Immer noch bin ich - was den Sommer betrifft - feriengepolt. Nun hat mir mein Leben gleich ein Superfreispiel für den Juli beschert, die geplanten erwerbseinkommenbescherenden Aktivitäten wurden seitens meiner Auftraggeberin gecancelt und ich stehe vor vielen freien Stunden.
Ein Traum wird wahr. So war es immer mit den Ferien. Mit Ausnahme von 1985-1992 hatte ich in der Jahresmitte immer frei. In jenen Jahren verdingte ich mich für den Broterwerb bei einer Bank und als Geschäftsführer einer Familienorganisation. Alles nicht der wahre Weg, alles eine Nummer zu groß wie sich herausstellte, als mich mein Körper und meine Psyche zu einer Pause und zu einem Neustart unter anderen Bedingungen zwangen. Von da an waren mir fortan wieder die Sommerferien vergönnt, nicht immer neun Wochen aber doch eine ausreichende Zeit für das, was notwendig war: Regeneration, Selbstbesinnung und ein Leben ohne den alltäglichen Takt. Dieser Sommer ist allerdings insofern ein ganz besonderer, als er mir bis zum 19. August jede Menge Freiheit zum Schreiben ermöglicht. Da steht so vieles an, was liegen bleiben musste, weil mich das Leben in diesem ersten Jahres-Halbjahr besonders herausgefordert hat. Mein Kinderbuch Olli wartet auf seine längst verdiente Fortsetzung, ich habe eine Novelle mit dem Titel "Kontrollverlust" wiederentdeckt, die ich bereits im September 2016 zu schreiben begonnen habe und die mich beim Wiederlesen fasziniert hat. Auch gibt es da Aufzeichnungen eines Finnlandaufenthaltes vor mehreren Jahren, die eine Überarbeitung und Veröffentlichung verdienen. Und dann warten da noch inspirierende Fotos, die ein Davor und Danach brauchen und ihrer Geschichten harren. Was als Hindernis spürbar wird ist zum einen die Fußball-WM, die mein Jüngster mit großem Interesse verfolgt und bei der er mich zum Begleiter erkoren hat, nicht nur technisch (in dem ich Laptop und Beamer verbinde und auf diese Weise eine Großleinwand an der Wohnzimmerwand kreiere, womit ich aber auch für diese Zeit mein Schreibgerät vorgeben muss) sondern auch zeitlich, zum anderen die unsäglichen Inszenierungen dieser Bundesregierung, zuletzt die gegründete Task-Force zur Überwachung der Fluchtruten sowie der Auftakt zur EU-Ratspräsidentschaft auf der Planai. Ich habe zwar beschlossen, mich diesbezüglich sehr zurückzuhalten, doch ist nicht Schweigen auch eine unausgesprochene Zustimmung? Zudem hat mich die Leselust gepackt und ich bin innerhalb von 24 Stunden in Othmar Eiterers Roman "Meilen gehen bevor ich schlafen kann" eingetaucht. Der Titel stammt aus einem meiner Lieblingsgedichte von Robert Frost: "Miles to go before I sleep", die Story erzählt von einem Sommer in der Toscana, der Fluchtpunkt wird für einen Schriftsteller, der mal Lehrer war, und eine Frau samt Sohn, die dem ehelichen Alltagseinerlei entgehen möchte. Dazu Vergil, Dante und Goethes Italienische Reise - einhunderzwanzig Seiten vollgepackt mit Vielem. Gleich im Anschluss habe ich einen seiner weiteren Romane begonnen: Der Tod des Lorenzo Milani. Im Zentrum ein konvertierter Jude, der katholischer Priester wurde, um mit der Kirche zu hadern und seiner eigentlichen Berufung zum Lehrer zu folgen. Wegen Ungehorsams aus Florenz in ein Bergdorf versetzt gründet er die Schülerschule von Barbiana, die viele PädagogInnen faszinierte und zeigte, dass junge Menschen miteinander und voneinander erfolgreich lernen können, auch wenn sie nicht dem BildungsbürgerInnentum angehören. Sein Leben endete allerdings schon mit 44, gezeichnet von Lymphdrüsenkrebs und Leukämie. Mit Eiterer erlebe ich gerade die letzte Nacht des Geistlichen, der ohne Rücksicht auf sein Leben und seine Karriere zu seinen Grundsätzen stand. Und: Auf dem Postweg zu mir ist schon ein Buch von Jörg Mauthe, seinerzeit unter Erhard Busek eine der bunten Vögel in der Österr. Volkspartei, mit der jener die Wiener Stadtpolitik beleben wollte. In "Die große Hitze" wird ein Beamter zum großen Retter Österreichs, weil er eben nicht nach Vorschrift handelt, sondern die vielzitierte österreichische Lösung anwendet - etwas das - wie Walter Hämmerle in der Wiener Zeitung vor kurzem schrieb (sein Artikel brachte mich auf die Spur dieses Romans) Österreich auch heute gut anstehen würde. Vor langer Zeit habe ich mir vorgenommen, täglich eine Stunde zu schreiben, nun gilt es täglich diesen Schweinehund zu besiegen, um dieses Projekt konsequent durchzuziehen. Zeit habe ich ja genug. Und dennoch ist der Auftakt etwas schräg geraten, startete ich doch erst um 23.23 h mit diesen Tagebucheintrag, der nunmehr um 0:07 Uhr beendet ist. Aber immerhin: Der Anfang ist gemacht, der Sommer kann kommen!
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Hinweis:
Meine Meinung zu aktuellen Themen habe ich bis 1.9.2015 im Blog "Mein Senf zu allem" veröffentlicht. Seither habe ich sie auf dieser Seite in meine Tagebucheinträge integriert.
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Juli 2019
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