In den Tagen des Terrors herrscht Terror. Und fast alle machen mit. Die kollektive Angstmache lebt von den kollektiven AngstmacherInnen. Da kenne ich viele, die denen, die Angst und Schrecken verbreiten wollen auf den Leim gehen und so zu BotschafterInnen von Angst und Schrecken werden.
Beispiele gefällig? Letzte Woche titelte ein kleinformatiges, horizontbeschränktes Boulevardmedium „Jetzt holt der Terror unsere Kinder“. In einer etwas größeren, aber ebenso perspektivenlosen Gratiszeitung leitartikelte eine Redakteurin über die Wichtigkeit, sich nicht Angst machen zu lassen, in dem sie Roosevelt zitierte: „Das einzige, was wir fürchten müssen, ist die Furcht selbst.“ Um in ihren letzten Zeilen zu Schluss zu kommen, dass wir diese Barbarei bekämpfen müssten. So setzt sich die Spirale des terroristischen Wahnsinns fort. In der beliebten Nachrichtensendung des Österreichischen Fernsehens, deren Anchorman momentan ob seines Interviewstils kräftig unter Beschuss steht, durfte ein britischer Terrorexperte die SeherInnen terrorisieren. Offenbar wollte er seinem Titel gerecht werden, in dem er alle Register zog, um uns von seiner Angst zu überzeugen; ein Experte für Terror eben. Es gibt eine kleine, feine Geschichte, die das Thema passend illustriert: Da stehen Menschen am Ufer eines Flusses und retten einen in den Wassern Treibenden. Als sie ihn herausgezogen haben, schreit ein nächster um Hilfe. Sie retten auch ihn. Kaum ist die Arbeit getan, kommen die nächsten angetrieben. So geht das weiter und weiter, die HelferInnen sind wegen der Fülle an Rettungsbedürftigen schon selbst rettungsbedürftig, weil sie erschöpft und verzweifelt sind. „Nimmt das denn nie ein Ende?“, fragt einer von ihnen schließlich. „So nicht!“ möchte ich ihm zurufen. Denn wenn sich die RetterInnen ins Retten verstricken und aufgrund der Fülle an Hilfsarbeit nicht mehr darauf achten, warum die Menschen eigentlich im Fluss gelandet sind und zu ertrinken drohen, wird bloß das Problem fokussiert, aber keine Lösungen entwickelt. In dieser Problemtrance stehen auch viele von uns, auch die Hilfsorganisationen und die vielen Freiwilligen, auch politische VerantwortungsträgerInnen, ja sogar AktivistInnen. Wenn ich die Situation der Kriegsvertriebenen dadurch lösen will, dass ich Auffanglager außerhalb Europas errichte, dann habe ich möglicherweise kurzfristig eine Lösung für die als zu hoch empfundene Zuwanderung. Langfristig schüre ich das Feuer des Hasses auf das reiche Europa mit allen wirklich furchterregenden Konsequenzen. Wenn Menschen keine Existenzberechtigung haben, weil sie ihnen von einer Minderheit abgesprochen wird, dann werden sie sich eines Tages ihrer Mehrheit bewusst und werden diese Stärke auch ausspielen. Daher gälte es im Sinne eines globalen Denkens, deren Situation vor Ort zu ändern, so dass sie in ihren Heimatländern ihren way of life weiterführen können – auf existenzgesicherter Basis. Es gälte nicht kriegerische Handlungen zu finanzieren, sondern NGOs und Gruppierungen, die zu einer neuen Perspektive beitragen wollen. Und es gälte den Reichtum der Erde mit allen gleichermaßen zu teilen wie Jean Ziegler das in seinen Büchern und Vorträgen eindrucksvoll fordert. Wer keine Angst um seine Existenz hat, ist weniger gefährdet auf die Geschichten der AngstmacherInnen hereinzufallen. Und plötzlich hätten wir eine Welt, in der wir uns gemeinsam um die wirklichen Herausforderungen kümmern könnten, wie etwa Klimawandel und Ernährungssicherheit. Diese Utopie sollte dringend eine Vision werden, damit die Dystopie einer Welt voller Angst und Schrecken endlich ein Ende hat.
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Hinweis:
Meine Meinung zu aktuellen Themen habe ich bis 1.9.2015 im Blog "Mein Senf zu allem" veröffentlicht. Seither habe ich sie auf dieser Seite in meine Tagebucheinträge integriert.
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Juli 2019
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