträge integriert.
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