600 Seiten liegen hinter mir. 600 Seiten voller Geschichten eingebettet in die Geschichte von Chinesisch-Turkestan in der Zeit von 1903 bis 1941. Nummi erzählt, fabuliert, spannt einen Bogen nach dem anderen und lässt uns vielen Menschen begegnen, die das Schicksal immer wieder zusammen und auseinander führt. Im Zentrum seines Buches Kiinalainen puutarha steht ein Foto mit einer Gruppe von Menschen in chini bagh, dem Garten, der dem Buch seinen Namen gegeben hat. Im Nachwort muss Nummi zwar bekennen, dass chini nichts mit China zu tun hat, sondern so etwas wie wertvoll bedeutet, aber das ist nicht entscheidend. In dieses Foto fabuliert er eine Gruppe von Kindern hinein, deren Geschichte(n) er im Lauf des Buches entfaltet. Im Mittelpunkt stehen Kamil und Rahila, die das Leben als Kinder in einer schwedischen Missionsstation zusammengeführt hat. Eine ebenso wichtige Rolle spielt Carl Gustaf Emil Mannerheim, ein berühmter finnischer Militär und Staatsmann, der an entscheidenden Stellen des Buches plötzlich auftaucht und dessen Aufzeichnungen und Fotos - wie eben jenes bereits angesprochene - eine Basis für all das Geschehen bietet.
Dann geht es in mehreren Spannungsbögen durch all die Jahre und Jahrzehnte. Kamil ist mit Nora, der Wahlnichte seiner großen Liebe Rahila, auf der Flucht. In den drei Nächten ihrer Gefangenschaft erzählt er dem 6-jährigen Mädchen die ganze Geschichte und all die Geschichten. Hassan, der Sohn des Diebes, wird für die Protagonisten zum wichtigen Begleiter und letztlich zum Lebensretter, obwohl sich alle immer irgendwie vor ihm fürchten. Baron Mannerheim lebt von seinen Abenteuern, die er in seinen Unterlagen aufzeichnet, und merkt nichts von der großen Liebe, die ihn umfängt. Am Anfang ist er der Freund der Russen, am Ende deren Feind, aber eben deshalb, weil er das zaristische Russland, dem er gedient hat, retten will. Die Schweden kommen und gehen - aber was bleibt ist ihre Version des Christentums, die trotz aller Versuche von dessen Gegnern in so manchem Kinderherz bis zum Erwachsenwerden aufgeht und zu deren Konversion führt. Der deutsche Titel "Am Anfang ein Garten" führt die Lesenden in dieses Motiv der Handlung. Die Schöpfungsgeschichte der Bibel, die von den schwedischen Missonaren verbreitet wird. Daraus resultiert der Kampf der Kulturen, die in Ost-Turkestan vielfältig sind. Wir erleben vor allem den Konflikt zwischen den Muslimen und den Christen, am Ende kommt noch der Hinduismus ins Spiel und auch der gottlose Kommunismus der Bolschewiken. In der Geschichte der Protagonisten zeichnet Nummi aus meiner Sicht einen Weg aus diesem Dilemma, das sich aus Fanatismus speist: die Liebe und mit ihr der Respekt vor der Verschiedenheit des anderen. Die poetische, bildhafte Sprache tut ihr übriges, dass man sich als Lesende/r in Geschichten aus 1001 Nacht wiederzufinden glaubt. Und so entstehen aus dem einen Bild, dem Foto, das Baron Mannerheim gemacht hat, die vielen Bilder des Romans, der einen auch lange nach dem Ende noch weiter beschäftigt, weil er die großen Fragen der Menschheit berührt: die Liebe und die Hoffnung auf eine Rückkehr ins Paradies des Anfangs.
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Hinweis:
Meine Meinung zu aktuellen Themen habe ich bis 1.9.2015 im Blog "Mein Senf zu allem" veröffentlicht. Seither habe ich sie auf dieser Seite in meine Tagebucheinträge integriert.
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Juli 2019
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