Sehend durch die Welt gehen, einer Welt voller Blinder, gäbe es da nicht die Kinder, die sehen, so lange man sie sehen lässt. Mir zu ermöglichen, mit anderen Augen, mit den Augen eines Kindes, meines Kindes, zu sehen, diese Welt sehend zu ergehen und auch zu erfahren (mit dem Fahrrad, mit der Bahn, mit dem Bus), selten zu erfliegen, das war eine der besten Entscheidungen meines Lebens.
Vieles auszulassen, was mich gefangen nimmt - im wahrsten Sinne des Wortes - um mich einzulassen auf diese Wahrnehmung eines Kindes, meines Kindes, erlebe ich nicht als Verlust. Das Gewohnte verursacht zwar Schmerzen, Phantomschmerzen, und ich habe zu kämpfen um diese neue Perspektive. Dennoch ist es ein guter Kampf, den es zu bestehen lohnt. "Ein Schritt aus dem Gewohnten, merk' ich wohl, er zieht unhaltsam hin auf neue Bahnen." schreibt Franz Grillparzer in Libussa, seinem Märchendrama, in dem er die Ablösung der matriachalischen Urform der Gesellschaft durch die staatliche, patriachalische Gemeinschaft dichterisch behandelt. So ist es. Die Anziehungskraft dieser Sichtweise ist es, der ich mich nicht entziehen kann. Und ich beginne mich zu erinnern, dass ich schon einmal so gesehen haben muss. Vieles ist vertraut. Und ich beginne die Welt wieder als eine Einheit zu begreifen, ein Universum eben, nach all den Jahren des Exils in einer isolierten Individualität. Dennoch bin ich nicht alles, aber eines von allem und eins mit allem. Wenn Grillparzer am Ende seiner Libussa die Protagonistin das Publikum vor den schlimmen Folgen der (patriachalischen) Zivilisation warnen lässt, dann ist er einer jener Visionäre, an denen es uns heute mangelt - so scheint mir. Es gilt den Weg zu finden, als Individuum in der Gemeinschaft allen Lebens das seine zu allem beizutragen. Es gilt den Weg zu finden zum wahren Leben. Mit anderen Augen. Den Augen eines Kindes, meines Kindes.
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Hinweis:
Meine Meinung zu aktuellen Themen habe ich bis 1.9.2015 im Blog "Mein Senf zu allem" veröffentlicht. Seither habe ich sie auf dieser Seite in meine Tagebucheinträge integriert.
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