Den Titel des heutigen Tagebucheintrages verdanke ich Rodriguez, meine LeserInnen kennen ihn so wie ich spätestens seit letzter Woche. Da hat er dem vorigen "Tatort" mit seinem Song "Cause"seine Poesie gegeben, eine Sichtweise, die nicht viele mit mir geteilt haben ...
Wieder geht es in meinen Ausführungen um eine Folge der legendären Fernsehserie auf ARD, nämlich die vom gestrigen Sonntag, die den Titel "Die Geschichte vom bösen Friederich" trägt. Und wieder - so denke ich - befinde ich mich mit meiner Meinung dazu in der Minderheit; weil ich auch diesmal eine andere Perspektive wähl und weil es diesmal ganz persönlich wird. Von Psychopathen habe ich schon vor kurzem an dieser Stelle geschrieben. Und um einen solchen handelt es sich beim Antagonisten eines Dramas, das viele zum Glück nicht aus eigener Erfahrung kennen. Ich schon. Und das macht sowohl die Geschichte vom bösen Friederich aus "Struwelpeter" als auch den dieswöchigen Tatort-Plot für mich so unerträglich. Vor allem bin ich jedesmal überrascht, dass Psychopathen so lange nicht durchschaut werden, dass sie sich als Opfer stilisieren und dass sie ihre Opfer zu Tätern machen - manchmal bloß in Gedanken, oft auch in der Wirklichkeit (wie das Ende des Films eindrucksvoll beweist). Durch diese perfekt inszenierte Täter-Opfer-Verschiebung wird ihnen viel zu lange Glauben geschenkt, immer wieder auch so lange bis etwas Schreckliches passiert. Ich brauche solche Filme nicht. Sie bewirken nichts. Sie sind die psychischen (Anti-)Kriegsfilme, bei denen man gebannt zuschaut und sich denkt: "Gibt's das?" Und nach deren Betrachtung man sich dann entspannt zurücklehnt und sagt: "Gibt's ja nicht ..." Ich aber sage heute: Gibt's! Öfter als man glaubt. Natürlich habe ich durch meine Erfahrungen die Psychopathenbrille auf. Natürlich habe auch ich mich auf einen Psychopathen eingelassen, fasziniert von der Andersartigkeit, von der Grenzenlosigkeit, vom (Über-)Mut, vom Hedonismus, vom "Mir-Nix-Dir-Nix", vom "Scheiß-Drauf". Aber genau diese Haltung, vor allem die Grenzenlosigkeit ist es, die dann zur Katastrophe führt. Psychopathen sind Menschen, die keine, aber wirklich keine Grenzen kennen. Und sie sind diejenigen, die - wie schon oben beschrieben - perfekt das Spiel der Täter-Opfer-Umkehr beherrschen. Wie oft habe ich mich in dieser Beziehung als das Arschloch empfunden, wie oft wurde ich für verrückt erklärt. Und wie oft habe ich daran gearbeitet, ein besserer Mensch zu werden. Meine Ohnmacht verlieh meinem Gegenüber noch mehr Macht. Aus solchen Beziehungen kommst du nicht unbeschadet heraus. Wenn du dich retten willst, musst du zum Täter werden. Und du musst mitunter die gleichen Mechanismen anwenden wie dein Unterdrücker. Das ist harte Arbeit für einen Menschen, der die Schuld immer nur bei sich sucht. Das ist übermenschliche Anstrengung für einen Menschen, der auf Empathie gedrillt ist. Das ist eine Herausforderung, die du eigentlich nicht alleine bewältigen kannst. Du brauchst jemanden, der dir den Mut macht, die Macht in die Hand zu nehmen und zum Täter zu werden. Und du musst durch's Tun dein Leben zurückgewinnen, es dir quasi endlich selbst zugestehen und Segel setzen in den Tränen deiner bisherigen Existenz. Wenn Filme wie dieser eine tiefere Bedeutung haben sollen, dann müssten sie dazu führen, die Psychopathen im Kleinen wie im Großen zu enttarnen - und ihre Alltäglichkeit zeigen und sie nicht zu solch Außergewöhnlichem machen wie dies meist - so auch gestern im Tatort - der Fall ist. Denn nichts fürchten diese Menschen mehr als das Aufgedeckt-Werden. Dann geht der Krieg erst richtig los - aber es ist ein befreiender Kampf, der jede Menge UnterstützerInnen, die sich mit Psychopathen auskennen, notwendig hat. Und nur deshalb hätten Streifen wie dieser aus meiner Sicht ihre Existenzberechtigung.
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Hinweis:
Meine Meinung zu aktuellen Themen habe ich bis 1.9.2015 im Blog "Mein Senf zu allem" veröffentlicht. Seither habe ich sie auf dieser Seite in meine Tagebucheinträge integriert.
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Juli 2019
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