Wieder mal ein Krimi, der es in sich hatte; diesmal aus der Reihe "Polizeiruf 110". Unter dem Titel "Endstation" wurde da von einer Familie erzählt, die neben ihrer leiblichen Tochter noch drei Pflegekinder aufgenommen hatte. Gleich zu Beginn wird der jüngere Pflegesohn Opfer eines brutalen und tödlichen Überfalls. Das neu zusammengesetzte Ermittlerduo aus Magdeburg ist sich fast die gesamte Filmlänge über nicht grün. Das liegt an Hauptkommissarin Brasch, die selbst in seit ihrer Kindheit währende familiäre Turbulenzen verwickelt ist. Diese wirken auch in ihre gegenwärtige Familie, ihr Sohn wird in dieser Folge gerade aus dem Gefängnis entlassen und ist ob der nun einsetzenden Bemutterung alles andere als glücklich.
Die Handlung zeigt eine Fülle von Verstrickungen, in denen sich die vier Kinder und ihre Pflegeeltern sowie die leibliche Mutter der beiden Jungen befinden. Sie ist in ihrer Dichte und Tragik sehr schwer auszuhalten und eskaliert zum Schluss endgültig. Hier erleben wir hautnah die Überforderung einer Familie, die alles gut und besser machen wollte und letztlich an ihren eigenen Erwartungen zerbricht. Meine Frau und mich hat das zum Nachdenken über die Situation von Familien in unseren gegenwärtigen europäischen Geseslschaften gebracht. Wir kamen dabei vom hundersten ins tausendste, analysierten wohl treffend, fanden aber keine Patentlösung. Wie auch? Aus unserer Sicht jedenfalls ist es Tatsache, dass Familien zu wenig Unterstützung bekommen. Die Familienbeihilfe ist ein Sich-Freikaufen des Staates von Grundlegenderem, worüber noch zu sprechen ist. Die Gratis-Angebote von Kindergarten und Schule werden mit zwei Verpflichtungen verbunden: einerseits die Notwendigkeit, einer Erwerbsarbeit nachzugehen, damit man finanziell überleben kann, andererseits die Kindergarten-, Unterrichts- und Ausbildungspflicht zwischen dem 5. (bald schon 4.) und nunmehr 18. Lebensjahr. Dafür werden die Eltern verantwortlich gemacht und müssen im Fall einer Nichterfüllung mit Strafen rechnen. Das ist keine Unterstützung, das ist Unterdrückung. Wer so unter Druck gesetzt wird, kann nicht der beste Vater, die beste Mutter für das/die Kind/er sein. Es läuft alles sehr subtil ab, da nicht offensichtlich werden darf, was hier durch das System an den Heranwachsenden verbrochen wird. Besonders dramatisch zeigt sich die Situation dann auch in Patchworkfamilien oder in Familien, in denen Misshandlungen passieren. Wenn der eine Elternteil die Kinder vor dem anderen beschützen will, dann wird von Seiten der Behörden gedrückt und gedroht - und so lange keine offensichtlichen Spuren von Missbrauch entdeckt werden, auch nicht eingegriffen. Das betrifft vor allem den emotionalen Missbrauch, der auch in aufrechten Familien gang und gäbe ist. Auch die Jugendwohlfahrt ist in ihrer Zwitterfunktion als Service- und Unterstützungseinrichtung sowie Kontrollinstanz heillos überfordert. Diese beiden Bereiche gehen einfach nicht zusammen, auch das zeigt Polizeiruf 110 in der Person des Jugendamtsmitarbeiters, der noch dazu die Kommissarin bereits aus ihrer Kindheit kennt. Das macht den Schlamassel perfekt. Hier ist keiner mehr frei, hier ist keiner mehr objektiv, hier ist keiner mehr hilfreich. Es ließe sich noch so viel zum Thema schreiben, aus eigener und zugetragender Erfahrung. In Summe zeigt sich - jedenfalls aus unserer Analyse -, dass die vor allem von konservativen Bewegungen und Parteien als "Keimzelle" der Gesellschaft bezeichnete Familie, trotz aller anderen Beteuerungen, immer noch im Regen stehen gelassen wird. Auf diese Weise wird eine "lost generation" nach der anderen produziert. Und denen, die es anders machen (wollen), nämlich abseits von staatlichen Zwangsinstitutionen und "Übervaterung", wird ein Stein nach dem anderen in den Weg gelegt (z.B. Anzeigen wegen Schulpflichtverletzungen, Unterstellung einer Gefährdung des Kindeswohls, etc.). Wie gesagt, wir haben keine Patentlösungen gefunden, aber wir wissen, dass es auch in diesem Bereich wohl eine Mischung aus Grundeinkommen für Familien und Unterstützung durch familienergänzende Menschen bräuchte. Wie heißt es so schön in einem vielzitierten afrikanischen Sprichwort: Es braucht ein ganzen Dorf, um ein Kind zu erziehen. Dem möchte ich für heute einmal nichts hinzufügen.
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Hinweis:
Meine Meinung zu aktuellen Themen habe ich bis 1.9.2015 im Blog "Mein Senf zu allem" veröffentlicht. Seither habe ich sie auf dieser Seite in meine Tagebucheinträge integriert.
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Juli 2019
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