Nach dem gestrigen Hitzetag, der auch in den Abendstunden noch nicht recht zu Ende gehen wollte, hatte ich die Schnauze reichlich voll. Nach dem in der Familie nach zerbrochenen Tellern und untypischem Jungs-Radau wieder einigermaßen Friede eingekehrt war, trollte ich mich mit Regenjacke outdoor. Ich hatte sowas von Lust nach einer Auszeit in der Natur. Und das zwanzig vor neun. Der Lainzer Tiergarten, der unserer Wohnung gegenüberliegt, stand knapp vor der Schließung, kam also nicht in Frage, das von mir angepeilte Ersatzziel Wienfluss war auf Grund des mittlerweile stürmischen Windes unattraktiv. Also überquerte ich diesen auf der Brauhausbrücke und schlenderte die Bergmillergasse hoch. Ich wollte einen windstillen Platz finden, eine Bank im Grünen, einen Ort, an dem ich meine innere Stille aufsuchen konnte.
Mit jedem Schritt aber veränderte sich mein Wunsch und ich begann umzuplanen. Café? Nö, nix attraktives in der Gegend. Japanisch essen? Auch nicht. Einerseits wollte ich kein Geld ausgeben, andererseits nicht in die stickige Luft eines Restaurants aufsuchen, der ich doch entfliehen wollte. Würstelstand! Das was auf's erste sehr ansprechend klang, relativierte sich mit jedem weiteren Schritt. Also besuchte ich mal den Bankomaten und hob schon mal einen Zwanziger für den nächsten Tag ab. Beim Hinausgehen aus dem heißen Foyer hatte ich in der ersten erfrischenden Böe, die mich erreichte, die Idee: Ich wollte an den Halterbach, an jene Furt, an der ich mit der Familie schon so oft war, die ich aber noch nie alleine genossen hatte. Dazu ein gut gekühltes Bier und eine schmackhafte Zigarette. Hätte ich eigentlich beides von zu Hause mitnehmen können. Ach sei's drum. Mein Blick fiel auf die nahegelegene Tankstelle und den zugehörigen Shop. Da wird es sicher billiger sein als am Würstelstand, dachte ich mir. Flugs betrat ich den Laden und ging zum Kühlregal. Die Auswahl an Bieren war überraschend groß, die Preise auch. Ich wählte eines, das ich schon lange mal probieren wollte und ging zur Kassa. Hinter dem Tankwart - oder sagt man jetzt Shopmitarbeiter - gab es eine Fülle an Zigaretten, alle wenig ansprechend. Als ich schon darauf verzichten wollte, entdeckte ich ganz in der rechten unteren Ecke des Regals einige Packungen Gitanes. Die kann man nehmen, wenn man wie ich was schmecken will. Also her damit. Und auch ein Feuerzeug. Mein Zippo lag ja zuhause. Der Meister der Tankstelle scannte die Waren, als er zuletzt über den Strichcode der Zigaretten gehuscht war, zeigte das Kassadisplay acht Euro fünfzig. Ich dachte an die Gesamtsumme. Die betrug dann aber mehr als zwölf Euro. Ich zahlte mit Karte, gut, dass das Monat erst auf die Mitte zugeht, dachte ich mir. Als Vater von 3 Jungs war das, was ich mir da besorgte, absoluter Luxus. Der wollte nun genossen werden. Also schlenderte ich mit Feuerzeug und Zigaretten in der Tasche und der Bierdose in der Hand am Würstelstand vorbei, betrat die dunkle Bujattigasse und erreichte kurze Zeit später den Ort meines Begehrens. Dann ging ich zur Furt hinunter, setzte mich auf einen der großen Steine am Ufer des Halterbachs und öffnete meine Bierdose. Als ich den ersten Schluck nahm, wollte gerade ein älterer Herr mit Hund von der anderen Seite zur Furt gehen. Als er mich sah, rief er sein Tierchen und suchte schleunigst das weite. Ich musste lachen, da ich ja selten einen erschreckenden Eindruck hinterlasse. Aber heute war's so. Und das fühlte sich gut an, da ich doch meine Ruhe suchte und auf Gesellschaft von Mensch und Tier in dieser Zeit ohnehin keinen Wert legte. Ich blieb über eine halbe Stunde, trank Schluck für Schluck, rauchte zwei Tschick, schaute und hörte dem Wasser zu. Ein belebender Augenblick. Gestärkt kehrte ich in den heimatlichen Hafen zurück, um das ZIB2-Streitgespräch zwischen Matthias Strolz und Reinhard Lopatka auszuhalten. Ein Trauerspiel. Ich nahm noch eine Dose Bier aus dem Kühlschrank und rauchte noch zwei von den Gitanes, den teuersten meines Lebens. Die weitere Nacht verlief kühl und ruhig.
0 Comments
Your comment will be posted after it is approved.
Leave a Reply. |
Hinweis:
Meine Meinung zu aktuellen Themen habe ich bis 1.9.2015 im Blog "Mein Senf zu allem" veröffentlicht. Seither habe ich sie auf dieser Seite in meine Tagebucheinträge integriert.
Archiv
Juli 2019
|