In unserer Bibliothek auf Halme, unserem finnsichen Ferienhaus, habe ich eine Taschenbuchausgabe von Erich Kästner's Konferenz der Tiere entdeckt. Sie ist - wie im Buch vermerkt ist - "vermehrt um einige Beiträge aus der Zeit der 'Kleinen Freiheit"! Und die haben es in sich. Zum Jahreswechsel gibt es da die "Kleine Neujahrsansprache vor jungen Leuten" unter dem Titel "Die vier archimedischen Punkte".
Für Kästner sind Gewissen, Vorbilder, Kindheit und Humor jene Kräfte, mit der die Welt in die Angeln zurückgehebelt werden kann. Dabei fordert Kästner die Eigenverantwortung jedes einzelnen Menschen ein. Sich diesbezüglich auf andere zu verlassen ist der Holzweg. Nun führt Kästner so manches nicht detailliert aus, er bleibt im Vagen, Ungenauen; aber seiner Richtung mag ich folgen, da sie mir stimmig erscheint. Hier noch ein paar Anfragen an den Text bzw. persönliche Ergänzungen: Ist das Gewissen wirklich eine objektive "Instanz" oder nicht (auch) etwas, das sich durch das Leben in jedem im Lauf seiner Entwicklung individuell herausbildet? Gibt es Gewissen-Losigkeit per se oder ist die eine Folge der Lebens-Erfahrungen? Kästner glaubt an ein solches objektives Gewissen, das stets richtig geht, wie ich seinen Worten entnehme, und bescheinigt uns Menschen manchmal verkehrt zu gehen. Recht gebe ich ihm, was er zu den Vorbildern denkt. Ja, es gibt sie tatsächlich. Wichtig aber erscheint mir hier, nicht als Kopie dieses Vorbildes zu enden, sondern zu erkennen: ein echtes Vorbild lebt das ihm geschenkte Leben authentisch und damit daüberzeugend. So gilt es, den eigenen Weg zu finden und diesem zu folgen. Das täte auch vielen ChristInnen gut, wenn sie die Nachfolge Jesu auf diese Weise verstünden: ganz zu werden, was sie sind! Die Verklärung der Kindheit mag eine Falle sein. Kinder sind recht ungehobelte Wesen, die eine Menge Entwicklungsschritte zu bewältigen haben. Dabei hilft ihnen aber nicht der grobe Hobel der Erziehenden sondern eine respektvolle, wertschätzende Begleitung ins je eigene Leben. Was Kästner aus meiner Sicht trifft , ist das Kinder eine andere Wahrnehmung der Wirklichkeit haben - und das Staunen und Neugierde für sie noch möglich sind. Diesbezüglich sollte sich jeder Mensch an diese Qualitäten seines Kindseins erinnern, ihnen nachspüren und sie (wieder)entdecken! Was den Humor betrifft, bin ich ganz auf Kästners Seite. Wenn er echt ist (und sich nicht etwa hinter Zynismus oder Verarschung versteckt), ist er ein herrliches Korrektiv der eigenen Wahrnehmung. Es stünde uns allen gut an, wenn wir mit Hilfe des Humors das relativieren, was wir zu ernst nehmen - ohne dabei uns selbst aufzugeben sondern uns dadurch vielmehr noch besser kennen zu lernen. Ein herzhaftes Gelächter über sich selbst ist ungemein befreiend! So wünsche ich uns allen, dass Kästner's Neujahrswünsche Wirlichkeit werden mögen!
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Hinweis:
Meine Meinung zu aktuellen Themen habe ich bis 1.9.2015 im Blog "Mein Senf zu allem" veröffentlicht. Seither habe ich sie auf dieser Seite in meine Tagebucheinträge integriert.
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Juli 2019
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