Die erste Ferienwoche begann mit einer Öffi-Tour nach Hollabrunn und wieder retour. Und weil’s so schön war, wiederholten wir den Ausflug am nächsten Tag gleich noch einmal.
Am Montag fuhren mein Jüngster und ich über Absdorf-Hippersdorf und Stockerau in die Bezirkshauptstadt im westlichen Weinviertel, um einen Großteil seines Geburtstagsgeldes auf den Kopf zu hauen. Tags zuvor hatte ich im bekanntesten Internetflohmarkt des Landes ein Tipp-Kick-Stadion mit Netztoren, 4 Top-Spielern und 2 ebensolchen Tormännern entdeckt, die sich nicht nur zur Seite, sondern auch nach vorne schmeißen können, zugegebenermaßen der Traum meiner Kindheit. Da das ebensolche Tischfußballspiel aus meinen Kindertagen nach mehr als 40 Jahren und einem sehr intensiven Benutzen durch die jüngste Generation langsam den Geist aufgibt und auch der vor knapp 20 Jahren getätigte Nachkauf nicht mehr recht mitmacht, war die Gelegenheit günstig, meinem Sohn dieses Angebot schmackhaft zu machen – und er biss an. Zu meiner Zeit spielte ich wöchentlich mit meinem Opa - meine Großeltern mütterlicherseits kamen zu dieser Zeit an jedem Donnerstag zu uns nachhause – nach Absolvierung der Hausübungen und vor der Jause eine WM-Partie nach der anderen nach, von 1930 bis in die damalige Gegenwart. Er spielte rot, ich gelb. Und wenn Österreich dabei war, dann übernahm er diese Mannschaft. Damals waren ja die Hochzeiten des österreichischen Nationalteams und das legendäre Cordoba wirkte vehement nach. Das waren wunderbare Nachmittage in einer äußerst belasteten und belastenden Zeit, letzteres wurde mir erst viele Jahre später bewusst, da Kinder ja das eigene Umfeld immer als selbstverständlich erleben und selten hinterfragen. Nun reiste ich also mit meinem Jüngsten in Sachen Tipp-Kick-Stadion und Top-Kickern (die jeweils anders angeschliffene Schussbeine haben, um gefühlvolle Heber bzw. Innenrüstschüsse zu produzieren) ins benachbarte Weinviertel. Unsere Bahnverbindung brachte uns eine gute Stunde vor dem Übergabetermin am Hollabrunner Hauptplatz ans Ziel. Wir tourten noch eine kleine Runde durch die Stadt, fanden im Zentrum eine Hüpfburg und ein kleines Public-Viewing, das wir uns für später aufhoben, weil ich noch einen Abstecher zum örtlichen Optiker machen wollte, um mir ein Sonnenclip für meine Gleitsichtbrille zu kaufen. Mein Sohn war wenig begeistert, fand aber im Lehrling des Ladens einen begeisterten Fußballanhänger, mit dem er fachsimpeln konnte. Zu dieser Zeit lief gerade das Match Brasilien gegen Mexiko und mein Handy musste zur regelmäßigen Ergebnisprüfung herhalten, während der Optikermeister mir – nachdem ich sein Angebot einer „g‘scheiten“ optischen Sonnenbrille ung’schaut ausgeschlagen hatte – die „pensionistigen“ (O-Ton des Meisters) Clips zuschnitt. Wenig später waren wir dann doch am Hauptplatz, das Match war zum Leidwesen des Juniors schon zu Ende (Brasilien hatte Mexiko mit 2:0 besiegt), er machte sich aber durchaus freudig an die Hüpfburg ran, während ich mir am lokalen Getränkestand einen Radler besorgte, um die mitgebrachten Brote für’s Abendessen runterzuspülen. Kurze Zeit später stand er neben mir, forderte seine Brote, jammerte ein wenig, dass ich Bier tränke und er nur seine Wasserflasche habe (ein Fauxpas, den ich später im Supermarkt mit einer süßen Nachspeise wiedergutmachte) und erzählte, dass man von ihm 20 Cent für die Benützung der Hüpfburg gefordert habe. Ein solcher Preis aber war nicht ausgeschildert und es stellte sich heraus, dass die anwesenden Kinder durchaus geschäftstüchtig agierten. Die von mir angebotene Unterstützung schlug er jedoch aus, kaute etwas beleidigt an seinem Brot und erwartete die Tipp-Kick-Übergabe, die auch 15 Minuten vor dem vereinbarten Zeitpunkt erfolgte. Und dann machten wir uns auch schon auf den knapp zweistündigen Heimweg, um frühnachts noch vor dem Schlafengehen eine erste Partie im neuen Stadion zu spielen. Es ging bis ins Elfmeterschießen (eine Lieblingsbeschäftigung meines Sohnes), das ich wie so oft knapp verlor. Der nächste Tag war dann in größerer Besetzung (meine Frau kam mit) dem Besuch eines Freundes, der in der Nähe Hollabrunns wohnt und in der Bezirkshauptstadt die örtliche Lerntafel betreibt, gewidmet. Wir waren wieder zwei Stunden unterwegs und hörten wieder viele Geschichten, jene der Menschen, die beim Lernen von Deutsch, Mathematik und Englisch Unterstützung suchen, aber auch solche von deren Eltern, die mit Hilfe der zahlreichen LernbegleiterInnen ihre ersten Schritte im Deutschen unternehmen, wir durften einen wunderbaren Garten besuchen und den Schwimmteich der Nachbarn benutzen, ebenso deren Geschichte erfahren, wir aßen köstlich Vegetarisch, jausneten Königlich mit Kaffee, Kuchen und Schlagobers (wie an den Großeltern-Donnerstagen meiner Kindheit) und führten eindrückliche Gespräche über Gott und die Welt. Auch an diesem Tag kehrten wir erst frühnachts nachhause zurück – und auch an diesem Abend musste ich mich zum Abschluss noch einer Tipp-Kick-Partie stellen, die ich – wie sonst – im Elferschießen verlor. Der Sommer ist also wirklich gekommen!
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Hinweis:
Meine Meinung zu aktuellen Themen habe ich bis 1.9.2015 im Blog "Mein Senf zu allem" veröffentlicht. Seither habe ich sie auf dieser Seite in meine Tagebucheinträge integriert.
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Juli 2019
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