"Wir verurteilen infolgedessen den Haller zur Strafe des ewigen Lebens und zum zwölfstündigen Entzug der Eintrittsbewilligung in unser Theater. Auch kann dem Angeklagten die Strafe des einmaligen Ausgelachtwerdens nicht erlassen werden." Als ich meine Frau vor 5 Jahren im Cafe Weidinger in Wien bei einem Zusammentreffen einer Initiativ-Gruppe für Arigona Zogaj kennenlernte, hatte ich gerade zum x-ten Mal Hesses Steppenwolf zu lesen begonnen. Bis dahin war es mir noch nie gelungen, das Buch zu Ende zu lesen. Das sollte diesmal anders sein.
Mein ganzes Leben stand damals kurz vor dem Umbruch, ich hatte drei Exit-Strategien entwickelt; eine neue Beziehung gehörte nicht dazu. Aber an jenem 18.1.2010 begann genau das, was ich - aufgrund meiner bisherigen Erfahrungen - um jeden Preis zu vermeiden versuchte. Es dauerte zwar noch eine ganze weitere Nacht (im Cafe Carina) und einen Tag lang, aber dann wurde ich endgültig zum Leben verurteilt. Und der Steppenwolf wurde in den Wochen danach zur ersten Lektüre, die wir einander vorlasen, die wir besprachen und über die wir philosophierten. Viele weitere Bücher sollten folgen und das Lesen und (darüber) schreiben auch zur Grundlage unserer Berufe werden. Wer hätte das damals gedacht? Diese fünf Jahre seither waren so intensiv vom Leben in allen Dimensionen geprägt wie all die Jahre davor nicht. Ich habe vorher noch nie so gelebt, die Tiefen erfahren und die Höhen erklommen. Noch nie vorher habe ich erfahren, dass auch Glück ertragen werden kann. Hesse legt Mozart diese Worte in den Mund: "Sie sollen lachen lernen, das wird von Ihnen verlangt. Sie sollen den Humor des Lebens, den Galgenhumor dieses Lebens erfassen ...Als ob es nicht schon genug Unglück wäre, was Sie angerichtet haben! Aber mit der Pathetik und den Totschlägen soll es nun ein Ende haben. Nehmen Sie endlich Vernunft an! Sie aollen Leben und Sie sollen das Lachen lernen. Sie sollen die verfluchte Radiomusik des Lebens anhören lernen, sollen den Geist hinter ihr verehren, sollen über den Klimbim in ihr lachen lernen. Fertig, mehr wird von Ihnen nicht verlangt." Und weil Hesse den Steppenwolf Harry Haller alles sagen lässt, was dazu zu sagen ist, lasse ich ihn nochmal sprechen: "Oh, ich begriff alles, ... begriff Mozart, ... wußte alle hunderttausend Figuren des Lebensspieles in meiner Tasche, ahnte erschüttert den Sinn, war gewillt das Spiel nochmals zu beginnen, seine Qualen nochmals zu kosten, vor seinem Unsinn nochmals zu schaudern, die Hölle meines Inneren nochmals und noch oft zu durchwandern. Einmal würde ich das Figurenspiel besser spielen. Einmal würde ich das Lachen lernen. ... Mozart wartete auf mich." Spannend, dass die Aufschrift auf meiner Trainer-Mappe in der VHS Harald Karjalainen-Dräger lautet. Der Rest ist Schweigen ... Leben.
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Hinweis:
Meine Meinung zu aktuellen Themen habe ich bis 1.9.2015 im Blog "Mein Senf zu allem" veröffentlicht. Seither habe ich sie auf dieser Seite in meine Tagebucheinträge integriert.
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Juli 2019
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