Retta und ich waren im finsteren Tal, jener deutsch-österreichischen Film-Produktion, die von der Kritik als Mischung aus Heimatfilm und Western bezeichnet wird und aus Österreich im Vorjahr für den Oscar für den besten fremdsprachigen Film ins Rennen geschickt wurde. Es handelt sich dabei um die Verfilmung des 2010 veröffentlichten Debütromans des deutschen Schriftstellers und Kulturjournalisten Thomas Willmann.
Nach physisch brutalen und seelisch grausamen eindreiviertel Stunden fällt der Schlüsselsatz der Protagonistin und Erzählerin Luzi (gespielt von Paula Beer): "Die Freiheit is a G'schenk, dass si ned jeder gern machen lasst." Davor erlebt man ein von einem Familienclan namens Brenner mit eiserner Hand regiertes Dorf, das von einem Fremden besucht und "befreit" wird. Er, als Sohn einer vom Brenner-Bauern vergewaltigten und nach Amerika geflohenen Frau, übt Rache, in dem er alle sechs ehelichen Söhne, sonstige Mitwissende (wie den von Erwin Steinhauer - wer sonst? - verkörperten Pfarrer) und letztlich den Clan-Chef (verkörpert von Hans-Michael Rehberg) selbst über den Jordan schickt. Eine Orgie der Gewalt und Gegengewalt in einem wahrhaft finsteren Tiroler Bergtal. In unserer Diskussion zum Film waren Reetta und ich uns einig, dass die Menschen sich offenbar zu allen Zeiten und in allen Gegenden der Welt gerne einem Mächtigen unterwerfen, egal wie er heißt. Auch Geldsystem und Wirtschaft, die wir gerne als alternativlos bezeichnen, gehören dazu. Dahinter stecken ja Menschen, nämlich wir alle. Beide sind ja keine Naturgesetze sondern leben davon, dass sich alle unterwerfen. Und dann warten wir auf den großen Rächer und Retter, anstatt uns selbst die Freiheit zu nehmen und unseren Weg zu gehen. Für mich war der Film einmal mehr der Auftrag an mich selbst, mir meine Freiheit zuzumuten und damit auch zum Vorbild zu werden für die vielen Mutlosen, Wartenden und Unsicheren. Es geht ja niemals nur darum, dass sich alle auf den gleichen Weg machen, sondern immer mehr darum, dass jedeR ihren/seinen authentischen Lebensweg findet und geht. Wenn ich aus meiner Zeit als Katholik und Religionslehrer etwas mitgenommen habe, dann das: Die Nachfolge Jesu ist nicht - so wie die Kirche behauptet - der Weg ins Leid und ans Kreuz, sondern immer der je eigene Weg, der mit aller Konsequenz auch ins Leid und ans Kreuz führen kann und dennoch begangen werden muss, weil es dazu zwar immer Alternativen gibt aber keine, die wirklich zum eigenen Leben passt. Die Freiheit zu diesem Weg ist den Menschen zumutbar - Reetta und ich sind dabei, uns diese Freiheit zu nehmen und sie auch den anderen zuzutrauen; lieber die daraus folgenden Konsequenzen als ein Leben im Stockholm-Syndrom. Ich werde weiter davon berichten.
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Hinweis:
Meine Meinung zu aktuellen Themen habe ich bis 1.9.2015 im Blog "Mein Senf zu allem" veröffentlicht. Seither habe ich sie auf dieser Seite in meine Tagebucheinträge integriert.
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Juli 2019
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