Der Abend am Beginn dieses neuen Lebenstages war wegen meines wieder aufgeflammten Widerstands gegen das Schulsystem weiterhin angespannt. Ich widmete mich den Vorbereitungen für unsere zweistündige Reise zur Prüfungsschule, das von mir ins Auge gefasste Taxiunternehmen, hatte sich trotz mehrerer Versuche nicht zurückgemeldet, damit stand uns nach der Bahnfahrt auch noch eine zweieinhalb Kilometer lange Wanderung – noch dazu bergauf – bevor. Früh ging ich zu Bett, selbst mein Junior war zu diesem Zeitpunkt noch nicht in den Schlaf gesunken, was mir zwar Sorgen wegen seiner Fitness für die Prüfung machte, andererseits wusste ich, dass jede Intervention kontraproduktiv wäre und die Lage verschärfen würde.
Um 6.15 Uhr holte ich ihn aus den Federn, ich selbst war gegen vier Uhr das erste Mal wach und bereitete ab 6 Uhr Frühstück und Jause zu. Knapp vor sieben machten wir uns auf den Weg zum Bahnhof, stiegen auf der Fahrt drei Mal um und landeten gegen Viertel nach neun bei unserer Endstation. Der Fußweg bergauf ging trotz Muskelkaters bei meinem Jüngsten, der vom Fußballtraining am Vortag herrührte, in der geplanten Zeit von statten, er freute sich schon auf den Spielplatz nach der Prüfung, hatte dafür extra seinen Fußball eingepackt. Das Schulgebäude empfing mich trotz seines sprechenden Namens „Farbengarten“ mit all seiner Schwere, auch mein Sohn wirkte nun erstmals ein wenig angespannt. Und kurze Zeit später verschluckte ihn schon jener Raum, in dem er sich mit fünf anderen Kindern seiner Prüfung zu unterziehen hatte. Ich nahm am Sofa in der Aula Platz, klappte meinen Laptop auf und begann an diesem Blog zu schreiben. Eine knappe Stunde später hatte ich den gestrigen Tag und die Stunden des heutigen Tages beschrieben – und nun begann das bange Warte auf sein Prüfungsergebnis. Eine halbe Stunde später kam mein Sohn in Begleitung der prüfenden Lehrerin als letzter der 5 Kandidat*innen aus dem Prüfungszimmer, „geschafft“ wie sie konstatierte – und zwar im Sinne eines positiven Ergebnisses, Nun wurden wir zur Direktorin gebeten, die mit uns die Prüfungsergebnisse durchsprach. Es war eine beeindruckende Leistung, die mein Filius da fabriziert hatte, daher bekam er auch gute Noten, nämlich eine 2 in Mathematik und jeweils eine 1 in den anderen Prüfungsgegenständen. Mir war nach Jubelschrei, mein Jüngster nahm es gelassen zur Kenntnis und fragte mich, ob er nicht schon auf den Spielplatz vorausgehen könne, da ein anderer Prüfling auf ihn warte. Ich gab natürlich mein OK. Eine knappe halbe Stunde später holte ich ihn mit seinem Zeugnis im Rucksack am Spielplatz ab. Es hatte inzwischen zu regnen begonnen, das hielt uns aber nicht davon ab, noch eine Runde Fußball zu spielen, denn darauf waren wir zum ersten Mal in all den Jahren vorbereitet, der Ball war mitgekommen. Nach 15 Minuten waren wir innen und außen nass, ich schlug vor, dass wir uns beim örtlichen Greißler ein Getränk und Süßes kauften und dann an einem regengeschützten Ort (ich hatte nächst dem Spielplatz einen Pavillon entdeckt) unsere mitgebrachte Mittagsjause verzehrten. Junior Nr. 3 stimmte zu, ich kaufte Bier, er Limo und Gummizeug sowie 3 Packungen Mannerschnitten. Kurz darauf saßen wir im besagten Pavillon, der Regen hatte stark zugenommen, es schüttete wie mit Schaffeln. Also befragte ich mein Handy, wann der nächste Bus zum Bahnhof führe. Ich bakm die Auskunft, dass dies bereits in 10 Minuten so weit sei. Wir packten unser Picknick wieder ein und gingen zur Bushaltestelle. Mit einiger Verspätung traf er ein, wir waren noch ein wenig nässer geworden. An der Bahnstation hatten wir noch mehr als eine halbe Stunde bis zur Abfahrt unseres Zuges Zeit, also setzten wir in der dortigen Wartehütte unseren Imbiss fort. Auf der Heimfahrt erlaubte ich meinem Sohn auf meinem Handy Tom Turbo zu schauen, ich gönnte mir Musik, Musik, Musik … Zuhause angekommen machte sich mein Jüngster sofort an sein nächstes Projekt, er baute in seinem Zimmer ein Studio für seine TV-Sendung (auf „TAZN-TV“) „Die Nussballshow“ und nahm mit seinem Handy sofort ein paar Probeclips auf, die allesamt herrlich anzuschauen sind. Dann machte er noch ein Match mit sich selbst im Garten, dass er ebenfalls mit seinem Handy filmte. Da ich abends noch einen Besprechungstermin in unserem Dorf-Fußballclub hatte, wärmte ich mir jene Portion des von meiner Liebsten zubereiteten Mittagessens, das sie für mich aufbewahrt hatte. Um 18 Uhr war ich schon zurück in meinem Alltagsleben und im Büro unserer Fußballarena, um einer Vorstandssitzung beizuwohnen.
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Eine bedrückende Tatort-Episode aus Köln, viel Schweigen, jede Menge vielsagender Blicke, Mimik zählt - und die Story entwickelt sich entlang des Unausgesprochenen, also quasi zwischen den Zeilen. Mir ist die Sache eigentlich zu steil, aber ich will es wissen. Und das Ende macht mich noch betroffener als die vorhergegangenen 85 Minuten des Streifens. Wenn ein junger Mensch einen jungen Menschen so einfach aus dem Nichts mit dem Skateboard erschlägt und dessen Eltern gemeinsam mit ihm die Leiche des Jungen im Fluss entsorgen, dann muss einem einfach der Atem stocken und die Spucke wegbleiben. Zuletzt wurde auch noch das Thema „angemessene Bestrafung“ angesprochen, der noch nicht strafmündige Bub, aber auch seine Eltern kamen gemäß deutscher Gesetzeslage straffrei davon.
In diesem Zusammenhang stellt sich für mich immer die Frage, ob es eine angemessene Bestrafung geben kann – oder was den eigentlich einer einer solchen Tat angemessene Konsequenz wäre. Gefängnisse halte ich für eher ungeeignet, wie wohl ich anerkenne, dass manche Täter nicht gesellschaftsfähig sind und daher einen Platz außerhalb der Gemeinschaft brauchen. Re-Sozialisierung ist ein großes Wort, das auch schon heute seinen Platz im Strafvollzug hat, doch viel zu oft nicht mit dem nötigen Erfolg. Dieser kann aber unter Bedingungen, die in Haft- und Strafanstalten dieser Tage herrschen, auch nur eher zufällig eintreten, in den meisten Fällen bedeutet Haft eher eine weitere De-Sozialisierung. Eine weitere Frage, auf die ich noch keine Antwort habe, ist jene, ob eine Tat durch eine Verurteilung und eine darauffolgende Strafe an den Betroffenen oder dessen Angehörigen wieder gut gemacht werden kann. Zum einen gibt es für mich Taten, die nicht wieder gut gemacht werden können, etwa ein Mord, zum anderen gibt es sehr wohl Möglichkeiten der Wiedergutmachung, die aber durch eine Gefängnisstrafe auch verhindert werden, etwa bei Vermögensdelikten. Wie schon gesagt, eine schwierige Frage, auf die ich keine eindeutige Antwort habe, aber eine Tendenz, nämlich jene der Menschlichkeit und der daraus resultierenden Notwendigkeiten. Auch nachts kam ich nicht zur Ruhe. Die bedrohliche Stimmung des Krimis legte sich über meinen Nachtschlaf und in meine Träume. Morgens wachte ich voller Panik auf, auch die kurz bevorstehende Externistenprüfung unseres Jüngsten machte mir zu schaffen. Was wäre, wenn er sie nicht bestünde und im Herbst das Schuljahr in einer Schule wiederholen müsste? Mir schien so manches plötzlich vollkommen sinnlos, ich sehnte mich nach Leben, nach wahren Leben, in dem es darauf ankommt, dem eigenen Weg folgen zu können, zum Wohl für einen selbst und die Gemeinschaft, in der man lebt. Die Schule, das Dogma der Erwerbsarbeit als Grundlage jeglicher Existenzberechtigung, das herrschende Wirtschafts- und Gesellschaftssystem schienen mir in diesem Moment das genaue Gegenteil von Menschlichkeit. So in Gedanken versunken und durch sie auch körperlich verkrampft, machte ich, als ich das Toastbrot aus der Brotbox holte, eine kleine falsche Bewegung, die mein Kreuz plötzlich blockierte. Mein fünfter Lendenwirbel zeigte mir einmal mehr die sich aus meinen oft so angstvollen Gedanken herausbildende Verkrampfung, die mich in manchen Phasen am wahren Leben hindert. Ein Weckruf. Zuerst aber musste ich meinem Körper die nötige Unterstützung bieten, bevor ich mich der Gedankenwende widmen konnte. Ich hatte für diesen Fall glücklicherweise schon eine Strategie parat, die Massage der entsprechenden Akupressurpunkte machte dem Schlimmsten schnell ein Ende, die körperlich Bewegungsfähigkeit war letztlich nur ein wenig eingeschränkt – und mein Kreuz fühlte sich so an, als hätte es einen kräftigen Muskelkater. Das Paradoxon dieser Situation ist immer die nötige Lockerheit im und die notwendige Bewegung des betroffenen Bereiches, obwohl du dich in diesem Moment genau davor fürchtest, weil du meinst, jede weitere Bewegung würde alles noch schlimmer machen. Mit den Gedanken ging es leider nicht so leicht, denn die Stärke derselben ist enorm. Ich wünschte mir, ich könnte diese Kraft für das positive Denken aufwenden, dann könnte ich – biblisch gesprochen – den einen oder anderen Berg versetzen, ohne mich zu verheben. Allein mir fehlt immer wieder der Glaube. Nach dem Frühstück gab es noch eine letzte Wiederholungsrunde mit meinem Sohn für seine am nächsten Tag angesetzte Jahresprüfung. Ich war merklich angespannt, was ihm nicht behagte, dementsprechend bockig verhielt er sich, was mich zusätzlich nervte. Zur Entspannung widmete ich mich dem Kochen und dem weiteren Schreiben meines Blogs. Die Mittagspause ließ ich ausfallen, weil ich auch noch das Kinderfußballtraining vorbereiten wollte, obwohl das Wetter auch diesmal, wenn schon nicht Gewitter, so doch Regen erwarten ließ. Um 15.15 machte ich mich auf den Weg zum Sportplatz, mein neuer Co-Trainer kam im selben Moment wie ich an, er war mit einem Steyr Waffenrad angereist, was ihn mir noch sympathischer machte. Wir harmonierten von Anfang an gut – und das entspannte mich zum ersten Mal an diesem Tag, er wusste unausgesprochen um das, was ich wollte, und auch ich unterstützte seine Initiativen gerne. Die beiden 45-Minuten-Trainings vergingen wie im Flug – und nach dem Wegräumen der Trainingsutensilien blieb ich mit meinem Jüngsten noch, um den zweiten Teil des U14-Trainings, an dem unser Mittlerer teilnahm, zu beobachten. Pünktlich zum Abendessen waren wir zuhause – und ich genoss die Entspannung, in die sich aber allmählich wieder die Anspannung vor dem Schulbesuch mit Sohn Nr. 3 am nächsten Tag mischte. Zu oft hatte ich – trotz aller Reflexion und auch positiver Erlebnisse – die Schule als einen Ort struktureller Gewalt erlebt, als Schüler, als Lehrer, als Vater und auch als Mensch, der Pädagog*innen bei ihrer beruflichen Tätigkeit begleitet. Auch meine vor mehr als 5 Jahren ins Leben gerufene Sendung im freien Wiener Radio Orange hatte mir diese Tatsache trotz aller vorbildlichen Beispiele, die ich dokumentieren und präsentieren konnte, jedes Mal von Neuem bewusst gemacht. Ich versuchte, meine Gedanken zu bändigen, erfolglos wie ich einmal mehr erkennen musste, denn - wie ich schon lange wissen sollte - ließen sie sich bestenfalls loslassen. Aber da war ich bei einer weiteren Problemzone meiner Existenz angekommen, nämlich eben dem Loslassen. Krimi-Time zu Beginn des neuen Lebenstages, diesmal schaute ich einen Amsterdam-Krimi mit Hannes Jaennike in der Rolle eines ausrangierten deutschen Kommissars, der sich dank seiner Kolleg*innen in den Niederladen in der titelgebenden Stadt wieder aktiv einbringen darf. Der Plot war spannend, die Inszenierung temporeich, ein gelungener Auftakt in den letzten Werktag der Woche, der von mir ein Aufstehen um 5.30 h verlangte. Es ging so wie eine Woche zuvor in die Brigittenau, um die Teilnehmenden des Pflichtschulabschlusslehrganges an der dortigen Volkshochschule auf ihre Kompetenz in Berufsorientierung zu überprüfen; eine durchaus herausfordernde Aufgabe, waren bei diesem Termin einige sehr schlecht vorbereitete Prüflinge anwesend. Einer von ihnen schaffte keine positive Bewertung.
Da einige angemeldete Teilnehmer*innen nicht erschienen, konnte ich mich schon um 12.45 Uhr wieder auf den Heimweg machen. Mit bereits 14 Radkilometern in den Beinen trat ich auf meinem Zweitrad die Fahrt zum Westbahnhof an. Der schwere Rucksack hängte sich zusätzlich an den Rücken, am Gürtel kam ich in eine Rotphase nach der anderen, zudem zog sich die gesamte Strecke meist leicht bergauf. Erst zwei Minuten vor Abfahrt meines Zuges versperrte ich mein Fahrrad vor dem Bahnhof, den Zug erreichte ich nur deswegen, weil jemand die letzte Tür für einen Freund blockierte, der mit mir auf gleicher Höhe zum Einstieg eilte. Platt wie eine Flunder fiel ich in meinen Sitz, schnaufte einige Minuten durch und dampfte noch ein wenig länger aus. Die Fahrt über döste ich vor mich hin, da auch die vergangene Nacht zu kurz geraten war und ihren Tribut forderte. Zuhause angekommen ging es gleich weiter mit der Arbeit. Zuerst stellte ich mit meinem Jüngsten sein Portfolio für die am kommenden Dienstag bevorstehende Prüfung fertig, dann fuhren wir zum Supermarkt, um die nächste Bierration einzukaufen. Vor dem Markt schaute mein Jüngster auf ein Plakat, das ein Angebot für Biowürstchen anpries. Er dachte sofort an den vereinbarten Grillevent bei Bekannten am nächsten Sonntag und meinte, dass die dortige Hausherrin sicher diese Würstel kaufen würde. Beim Kühlregal fanden wir sie tatsächlich, genau jene Wurstwaren in ihren Einkaufswagen füllen. Als wir ihr von der Intuition von Sohn Nr. 3 erzählten, mussten wir alle herzlich lachen. Abends dann noch ein kurzer Abstecher zum neuen Bioladen – und damit konnte das echte Wochenende endlich beginnen. Weiter ging‘s mit dem Freitagspiel der Deutschen Bundesliga zwischen Freiburg und Mönchengladbach, das der Underdog nach einem durchaus sehenswerten Match überraschend gewann. Am Samstagvormittag stand der nächste Putztag am Plan, diesmal hatte ich mit WC und Schlafzimmer eine ziemlich leichte Aufgabe. Die eingesparte Zeit nutzte ich, um beim neuen Ab-Hof-Verkauf Eier einzukaufen, ich musste aber unverrichteter Dinge weiterziehen, da weder Eier noch die Hausherrn da waren. Ehe ich weiter fuhr, nahm ich noch drei vertrocknete Erdbeerpflanzen in meiner Fahrradtasche mit, die dafür zu berappenden 4,50 Euro werde ich bei nächster Gelegenheit begleichen, da ich nur einen Zehner einstecken hatte. Die Eier bekam ich dann beim Greißler. Zuhause hatte ich frühmorgens bereits Erdäpfel (aus dem Bioladen) auf unserem Küchenofen aufgesetzt, ich wollte einen Mühlviertler Erdäpfelauflauf kochen, kam dabei aber doch mehr in Stress, als ich mir gewünscht hatte, zumal mich meine Liebste wegen eines Online-Sprachkurstermins mich nicht unterstützen konnte. Die Mühe hatte sich jedenfalls gelohnt, der Auflauf schmeckte hervorragend. Nach der verdienten Mittagspause war noch eine letzte Lerneinheit mit meinem Jüngsten angesetzt, zumal der morgige Sonntag dem Grillen bei Bekannten gewidmet sein sollte. Und ab 17 Uhr stand dann die Liveübertragung eines Spiels aus der nächsten Runde der österreichischen Fußballbundesliga am Programm, die nach der so langen fußballfreien Zeit natürlich genossen werden wollte. Das Spiel allerdings hatte seine Längen, mein Jüngster beschäftigte sich zwischen durch mit anderem, ich genehmigte mir mein Fußball-Bier und chillte am roten Sofa in der Einfahrt vor dem laufenden Bildschirm. Meine Frau hatte abends auch noch einen politischen Termin, kurz davor trudelte eine whatsapp-Anfrage von lieben Freuden bei ihr ein, die zu einem abendlichen Drink in ihren Garten luden. Unser Jüngster und ich machten uns umgehend auf den Weg zu diesem schon lange vermissten Genuss. Es wurde ein langer, belebender Abend bei dem einen oder anderen Achtel Muskateller und vielen Gesprächen über Gott und die Welt. Sohn Nummer 3 verbrachte rund die Hälfte der Zeit indoor am Sofa, um einen Kinderfilm auf Amazon Prime zu sehen, um 23 Uhr ging es dann endlich ab nach Hause, wo wir und schnell ins Bett warfen, um für den nächsten freundschaftlichen Event, diesmal beim Grillen, gerüstet zu sein. Der Sonntag begann chillig, es war schön, einmal nicht kochen und auch keinerlei sonstigen Verpflichtungen nachkommen zu müssen. Gegen halb eins landeten wir dann zu fünft einige Häuser weiter in unserer Straße beim schon lange geplanten Grillevent. Das war ein Symposion im wahrsten Sinn des Wortes, Gegrilltes und Süßes, von unseren Gastgeber*innen mit Liebe und in Fülle vorbereitet, stärkten Herz und Magen, die Hausherrin spielte, weil sie es sehr gerne macht, auch noch mit unserem Jüngsten einige Gesellschaftsspiele, während der Rest der Gesellschaft über Gott und die Welt plauderte. Die Zeit verging wie im Flug und erst um 17.30 Uhr brachen wir wieder in unsere Heimat auf – wie wohl zu sagen ist, dass unsere beiden Großen schon um 15 Uhr die Segel strichen. Der Tag klang mit Fußball aus, der nach einer klaren 2:0-Führung schon sichere Sieger LASK stand am Ende gegen den WAC fast als Verlierer da, schaffte aber in aller letzter Minute noch den gerechten Ausgleich. Das Abendessen fiel anhand der Fülle des Mittagsmahles diesmal aus. Die österreichische Fußballmeisterschaft begann an diesem Abend nach der von der Regierung verhängten Zwangspause gleich mit dem Schlager zwischen Salzburg und Rapid – und das noch dazu live im österreichischen Fernsehen. Dem ORF war es gelungen mit jenem Privatsender einer Deal auszuhandeln, der sich die Rechte für sämtliche Liveübertragungen für die nächsten Jahre gesichert hatte. Kompliment.
Das Match selbst gestaltete sich sehr einseitig zu Gunsten des Serienmeisters der letzten Jahre, noch dazu musste der Wiener Rekordmeister im Lauf der Partie drei Spieler durch Verletzungen (Bänderriss, Bändereinriss und Muskelfaserriss) vorgeben, in den letzten fünfzehn Minuten der Partie spielte man sogar nur noch zu zehnt, das das Austauschkontingent bereits erschöpft war. Diese Verletzungen hatten Expert*innen ja prognostiziert, da die Trainingspause bzw. die veränderte Trainingsgestaltung einen anderen Belastungslevel darstellt. Na gut, die Salzburger gewannen letztendlich 2:0, mein jüngster Sohn, zeit seines bisherigen Lebens Fan des Großstadtclubs, nahm es ohne Groll zur Kenntnis, wollte sich aber nach dieser schlechten Leistung seiner bisherigen Lieblingsmannschaft ernsthaft überlegen, ob er ihr treu bleiben sollte. Die Alternativen aber waren aus seiner Sicht eh nicht vorhanden … Die Herausforderungen der vergangen Wochen, aber auch jene, die noch bevorstanden, hatten das eine oder andere Loch in mein Nervenkostüm gerissen, als meine Abendmeditation gestört wurde, wurde ich sehr, sehr ungehalten. Um einen schlimmeren Wutausbruch zu vermeiden, machte ich noch eine nächtliche Runde durch den Ort. Danach konnte ich beruhigter einschlafen. Am nächsten Morgen stand ich gleich nach dem ersten Wachwerden auf und nahm mir Zeit, die Notizen der letzten Tage in meinem Blog mit Hilfe des Computers meiner Frau zu verschriftlichen. Aufgehalten wurde ich nur durch den Spieltrieb unseres Katers Dario, der über Nacht eines meiner auf meinem Schreibtischkasten abgestellten Fläschchen mit homöopathischer Medizin heruntergeworfen hatte, wobei dieses zerbrochen war. Aber nach dem Wegräumen konnte ich mich sofort ans Schreiben machen. Meine Liebste war an diesem Vormittag politisch unterwegs, ich kümmerte mich um die Hagelschäden, heizte unseren Küchenherd an, damit die Decke im Wohnbüro weiter trocknen konnte, schaute mich im Garten um, stützte eine niedergedrückte Pflanze und stellte alles, was noch nass war, in die Sonne. Unruhig wartete ich auf dem Anruf des Computerfachmannes, legte mir schon die eine oder andere Strategie zurecht, falls mein Lieblingslaptop doch nicht mehr reparabel war. Im Inneren aber fühlte ich die ganze Zeit eine große Zuversicht, dass ich ihn bald zurück auf meinen Schreibtisch haben würde. Ich kochte Penne Carbonara für meine Familie, gestaltete mit meinem Jüngsten einen weiteren Teil des für seine Externistenprüfung notwendigen Portfolios und fiel nach dem Mittagsmahl in einen 25-minütigen Powernap auf dem roten Gartensofa. Um 15.30 Uhr erreichte mich der Anruf des PC-Technikers, der mir mitteilte, dass ich meinen Laptop abholen könne. Ich war so verblüfft, dass ich keine weiteren Fragen stellte, lud meinen Sohn ein, das gestern versprochene Eis heute nachzuholen – und ab ging‘s zum Bahnhof und mit dem nächsten Zug in die Bezirkshauptstadt. Im Schienenbus kam mir die Idee, den Kurzausflug dazu zu nützen, meinem Jüngsten einen prüfungstauglichen Haarschnitt verpassen zu lassen. Tatsächlich hatte sein Friseur Zeit, er musste bloß rund zehn Minuten warten. Während er schon im Geschäft Platz nahm, holte ich meinen Laptop, der für knapp mehr als 50 Euro wieder fit gemacht worden war. Ich war sehr dankbar. Nach dem Friseurbesuch löste ich endlich das Eisversprechen ein, die Tüte mit der gemischten Kugel schmeckte vorzüglich. Wieder zuhause zurück musste ich mich sputen, stand doch das nächste Zoom-Meeting mit meiner Maturagruppe an. Junior Nr. 3 und Nr. 1 zogen sich wie Donnerstagabend schon gewohnt in das Zimmer des Jüngeren zum DVD-Schauen zurück, da meine Frau zeitgleich einen Zoom-Finnisch-Kurs zu geben hatte. Alles wieder im Plan. Überraschend, wie schnell sich Leben in die eine und die andere Richtung innerhalb kürzester Zeit ändern kann. Den neuen Lebenstag startete ich mit einem bedrückenden Film. In der Sendereihe „Stralsund“ wurde ein Familiendrama aufgearbeitet – und das in Bestbesetzung. Bewegend für mich sind immer jene Geschichten, die zeigen, was ein Mensch aus einem ihm – in der Kindheit und Jugend -widerfahrenen Lebensereignis macht bzw. was das Leben aus ihm macht. Die einen finden Tritt, haben Menschen außerhalb der Familie, die sie begleiten, können das Geschehen irgendwann integrieren und im besten Fall sogar vergeben; die anderen gleiten ab, verstricken sich in Negativem, werden abhängig, werden sogar kriminell, scheitern und sterben – auch durch eigene Hand. Den Gescheiterten durfte Barnaby Metschurat spielen, ich habe ihn schon in so mancher Rolle gesehen, die tragischen „Helden“ kann er am besten, was für diesen Plot die Idealbesetzung bedeutete. Dementsprechend intensiv war die Inszenierung, dementsprechend tragisch ihr Ende. Und die Nacht war dementsprechend unruhig.
Auch der darauffolgende Tag sollte entsprechend unruhig werden, obwohl er sich anfangs ganz alltäglich anließ. Lernen mit dem Jüngsten, Kochen für das Mittagsmahl, eine kurze Mittagspause … und dann … setzte mich an meinen Schreibtisch und wollte meinen Computer aus der Pause wecken. Doch als ich den entsprechenden Schalter betätigte, tat sich nichts. Auch die Kontrollleuchte des von mir zur Aufladung angeschlossenen neuen Fahrradrücklichts blieb dunkel. Trotz aller Bemühungen, wie etwa der Kontrolle des Stromanschlusses konnte ich meinem Laptop kein Leben einhauchen. Oh Mann. Draußen nahm die schon seit dem Morgen herrschende Schwüle weiter zu und nach und nach bildeten sich dunkle Gewitterwolken am Himmel. Um 16.15 Uhr sollte das erste Fußballtraining meiner U9 stattfinden, das Wetter aber machte mich skeptisch. Bezüglich meines Laptops telefonierte ich mit unserem Computerfachmann in der Bezirkshauptstadt, ich sollte im Lauf des Nachmittagsvorbeikommen. Das aber kollidierte mit den beiden geplanten Fußballkindertrainings – ein Dilemma. Draußen war ein erstes Donnergrollen zu vernehmen, noch eine knappe Stunde bis zum Trainingsstart. Hinter mir mein Jüngster, der sich nach der langen fußballlosen Zeit schon sehr auf den Trainingsstart freute – das Dilemma wurde nicht kleiner. Ich entschied mich, unseren Jugendleiter zu kontaktieren, der eine Wetterapp hatte, die gute Daten lieferte. Er versprach sich zu melden. Draußen grollte der Donner häufiger. Der Jugendleiter meldete sich nicht und war auch nicht erreichbar. Mein Laptop schlief. Ich machte meinem Sohn auf sanfte Weise klar, dass ich es aufgrund der Wetterlage, vor allem der gewittrigen Stimmung wegen für gefährlich hielt, ein Training für Achtjährige durchzuführen, im gleichen Satz machte ich ihm einen Ausflug in die Bezirkshauptstadt schmackhaft, in dem ich ihm das erste Saloneis dieser Saison versprach. Er stimmte zu. Ich packte den Laptop in meinen Rucksack, wir wollten so schnell wie möglich zum Bahnhof aufbrechen, um den nächsten Zug, der um diese Zeit ja nur stündlich fährt, zu erreichen. Da meldete sich der Jugendleiter, entschuldigte sich, weil sein Akku leer gewesen war und er sich daher nicht melden hatte können, teilte mir mit, dass seine App von dem einen oder anderen Regenschauer in der geplanten Trainingszeit ausging, dass aber ansonsten nichts gegen ein Training spreche. Draußen donnerte es mittlerweile in sehr regelmäßigen Abständen. Das brachte ich ihm zur Kenntnis, ebenso meine Entscheidung, das Training unter diesen gewitterdrohenden Umständen abzusagen. Er stimmte mir zu, ich informierte die Eltern meiner Fußballkids. Mein Jüngster und ich packten unsere Sachen und wollten gerade zur Haustür hinaus, als ein heftiger Regenschauer einsetzte, der innerhalb von Sekunden in einen kräftigen Hagelschauer überging. Die Eiskugeln prasselten gegen die gartenseitigen Fensterscheiben und gegen das Haustor. Für unseren Jüngsten waren das erschreckende Klänge, unsere Großen blieben ruhig in ihren straßenseitig gelegenen Zimmern und bekamen kaum etwas von der sich anbahnenden Katastrophe mit. Der Schauer wollte und wollte nicht aufhören, der Hagel prasselte und während ich Sohn Nr. 3 zu beruhigen versuchte, hörte ich die Stimme meiner Frau „Michael, wir haben ein Problem“ sagen. Ich widmete ihr meine ganze Aufmerksamkeit und sah – was sie kurz zuvor gesehen hatte: Durch die Decke im Wohnbüro prasselte an 3 Stellen das Regenwasser auf Möbel, Teppich und Boden. Sofortiger Wechsel in den Notfallmodus war angesagt, unser Jüngster hatte dafür keine Nerven mehr. Dennoch oder gerade deswegen forderte ich ihn auf, uns bei den nötigen Schritten zu unterstützen. Die Möbel wurden beiseite geschoben, der Teppich entfernt, Kübel und Kochtöpfe als Regenauffangbehälter aktviert. Draußen prasselte der Hagel weiter vom Himmel. Die Blätter des Bambus waren zerfetzt, den Zustand der kleinen Pflanzen in unserem Hochbeet mochte ich mir in diesem Moment lieber nicht vorstellen, auch unsere Obstbäume waren schon in Mitleidenschaft gezogen. Kater Dario lief aufgeregt zwischen unseren Beinen, den Töpfen und Kübeln und dem Lärm des Unwetters hin und her. Ich machte mich trotzdem sofort auf den Weg unter unser Dach. Dort fand ich drei Stellen, an denen große Lacken standen, die durch den Boden und unsere Zimmerdecke quasi ausronnen. Ich holte einen Kübel und Bodentücher aus dem Abstellraum, begab mich wieder nach oben und wischte die Lacken so gut wie möglich auf. Draußen hatte es zu hageln aufgehört, es regnete noch. Der ganze Garten war mit Hagelkörnern übersät, der starke Wind hatte einen Großteil von ihnen an der Hausmauer entlang rund 10 cm aufgeschüttet. Ich wusste, dass ich sie so bald wie möglich von dort wegschaufeln wollte. Aber ein Schritt musste dem anderen folgen. Während meine Frau den Indoor-Regen unter Kontrolle hielt und unsere Vermieterin zu erreichen versuchte, dokumentierte ich mit der Handykamera das Geschehen und trocknete ich nach und nach die Pfützen auf dem Dachboden. Danach holte ich die Schneeschaufel aus dem Abstellraum und begab mich in den Garten, um die Hagelkörner zusammen zu schippen. Der Regen hatte nun vollständig nachgelassen. Zuletzt sprühte ich mit dem Gartenschlauch noch die Kanalgitter frei, damit im Fall eines neuerlichen Gewitterschauers, das Wasser wieder abrinnen konnte. Mittlerweile ging es auf 17 Uhr zu – ich musste mich schleunigst auf den Weg machen, wollte ich meinen Computer noch zum Check zu bringen und für das am folgenden Tag geplante Online-Meeting mit meiner Vorbereitungsgruppe auf die Deutschmatura fit machen lassen oder ein Ersatzgerät zu organisieren. Mein Jüngster war von meiner Idee nicht begeistert, er hatte Sorge, dass mich dadurch in Gefahr brächte. Ich beruhigte ihn und versprach, mich sofort zu melden, wenn ich mit dem Fahrrad den örtlichen Bahnhof erreicht hätte. Das beruhigte ihn. Gerade als ich aufbrechen wollte, rief die Vermieterin bei meiner Liebsten an. Ich lauschte dem Gespräch, obwohl es schon höchste Zeit zum Losstarten war. Die Erneuerung des nun betroffenen Dachteils (der andere Teil war mit dem Haus damals vor 10 Jahren gemeinsam renoviert worden) war uns schon im Vorjahr versprochen worden, da es keine passenden Angebote gegeben hatte und die Vermieterin mit ihrem Marillenbauernhof und dem Heurigenlokal extrem gefordert war, wurde sie aber sang- und klanglos verschoben. Nun aber war höchste Eile angebracht. In den kommenden Tagen sollte ein Dachdecker vorbeikommen, um den Schaden zu begutachten und die nötigen Maßnahmen einzuleiten. Die konnten wohl kaum in etwas anderem bestehen, als der kompletten Erneuerung des betroffenen Dachbereiches. Noch während meine Frau telefonierte, machte ich mich auf meinem Rad auf den Weg zum Bahnhof. Zwei whatsapp-Nachrichten an meinen Sohn später erreichte ich wohlbehalten den Computerladen und musste erfahren, dass möglicherweise sogar das Mainboard Schaden genommen hatte und in diesem Fall nur noch Datensicherung möglich wäre, der Laptop sein Leben aber ausgehaucht hätte. Ich blieb seltsam ruhig, erschöpft von den Anstrengungen der letzten Stunden, organisierte noch die Möglichkeit ein Leihgerät zu mieten und vereinbarte eine Information seitens des Computerfachmanns bis zum Mittag des nächsten Tages. Zuhause angekommen machte ich mir ein Bild über die Schäden in unserem Garten. Es war bestürzend – und dennoch hatte ich die Hoffnung, dass sich das eine oder andere wieder regenerieren würde, denn die Kraft der Natur ist für mich immer wieder erstaunlich und voller Wunder. Der geplante Fußballabend mit meinem jüngsten Sohn bildete den Auftakt in meinen hundertsten Lebenstag. Die Begegnung Köln gegen Leipzig war ein spannendes, torreiches Spiel, in dem sich der Favorit letztendlich klar und verdient mit 4:2 durchsetzte. Die Post-Match-Show langweilte diesmal auch meinen Jüngsten, wir hielten durch – deren zukünftiges Betrachten steht aber meines Erachtens nunmehr sehr, sehr in Frage.
Der Morgen begann stressig, es ist verblüffend welch unterschiedliche Qualität Wochenend- und Wochentage haben – obwohl ja diesmal sogar noch schulfrei war. Aber diese Wahrnehmung hatte ich auch schon an vielen Ferientagen gemacht – so eben auch an diesem Tag. Die Externistenprüfung von Junior Nr. 3 rückte näher, das Portfolio war dringend fertig zu stellen, ebenso wollte er sein Video mit der Powerpointpräsentation zum Thema Katzen nochmals aufnehmen. Wir suchten uns einen ruhigen Platz, diesmal nicht hinter dem Hoftor, sondern unter dem Dach über unserer zukünftigen Terrasse. Die Übung gelang und das Video wurde gleich danach an die Direktorin der Prüfungsschule geschickt, die prompt antwortete und ihre Freude ausdrückte, es bald anzusehen. Mittags machte ich einen Radausflug ins Einkaufszentrum der Bezirkshauptstadt, ich wollte die Schulsachen für Junior Nr. vor seiner Prüfung nochmals adaptieren, vor der Rückfahrt erreichte mich noch eine whatsapp-Nachricht meiner Liebsten, ob ich ihr gleich die schon vorbestellte Medizin aus der Apotheke mitnehmen könnte. Ich tat es, war es doch nur ein kleiner Umweg auf dem geplanten Heimweg. Die Mittagspause fiel diesmal wieder aus, denn gleich nach meiner Rückkehr startete die nächste Lerrnstunde mit meinem jüngsten Sohn. Danach hatte ich eine Supervisionsstunde gebucht, die ich noch einmal telefonisch absolvierte. In dieser kam die Sprache auch auf meine beiden Töchter, von der jüngeren habe ich berichtet, mit ihr bin ich seit dem Auftakt in mein neues Lebensjahr regelmäßig im Kontakt. Es ist eine wundervolle Beziehung auf Augenhöhe und ich staune jedesmal, was aus ihr geworden ist und gerade wird. Die ältere der beiden ist seit meinem letzten großen Lebensumbruch (und eigentlich auch schon davor) mir gegenüber sehr distanziert, es gibt nur alle heiligen Zeiten den einen oder anderen Glückwunsch in die eine oder andere Richtung. Vor etwa einem halben Jahr habe ich einen kräftigen Versuch gestartet, einen intensiveren Kontakt mit ihr wiederzubeleben. Damals erfuhr ich von ihr, dass sie sich durch manches Verhalten von mir von früher verletzt fühlte. Ich kann ihren Standpunkt sehr gut nachvollziehen, war sie doch mein erstes Kind und ich als sehr, sehr junger Vater durchaus überfordert. Dann kam, als sie 8 war, die Trennung vIm Anschluss an on ihrer Mutter, als sie 16 war verließ sie auch noch ihre Schwester, weil die damals zu mir gezogen ist. Mit diesen Situationen konnte sie meiner Wahrnehmung nach wirklich schwer umgehen. Es passierte noch dies und das – aus meiner damaligen Situation heraus unbedacht und mitunter auch nicht mit der nötigen Ernsthaftigkeit – und das führte dazu, dass sie ihren weiteren Lebensweg lieber im Umkreis ihrer Mutter und ihres Stiefvaters verbrachte. So heiratete sie auch ohne, dass ich davon wusste. Ich erfuhr es, als ein Schreiben von mir zurückkam und ich eine Meldeauskunft einholte und vom geänderten Familiennamen erfuhr. Einmal sah ich auf der Facebook-Seite meiner jüngeren Tochter, ihrer Schwester, ein Bild von ihr, auf dem sie einen kleinen Jungen an der Hand führte. Mir war sofort klar, dass dies ihr Sohn war. Dennoch respektierte ich ihre Vorgangsweise, denn, wenn Verletzungen passiert sind, müssen sie heilen können – und die Verletzte braucht ihre Zeit. In unserem letzten E-Mail-Wechsel vor gut einem halben Jahr hatte ich sie auch aus ganzem Herzen um Verzeihung gebeten für all das ihr auch unbewusst Zugemutete, von dem ich bislang noch keine Ahnung habe, weil sie noch nicht bereit ist, darüber zu reden. Nun kam also in der Supervision auch sie zur Sprache und ich folgte dem Impuls, umgehend danach eine whatsapp-Nachricht mit der Frage nach ihrem Befinden abzusetzen. Prompt kam eine Antwort, was mich sehr freute. Und binnen Sekunden war ich zum doppelten Großvater geworden, wurde sie doch vor kurzem ihres zweiten Sohnes entbunden. Das mitgelieferte Foto der glücklichen Familie berührte mich sehr. Ich machte gleich einen Ausdruck und hängte es anstelle des Fotos, das meine Tochter alleine zeigte, auf unsere Ahnenwand im Eingangsbereich unseres Hauses. Ich bin zuversichtlich, dass auch bei uns die Zeit die Wunden heilen wird, zumal ich bereit bin, meine Verantwortung zu übernehmen und ihr auch schon längst verziehen habe, dass sie mich in den letzten zehn Jahren so intensiv aus ihrem Leben ausgeschlossen hat. So hatte Tag 100 seinen Höhepunkt gefunden. Im Anschluss an das Gespräch mit meinem Supervisor und den whatsapp-Chat mit meiner älteren Tochter schwangen meine Liebste und ich uns auf unsere Räder und radelten zum neu eröffneten Bioladen in einem bekannten Weingut des Ortes. Wir erstanden – obwohl die Ware aufgrund des großen Andrangs bei der Eröffnung am Ende der vergangenen Woche schon ziemlich ausgedünnt war – Milch. Zwiebel und 10 dag von einem feinen Schinken, schauten uns nach dem sonstigen Angebot um, und wussten, dass wir wiederkommen würden, wenn am kommenden Freitag die neue Lieferung gekommen war. Es war ein langer Fußballabend, mein jüngster Sohn und ich hingen zuletzt schon ziemlich in den Seilen. Mich schwächte zusätzlich die Perspektive am nächsten Morgen neuerlich schon sehr früh, nämlich um 6 Uhr aufzustehen und danach eine knapp zweistündige Bahnfahrt nach Wien anzutreten. Das Match war durchaus spannend, obwohl nur ein Tor fiel und sich Leverkusen schließlich auswärts gegen Freiburg mit 1:0 durchsetzte. Die Post-Match-Show ist weiterhin nichts meins, diesmal meinte auch mein Jüngster, dass es ihm nicht so gut gefallen hätte. Trotzdem möchte er am Montagabend nach der Begegnung Köln gegen Leipzig wieder dabei sein.
Der Wecker läutete also um sechs, ich hatte schwere Beine und schwere Knochen. Die kilometerlangen Radfahrten der vergangenen beiden Tage, aber auch der völlig geänderte Lebensrhythmus hatten ihre Spuren hinterlassen. Ich war auch emotional leicht angeschlagen, frühstückte dennoch ausgiebig, versorgte mich auch mit Jause und kaltem Mittagsimbiss. Da ich schon einige Minuten vor der Abfahrt des Zuges am Bahnhof meines Heimatortes war, sah ich jenen Zug kommen, in den ich aufgrund einer etwas komischen Fahrplankonstellation erst in der Bezirkshauptstadt umsteigen konnte. Diesmal aber hielt er am Bahnsteig, ich dachte zuerst an einen Signalhalt, aber dann wurden laut zischend die Türen frei gegegeben und ich ich konnte einsteigen. Ein guter Beginn eines herausfordernden Kalendertages, ich richtete mir gleich meinen Platz ein, entschied mich diesmal nicht Plexiglasvisier sondern Mund-Nasenschutz zu tragen und döste vor mich hin. Nach dem notwendigen Zugwechsel in der Landeshauptstadt surfte ich ein wenig durch das Nachrichtenportal. Am Bahnhof in der Hauptstadt angekommen, empfing mich ein Cellist mit Leonard Cohens Hallelujah. Es war eine apokalyptisch anmutende Szene: Sich tummelnde Menschen mit Masken, verborgene Mimik, die Klänge des Cellos und ich mitten drin. Endzeit. Wendezeit? In der U-Bahn, die ich diesmal meinem Fahrrad vorzog, notierte ich jene Gedanken, die sich während des Cohen-Songs in mir gebildet hatten. Sie drehten sich um meine Zukunft, die meiner Familie und auch um nichts weniger als die der Menschheit: Selbstverwirklichung, Energieautonomie, Selbstversorgung, Grundauskommen, Förderung systemrelevanter Berufe, Kreativität und liebe-volle Begelitung von jungen Menschen auf ihrem Lebensweg zur Selbstentfaltung standen da am Papier, noch wenig konkret zwar aber mit viel Spirit. Letzteres passte gut zum gerade begonnenen Pfingstwochenende, den Tagen der Begeisterung und jenes Spirit, der die Welt verändern kann. Der Vormittag in der Akademie verlief bewegend. Drei von sechs Teilnehmerinnen aus der Elementarpädagogik waren anwesend, um mit mir zum Thema Diversität über Werte, Vorurteile und Stereotype zu reden und die gemeinsamkeiten trotz aller Verschiedenheit zu erkennen, sowie Wege zu entwickeln, wie eine solche respektvolle Haltung allen und allem gegenüber entwickelt werden kann, um damit Alice Miller folgend zum Vorbild für die begleiteten jungen Menschen zu werden. Am Heimweg gab ich dann noch die beiden Jahreskarten für die Öffis in der Hauptstadt zurück, wir hatten sie in den letzten Monaten nicht und werden sie wohl in der Zukunft kaum benutzen, da wir ja seit kurzem unser Zweitrad am Westbahhnhof zur Verfügung haben. Die knapp 65 Euro pro Monat, die wir uns damit ersparen, können andernorts sinnvoll eingesetzt werden. Da ich noch eine dreiviertel Stunde auf meinen Zug warten musste, gönnte ich mir im Bahnhofsupermarkt eine Flasche Zwickelbier und aß noch die Reste meines Reiseproviants. Währenddessen erhielt ich einen Anruf meines Jüngsten vom Handy meiner Frau aus. Es hatte Streit mit dem Mittleren gegeben, der ihn seinen Worten nach provoziert habe, worauf der die Rohrzange nach ihm geworfen habe. Daraufhin war er vom Mittagstisch verbannt worden. Wir fanden im gemeinsamen Gespräch eine Lösung, er machte sich einen kleinen Imbiss und wir vereinbarten nach meine Rückkunft gemeinsam die Hot Dogs zu essen, die schon vorbereitet waren. Nach diesem nachmittäglichen Mittagessen machten er und ich noch die restlichen Einkäufe im Gewerbepark, damit stand einem entspannten Pfingstwochenende mit einem zusätzlichen Feiertag am Montag nichts mehr im Wege Abends chillte ich zuerst und legte dann nach langer Zeit wieder einmal eine Dance-Night ein mit den von mir für meine Geburtstagsfest zusammengestellten Klängen. Erst nach Mitternacht ging es ins Bett, der nächste Tag forderte von mir wieder ein früheres Aufstehen, da ich zugesagt hatte, beim Hendlgrill unseres Dorf-Fußballklubs mitzuhelfen, Filius Nr. 3 begleitete mich. Wir hatten aufgrund der Vorbestellungen trotz Regens ein gutes Geschäft, es war fein, nach so langer Abstinenz vom Fußball wieder jene zu treffen, denen man sonst im Vierzehntagesrhythmus bei den Heimspielen unserer Mannschaft begegnet war. Um 13.30 Uhr was das letzte Hendl abgeholt, wir wurden noch auf eine Pizza eingeladen, was zu einiger Missstimmung bei meiner Frau führte, die für uns Hühner-Couscous gekocht hatte. Ich wusste nicht, dass sie damit auf uns wartete, ihre Antwort auf meine whatsapp-Nachricht an sie, dass wir später kämen, fiel dementsprechend verärgert aus. Um 15.30 Uhr waren mein Jüngster und ich wieder zuhause und legten eine verspätete Mittagspause ein. Damit wäre der Tag eigentlich auch schon gelaufen gewesen, hätte nicht Kater Dario auf seine Vernachlässigung durch mich aufmerksam gemacht, in dem er den Badezimmerteppich als Katzenklo benutzte. Ich widmete mich ihm nach der Reinigung des Teppichs intensiv – und wieder gut war‘s. Bei der Planung meines Abendprogramms stieß ich in der ORF TV-Thek auf die Wiederholung eines Fußballklassikers aus dem Jahr 1978. Damals war ich – als begeisterter Fan von Austria Wien - mit meinem Großvater regelmäßig bei den Heimspielen meines Lieblingsklubs. Ich hatte auch ein T-Shirt mit der Aufschrift „Austria Memphis“ (ja, das war damals noch möglich, dass eine Fußballmannschaft Werbung für eine Zigarettensorte machte, genauso wie es damals durchaus möglich war, dass Fußballer rauchten) und einen violetten Trainingsanzug einer No-Name-Marke, Aber zurück zu diesem Spiel: Im Halbfinale des Europacups der Cupsieger standen einander Dynamo Moskau und eben Austria Wien gegenüber, das Hinspiel in der russischen Hauptstadt war 2:1 für Moskau ausgegangen und die Austria brauchte ein 1:0 oder einen Sieg mit zwei Toren Unterschied. Ich erinnere mich heute noch an diese aufregenden Stunden in einem mit über siebzigtausend Besuchern ausverkauften Wiener Stadion. Ich stand eingequetscht zwischen meinem Vater (der meiner Erinnerung nach zum ersten und einzigen Mal bei einem Match mit dabei war) in eben jener Menschenmenge auf einem Stehplatz relativ weit oben hinter einem der beiden Tore. Nun sah ich dieses Spiel zum ersten Mal im TV und konnte meinem Jüngsten begeistert davon erzählen. Obwohl ich den Ausgang der Begegnung noch wusste, verriet ich ihm nichts. Die Partie ging in die Verlängerung, da die Russen in der allerletzten Minuten das 1:2 erzielten und die Erfüllung der Finalträume der Wiener nach hinten verschoben. Diese endete torlos, ein Elfmeterschießen musste her. Und dabei gewann mein Team, weil Tormann Hubert Baumgartner den fünften Elfer des Gegners abwehrte. Die Freude war grenzenlos! Im Finale im Pariser Prinzenparkstadion, dem ich via Fernseher beiwohnte, gingen die Wiener gegen Anderlecht aber sang- und klanglos mit 0:4 unter. Ein gelungener Abend, der auch meinem jüngsten Sohn Spaß machte. Der Pfingstmontag war dann zuerst dem wöchentlichen Putzen gewidmet, zu Mittag genossen wir wieder einmal Raclette, nach der Mittagspause mit Chillen am roten Gartensofa bereitete ich eine Sauna vor, die ich nach all den vielen Menschenbegegnungen der vergangenen Tage für psychisch und physisch wichtig hielt. Es war herrlich, die damit verbunden gewesenen Anstrengungen so richtig rauszuschwitzen, mit dem Gartenschlauch und kaltem Wasser abzuspritzen und danach ein kühles Bier zu genießen. Und das war‘s dann auch schon mit dem Fest der Begeisterung und mit meinem 99. Lebenstag. Eine Lebenswoche startet, die mich zurück in den Alltag bringen wird, wobei Alltag insofern nicht richtig ist, als ich im „normalen“ Erwerbsarbeitsleben beständig zu vermeiden trachtete, dass ich gleich drei berufliche Verpflichtungen in Wien an drei aufeinander folgenden Tagen zu erledigen hatte. Diese Woche wird mich aber knapp vor ihrem Ende genau zu einer solchen Zusammenballung führen.
Der Sonntagabend war business as usual, ich war fürs Abendritual bei unserem Jüngsten zuständig, wir tauchten nach Phantasien ab, wo es ans Eingemachte ging, da die Träume und Phantasien (also eben Phantasien) durch ihre immer öfter stattfindende Mutation zum Erfundenen, also zum Lügen (oder um es neudeutsch zu sagen: zum Storytelling), das ganze Reich der Phantasie, in dem das „Tu, was du willst“ (nicht zu verwechseln mit dem „Tu, wozu du Lust hast“, denn es geht um den Wahren Willen) herrscht, in höchste Gefahr brachten. Endes „Unendliche Geschichte“ ist ein echter Traum. Der Abend klang mit Bloggen und einem Tatort aus Köln aus. Der Morgen nach kurzer Nacht brachte mich einerseits zum derzeit Alltäglichen (Lernstunden mit dem Jüngsten, Kochen, E-Mails beantworten) und andererseits zur Vorbereitung auf meine ersten Wien-Stunden ab Donnerstag. Um es so gut wie möglich zu vermeiden, in vollgestopften Öffis der Bundeshauptstadt fahren zu müssen, machte ich mich im Internetflohmarkt auf die Suche nach einem Zweitrad und wurde prompt fündig. In Schönberg am Kamp, rund 20 Bahnfahrtminuten von uns entfernt, gab es ein Puch Paceline Laser zu einem tollen Preis zu erstehen mit Zeug zum Erstrad. Ich bekam den Zuschlag und einen Besichtigungstermin für den nächsten Tag. Meine Liebste war in Sachen Gemeinderatssitzung eingespannt, es galt sich gut auf die abendliche Sitzung vorzubereiten und zahlreiche Gespräche zu führen. Und auch ich hatte nachmittags noch Organisatorisches zu erledigen, die Trainingseinteilung für das in der kommenden Woche startende Fußballtraining meiner U9 war vorzunehmen. Und während der eine Lebenstag ging und der nächste kam, während Reetta ihrer politischen Arbeit nachging, gönnte ich mir einen Krimi. In Laim und der letzte Schuldige, waren eine Menge berührender und bewegender Szenen zu sehen, ich war der guten Kritik des Filmes gefolgt und wurde nicht enttäuscht, obwohl die ersten Folgen der Serie mit Max Simonischek in der Hauptrolle absolut nicht das Gelbe vom Ei gewesen waren. Meine Frau kam spät, aber doch ein wenig früher als ich erwartet hatte, nach der Gemeinderatssitzung und der konstituierenden Zusammenkunft des von ihr geleitete Umweltausschusses nach Hause. Ich erfragte gleich das Wesentliche, um up to date zu sein. Es war nicht ohne Spannung und Spannungen abgelaufen. Dazu an anderer Stelle mehr. Der Nachmittag des nächsten Tages brachte mich in Begleitung meines jüngsten Filius nordwärts. In Schönberg wartete mein neues Rad – und als ich ihm von Angesicht zu Angesicht gegenüberstand, war es nicht nur Liebe auf den ersten Blick, sondern auch völlig klar, dass dies mein neues Erstrad werden würde. Beim örtlichen Greißler – und weil wir noch eine knappe Stunde auf den Zug warten mussten – gönnten wir uns ein Eis, danach noch einen Kurzbesuch am örtlichen Spielplatz, wo sich eine junge Mutter mit ihrer kleinen Tochter aufhielt. Beim Verlassen der Örtlichkeit fiel mir ein zum Wohnmobil umgebauter Kastenwagen mit einem oberösterreichischen Kennzeichen auf, der den beiden gehörte, die Tür zum Innenraum stand offen, er beherbergte Schlafstatt, Essplatz und Kochmöglichkeit. Ein solches Mobil steuern zu können, wäre der einzige Grund, in meinem Alter doch noch die mit 18 im wahrsten Sinne des Wortes hingeschmissene Fahrschule doch noch erfolgreich abzuschließen. Damals verließ ich den Wagen, da mein Fahrlehrer mitten auf einer dicht befahrenen Kreuzung auf sein Bremspedal gestiegen war, weil er gemeint hatte, dass ich nicht an der Haltelinie stehen geblieben wäre, bevor ich weitergefahren war. Ich stellte also mitten auf dieser Kreuzung den Motor ordnungsgemäß ab und verließ ohne ein weiteres Wort zu verlieren Fahrlehrer und Wagen. Eine – aus heutiger Sicht sinnlose – aber damals offenbar notwendige Aktion, war sie doch eine der wenigen – leider auch mir selbst schadenden – Befreiungsschläge gegenüber Menschen, die mich nicht ernst nahmen. Nun gut, hätte ich den Führerschein, hätte ich wohl ein anderes Leben. Ich wäre nicht nach Schönberg gefahren, um ein Rad zu kaufen. Zuhause angekommen empfing mich Dario im Badezimmer auf den auf der Waschmaschine zusammengelegten und gestapelten Saunahandtüchern als Prinz auf der Erbse. Nachts machte ich dann, nachdem ich das Fahrrad verkehrssicher gemacht und die Sattelhöhe auf meine Körpergröße angepasst hatte, eine erste Tour mit dem neuen Puch, es ging in den rund 4 Kilometer entfernten Nachbarort. Diese Bewegungseinheit tat Körper und Seele gut. Für den kommenden Vormittag war eine Familienkonferenz mit Unterstützung unseres Begleiters in der Bezirkshauptstadt angesagt, meine Frau wollte gemeinsam mit unseren Jungs die vergangen Wochen, die wir intensiv unter einem Dach verbracht hatten, Revue passieren lassen. Ich stärkte mich dafür mit meiner Morgenmeditation, die Dario auf meinem Schoß mit mir zelebrierte. Nach dem Frühstück fuhren auf unseren Rädern zum rund 8 Kilometer entfernten Konferenzort, dort erfuhren wir, dass unser Begleiter aufgrund eines Polizeieinsatzes in seinem Zug rund 30 Minuten Verspätung haben würde. So machten wir noch einen kleinen Spaziergang zur Schiffsanlegestelle und entlang der Donau. Die Gespräche liefen anfangs zäh, doch dann kam durch eine Wortmeldung unseres Mittleren Emotion und Bewegung in die Sache. Es ging ihm nochmals um die aus seiner Sicht unfaire Behandlung wegen des Geburtstagsgeschenkes für seine Mutter. Er bekam letztendlich recht, ich sponserte ihm die offenen € 1,50 – und Schwamm drüber. Meine Lehre aus der Sache hatte ich jedenfalls gezogen, meine Bemühungen, es allen recht zu machen, waren grandios gescheitert. Und das war gut so. Ich sollte endlich lernen, mich nicht um jeden Scheiß zu kümmern. Auf der Rückfahrt machten mein Jüngster und ich noch Zwischenstopp bei einem Supermarkt, der seit kurzem verschiedene Getränke in der 1l-Pfandfalsche anbot. Da mussten wir einen Test vornehmen, kauften Orangensaft, Cola und Kräuter-Limo sowie Schokolade. Nachmittags widmete ich mich nochmals meinen Rädern, ich besorgte im Baumarkt noch die fehlende Klingel und ein Reinigungsspray bzw, Kettenöl. Vor allem das alte Puch Sprint, das nun seinen Standort am Wiener Westbahnhof erhalten sollte, brauchte nach den Wintermonaten dringend einen Generalreinigung, vor allem der Kette. Innerhalb von 90 Minuten war auch das erledigt und ich konnte mich im Garten chillend auf einen Fußballabend freuen. Am Programm stand Rasenball (also eigentlich Red Bull) Leipzig versus Hertha BSC, gemeinsam mit meinem Jüngsten genoss ich ein recht ansprechendes Match der Deutschen Bundesliga, die ja durch den Sieg von Bayern München gegen den Tabellenzweiten Dortmund am Vorabend bereits so gut wie entschieden war. Junior Nr. 3 freute sich zudem auf die Post Match Show, die erstmals gesendet wurde, ein – wie ich meine – eher pubertärer Versuch, einem Match noch mehr Bedeutung zu geben, als es hatte. Ihm gefiel‘s, ich blieb an seiner Seite. Am kommenden Morgen machte ich mich mit Unterstützung von Sohn 1 und 3 (Sohn 2 war bereits wieder in der Schule) beim Kartoffelschälen an die Zubereitung des Erdäpfelgulasch, eine Portion davon wollte ich für mein Abendessen aufheben, das ich erstmals seit 11 Wochen wieder in Wien einnehmen würde. Der Küchenofen bollerte und das Gulasch war rechtzeitig fertig. Ich war den ganzen Tag über sehr angespannt, da ich mir noch nicht im Klaren war, wie es mir auf der knapp zweistündigen Bahnreise und dann beim 3-stündigen Unterricht in meiner Maturagruppe ginge. Zudem hatte ich noch das Puch Sprint von zuhause in die Bundeshauptstadt zu transferieren, ich wollte die defekten Bluetoothkopfhörer beim Elektromarkt umtauschen und dazu musste ich auch eine gute Fahrradstrecke vom Westbahnhof nach Favoriten auskundschaften. Eine gehörige Anforderung für einen ersten Nachmittag zurück im „normalen“ Leben. Ich machte mich früher als geplant auf die Reise, fuhr mit dem Rad zum Bahnhof in der Bezirkshauptstadt, womit ich mir einmal umsteigen ersparte, und kam samt Drahtesel nach knapp eineinhalbstündiger Bahnfahrt mit Maske gut an meinem Ziel an. Ich fand auch schnell einen guten Dauerparkplatz für das Rad und machte mich prompt auf die Fahrt zum Elektromarkt und zur Volkshochschule in Favoriten. Dort fasste ich mein Plexiglasvisier aus, das ich beim Unterricht zu tragen hatte, bekam einen anderen Raum als sonst zugewiesen, der schon auf die Hygiene- und Abstandsmaßnahmen adaptiert war und bereitete mich mental auf die neue Normalität vor. Der Unterricht war komischerweise ebenso angespannt wie ich den ganzen Tag über, wir machten nur eine kurze Pause zwischendurch und so konnte ich mehr als pünktlich meine Radfahrt zum Westbahnhof antreten, mein Rad platzieren und sogar noch ein Feierabendbier im Bahnhofsshop erstehen. Dieses genoss ich unter meinem Plexiglasvisier auf der Fahrt in die Landeshauptstadt. Die Zugfahrt ohne Maske war bedeutend angenehmer. Nachts in meinem Heimatort angekommen, musste ich diesmal – da das eine Rad in Wien und das andere zuhause geblieben war, zu Fuß vom örtlichen Bahnhof in mein Heimatdomizil gehen. Ich erinnerte mich an die ersten Wochen in unserem damals noch neuen Zuhause, an die vielen Fußwege – und ich war sehr dankbar für all das, was ich hier am Land erleben durfte. Der Kontrast zum Stadtleben war mir durch den Nachmittag in der Großstadt sehr deutlich geworden. Am nächsten Morgen weckte mich der Radiowecker schon um halb sechs. Ich musste um 9 Uhr in Wien sein, ich war als Prüfer für Berufsorientierung in der Brigittenau eingeteilt. Um 6.15 Uhr saß ich auf meinem neuen Rad, um pünktlich zum Bahnhof in der Bezirkshauptstadt zu gelangen, von wo mein Zug um 6.46 Uhr abfahren sollte. Um 8.10 kam ich in der Hauptstadt an, um 8.45 war ich nach einer knapp 7 Kilometer langen weiteren Radfahrt an meinem Ziel angelangt. Dort herrschten extreme Bedingungen, da rund 20 Prüflinge des Pflichtschulabschlusslehrganges im 10-Minuten-Rhythmus zu examinieren waren. Es musste auch ein bestimmtes Hygieneritual vollzogen werden, die Teilnehmer*innen gaben zuerst ihre Unterlagen bei mir ab, dann ihren USB-Stick oder das für die Präsentation vorbereitete Plakat bei der Kollegin. Dann mussten sie sich 30 Sekunden die Hände waschen, danach mit einem eigenen mitgebrachten Kugelschreiben auf der Anwesenheitsliste unterschreiben, um nach ca. 2-3 Minuten mit ihrem Vortrag beginnen zu können. Dadurch kam die gesamte Zeitplanung von Anfang an unter Druck, am Ende hatten wir einen Delay von mehr als 45 Minuten. Eigentlich hätte ich bereits 15 Minuten später bei einer von mir anberaumten Besprechung mit Kolleg*innen für den Zivilcourage-Workshop für Wiener Freizeitpädagog*innen am anderen Ende von Wien in Hietzing sein sollen. Geplant hatte ich eine rund 10 Kilometer lange Radfahrt, die hätte mich zumindest 40 Minuten gekostet. Außerdem waren meine Muskeln von den Fahrten am gestrigen Nachmittag bzw. Abend und vom heutigen Morgen sehr angestrengt und meine Lust, sie nochmals zu strapazieren gering. Ich nahm also mein Fahrrad und bestieg die U-Bahn. 45 Minuten später und mit einer Verspätung von 30 Minuten kam ich ans Ziel. Die Besprechung lief wie am Schnürchen und gegen 15 Uhr fühlte ich den Hunger, der sicher schon länger da war, hatte ich doch heute schon um 6 Uhr gefrühstückt und danach keinen weiteren Bissen zu mir genommen. Ich machte mich mit dem Fahrrad auf den Weg zum Westbahnhof, kaufte mir einen kleinen Imbiss und setzte mich in den nächsten Zug nachhause. Davor setzte ich natürlich noch meinen Mund-Nasenschutz auf, legte dazu meine Brille auf einen Prellbock aus Beton, um die Maschen der Maske gut hinter meinem Kopf verknoten zu können. Da hörte ich ein Geräusch, ein starker Windstoß hatte meine Brille fortgeweht. Ich blickte mich um, fand sie erst nach einiger Zeit auf den Gleisen hinter dem Prellbock liegend. Also schwang ich mich behände über die Absperrung und hob die Augengläser so schnell wie möglich auf, um unnötiges Aufsehen zu erregen. Alles gut! In meiner Heimat kam ich rund 30 Minuten später als geplant an, brachte mal, da meine Liebste ihrer neuen Beschäftigung im Kunsthaus Spörri in einem benachbarten Ort nachging, alles auf Vordermann. Es war Freitagabend und am nächsten Morgen stand die nächste Wien-Tour zu einem Workshop, den ich zu leiten hatte, für elementarpädagogische Fachkräfte mit dem Thema Diversität am Plan. Der Abend sollte also nicht zu lange werden, dennoch war ich bei guter Energie und entschied mich, mit meinem Jüngsten das Freitagmatch der Deutschen Bundesliga inklusive der 2. Ausgabe der Post Match Show anzuschauen. Auf Facebook entdeckte ich eine Watchparty der Gruppe „Insieme“, die ein guter Bekannter gepostet hatte. Es gab also zum Start in den neuen Lebenstag wunderbare italienische Melodien zum Mittanzen und Mitshaken. Oh wie habe ich diese Leichtigkeit vermisst – und auf welche Weise wird sie wieder in unserem Leben Einzug halten? Wird sie überhaupt?
Dazu sah ich mir ein „Talk spezial“ auf Servus-TV an, in welchem Michael Fleischhacker im Gespräch mit dem Professor für Öffentliche Gesundheit Martin Sprenger (nomen est omen), der die Taskforce der Bundesregierung Anfang April verlassen hatte, weil er mit der Weiterführung der strikten Maßnahmen und der „Angststrategie“ des Bundeskanzlers nicht einverstanden war. In dem Gespräch lobte er die konsequente Haltung der Regierung zu Anfang der Krise, ging nochmals mit der Weiterführung der Maßnahmen ab April ins Gericht, stellte die Maskenpflicht in Frage und meinte, dass die Ereignisse der letzten Wochen keine bleibende Veränderung in der Welt bewirken würden wie einstmals Dampfmaschine oder Kopernikus. Ich wurde nicht wirklich schlauer, es gilt wohl wirklich Schritt für Schritt vorzugehen, der eigenen Intuition zu folgen und so die Mitmenschen und sich selbst bestmöglich zu schützen. Das Problem ist hauptsächlich, dass kaum jemand in diesem Land mit der eigenen Intuition in Kontakt ist, hat uns doch das Bildungs- und Wirtschaftssystem dazu gebracht, zu funktionieren und auf einen „da oben“ (den Kaiser oder den Messias) zu hören, der uns ansagt, was wir zu tun haben. Ich ließ einen bereits älteren Beitrag in der ZDF-Mediathek folgen, Richard David Precht sprach mit der Politökonomin Maja Göpel über den (scheinbaren) Widerspruch von Ökologie und Ökonomie. Für mich war es befremdlich, dass der Philosoph sich sehr stark ins Gespräch einbrachte, ein Stil, der mir bei den von mir geführten Interviews fremd ist, halte ich mich doch immer sehr dezent zurück und lasse meine Gäste reden. Meine Liebste, die mir die Sendung empfohlen hatte, klärte mich dann darüber auf, dass Precht in seiner Talkshow immer so agiere und sie als Diskussion anlege. Ok, damit kann ich leben, muss man nur vorher wissen. Das Gespräch selbst war ein Schwanken zwischen dem zu Erhoffenden und dem zu Erwartenden. Es ließ mich ein wenig ratlos zurück, da es evident ist, was nötig ist, um Ökonomie und Ökologie in Einklang zu bringen. Precht nannte es die nachhaltige soziale Marktwirtschaft, in Österreich wurde ein ähnliches Modell vor drei Jahrzehnten entwickelt und in der Regierungserklärung der neuen Bundesregierung wieder aus dem Hut gezaubert, die so genannte Ökosoziale Marktwirtschaft. Der schale Beigeschmack, der blieb, betraf den Begriff Markt. Mit dem kann ich so gar nichts anfangen, und noch weniger mit dem Slogan, dass sich der Markt von selber regle. Kapitalismus in neoliberaler Reinkultur. Da bringe ich schon sehr viel mehr Sympathie für die von Christian Felber entwickelte Gemeinwohlwirtschaft auf. Ich hatte noch Lust auf mehr, nutzte die Stunde bis Mitternacht noch mit der aktuellen Ausgabe von „Willkommen Österreich“, einer Sendung, der ich sehr ambivalent gegenüberstehe. Es war erheiternd, nicht mehr und nicht weniger, kurz nach dem Wechsel des Kalendertages fiel ich mit meiner Liebsten ins Bett. Der Sonntag brachte anfangs sonniges, tagsüber dann wechselhaftes Wetter. Ich genoss diesen finnischen Sommertag mit einem Mix aus Regen, Wolken und Sonne sowie Temperaturen um die 20 Grad. Am Vormittag entdeckte ich auf orf.at, dass Felix Mitterer doch tatsächlich den fünften Teil seiner Piefkesaga plant, er meint, dass man an den Ereignissen rund um Ischgl, das zum Corona-Hotspot Europas geadelt wurde, einfach nicht vorbeischauen könne. Bin schon sehr gespannt, da ich diese Idee auch schon seit mehreren Tagen in meinen Gedanken getragen hatte. Am Vormittag bloggte ich zwei meiner Lebenstage, es gab kurzfristig Aufregung um ein verloren geglaubtes Schüttelpennal unseres Ältesten, dass nicht – wie er befürchtet hatte - bei seinem gestrigen „Zeichenausflug“ verloren gegangen war, sondern friedlich in seinem Rucksack schlummerte. Mittags kochte meine Liebste Dinkellaibchen und ich die Beilage, den Reis. Und schon knapp nach dem Mittagessen stand der nächste Fernseh-Fußballnachmittag am Programm, diesmal mit drei Spielen der 2. Deutschen Bundesliga. Kater Dario gesellte sich zu uns, um sich mit schmalen Augen von seinem Polster aus auch dem Fußball hinzugeben. Nach einer dreißigminütigen, verspäteten Mittagspause, schaute unser Jüngster den letzten Livestream des Cirkus Pikard, der ab Anfang Juni nun endlich doch auf Tournee gehen kann. Meine Liebste und ich werkten im Garten, ich stützte den sturmgebeutelten Bambus und unterstützte sie beim Einpflanzen von Wein-Stecklingen, die einmal unseren Outdoor-Ess- und den Eingangsbereich unseres Hauses vor der Sonne schützen sollen. Einem inneren Impuls folgend gestaltete ich noch ein Türschild für unser Hoftor, es trägt neben unserem Familiennamen noch den Titel „Halme-Hof“, eine Reminiszenz an Finnland. Halme bedeutet auf Deutsch „fruchtbares Land“ und das war unser Garten in den etwas mehr als zwei Jahren unseres Hierseins tatsächlich geworden. Wochenende, nach Feiertag und Fenstertag. Ich liebe die Freitagabende, und diesen ganz besonders. Doch bevor ich darüber schreibe, muss ich noch etwas vom letzten Lebenstag ergänzen. Meine Liebste war bei ihrer seit Tagen laufenden Erforschung von Möglichkeiten zum nachhaltigen Ab-Hof-Verkauf auf einen neuen Anbieter direkt in unserer Nachbarschaft gestoßen. Da wir Wein von unserem Lieblingswinzer holen wollten (und erstmals seit Monaten auch wieder im Winzerhof vorbeikommen konnten und ncht beliefert werden mussten), konnten wir gleich einen Abstecher dorthin machen. Zuerst aber deckten wir und mit Rot- und Weißwein sowie Rosé für die Woche ein, bekamen nach einer ausführlichen Plauderstunde noch einen Stamm wunderbar duftende Kamille geschenkt, und schoben unsere Räder dann drei Häuser weiter, um uns schlau zu machen. Zuerst war niemand anwesend, das Hoftor offen, aber eben niemand im Haus. Im auf der dem Hof gegenüberliegenden Entnahmestelle herrschte Leere, auch der Kühlschrank für die Eier war ohne Inhalt. Wir wechselten erneut die Straßenseite, ich versuchte via Handy eine Telefonnummer herauszubekommen, doch vergebens. Als wir unverrichteter Dinge wieder aufbrechen wollten, kam ein junges Paar von gegenüber auf uns zu. Wir konnten nicht nur einen Zehnerpack Eier mitnehmen, sondern auch die gewünschten Infos. Schon demnächst werden wir hier auch saisonales Gemüse und Obst beziehen können, das nachhaltig angebaut wird. Ein Segen. Zuhause angekommen bekam die Kamille ihren neuen Platz bei der Brombeerhecke, auch die Heidelbeere wurde nochmals versetzt, sollte jetzt aber an der richtigen Stelle stehen.
Und nun zu den ersten Stunden dieses neuen Lebenstages, die ich mit meinem jüngsten Sohn verbrachte. Das Lagerfeuer im Feuerkorb wurde entzündet, es brannte vorzüglich. Dann kam ich auf die Idee, noch ein Spiegelei auf der Schaufel zuzubereiten, entschied mich dann aber, das geerbte Bundesheergeschirr aus einer der Kisten im Abstellraum herauszukramen und es als Pfanne zu benützen. Als ich alles vorbereitet hatte, begann es zu nieseln. Ich schickte meinen Jüngsten um einen Regenschirm, um das Wasser, das vom Himmel fiel, vom Feuer fernzuhalten. Dann setzte ich die Pfanne auf, schlug drei Eier hinein und versuchte die Spiegeleier von beiden Seiten anzubraten, was nicht gelang. Immerhin wurde daraus dann eine leckere Eierspeis, die wir mit Toastbrot verzehrten. Trotz Regenschirm hatte das Feuer gelitten, die Holzstücke glosten bloß noch und es rauchte gewaltig. Ich musste gegen anfänglichen Widerwillen alle meine Pfadfinderkünste aufwenden, um den widrigen Umständen erfolgreich zu trotzen. Es machte entgegen meiner ersten Erwartungen auch eine Menge Spaß, mich meinem Sohn von meiner besten Seite zu zeigen. Wir saßen noch knapp zwei Stunden im Nieselregen beim Feuer, ich las ihm aus der Unendlichen Geschichte vor, wir plauderten über dies und das, ehe er sich in sein Zelt am Dachboden zurückzog. Ich ließ das Feuer und auch den Abend draußen verglimmen. Der Amselgesang erinnerte mich an meine Kindheit in einer kleinen Mietwohnung im fünften Bezirk der Hauptstadt, mein Zimmer, das ich mit meiner jüngeren Schwester teilte, ging nach hinten in einen begrünten Innenhof hinaus und ich genoss es schon damals, dem Abendlied der gefiederten Freude zuzuhören. Es vermittelte mir einmal am Tag (zumindest in der warmen Jahreszeit) das Gefühl von Freiheit und Gelassenheit in sehr, sehr herausfordernden Zeit. Kurz vor dem geplanten Schlafengehen brach plötzlich ein heftiger Sturm los, ich musste die Glut im Feuerkorb schleunigst löschen, wenig später prasselte ein schwerer Gewitterregen hernieder und ich flüchtete mich in unsere Hofeinfahrt unters Dach. Mein Sohn rief mir vom Dachboden aus zu, ich bat ihn nochmals zu überlegen, ob der die Nacht wirklich da oben in seinem Zelt verbringen wollte, er bestand darauf. In der nächsten Zeit lauschte ich bedächtig dem herrlichen Regen und freute mich an diesem kostbaren Nass, das auch unserem Garten gut tun würde. Gegen ein Uhr übersiedelte unser Jüngster zurück in sein Zimmer und in sein Bett. Am nächsten Vormittag war Putzen angesagt – und ich fand das von unserem Ältesten vermisste Smartphone hinter einem Bücherregal, nahe jenes Fensterbretts, an dem er es allabendlich abzulegen pflegte. Damit ar auch dieses Problem erfolgreich gelöst. Nach einem schnellen Mittagessen entschloss ich mich, den Biervorrat aufzufüllen, standen doch zwei Nachmittage mit Übertragungen aus der Deutschen Fußballbundesliga am Plan. Mein jüngster Sohn begleitete mich – und neben Bier landeten auch drei Tafeln Schokolade im Einkaufswagen. Jetzt mussten nur noch spannende Spiele her – und dem Glück wären keine Grenzen gesetzt. Nach sehr ansehnlichen Spielen und einem guten Abendessen brach ein noch heftigerer Gewitterregen as am Vortag über uns herein, die von meiner Liebsten frisch geputzten Fenster – und auch sie – litten stark. In unserem Garten schossen richtige Bäche über Pflaster und Wiese, der Bambus bog sich im Sturm, ich fürchtete, dass er bräche. Aber er wäre ja kein Bambus, wenn er dem Toben des Windes nicht standgehalten hätte. An diesem Abend nahm ich mir Zeit für einen Männerabend mit mir selbst, ich heizte eine Sauna ein und, weil es noch eine angenehme Außentemperatur um die zwanzig Grad hatte, traute mich erstmals zwischen den Saunagängen unter die „Gartendusche“, das heißt unter den durch einen entsprechenden Aufsatz zur Dusche erweiterten Gartenschlauch. Herrlich belebend. Ebenso das kellerkühle Bier danach.
Vor dem Schlafengehen war noch Teil 2 des Thrillers vom Vortag angesagt, auch er erfüllte meine Erwartungen, die Emotionen gingen hoch, das Ende shakespeare-like mit einem Haufen Toter. Ich hätte nichts gegen eine weitere Fortsetzung, zumal die Protagonistin als eine der wenigen Hauptdarsteller*innen überlebte. Der Neumondtag startete alltäglich und auch wieder nicht. Unsere beiden Großen verabschiedeten sich schon knapp nach dem Frühstück zu ihrer Großmutter in die Hauptstadt, sie waren sich zuletzt vor mehr als zwei Monaten begegnet, nun hatte die Oma die Initiative ergriffen und ein Treffen angesetzt. Meine Liebste hatte einen Termin in Krems in Sachen Staatsbürgerschaft, ich möchte an dieser Stelle nur Folgendes dazu verlieren: sauteuer, Bedingungen, die krass sind (so muss sie wohl, obwohl sie seit knapp 30 Jahren in Österreich lebt, seit zehn Jahren mit einem Österreicher, nämlich mir, verheiratet ist, Germanistik studiert, die 1. Diplomprüfung in Rechtswissenschaft an der Uni Wien absolviert hat und als Literaturübersetzerin sowie Deutsch-Finnisch-Sprachtrainer tätig ist, sämtliche Tests absolvieren, also auch den Deutsch- und Geschichtetest) und ein genereller Misstrauensvorschuss. Wenn sich meine Emotionen gelegt haben, kann ich vielleicht einmal mehr dazu schreiben. Filius #3 und ich nutzten die Zeit, um das Portfolio für die Externistenprüfung zusammenzustellen, er entschied sich dazu, ein Blatt zum Thema „Boccia“ zu gestalten, eine kleine Zeichnung und die Zusammenstellung der Spielregeln. Für Mittag hatte ich Lust auf Pizza von unserer örtlichen Pizzeria, nach einer kurzen telefonischen Rückfrage bei meiner noch in der Bezirkshauptstadt weilenden Liebsten, entschieden wir uns für Quattro Stagione, Calzone geklappt (meine Standardwahl) und eine Kinderpizza mit Salami. Auf dem Weg zum Abholen kehrten Junior und ich noch beim Greißler ein und er erstand eine Flasche „Korl“ (= Kola-Orangen-Limonade), ein Getränk, dass wir in meiner Jugend „Spezi“ nannten. Am schattigen Essplatz in unserem Garten genossen wir das Mittagsmahl in vollen Zügen. Auch heute wieder eine Mittagspause am roten Outdoorsofa in der Hofeinfahrt, danach eine weitere Lernstunde mit meinem Sohn, diesmal verfasste er einen Beitrag fürs Portfolio zum Thema „Tischtennis“. Danach galt es die Outdoorübernachtung meines Jüngsten vorzubereiten, wir entschieden uns, das Zelt diesmal nicht im Garten aufzustellen, sondern wetterfest am Dachboden. Innerhalb einer Stunde war es fertig aufgebaut und eingerichtet, amt zwei Matratzen, einem Schlafsack, zwei Kissen, einer Decke, der Leselampe, vieler Comics (Asterix und Donald Duck) und aller Kuscheltiere – eine Luxusherberge der Sonderklasse. Während des Abendessen hatte ich noch die geniale Idee, die Übernachtung meines Jüngsten in seinem Dachbodenzelt durch ein Lagerfeuer in unserem Feuerkorb im Garten einzuläuten. Ich hackte Holz, stellte sämtliche Utensilien auf seine „Spielwiese“ (wie wir die regelmäßig mit dem Spindelrasenmäher gekürzte Grünfläche in unserem Garten nennen), auch zwei Liegestühle, und lud ihn zum gemeinsamen Chillen ein. Was gibt es Schöneres als den Beginn des nächsten Lebenstages mit einem Bier und einer Selbstgedrehten im Garten zu zelebrieren? Ich genieße die Ruhe, ich lasse mich in die Dämmerung fallen, ich weiß um mich und meinen Lebensauftrag und eine wundervolle Kraft durchströmt mich, Mut und Zuversicht sind ihre Begleiter.
Gegen 23 Uhr ziehe ich mich auf mein rotes Sofa nach drinnen zurück, ich habe noch Lust auf Abenteuerliches, zumindest vor dem Bildschirm. Da entdecke ich einen deutschen Thriller aus 2016 mit dem Titel „Die Informantin“ und seine Fortsetzung aus 2019. Ich beginne mit der Fortsetzung, nach wenigen Minuten entscheide ich mich doch für den 1. Teil. Es zahlt sich aus, meine Erwartungen werden erfüllt. Ein krasser Plot voller Emotion, eher ein Schmachtfetzen denn ein Krimi, weil auch die Abgründe der menschlichen Beziehungs(un)fähigkeit ausgelotet werden. Tja, manchmal brauche ich genau solche Filme. Am Feiertagsmorgen geht es gleich in die Vollen. Heute ist wieder mal ein finnischer Donnerstag angesagt, zumindest kulinarisch. Damit stehen Erbsensuppe und Ofenpfannkuchen am Speisezettel. Dazu ist es notwendig, mal den CELUS-Küchenherd in Gang zu setzen. Das Wetter passt, der Kamin zieht sofort und innerhalb weniger Minuten kann ich die Suppe aufsetzen, zuerst den Speck und die Zwiebel anbraten, dann die über Nacht eingeweichten Trockenerbsen samt der Brühe dazugeben, um schließlich mit Salz, Majoran und Senf zu würzen. Damit die Erbsen schön weich werden und die Suppe wunderbar sämig, muss sie schon mal an die zwei Stunden vor sich hin köcheln. In der Zwischenzeit wird nun endlich unser Gemüsebeet urbar gemacht. Ich trage eine Schicht Erde ab, die unser Dario missverständlich das einen oder andere Mal als Katzenklo genutzt hatte, dann setze ich gemeinsam mit meiner Liebsten alles nochmals neu auf. Zuerst die groben Äste, die uns die Brombeerhecke alljährlich in Hülle und Fülle liefert, dann Laub und Grasschnitt, zuletzt noch halbverrotteter Kompost von unserem Komposthaufen, der sich somit halbiert. Darüber dann zum Abschluss noch die gestern erstandene torffreie Erde – und schon finden neun Tomatenpflanzen ein neues Zuhause. In zwei Ecken des Beetes werden Sonnenblumen gesät, im Beet selbst finden noch Erbsen, Mangold und Feldsalat ihren Platz. Höchste Zeit, mal wieder nach der Suppe zu schauen und den Teig für den Pfannkuchen vorzubereiten. Alles in time, wunderbar. Punkt zwölf schiebe ich das Backblech mit dem flüssigen Teig in den Ofen, während die Suppe ihre passende Konsistenz erreicht. Eine halbe Stunde später sitzen wir bei Tisch und genießen einmal mehr die Vorzüge dieser finnischen Nationalspeisen, die traditionellerweise immer donnerstags kredenzt werden. Die Mittagspause habe ich mir redlich verdient, ich genieße sie am roten Outdoor-Sofa mit dem Blick auf die alten Balken und Bretter des Dachbodens, der unsere Hofeinfahrt überspannt. Für eine knappe Stunde falle ich in einen angenehmen Mittagsschlaf. Danach habe ich unbändige Lust auf ein Eis, mein Jüngster hat Lust auf seinen ersten Spaziergang alleine nach langer Zeit. Wir finden eine Kombination und meine Liebste ist mit von der Partie. Er nimmt den Waldweg, wir die Straße, um zur Tanke im Gewerbepark zu gelangen, die sicher offen und ganz sicher Eis hat. Als wir vor Ort sind, müssen wir feststellen, dass es zwar Eis gibt – aber hinter verschlossenen Türen. Glücklicherweise gibt es auf der anderen Straßenseite eine weitere Tankstelle, die offen ist und Gefrorenes hat. Wir genießen – trotz des recht lebhaften Verkehrs, der uns umrundet und freuen uns am Leben. Auch als wir noch in der Großstadt lebten, suchten wir von Zeit zu Zeit die in der Nähe liegende Tankstelle auf, um uns ein Eis zu gönnen. Dort hatte ich auch einmal, als ich wieder mal Lust auf eine meiner Genusszigaretten hatte, die teuerste Zigarettenpackung meines Lebens gekauft, Gitanes – die in Österreich seit geraumer Zeit ärgerlicherweise nicht mehr erhältlich sind – um zehn Euro. Zum Ausklang dieses Lebenstages wurde der Garten mal wieder intensiv gegossen. Der Lebenstag beginnt mit Teil 2 meines Workshops zur Digitalisierung für Menschen im elementarpädagogischen Berufsfeld, es ist ein gelungener Abend, der alle inspiriert. In der Arbeit mit jungen Menschen gilt es aus meiner Sicht die richtige Dosis an Digitalem zu finden, es als Ergänzung zu verwenden und Kinder dazu zu animieren, sich nicht aufs Konsumieren zu reduzieren, sondern aufs konkrete kreative Gestalten mit Hilfe digitaler Medien.
Nach diesem zweiten fast dreistündigen Zoom-Workshop innerhalb von 24 Stunden freue ich mich auf einen chilligen Abend im Garten, atmen, Sternderl schauen und ein gutes Glas Wein trinken. Um 23 Uhr bin ich im Bett. Der Morgen dann stressiger als mir lieb ist, es gilt E-Mails zu beantworten, eine Lernstunde mit meinem Jüngsten zu absolvieren, der Prüfungsschule noch letzte Details zu senden und – nachdem der Vorstand des Fußballklubs am Vorabend entschieden hat, die Kinder- und Jugendtrainings unter strengen Auflagen wieder aufzunehmen, auch noch die Eltern über meinen Trainingsplan zu informieren. In meinem Perfektionismus gurke ich mit der Veröffentlichung der diesbezüglichen Infos knapp zwei Stunden herum. In der Mittagspause fahre ich mit meinem Jüngsten Erde für unser Beet kaufen, das wir schon vor zwei Jahren angelegt haben und das wegen des neu gebauten Hochbeets bislang das Nachsehen hatte. Nun gilt es aber die Tomatensetzlinge aus den Töpfen auszupflanzen – und das am besten am kommenden Feiertag. Danach mache ich noch eine Runde in die Apotheke, um Zitronensäure für den Hollerblütensirup zu erstehen. Ich mach daraus gleich eine kleine Radrunde durch Wald und Feld, was mir sehr gut tut. Am späten Nachmittag kommt dann ein guter Freund zu Besuch, den ich schon ewig nicht mehr gesehen haben. Mit dem nötigen Abstand kommen wir uns sehr nah, berührende Geschichten, feine Gedanken und am Ende die Freude auf ein baldiges Wiedersehen. Schön von ihm zu hören, dass er und seine Familie beschlossen haben, bei einer möglichen Impfpflicht nicht mitzumachen. Da meine Liebste abends politisch unterwegs ist, muss ich mich in der Diskussion mit unserem Ältestenwegen seines Zuspätkommens alleine zurecht finden. Ich merke, dass mir da an diesem Abend die Nerven fehlen und kürze die Sache radikal ab. Zumal mein Wunsch, er möge sich doch mit einem einfachen Satz dafür entschuldigen, gleich wieder in Grundsatzdiskussionen auszuufern beginnt. Und darauf habe ich am Vorabend eines Feiertags wirklich keine Lust. Unzufrieden zieht er ab, aber es ist wenigstens Ruhe. Lyrik war angesagt, besser gesagt die Analyse eines lyrischen Textes, insbesondere dessen formale Untersuchung. Ich bot den Lernenden Erich Kästner‘s Handstand auf der Loreley an. Es begeisterte, so wie es mich immer wieder aufs Neue begeistert. Kästners Gedichte sind überhaupt etwas, das mir sehr, sehr gut gefällt. Mit Humor und Augenzwinkern aber beinhart analysiert er die Umtriebe der Gesellschaft, er wird darin für mich zum Hofnarren der Moderne, einer wie er fehlt schmerzlich und mir gelang bislang kein einziger Versuch in seine Fußstapfen zu treten, sie sind mir viel zu groß und allein der Gedanke darin reicht an Größenwahn. Dennoch gilt es für de Dichter immer auch, sich mit den Großen zu messen, nicht aber sich mit ihnen zu vergleichen.
Da meine Stunden aufgrund geringer Beteiligung diesmal bereits zur Halbzeit endeten, konnte ich mich noch mit meinem Ältesten in ein vertiefendes Gespräch zu seinem (vermeintlichen?) Handyverlust einlassen, das uns auch in ganz andere Lebensbereiche aus seiner Vergangenheit, aus unserer Vergangenheit und seiner Zukunft führte. Ein Gespräch unter Männern, das aufgeregt begann und gemütlich endete. So geht Familie. Ich bin stolz auf uns. Am nächsten Morgen war die Gestaltung meiner aktuellen Ausgabe von „Nie-mehr-Schule – dem Magazin für alle, die Bildung verändern wollen“ angesagt. Neben dem Beitrag über Sonja Brauners Buch „Geniale Resilienz“ wollte ich auch einen kurzen Stimmungsbericht über Schule und Kindergarten, speziell den Restart im Pflichtschulbereich, bringen. Ich recherchierte und stieß auf eine unsägliche Formulierung des Herrn Bildungsministers, der sich doch tatsächlich – und ich denke mit voller Überzeugung – so ausdrückte, dass ihm das Öffnen der Schulen jedenfalls ein „tiefes Anliegen“ sei, gerade aus den Gründen, „dass es nicht zu einem Humankapitalverlust großen Ausmaßes kommt.“ Entlarvend. Wenn du schon als Schüler*in zum Humankapital verkommen bist, dann darfst du dich nicht wundern, dass der „Input“ – auch Unterricht genannt – zu einem solchen „Output“ führt. Und wieder kein Protest. Oder sind alle Beteiligten dankbar, dass die jungen Menschen dieses Landes zum Funktionieren gebracht werden? Vormittags noch einer der beiden wöchentlichen Einkäufe im örtlichen Gewerbepark, nach einem schnellen Mittagessen gestalte ich Teil zwei der Sendung, gebe noch meinem Senf zur aktuellen Situation im Schulsystem an und kündige an nach mehr als fünf Jahren und knapp 70 Sendungen mir bis Juni zu überlegen, ob ich Sendeschluss mache. Nicht allerdings ohne neue Pläne in petto zu haben. Ich informiere gleich danach den Programmchef von Radio Orange, er bedauert aber freut sich auch auf die neue Sendereihe. Aber mehr sei noch nicht verraten, denn erst in der Juni-Sendung möchte ich die Sache öffentlich machen. Ich lese auf orf.at davon, dass sich die Eltern wünschen, dass im Sommer für ihren Nachwuschs Feriencamps veranstaltet werden. Ich finde das traurig, aus mehreren Gründen: zum einen, weil Eltern, auch wenn sie intensiv Zeit mit ihren Kindern verbringen wollen, daran dadurch gehindert werden, weil sie ein Erwerbseinkommen erzielen müssen, um existieren zu dürfen, Kinder und Familie allein genügt nicht; zum anderen wegen jener jungen Menschen, die sich mehr Zeit mit ihren Eltern wünschen und die ihre Zeit nicht irgedwo mit irgendwem verbringen wollen, sondern in und mit der Familie. Es gibt auch Erfreuliches, die Fußballbundesliga wird wieder losgehen. Bin schon gespannt, ob es dem ORF gelingt, sich trotz der Sky-Übermacht die Rechte für die eine oder andere Liveübertragung zu sichern. Würde mich freuen. Ein weiterer, letzter Abend mit Juli Zeh und Neujahr. Das Ende erwartbar unerwartet. Davor aber noch ein Glas Rotwein und eine Selbstgedrehte im Garten. Auch an diesem Abend wird es wieder spät. Weil ich danach auch noch den Kölner Tatort schaue. Eine verstörende Geschichte um die psychische Befindlichkeit eines der beiden Kommissare und einer Frau, die in ihrer seelischen Verfassung hilflos unschuldig wirkt, sich aber am Ende (wie zu erwarten war) als die Schuldige herausstellt.
Der Morgen und der Vormittag im Alltagsrhythmus: meine Liebste um 6.30 Uhr wach, der Mittlere geht erstmals seit Wochen wieder zur Schule, er fährt mit dem Rad, um sich die 30 Minuten Bustour mit Maske und zu wenig Abstand zu ersparen, ein sechsstündiger Schultag im Klassenverband reicht, findet auch er. Ich dreh mich nochmals um, frühstücke später als üblich, schaffe dann aber doch noch meine Morgenmediation und bin pünktlich bei der Lernstunde mit meinem Jüngsten, die Externistenprüfung rückt näher, noch drei Wochen. Danach veröffentliche ich endlich den Hinweis auf die nächste Ausgabe meiner Radiosendung „Nie mehr Schule“ auf Radio Orange, das Interview mit Sonja Brauner über ihr Buch „Geniale Resilienz“, einen Statutsbericht über den Schulstart und die Situation in elementarpädagogischen Einrichtungen mit Corona, meinen Senf über „Die Schule ist tot, es lebe die Schule“ und guten Rat für jene, die aufgrund der aktuellen Situation nicht zur Schule gehen wollen. Ein schnelles Mittagessen, dann bereite ich mich auf den heutigen Abend vor, es gibt wegen des Donnerstagfeiertags eine Extra-Stunde für meine Vorbereitungsgruppe auf die Berufsreifeprüfung Deutsch. Danach bin ich noch herausgefordert, meinen Antrag auf Verfahrenshilfe auszufüllen und die nötigen Unterlagen zusammenzustellen, kostet mich schlappe zwei Stunden und macht überhaupt keine Freude. Ich schreibe auch der Prüfungsschule meines Jüngsten, da sich aufgrund der momentanen Situation einige Fragen stellen, nutze die Gelegenheit auch gleich, um nachzufragen, ob er auf einem guten Lernweg ist. Zur Entspannung geselle ich mich dann mit ihm zu unserem Gartentümpel, wir können Wasserflöhe, Gelsenlarven und Rattenschwanzlarven beobachten, die helfen mit, dass unser kleines Gewässer nicht völlig veralgt. Die zweite Lernstunde absolviert mein Jüngster dann ohne meine Unterstützung, ich bereite einstweilen meinen Zoom-Meeting-Room am Dachboden vor, um für den Unterricht ab 18 Uhr gewappnet zu sein. Es dauert fast zehn Minuten bis sich der erste Teilnehmer einfindet, zuvor haben sich schon vier wegen beruflicher Verpflichtungen entschuldigt. Es ist dies der vorläufig letzte Online-Abend, in zehn Tagen werde ich erstmals wieder vor Ort in der Volkshochschule in Wien unterrichten, mit Maske und/oder Plexiglasvisier. Auch für die Anreise wird der Mundschutz notwendig sein und so wird die Zugfahrt wohl weniger entspannend sein als früher üblich. Ich werde sehen. Es ist der Abend des dieswöchigen Donnerstagfeiertags und ich habe einen Männer-Saunaabend mit mir selbst vereinbart. Während der Saunaofen seinen Dienst aufnimmt, um meine Idealtemperatur zwischen 80 und 100 Grad Celsius herzustellen, widme ich mich meiner Route 55. Es gilt fünf Tage zu beschreiben, die hinter mir liegen, die voller Leben waren, herrlich, die voller Erfahrungen waren, voller Erfolge und voller Emotionen. Natürlich auch anstrengend, aber im Rückblick eine wundervolle Zeit meines Lebens in diesem, meinem 55. Lebensjahres. They never will be back.Ausatmen, loslassen, einatmen, Fülle erfahren.
Der Samstagabend, ein Abend mit Juli Zeh und Neujahr. Wunderbar herausfordernd – und lang. Das Sonntagsfrühstück spät, später als für mich üblich. Gleich danach eine Lerneinheit mit meinem Jüngsten, die wir am Freitagvormittag wegen unseres Kremsausflugs bei „Winterwetter“ versäumt haben. Diesmal bahnt sich ein Sommertag an. Wir essen unser Raclette, das wir zum zweiten Mal innerhalb kürzester Zeit auf Wunsch von Sohn Nummer 3 vorbereitet haben, im Freien. Kurz danach regiert König Fußball das weitere Geschehen, mein Jüngster und ich nutzen den zum Start der deutschen Bundesliga freien Zugang zur Sky-Konferenz und schauen die Sonntagsspiele der 2. Bundesliga. Rechtzeitig um 16 Uhr können wir zum Circus Pikard switchen, der seinen nunmehr 9. Livestream sendet, wieder mit Ausschnitten aus dem Programm, mit dem er demnächst seine diesjährige Tournee starten wird. Vor dem Abendessen wird unser Hochbeet nun endlich besiedelt. Ich schreibe an meine Blog. Ich spiele noch ein paar Runden Tischtennis. Im Lauf der Wochen sind mein jüngster Sohn und ich schon ganz schön in Form gekommen. Die Bälle fliegen nur so hin und her, sie werden aus unmöglich scheinenden Positionen retourniert, auch der eine oder andere Schnittball ist dabei. Herrlich. Das Abendessen schmeckt nach der körperlichen Anstrengung ebenso. Der neue Lebenstag begann mit einer Familien-Planungsbeprechung für das Wochenende. Da ich mich von den Aktivitäten des vergehenden Tages sehr erschöpft fühlte, machte ich mich zum Schriftführer des Meetings. Es galt unseren Ältesten beim Putztag und den Abendessensdiensten zu ersetzen, da er einen Comic-Zeichenkurs gebucht hatte und an beiden Wochenendtagen den ganzen Tag über auswärts weilen würde. Ebenso waren der Speiseplan für die kommende Woche und die dazugehörige Einkaufsliste zu erstellen. Alle halfen gut zusammen, so dass diese Herausforderung innerhalb kurzer Zeit bewältigt war. Auch das ist ein Zeichen dafür, dass unsere Familie in den letzten Wochen zusammengewachsen ist und die Weichen von allen Beteiligten auf Kooperation gestellt wurden.
Nachdem ich unseren Jüngsten mit der „Unendlichen Geschichte“ versorgt und wohlbehalten ins Bett gebracht hatte, widmete ich einem nächsten Buch von Juli Zeh, diesmal in der Hörbuchversion. „Neujahr“ erzählt die Geschichte eines Familienvaters, der an Panikattacken leidet, im Familienurlaub mit seiner Frau und seinen beiden Kindern auf Lanzarote. Am Höhepunkt seiner Radfahrt in einen fünfhundert Meter höher gelegenen Ort, landet er an einem Haus, das ihm einer traumatischen Erfahrung aus seiner Kindheit in Erinnerung ist – was er bis zu diesem Zeitpunkt ins Unterbewusstsein verdrängt hatte. Der Autorin gelingt es auch diesmal die Ereignisse eindrucksvoll und unter die Haut gehend zu erzählen. Möglicherweise war das nicht die ideale Gute-Nacht-Lektüre nach einer so anstrengenden Woche wie der vergangenen. Ich wachte gegen zwei Uhr morgens schweißgebadet und voller Todesangst auf. Diesmal in voller Bewusstheit – und nicht wie bis vor einigen Jahren so oft von heftigen Panikattacken geschüttelt. Nach einigen Minuten löste ich mich aus dieser Schockstarre, stand auf, genehmigte mir ein Glas Wasser und setzte mich an den Schreibtisch, um zwei Lebenstage in meinem Blog zu beschreiben. Es war ein heilsames Aufsetzen in der Gegenwart – und das schlimmste war innerhalb der beiden Stunden, die ich dafür aufwendete, überstanden. Der Morgen begann sehr früh – so wie geplant. Ich hatte mich bereit erklärt, den Familieneinkauf im Super- und im Drogeriemarkt zu erledigen, diesmal in umgekehrter Reihenfolge als zwei Wochen zuvor als ich in den Strom der Einkaufenden und fast unter deren Einkaufswagenräder gekommen war. Die Übung gelang und 45 Minuten nach meinem Aufbrechen war ich mit allem, was wir bei der Zusammenstellung der Einkaufsliste für nötig erachtet hatten, wieder zuhause angelangt. Nach einem kleinen Frühstück – diesmal nur ein schnelles Müsli und ein Häferl Kaffee – machte ich mich an Aufgabe zwei an diesem Vormittag: Ich putze das Wohnbüro, ich putzte das Badezimmer und ich unterstützte Junior 3 beim Wiederherstellen der Ordnung in seinem Zimmer. Knapp zwei Stunden später war ich bereit, das Mittagessen zuzubereiten, es gab Hot Dogs – eine einfache Sache. Zwischendurch gab es noch eine kleine Aufregung um unseren Ältesten, der sich schon frühmorgens mit dem Zug auf die Reise zu seinem Comic-Zeichenkurs begeben hatte. Offenbar war er zwischenzeitlich unsicher geworden und hatte in der Not weder seine Mutter noch mich angerufen, sondern seinen Vater in Berlin. Dieser bedachte meine Liebste wieder einmal mit einem Schwall – um es freundlich auszudrücken - „besorgter“ Kurznachrichten. Es hieß cool bleiben, was mir besser als meiner Frau gelang. Über dieses „Sorgenspiel“ zwischen Sohn Nr. 1 und seinem Vater, das absoluten Kontrollcharakter hat, habe ich schon früher geschrieben. Es endete damit, dass unser Ältester – als er pünktlich und wohlbehalten beim Zeichenlehrer angekommen war – seine Mutter anrief, und sie bat, seinen Vater zu verständigen, damit der sich „keine Sorgen machen“ müsse. Punktum. In einer kurzen Mittagspause hörte ich weiter Juli Zeh. Für 14 Uhr hatte sich meine jüngere Tochter angesagt, sie war meiner Einladung zu einer Plauderstunde beim Spazierengehen mit anschließender Jause im Familienkreis gefolgt. Und pünktlich stand sie vor der Tür. Wir begaben uns in den Auwald, umrundeten meinen Heimatort von links und von rechts und landeten zwei Stunden später bei Kaffee und Linzertorte bei mir zuhause. Unsere Gespräche drehten sich um Vieles, unter anderem den bevorstehenden Schulstart, Schule an sich, Wetter und Natur, Energetik und Familie. Auch bei der Jause ging uns der Gesprächsstoff nicht aus, es beteiligten sich dabei auch unser Jüngster und meine Liebste an der Plauderei. Die mehr als drei Stunden ihres Besuchs vergingen wie im Flug und hinterließen bei uns allen – aber auch bei ihr, wie sie später via whatsapp mitteilte – einen bleibenden Eindruck. Und da an diesem Nachmittag – parallel zum Besuch meiner Tochter - die Deutsche Bundesliga gestartet hatte und damit König Fußball endlich auch in unserem Leben wieder Fuß zu fassen beginnen konnte, setzten sich mein Jüngster und ich vor den Laptop und schauten uns die ARD-Sportschau mit der Zusammenfassung der Spiele dieses Tages an. So kam der aktuelle Lebenstag zu einem ihm gebührenden Ende! Nachdem ich meine Vorbereitungsgruppe für die Berufsreifeprüfung Deutsch heute zur Analyse der Ringparabel in Lessings Nathan der Weise begleitet hatte, machte ich mich auf einen nächtlichen Spaziergang durch unseren Ort. Es war herrlich meinen Körper nach so viel Starre, also nach der Anspannung und dem Stress des Tages in Bewegung zu bringen. Erinnerungen wurden wach an meine erste ähnliche Runde, die nach unserer Übersiedlung Mitte Dezember 2017 absolviert hatte. Ich war damals sehr, sehr erschöpft und dementsprechend unrund gewesen – doch die Runde hatte mich wieder rund gemacht. Diesmal musste ich nicht rund werden, aber meinen Körper wieder in eine gesunde Mitte bringen. Das gelang damals wie heute ausgezeichnet.
Zum Abschluss des Kalendertages las ich Julie Zeh‘s Corpus Delicti fertig. Die Dystopie erreichte kurz vor Schluss ihren Höhepunkt, die Protagonistin wurde zum Einfrieren auf unbestimmte Dauer (die „neue“ Scheintodesstrafe jener Zeit) verurteilt, um knapp vor Vollstreckung begnadigt zu werden, weil man sich staatlicherseits keine Märtyrerin leiste wollte, die das System womöglich zum Kippen brächte. Meine anschließende Abendmeditation brachte mich in einen guten Schlaf. Fit für die geplante Tour ins Innere der Bezirkshauptstadt erwachte ich. Aber: es regnete. Es regnete erstmals seit Monaten wirklich. Ein wunderbarer, aber kalter Landregen prasselte auf Wiese und Pflaster in unserem Garten. Wunderbar – zum einen, ein wenig abschreckend, was die Radfahrt betraf, auf der andere Seite. Dennoch machten wir uns nach dem Frühstück zu dritt auf den Weg. Der Regen ließ immer wieder nach, mein Jüngster und ich hatten uns gut in Regenhosen und Regenjacken verpackt, meine finnische Frau machte es „hardcore“ nur in Jeans und einer guten regenfesten Parka. Finnisch eben! In der Stadt machten wir unsere Cityrunde, erledigten und besorgten dies und das und kamen rechtzeitig heim, um das Mittagessen zuzubereiten. De Mittagspause liße ich diesmal ausfallen, um endlich die Unterlagen für den Gutachter zusammenzustellen, in knapp zwei Stunden war die Sache schließlich erfolgreich bewältigt. Währenddessen fand meine Liebste im Postkasten einen gelben Zettel, der mich über die erfolglose Zustellung eines Pakets aus Oberösterreich informierte. Die Birke war angekommen und ich durfte sie ab 16.30 h bei der örtlichen Poststelle beim Greißler in Empfang nehmen. Das tat ich dann auch mit großer Freude – und wurde dabei auch gleich das Einschreiben an den Sachverständigen los. Die Birke hatte ihre zweitägige Reise in einem einfachen Karton überraschend gut überstanden. Ihr Geäst war liebevoll zusammengerollt, der Wurzelstock mit Heimaterde in einem nassen T-Shirt eingewcikelt und in einem Plastiksack verpackt worden. Ihr neuer Standort in unserem Garten war schon Tage zuvor ausgewählt worden, es galt nun eine entsprechend große Grube zu graben, um ihr die neue Heimat schmackhaft zu machen. Der Regen, der mir doch einigermaßen heftig erschienen war, hatte – was ich beim Einstechen mit dem Spaten bemerkte – nur die oberste Schicht, also die Grasnarbe gut durchfeuchtet, fünf Zentimeter später war schon Schluss mit nass. Also musste der Gartenschlauch her, um den lehmigen Boden leichter bearbeitbar zu machen. Eine halbe Stunde später stand unser aktuell letzter Baum sicher an seinem neuen Platz. Mit seinen knapp sechzig Zentimetern Höhe ist er wesentlich kleiner als Apfel- und Kirchbaum, aber um ein bisschen größer als unser zweijährige Tanne. Ich muss zugeben, dass ich seinen „Stamm“ an einer Pflanzstange gut durchgestreckt an mehreren Stellen sanft angebunden habe, womit er diese „imposante“ Größe erreichte. Laut den mir vorliegenden Informationen wachsen Birken bis zu 40 Zentimetern pro Jahr. Aus Finnland weiß ich um die überbordende Vermehrung dieser Spezies und auch von ihrem schnellen Größer-Werden. Nun hatten wir also den finnischen Nationalbaum auch in unserem Garten – und damit ein Stück der Identität des Landes im Norden in unser Leben eingepflanzt. Kippis! Auch Kater Dario war vom Familienzuwachs so begeistert, dass er das Bäumchen intensiv beschnupperte und schließlich umarmte. Tags darauf – das nehme ich hier schon vorweg – musste ich die Brike aufgrund der Katerliebe zu ihrem Schutz mit einem dünnen Zaungitter umrunden, da ich um ihre Existenz fürchtete. Knapp vor dem Abendessen fanden sich plötzlich vier spatzengroße aber ziemlich bunte Vögel in unserem Garten ein, sie „pflückten“ während ihres hubschraubergleichen Standfluges die Grassamen und die Kleeblüten. Ich war begeistert und erkannte sie schließlich – nach meiner Internetrecherche – als Stieglitze bzw. Distelfinken, die vorwiegend in Naturgärten ihr Zuhause hatten. Somit war der endgültige Beweis erbracht, dass wir das an unserem Hoftor prangende Schild mit der Aufschrift „Natur im Garten“ wirklich redlich verdient hatten. Da ich an diesem Abend wieder zum Hinlegen von Sohn Nr. 3 zuständig bin, habe ich die Freude, ihm das erste Kapitel der „unendlichen Geschichte“ vorzulesen (nachdem meine Frau tags zuvor schon die Einleitung zum besten gegeben hatte). Ich bin abermals begeistert von der Sprache des Autors Michael Ende, von seinem Einfallsreichtum und seinem liebevollen Umgang mit den Worten. Auch mein Sohn freut sich daran und stellt fest, dass das Buch doch wesentlich anders ist als der vor kurzem gemeinsam betrachtete Film. Ja, es ist kein Vergleich – und im Gegensatz zu „Momo“, das kongenial verfilmt wurde (hier spielt ja der Autor in der Eröffnungsszene auch selber mit), setzt die Leinwandinszenierung dieses Buches viel zu viel auf optische Effekte.
Die Sauna vom späten Nachmittag hat mich müde gemacht, ich bin tatsächlich ziemlich erledigt, schreibe noch kurz an meinem Lebenstagebuch, beobachte Kater Dario bei der Fliegenjagd und widme mich einem Youtube-Video, das mir mein ältester Freund zum Anschauen empfohlen hat. Es berichtet von Aufstellungen im Zusammenhang mit CoVid19. Eine der – für mich wenig überraschenden – Erkenntnisse ist jene, dass die Demokratie am Boden liegt (d.h., dass die Person, die die Demokratie verkörperte, sich während der Aufstellungsarbeit tatsächlich auf den Boden gelegt hat). Weiters wird davon berichtet, dass diffuse Ängste, wie sie zur Zeit herrschen, allgemeine Lähmung hervorrufen, dass es aber Angstfreiheit eine Voraussetzung für Demokratie ist und Menschen somit dringend wieder in ihre Handlungsbereitschaft gebracht werden müssen. Mit diffusen Ängsten wache ich nach einer durchträumten Nacht auf. Morgens hatte mich noch ein Albtraum heimgesucht, ein kleiner Kapuzenmann (mir läuft jetzt noch die Gänsehaut den Rücken runter, wenn ich daran denke) mit einem rotleuchtenden ovalen Ring statt eines Gesichts begegnet mir, dann auch ein roter, durchsichtiger Plastikvorhang (der mich an den roten Samtvorhang in David Lynch‘s Twin Peaks erinnert), in dessen Inneren eine gelbe Scheibe eingenäht ist, die von einer Frau von außen hin und her bewegt wird. Skurril. Erklärungsbedürftig, aber letztlich unerklärbar, nur verbunden mit eben jenem Gefühl einer diffusen Angst, die mich den ganzen Vormittag über nicht loslässt. Kurz vor Mittag telefoniere ich mit Sonja Brauner, die ich vor vielen Jahren bei einer Tagung des Instituts für Kindergarten- und Hortpädagogik in Wien kennengelernt hatte und die vor kurzem ein Buch mit dem Titel „Geniale Resilienz“ veröffentlicht hat, in dem sie über 40 brilliante begabte Persönlichkeiten über ihr Erfolgsgeheimnis interviewt hat. Es war ein sehr berührendes Gespräch mit ganz vielen Impulsen für die notwendige Veränderung unseres Bildungssystems, das in voller Länge am Mittwoch der kommenden Woche in der nächsten Ausgabe meiner Sendereihe „Nie mehr Schule – das Magazin für alle, die Bildung verändern wollen“ auf Radio Orange ausgestrahlt werden wird. Was für mich so verblüffend ist, ist die Tatsache, dass die von mir interviewten Expert*innen zu sehr ähnlichen Schlussfolgerungen kommen – und dass die verantwortliche Politiker*innen diese immer noch standhaft ignorieren, sehr zum Schaden der Heranwachsenden und unserer Gesellschaft. Wieviel Leid könnte dadurch erspart werden, wieviel Potential geweckt und eine um wieviel bessere Zukunft gestaltet werden … Nach dem Mittagessen spreche ich meine Liebste auf die von mir den ganzen Tag gefühlte Angst an. Es stellt sich heraus, dass es mit ihr und einer neuerlich herausfordernden Situation mit ihren Jungs zu tun hat. Ich kann sie – und damit endlich auch mich – beruhigen. Und kurz drauf kommt noch ein schon lange erwartetes E-Mail meiner Steuerberaterin, das wesentlich zu einer weiteren Entspannung beiträgt. Es ermöglicht, dass ich dem Sachverständigen im Unterhaltsverfahren mit meinem erwachsenen Sohn (ich habe davon schon in diesem Blog berichtet) doch noch zeitgerecht alle Unterlagen zukommen lassen kann. Mit neuer Energie bereite ich, während mein Jüngster Teil 2 seiner anstrengenden Schreibarbeit erledigt, meine Stunden mit der Maturagruppe vor, stolpere via Facebook noch über ein Video mit dem Herrn Bundeskanzler, das ihn bei einem Auftritt im Kleinwalsertal in Vorarlberg zeigt, dem dortigen Bürgermeister die Hand schüttelnd und ohne Abstand zu seinen Begleitern zu halten. Auch das enthusiasmierte Volk kann sich und den von der Bundesregierung vorgeschriebenen Abstand nicht halten. Ich fühle mich in meiner Wahrnehmung bestätigt, dass die Maßnahmen mehr Alibi sind, als dass sie wirkten. Oder werde ich innerhalb der nächsten vierzehn Tage eines besseren belehrt und wir haben den nächsten Corona-Hotspot und einen an CoVid19 erkrankten Regierungschef? We‘ll see. Ein Abend mit 8 Damen und 2 Herren, die Kinder in elementare Bildungseinrichtungen begleiten. Sie alle sind sehr interessiert am Thema, wieviel Digitalisierung ein Kind braucht. Ich spräche gerne von Über-Digitalisierung, davon, dass es sinnvoll wäre, sich dem „wahren Leben“ zuzuwenden, weil ich schon oft erlebt habe, was digitale Medien mit Menschen, vor allem jungen, anstellen können. Dennoch weiß ich auch, dass diese technischen Errungenschaften nicht des Bösen sind, sondern dass es vielmehr notwendig ist, mit ihnen kompetent umzugehen und sie nicht nur als Konsument*in zu nützen sondern auch als Produzent*in. Ach bei und mit unseren Jungs gibt es diesbezüglich ambivalente Erfahrungen und wir haben als Eltern die Aufgabe, mit ihnen regelmäßig die richtige Dosis und die rechte Anwendung zu verhandeln. Ein Konfliktfeld.
Im Anschluss erwartet mich Kater Dario schon im Haus unten, um eine nächtliche Spielrunde einzuläuten. Er fällt über meine Beine her, gurrt und schnurrt, dribbelt mit einem seiner Bälle durch Küche und Wohnbüro, hält immer wieder mich mit Blicken zum Mitmachen auffordernd inne.Wie könnte ich ihn ignorieren? Nach einer intensiven Kater-Spielzeit mache ich mich mit einem Glas guten Rotwein von unseren Lieblingswinzern ans Schreiben von Route 55, um danach rechtschaffen müde in eine ausgezeichnete Nachtruhe zu gleiten. Es ist nach wie vor nicht einfach, dem Morgen die richtige Gestalt zu geben. Ich mag es, mich wichtigen Arbeiten (am Computer) zu widmen, wenn noch kein Familienmitglied wach ist. Gerne meditierte ich auch, wenn das Familiengewusel noch nicht begonnen hat. Und dann wäre ich noch gerne in einer Morgenrunde durchs gerade erwachende Dorf unterwegs. Und das alles gleichzeitig. Das geht sich nicht aus, vor allem, weil ich manchmal lieber ein bisschen länger liegenbliebe. Ein schier unauflösliches Dilemma. In diesen Wochen gilt es zudem meinen Jüngsten mit einem strikten Zeitplan und zumindest zwei Lernstunden pro Tag auf seine Externistenprüfung vorzubereiten. An diesem Morgen entscheide ich mich für Meditation und Frühstück, danach kümmere ich mich um dringende, aber auch wichtige, E-Mails und um eine Mathematikstunde mit Junior Nr. 3. Nach getaner Abend schmeißen wir beide und meine Liebste uns aufs Rad und machen uns auf eine Krems-Tour ins Einkaufszentrum und zum Großmarkt. Letzteren suchen wir mittlerweile nur noch alle vierzehn Tage auf, um jene Lebensmittel zu kaufen, die es nur dort gibt. Alle anderen Einkäufe haben wir in die Supermärkte im viel näheren Gewerbepark verlegt. Da die Sache zeitintensiver als gedacht ist, kehrt meine Frau schon früher um, weil sie einen Telefontermin hat. Als dann mein jüngster Sohn und ich heimkommen, hat der Mittlere im Auftrag seiner Mutter schon Pesto-Nudeln für uns gekocht. Kompliment. Es folgt eine stressige „Mittagspause“, in der sich mein energetisches Wissen und Können vom Wochenende bewähren kann, da es Dringendes vom Morgen weiterzuführen gilt Gut so. Nachmittags dann eine weitere Lernstunde, in der unser Jüngster seine Powerpointpräsentation über Katzen fertigstellt und sich durch die Verschriftlichung seiner Dario-Geschichte quält. Es mangelt ihm ja nicht an tollen Ideen, auch die Rechtschreibung ist nicht sein Problem. Woran es noch hakt ist die grafische Qualität. Da muss er wirklich durch. Eine herrliche Sauna rundet diesen intensiven Lebenstag ab und beendet ihn mit der dringend nötigen Entspannung. Beim Surfen in meiner Facebook-Community, fand ich ein inspirierendes Posting von Manfred Greisinger, Inhaber der Edition Stoareich, in einer deren Anthologien ich vor ewigen Zeiten eines meiner Waldviertler Gedichte publizieren durfte. Ich möchte es hier wortwörtlich wiedergeben, damit es wirkt:
„Bin ich ein Härtefall? Ist das Leben einer? - Gibt es da draußen eigentlich auch Menschen, die zwar Anspruch auf die diversen öffentlichen Härte-/Hilfsfonds/Notfall-Förderungen hätten, aber partout nicht zum Bittsteller werden möchten?! Die eine starke, unabhängige, freie Seele haben, die ihnen verbietet, Viren hin oder her, auf allen Vieren vor´s Amt zu kriechen, um mildtätige Almosen zu erbetteln?! DAS, nur diese Selbst-Demütigung, würde ICH als Härtefall empfinden! Ich sehe mich absolut nicht als Härtefall. Würde mich nie beim Härtefall-Fonds anstellen … Mein Vater lehrte mich, „lieber nur Erdäpfel oder Schnittlauchbrote essen, als seine Würde verlieren!“ Ich schätze übrigens diese Gourmet-Speisen! - Dabei würde ich wohl was kriegen – aus dem scheinbar unerschöpflich sprudelnden öffentlichen Steuertopf, in den ich als Selbstständiger seit fast vier Jahrzehnten brav einzahle. – Ich hab‘ in den letzten 8 Wochen ein Dutzend Bücher verkauft – zwei sogar vor Ort; ein paar Buch-Beratungen und individuelle Motivations-Coachings per Zoom/Skype machen dürfen. Meine wesentlichen Einnahmequellen – Vorträge, Seminare, Lesungen – sind total weggefallen. Mich wundert, dass ich so fröhlich bin … Vermutlich liegt´s daran, dass ich mich als – ja, ich hab‘ den Mut, mich so zu bezeichnen – „Künstlerseele“ für ein FREIES LEBEN entschieden habe. Ich lebe seit fast 38 Jahren – seit meinem 18. Geburtstag – ausschließlich von den Früchten meiner Kreativität. Ich biete in meinem Bauchladen Texte aller Art … Wortmeldungen … Schräge Gedanken … Motivierende Impulse … Das bringe ich ein in die Gemeinschaft – und ein paar, bislang ausreichend viele, finden das gut, so gut, dass sie mir Geld dafür geben. Aus freien Stücken. Keiner wird mit Waffe bedroht, ein Buch von mir zu erwerben. Und doch haben es in den letzten drei Jahrzehnten meiner Edition Stoareich mit 25 erschienenen Buchtiteln über 40.000 getan … Halt, bevor der Neid ausbricht, Insider wissen, dass pro verkauftem Buch nur ein paar wenige Euro zum Autor wandern … Also, bitte nachrechnen, glaubt mir, ich bin nicht STEINreich im Sinne von Mateschitz, sondern STOAreich im Sinne von „innerem – dafür grenzenlosem – Reichtum“. Ich will und kann nicht auf „Helft mir, ich bin so arm“ fokussieren. Ich hab mich in meinem Leben für die „künstlerische Selbstständigkeit“ entschieden. Was schon „Härtefall“ genug ist. Aber auch großartige Herausforderung. Ich hab immer gewusst: Wenn MIR nichts einfällt, dann BEKOMME ich NICHTS … Punkt. ICH bin der Regisseur/Verantwortliche für mein Sein. – Und wenn die Regierenden meinen, es dürfen bis Ende Juni nur Veranstaltungen mit maximal 10 Personen stattfinden, so werde ich mich nun für „exklusive Privat-VIP-Lesungen“ für bis zu 9 Interessierte anbieten … Vielleicht veranstalte ich auch im eigenen All ent steiger Garten "philosophische Zehner-Runden" … Ich plädiere allerdings für Gerechtigkeit: Warum dürfen in Schulklassen 18 „Wissbegierige“? Warum in den Landtagssaal 56 Volksvertreter? Warum bei einem SPÖ-Parteitreffen zuletzt über 150 Genoss/-innen? Und meine/unsere BUCHSCHREIBGRUPPE, die 12 Teilnehmer/-innen umfasst, die weder tanzen, singen, raufen, rotzen, sondern einfach nur achtsam Texte miteinander austauschen, lesen, entwickeln möchten – schon bisher mit 1 Meter würdigendem Abstand voneinander – müsste auch Ende Mai wieder AUSFALLEN??? Oder wieder in den unpersönlich-klinischen digitalen Raum verlegt werden?!? – Hier ist keine Gefahr: Wir stecken einander nur mit Inspiration an ... Das aber leidenschaftlich! Machen wir´s uns nicht zusätzlich hart! - Das Leben ist hart genug, sagen die einen, die anderen meinen jedoch, hart ist ein Leben nur, wenn die Hoffnung, die Zuversicht, die Kreativität schwindet …“ Danach nochmal Filmschauen: Ein Borchert-Krimi vom Donnerstag und ein Borowski-Tatort vom vorigen Abend. Beide nicht schlecht, aber es blieb dennoch der schale Nachgeschmack des „Zuviel-von-Etwas“. Ich schlief dennoch gut. Am Vormittag die übliche Lernstunde mit meinem Jüngsten, danach Einkauf im Supermarkt. Beim Zurückkommen lag „Die unendliche Geschichte“ vor unserem Hoftor, hatte sie doch nicht in unseren Postkasten gepasst. Ich freute mich schon aufs Vorlesen dieses Meisterwerks von Michael Ende. In der Mittagspause plante ich dann die Neugestaltung des gemeinsamen Arbeitsbereiches, und zwar fantasierte ich eine Raumteilung durch ein nach beiden Seiten offenes Bücherregal aufs Papier. Die Idee fand auch bei meiner Liebsten Anklang, es galt nun „nur noch“ jemanden zu finden, mit dem ich dieses Projekt umsetzen konnte und die Finanzierung zu sichern. Am Abend stand mein erster Onlinekurs mit elementarpädagogischen Fachkräften am Kalender, nach dem ich das Wochenende so erfolgreich mit meinem Laptop am Dachboden verbracht hatte, gestaltete ich dort für diesen Workshop einen durch alte Vorhänge abgegrenzten Raum. Zuerst kehrte ich, dann hängte ich, dann trug ich Tisch und Sessel und Laptop und Wasserkrug und Wasserglas und Unterlagen von unten nach oben, um für die fünfzehn Teilnehmer*innen (womit der Kurs ausgebucht war) zum Thema „Wieviel Digitalisierung braucht ein Kind?“ gewappnet zu sein. In der knappen halben Stunde, die bis zum Start blieb, half ich meinem Jüngsten noch seine Powerpointpräsentation zum Thema Katzen für die Externistenprüfung vorzubereiten, selbstverständlich auch in meinem neuen Video-Meeting-Room unter dem Dach unseres Hauses. Zum Auftakt des neuen Lebenstages war ich beseelt von der neuen Energie der letzten beiden Tage. Ich schmiedete den Plan, eine wöchentliche Mutrede (statt einer Wutrede) auf meinem Youtube-Kanal zu halten. Ich plante die ersten Stunden jedes neuen Lebenstages nicht dazu zu verwenden, mir einen Film anzusehen, sondern ihn zu Sinn-vollerem zu nutzen, also für meine Projekte wie den Bildungsraum und die kleinen Umbrüche für den Kinder-Fußball.
Heute aber standen diesem Vorsatz noch die letzten drei Folgen von „Wege des Herrn“ im Wege. Sie bildeten den wunderbar passenden Ausklang dieses Wochenendes, denn das Ende war „happy“. Alle hatten ihren neuen Platz in ihrer neuen Welt gefunden und ihre alte, zerstörte Existenz hinter sich gelassen. Was für eine Botschaft, was für einen Hoffnung, die mich zuversichtlich für mich selbst stimmte. Die nun kommende Woche hatte ohnehin wieder die eine und die andere große Herausforderung für mich parat. Der nächste Kalendertag begann sanft, ich war auch darauf bedacht, meine neu gewonnene Lebenskraft nicht gleich wieder auszugeben. Das Leben ermöglichte es mir, und auch ich ging die Vorhaben dieser sieben Tage nicht aktiv an sondern wartete zu. Die Post brachte das Kindertrainerdiplom und den dazugehörigen Ausweis, meine Trainercard. Das Wetter brachte ein wenig Regen und viel Sturm – einmal mehr. Zudem war es schwül, schwüler, am schwülsten. In der Mittagspause las ich Juli Zeh‘s Corpus delicti weiter, bedrückend zeitgemäß ihre Schilderung dieser unseligen Gesundheitsdiktatur, in der sich die Protagonisten mehr schlecht als recht zurechtfindet. Am Nachmittag kaufte ich die letzten Säcke mit Erde für das Hochbeet, es ist nunmehr wirklich startklar und wartet auf die Setzlinge, die in den Pflanzkisten nach und nach das Licht der Welt erblicken. Und das war er dann auch schon der Wochenstart, sehr harmonisch, ungewohnt – und beinahe wäre ich unruhig geworden, aber ich hatte ja an diesem Wochenende auch hart daran gearbeitet, dass mein Leben eben auch so sein kann. Wunder-voll! Auch zwei weitere Folgen von „Die Wege des Herrn“ brachten den Umschwung nicht, sie waren belastend, da sich auch hier Menschen in ein scheinbar unabänderliches Schicksal verstrickt und ihre Lösungskompetenz verloren hatten. Todmüde schlief ich nach Mitternacht ein.
Beim Erwachen fühle ich mich so schwer, dass mir ein Aufstehen unmöglich erscheint. Die Ereignisse der letzten Tage, ja der letzten Jahre quälen mich, eine Lösung scheint nicht in Sicht. Während der einen oder anderen nächtlichen Wachphase hatte ich versucht, auch konstruktive Gedanken zu fassen. Ich hatte mir vorgenommen, dem Zoom-Seminar über „Selbstheilung“ nicht von meinem Schreibtisch aus zu folgen, sondern mir ein feines Plätzchen auf unserem Dachboden einzurichten. Schließlich nutzte ich einen positiven Impuls, um mich aus den Federn zu erheben wie der Phönix aus der Asche. Ich frühstückte. Ich begann, meinen Platz oben unter dem Dach einzurichten, das Gartentischchen musste nach oben gebracht werden, ebenso mein Schreibtischsessel die steile Treppe hinaufgeschleppt werden, dann noch die Beleuchtung eingerichtet und mein Laptop, Schreibzeug, Handy und etwas zu trinken nach oben gebracht werden. Ich war pünktlich um 9 Uhr fertig – und fühlte mich mittlerweile in ganz anderer Verfassung. Kurz nach dem Beginn des Seminars war ich bereits in einem völlig anderen Energiezustand, vieles, was ich gelernt und erfahren hatte und was in den letzten Jahre verschüttet gewesen war, wurde auf wundersame Weise und schnell wieder aktiviert. Ich erkannte, ich plante und ich war inspiriert. Ich konnte mich wieder mit dem verbinden, was mich ausmacht, ich sah mich als den, der ich bin. Und ich bemerkte auch, dass ich auch in der letzten so herausfordernden Zeit Kurs gehalten hatte, allerdings hatte mich das eine oder andere Programm ganz schön im Griff gehabt und mir mein Leben schwer gemacht. Schön, dass es mir nun unter fachkundiger Begleitung meiner Pranic-Healing-Lehrerin (ich habe ja schon früher davon erzählt, dass ich eine Zeit lang auch als Energetiker in der Begleitung von Menschen zur Aktivierung von deren Selbstheilungskräften aktiv war) und der anderen Teilnehmer*innen so schnell möglich war, all dies zu erkennen. Mittags unterstützte ich meine Familie (da noch dazu der wöchentliche Putztag war), in dem ich das Mittagessen (Baguettes) zubereitete. Und am Nachmittag kümmerte ich dann wieder ausschließlich um mich selbst und erfuhr noch ganz viele Möglichkeiten, mein Immunsystem zu stärken. Dabei spielt natürlich (oder um es mit Thomas Bernhard zu sagen: naturgemäß) die Seele eine entscheidende Rolle. Mir ging ein Licht nach dem anderen auf, es wurde wieder hell in meinem Leben und das noch vor knapp zwölf Stunden vom Wahnsinn beschwerte Leben kam zu neuer Blüte. Vor dem Abendessen fuhren mein Jüngster und ich noch eine zwanzigminütige Radrunde, das war mir nach dem Tag des langen Sitzens ein großes Bedürfnis. Beim Abendessen bekam ich dann von ihm noch das wunderbare Kompliment, das die Wirkung des Tages bestätigte, dass ich so anders wäre – und damit meinte er positiv anders. Danach backte ich mit ihm noch ein Biskuit-Herz für den Muttertag und weil der Ofen schon mal an war auch gleich ein neues Dinkelbrot. Die Energie floß wieder - und ich hatte auch den Schalter gefunden, mit dem ich sie richtig dosieren konnte, ohne mich gleich wieder völlig auszupowern. Ein Segen. Die Wege des Herrn, dritter Abend – und plötzlich wendet sich auch hier alles zum Guten. Zufall? Ich schlief ausgezeichnet und war am Morgen topfit für Teil zwei des Selbstheilungsseminars. Auch dabei wieder wichtige Erkenntnisse, klare Pläne und ein Gefühl, dass ich alte Muster lassen und gut auf mich, also auf Körper, Geist und Seele achten könnte. Das Muttertagsessen wurde von den Jungs gemeinsam mit meiner Liebsten vorbereitet, so war es abgemacht. Ich half noch – wortlos – mit, dort wo ich gebraucht wurde. Es gab Burger. Für mich wurde die Mittagspause des Seminars auf eineinviertel Stunden verlängert. Und so konnte ich noch ein Ritual einleiten und begleiten, in dem jeder von uns Fünfen sagte, wofür er seiner Mutter dankbar wäre. Ich für meinen Teil stellte fest, dass ich ohne meine Mutter, die zum Teil psychisch sehr angeschlagen war, niemals so schnell und so gut kochen gelernt hätte, weil ich einfach schon sehr früh für meine Familie kochen musste. Danach sagte meine Frau noch allen ihren Jungs etwas zu ihrer Geburt und was sie an ihnen schätzte. Es war eine berührende Zeit. So kam ich einige Minuten zu spät auf den Dachboden, aber als ich auf den Bildschirm meines Laptops blickte, sah ich, dass das Seminar noch nicht begonnen hatte. Auch unsere Lehrerin hatte sich verspätet. Zufall? Im Lauf des Nachmittags spürte ich schon eine wohltuende Müdigkeit, ja sogar ein Erschöpftsein. Dennoch konnte ich für mich noch sehr konkrete Pläne für mein körperliches, mentales und seelisches Wohlbefinden entwickeln, die es in den Wochen bis zum Sommerbeginn in mein Leben zu implementieren und nachher dauerhaft weiterzuführen gilt. Dazu gehört auch die Gelassenheit dem Wahnsinn gegenüber, der unsere Familie und jeden einzelnen darin von außen immer wieder zustößt. Ich spürte, dass ich es in der Hand hatte, damit auf die eine – lebensfördernde - oder die andere - lebensverachtende - Weise umzugehen. Und damit hatte ich reichlich Erkenntnis gewonnen. Wunder-voll! Nach dem Maturavorbereitungskurs, der sehr gut gelaufen ist, ist es endlich so weit: Auf ARTE startet die zweite Staffel der dänischen Serie „Die Wege des Herrn“ über das Leben eines protestantische Pfarrers und seiner Familie. Ein Hammer, ein wirklich exzellent gemachter Film, der unter die Haut geht, über Religion und Spiritualität über Glauben und Wissen. Religion und Spiritualität, Glauben und Wissen – Hauptthemen auch meines Lebens.
Am nächsten Vormittag steht unser wöchentlicher Einkauf im Großmarkt am Programm. Meine Liebste ist in komischer Stimmung. Wir finden Knoblauch aus China (!) - und nur aus China – im Regal. Ich kriege eine Mordswut, ich muss unbedingt einen Brief, möglicherweise sogar einen offenen Brief an die Geschäftsleitung schreiben. Die Krise hat hier keine nachhaltige Wirkung entfaltet. Eine Katastrophe. Am Weg zum Drogeriemarkt informiert mich meine Frau über aktuelle Entwicklungen im Pflegschaftsverfahren ihrer Söhne, unserer beiden älteren Jungs. Das durch die aktuelle Situation unterbrochene Verfahren soll nun abgekürzt und so schnell wie möglich entschieden werden. Ich drehe durch, meine Emotionen kochen über – es ist heiliger Zorn über eine Justiz, die völlig überlastet ist und in so wichtigen und wesentlichen Entscheidungen den Holzweg nimmt – mit unabsehbaren Folgen. Ich tobe – und irgendwann ist die Luft raus. Ich bin völlig neben die Spur geraten. Das, was sich in der Nacht auf den Vortag schon angekündigt hatte, offenbart sich nun in Vollform. Ich empfehle meiner Liebsten noch, sich dieses Vorgehen in keinster Weise gefallen zu lassen und sich dringend und umgehend mit unserer Rechtsberaterin zu verständigen. Dann ist der Ofen aus. Ich schleppe mich, mein Fahrrad mit dem von den Einkäufen schweren Anhänger schiebend, nachhause. Ich bin hin und her gerissen zwischen Escape und Aufgaben, ich kann keinen vernünftigen Gedanken mehr fassen, die Welt stürzt über mir zusammen (oder wie die Gallier sagen: Der Himmel fällt mir auf den Kopf) und ich stürze ins Bodenlose meiner erdachten Worst-Case-Szenarien. An diesem Tag geschieht in mir und um mich nichts mehr als Drama, Drama, Drama, da kann auch die Lösung unserer Rechtsberaterin, die meine Liebste umgehend umsetzt, nichts mehr helfen. Nun randaliert auch meine Seele – und recht hat sie. Die einzige Hoffnung: Ich habe durch Zufall vor knapp zwei Wochen ein Wochenendseminar bei einer spirituellen Lehrerin und Begleiterin, die auch Heilerin ist, gebucht. Aber auch das kann ich in diesem Moment nicht als heilsam und hilfreich erkennen. Ich bin drauf und dran, alles abzusagen und … ja, was denn eigentlich? Tage wie dieser sind Wendepunkte, ob es dir bewusst ist oder nicht. Und in ihnen liegt der Auftrag, sich dem Wandel anzuvertrauen, denn so weitergehen darf es nicht. Lebensspendend oder todbringend. Das ist die Frage. Endlich nahm ich mir wieder Zeit,um an diesem, meinem Blog weiter zu arbeiten – diesmal mit Dario am Schoß und Schokolade zwischen den Zähnen. Während des Schreibens ein Impuls: ich erinnere mich an eine Doku über John Irvin, ich recherchiere, ich finde den Titel: „John Irving und wie er die Welt sieht“ - in Anklang an das Werk, das ihn einer breiten Öffentlichkeit bekannt machte, nämlich „Garp und wie er die Welt sah“. Dieses sah ich auf Video mit Robin Williams in der Hauptrolle, ebenso habe ich „Cider House Rules“ (zu Deutsch etwas pathetisch Gottes Werk und Teufels Beitrag genannt) mit Tobey Maguire als Film gesehen. Ich muss gestehen, dass ich keines der Werke Irvings weder in deutscher Übersetzung noch im Original gelesen habe. Das heißt ich habe eines versucht, ich weiß nicht mehr, welches, bin aber gescheitert, obwohl ich seine Ideen und den Stoff sehr faszinierend und lesenswert fand, die literarische Umsetzung aber hat mich bislang überfordert, genauso wie bei James Joyce‘s „Ulysses“ und Miguel de Cervantes „Don Qijote“. Aber vielleicht komme ich erst in das Alter, wo auch das geht.
Ich erinnere mich also während des Schreibens an den Dokumentarfilm, ich recherchiere, ich finde ihn – und kaufe erstmals auf iTunes ein. Diese sechs Euro sind absolut gut investiert, wie sich während des Schauens herausstellt. Ich werde auf alte Träume aufmerksam, ich werde inspiriert, mich dem zu widmen, was mich ausmacht, wofür ich hier – auf dieser Welt – gelandet bin. Ich schreibe danach ein whatsapp an meine jüngere Tochter und lade sie – bevor es bei ihr in der Schule wieder losgeht – auf einen Spaziergang und eine Plauderstunde ein. Ich lese auch den neuesten Blogbeitrag von Matthias Horx, der mich insgesamt sehr anspricht, auch wenn er gegen Ende aus meiner Sicht abflacht. Ich fühle mich plötzlich von einem heftigen Allergieschub heimgesucht – weiß der Teufel woher. Es wird spät, ich gehe zu spät ins Bett, ich schlafe schlecht, habe nachts das Gefühl als stünde ich kurz vor einem Asthmaanfall. Bitte, was soll das jetzt? Gerade so hoch geflogen und nun in einer Wirklichkeit gelandet, die so gar nichts mit mir zu tun zu haben scheint, wohl aber etwas zu hat, auch wenn ich noch nicht weiß, was genau. In den Morgenstunden überfallen mich auch noch üble Stressträume – irgendetwas läuft falsch. Wo bin ich da bloß wieder reingeraten, wo habe ich mich da nur weder reingebracht. Ich grüble … Morgenmeditation, ein homöopathisches Mittel für meinen nächtlichen Allergieschub, Frühstück, Lernen mit meinem jüngsten Sohn und die Reaktivierung meiner Klangschale. Die habe ich seinerzeit als Abschiedsgeschenk von meiner ersten Religionslehrerstelle in einer Volksschule im 21. Wiener Gemeindebezirk von meinen Kolleg*innen bekommen. Ich habe sie danach manchmal im Unterricht eingesetzt, immer mit der Gefahr verbunden, dass ich meinen Job verliere, weil Klangschale und römisch-katholischer Religionsunterricht auch im 21. Jahrhundert nicht zusammengehen. Später dann wurde sie zur „Schulglocke“ in der von mir gegründeten und geleiteten Privatschule in Niederösterreich. Und nun also entdeckt sie mein Jüngster und bekommt von meiner Liebsten die Info, dass sie zuletzt in ebendieser Verwendung gestanden hatte. Also wird ihr umgehend ein zweites Leben eingehaucht, nachdem sie ordentlich entstaubt worden war. Sie trennt fortan die Lerneinheiten von den Pausen. Meine Mittagspause fällt aus, da ich kurz vor dem Mittagessen von meiner Liebsten mit belastenden Neuigkeiten bezüglich unseres Ältesten versorgt werde. Ich werde hier dazu diesmal nichts Konkretes schreiben, aber dieses Ereignis war – aus der aktuellen Perspektive, jetzt, 5 Tage später, da ich an diesem Rückblick schreibe – ein weiterer Puzzlestein zu meinem Niedergang am Ende dieser Lebenswoche. Ich berate mich mit meinem Lebensbegleiter, wir finden eine gute Lösung, die auch sofort in die Tat umgesetzt wird, aber ich spüre eine enorme Schwäche in Körper, Geist und Psyche. Ich fahre Erde holen, die wir zum Befüllen des Hochbeets brauchen, ich befülle, ich gehe unruhig im Garten hin und her, ich bereite mich auf den nächsten Kursabend mit meinen Maturaschüler*innen vor. Aber eigentlich gehe ich am Zahnfleisch. |
Route 55
Dieser Blog begleitet mich durch mein 55. Lebensjahr, das ich mit einer Feier im Freundeskreis am Vorabend meines Geburtstages eingeläutet habe, das am 23.2.20 um 19.21 h tatsächlich begonnen hat und das sogar 366 Tage zu bieten hat, also mehr als viele andere meiner bisherigen Lebensjahre. Archiv
Februar 2021
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