Zwei Nachmittage verbrachte ich beim vom Haus Bartleby organisierten Kapitalismustribunal, um meine Anklagen vorzutragen und mich mit anderen Anklagen zu beschäftigen. Diese Kunstaktion soll dazu dienen, dass Bewusstsein für die dem Kapitalismus zugeschriebenen Probleme entsteht und dass man diese für eine Lösung sozusagen an der Wurzel packt.
Der Theaterraum des BRUT im Künstlerhaus am Karlsplatz ist dafür in einen Gerichtssaal verwandelt worden, der seiner Aufgabe von Sitzordnung und Atmosphäre aus meiner Sicht absolut gerecht wird. Alle Anklagen, die in den letzten Wochen und Monaten über die Homepage des Tribunals eingelangt sind werden in dieser 1. Session, die vom 1.-12.Mai dauert verlesen. Ankläger kommen selbst zu Wort oder können sich von der Anklagevertretung repräsentieren lassen. Die Angeklagten haben alle eine Ladung erhalten, an den beiden Tagen, an denen ich anwesend war, kam aber keiner persönlich vorbei sondern vertraute auf die Dienste der Pflichtverteidiger, die ihre Sache sehr überzeugend machten. Es entstand bei deren Wortmeldungen immer der Eindruck, dass der Kapitalismus eigentlich eine gute Sache ist und die klagenden Menschen nicht so wehleidig sein sollten, immerhin profitieren ja soviel davon. Letzeres aber ist sehr in Zweifel zu ziehen, wenn man vor allem die Situation in Ländern betrachtet, die dem europäischen Kapitalismus zuarbeiten. Das bewies eine Liveschaltung nach Peru eindrucksvoll, in der betroffene MinenarbeiterInnen zu Wort kamen, um ihre finanzielle und gesundheitliche Situation zu schildern. In diesen Augenblicken wurde mir bewusst, dass das Tribunal in seiner Wirksamkeit auch falsch verstanden werden könnte. Es handelt sich - wie schon gesagt - um eine Kunstaktion zur Bewusstseinserweiterung und nicht um Gerichtsverfahren im legistischen Sinn. Nicht immer war ich mir sicher, ob sich die AnklägerInnen und ihre ZeugInnen dieser Tatsache bewusst waren. In diesem "Vorverfahren" wurde von den dem Tribunal vorsitzenden RichterInnen entschieden, ob eine Anklage zum Hauptverfahren, das im November wieder in Wien stattfinden wird, zugelassen wird. Abschließend möchte ich noch den freischaffenden Philosophen Bertrand Stern zitieren, mit dem ich zum Thema Kapitalismus und Bildung ein ausführliches Telefongespräch geführt habe. Er sprach sich ganz klar gegen jegliche Form des "-ismus" aus und plädierte für eine anarchische Gesellschaftsordnung im besten Sinn des Wortes (also nicht für deren Perversion im Anarchismus).
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Hinweis:
Meine Meinung zu aktuellen Themen habe ich bis 1.9.2015 im Blog "Mein Senf zu allem" veröffentlicht. Seither habe ich sie auf dieser Seite in meine Tagebucheinträge integriert.
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Juli 2019
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