Diese Sommertage sind sehr, sehr sommerlich. Temperaturen jenseits der 30 Grad und das schon seit mehreren Wochen fördern nicht gerade das Denkvermögen. Dafür gibt es hier bei mir am Land wenigstens die Nächte, die nicht tropisch sind und daher ein sinnvolles Sinnieren zulassen. Am liebsten sind mir da die frühesten Morgenstunden, so vom Sonnenaufgang gegen vier Uhr bis zum Einsetzen der Tageserwärmung gegen spätestens sieben Uhr. Da kommt so manches ins Reine, ins Klare, was sich in heißer Nacht zu feuerspeienden Dämonen auszuwachsen drohte.
Von einem unbeschwerten Sommer kann nun – wie in meinem Beitrag vom 1. Juli „Der Sommer kann kommen“ erhofft, ja erwartet – keine Rede mehr sein, wie wohl die Be- bzw. Erschwernis nicht an den Ereignissen selbst liegt, sondern an meinem Umgang damit. Wenn sich Vergangenes meldet, dann ist dies immer auch eine Chance; denn dieses Hochkommen von Gewesenem zeigt auch seine Unabgeschlossenheit. Wichtig dabei ist, dass sich alle Beteiligten dem der Situation innewohnenden und notwendigen Aufarbeitungsprozess widmen. Alle. Will eine/r nicht mitspielen oder kocht sein/ihr eigenes Süppchen, bleiben letztendlich nur VerliererInnen über. Hier spreche ich mit dem Hintergrund meiner integrativen supervisorischen Ausbildung (auf Basis der humanistischen Weltsicht von Bühler, Rogers, Perls, Maslow, Moreno, Frankl und Längle), nicht als Poet. Denn aus Ereignissen wie diesen ließen sich die besten Dramen schmieden, schauen wir etwa auf Shakespeare, Grillparzer, Schiller oder den letzten Tatort aus der Schweiz vom vergangenen Sonntag. Mir ist aber gar nicht nach Drama zu Mute, so bin ich sehr an einer Deeskalation interessiert und an einer Lösung von der alle Beteiligten profitieren. Meine Außensicht auf die Ereignisse mag zwar durchaus hilfreich sein, wenn ich dann mitten drin bin und diese Perspektive aufgeben muss, um meine Position beziehen zu können, dann wird’s dennoch brenzlig. Da hilft nur, mich meiner „guten Manieren“ zu besinnen und mit Wertschätzung und Ich-Botschaften zu punkten. Herausfordernd wird es dann, wenn das Gegenüber mit Schweigen antwortet. Von meiner lieben Beraterin in Familienangelegenheiten habe ich unlängst erfahren, dass das Nichts-Sagen ein Akt von höchster Aggression ist. Das hätte ich nicht vermutet, ja, aber genauso fühlt es sich an. Dem ist kaum beizukommen, zumindest, was das Zum-Reden-Bringen betrifft. Der eigene Umgang damit sollte geprägt sein von Geduld, Gelassenheit und dem Mut auf Angriffe, die die Situation auf eine nicht adäquate Weise lösen wollen, mit entsprechender Konsequenz zu reagieren. Besser noch: nicht unverzüglich zu reagieren, sondern mit angemessenen Mitteln zu agieren. Es bedarf eines hinreichenden Innehaltens, um von der bloßen Reaktion zu einer gut gemachten (und nicht nur gut gemeinten) Aktion zu kommen. So bin ich also von Vergangenem geprüft, ohne aber auf die Gegenwart verzichten zu wollen. Muss ich ja nicht. Es braucht „nur“ das konsequente (Er)Leben im Augenblick. Und da gibt es so viel, was gelebt werden will. Die Texte, die in mir wachsen, um aufs Papier gebracht zu werden, die Stunden mit meiner Familie bei uns zu Hause oder auf einer unserer kleinen und größeren Reisen, die Momente mit meiner Frau, die nur wirklich werden, wenn sie auch tatsächlich und wahrhaftig da sein dürfen. So gesehen gestaltet nicht die Vergangenheit die Zukunft eines Menschen, sondern seine Gegenwart. Wenn die Gegenwart aber aus der bloßen Beschäftigung mit Vergangenem besteht, dann wird die Zukunft auch von diesem überschattet. Und ein solcher Schatten führt selbst in einem solchen Sommer nicht zur gewünschten Abkühlung. Im Gegenteil: Lasst uns wahrhaft leben! Epilog: Zwei wundervolle Lieder dazu – hörens- und nachahmenswert!
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Hinweis:
Meine Meinung zu aktuellen Themen habe ich bis 1.9.2015 im Blog "Mein Senf zu allem" veröffentlicht. Seither habe ich sie auf dieser Seite in meine Tagebucheinträge integriert.
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Juli 2019
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