Das Jahr ist etwas mehr als 37 Tage alt und mir verschlägt mein Leben im Kleinen wie im Großen ganz gehörig die Sprache. Höchste Zeit tief Luft zu holen und die passenden Worte zu finden für all das, was sich da abspielt.
Nun habe ich mir das Sprichwort "Wer schweigt, scheint zuzustimmen" zu Herzen genommen und machen mal wieder das Maul auf. Die Frage ist nur, ob es und wem es etwas bringt - und was es für mich und meine Familie bedeutet, wenn ich mich auf diese oder jene Weise äußere. Sie spüren meine Zweifel, sie sehen mein Ringen um die Angemessenheit meines Redens und Schreibens, für das ich als Ehemann und Vater noch zusätzliche Verantwortung habe - im Hinblick auf Frau und Kinder. Dennoch möchte ich den Eindruck, der sich meiner in immer umfassenderer Weise bemächtigt, nicht verhehlen und dessen ich mich durch die Worte des Zeithistorikers Gerhard Botz im gestrigen STANDARD bestätigt fühle: Wir steuern schnurstracks zurück in die 30er-Jahre des vorigen Jahrhunderts. Die verantwortlichen PolitikerInnen scheißen sich nix mehr, die SozialdemokratInnen sind unter der Führung des neoliberalen Pseudo-Genossen Christian Kern in tiefe Besinnungs- und Orientierungslosigkeit geschlittert und hoffen, dass mit einem Wirtschaftaufschwung im "Unternehmen Österreich" die rechtspopulistischen Tendenzen ein für alle mal beseitigt werden können. Wenn alle Arbeit haben und gut leben können, dann könn' ma uns einen neuen Autokraten oder gar Diktator ersparen. Was die Chefs der SPÖ dabei nicht wahrhaben wollen ist die Tatsache, dass dieses Wirtschaftssystem, auf dem sie alles aufbauen, längst hirntot ist und nur mit den veralteten Maschinen eines vorgestrigen Systems künstlich am Leben erhalten wird. Zudem kann man einen Staat nicht wie ein Unternehmen führen, das lernt(e) man in der Einführungsvorlesung zur Volkswirtschaft. Heute hat die Betriebswirtschaft das Ruder übernommen, mit den bekannten Folgen. Dabei gäbe es genug Klientel für eine sozialistische Bewegung, die sich um das neue Proletariat bemüht. Ich weiß schon, dass der Vergleich hinkt, ich strapaziere ihn dennoch - und hoffe, dass da jemanden noch etwas besseres einfällt: das Prekariat, das paradoxerweise auch UnternehmerInnen inkludiert (nämlich die aus dem Angestellten-Leben geboxten Ein-Personen-Unternehmen), und die Working-Poor (die trotz Vollzeit-Job ein Minimalgehalt, das nicht zum Leben reciht bekommen) sind die Zielgruppe einer solchen Bewegung. Diese wird an einer umsetzbaren Idee für ein Grundeinkommen basteln müssen, um den Menschen eine Lebensperspektive geben zu können. Ebenso wird dem Schlagwort vom "lebenslangen Lernen" auf eine völlig neue Weise Leben eingehaucht werden müssen. Dieses wird sich auf ganz persönliche Bildungsprozesse beziehen, die auch jede Menge Reflexion und Persönlichkeitsentwicklung beinhalten. Es braucht eine neue Bewusstheit, um die Herausforderungen der Gegenwart zu lösen. Hier möchte ich Einstein zitieren, der sagte: "No problem can be solved from the same level of consciousness that created it." Für Ansätze dieser Art taugt das aktuelle Parteiensystem mit Sicherheit nicht. Die sehr erfolgreichen Versuche, Bürgerbewegungen zum Motor dieser Entwicklung zu machen, endet derzeit spätestens dort, wo diese sich in poltische Parteien verwandeln, die sich einer Wahl im herrschenden demokratischen System stellen und dort so scheitern wie alle Parteien scheitern müssen. Daher wird sich auch die Demokratie in Richtung "think local, act global" und Konsens weiterentwickeln müssen, denn sonst wird sie nicht mehr sein. Und die Folgen dieses Stillstands können wir uns zu Gemüte führen, wenn wir rund 100 Jahre zurückschauen.
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Hinweis:
Meine Meinung zu aktuellen Themen habe ich bis 1.9.2015 im Blog "Mein Senf zu allem" veröffentlicht. Seither habe ich sie auf dieser Seite in meine Tagebucheinträge integriert.
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Juli 2019
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