Nach den Anstrengungen des Wochenendes hatte ich Lust auf eine Zeit für mich außer Haus. Ich entschied, mein Fahrrad mit dem „Patschen“ am Hinterrad doch nicht erst am Ende der Woche in die Hauptstadt in meine Lieblingsfahrradwerkstatt zu bringen, sondern doch in die Bezirkshauptstadt, hatte ich doch am Abend zuvor große Lust auf eine Fahrradrunde bekommen, um mir den Frust von der Seele zu strampeln. Also pumpte ich das Hinterrad nochmals kräftig auf, um zum Bahnhof zu kommen, fuhr mit dem Zug weiter und legte die letzten Meter nochmals mit dem Rad, dessen Hinterreifen die Luft immer noch behalten hatte zum Radladen. Dort wurde mir zugesagt, dass ich meinen Drahtesel schon nachmittags – und damit gerade so, um rechtzeitig wieder zuhause zu sein und das Fußballtraining mit meiner U9-Mannschaft leiten zu können – abholen könne. Ich entschied mich, in der Stadt zu bleiben, obwohl es doch knappe fünf Stunden waren, aber immerhin fünf Stunden für mich. Zuerst spazierte ich zum Einkaufszentrum, dort wartete schon seit Wochen das nunmehr zum zweiten Mal reparierte Handy meiner Frau. Danach wanderte ich zurück in die Innenstadt, ging in mein Lieblingscafe, das zwar den Besitzer und den Namen (der mich nicht besonders anspricht), aber weder Personal noch Angebot und Atmosphäre gewechselt hatte. Die ehemalige Eigentümerin hatte sich vom neuen Besitzer anstellen lassen, womit für Kontinuität gesorgt war. Ich gönnte mir den Tagesteller und ein kleines Bier, arbeitete ein wenig am mitgenommenen Laptop und genoss die Freizeit.
Danach ging ich weiter zur Stadtbücherei, um einerseits zwei DVDs für meinen Jüngsten zu borgen, andererseits wollte ich auch für mich zwei, drei Bücher leihen. Ich fand sowohl die beiden vom Sohnemann begehrten „Kunststoffscheiben“ als auch die zwei von mir gewünschten Bücher – und noch ein drittes. Mit Erich Kästner‘s „Blauem Buch“ (sein „geheimes“ Kriegstagebuch) und zwei Werken von Henning Mankell (seinem nunmehr ins Deutsche übersetzten ersten Roman aus 1973 „Der Sprengmeister“ und einem Werk aus 2004 mit dem Titel „Tiefe“) setzte ich mich wenige Meter weiter auf eine Bank unter einen wunderschönen, großen und schattenspendenden Linde, wo ich die Zeit bis zum Fahrradabholen lesend (im „Sprengmeister“) und sinnierend verbrachte. Beim Fahrrad waren in der Zwischenzeit Schlauch und Mantel getauscht worden, ich erwarb noch einen Vorderstrahler sowie ein Putzmittel, um das bis dato trotz seines Alters so gut gepflegte Rad weiterhin so gut in Schuss zu halten. Zuhause dann leichte Hektik, da das Kinderfußballtraining anstand, aber auch da ging alles gut und ich musste mich nicht stressen. Abends dann holte ich mit einem rührigen Bekannten, der ein Auto samt Anhänger hatte, die Minitore aus dem Turnsaal der Volksschule in der Nachbargemeinde ab, die dort seit dem Ende der Hallentrainingssaison Mitte März gewartet hatten. Ich lud ihn danach noch auf ein Glas Wein zu uns nachhause ein, wir plauderten noch eine ganze Stunde lang, so lange bis uns die Nachbarin knapp vor zehn mit einer Klage drohte. Von unseren Nachbarn mit der Tochter Ronja, die jeden Morgen ab 5 Uhr ihr Schreikonzert veranstaltet, habe ich schon berichtet. Wir gut haben es die drei mit uns, weil wir so geduldig sind und nicht einmal im Traum an eine diesbezügliche Klage gedacht haben. Der nächste Morgen brachte mich einmal mehr um 5.30 Uhr aus den Federn, in der Hauptstadt warteten an die 40 Menschen aus dem Pflichtschulabschlusslehrgang in der VHS Großfeldsiedlung, um ihre Berufsorientierungs-Präsentation zu absolvieren. Von 8.30 bis 15.45 war ich vor Ort, hörte, fragte und motivierte, danach ging es wieder zurück in meine Heimat, wo ich gegen 18 Uhr noch Kurzinterviews mit den drei Neuzugängen unserer Fußballklubs zur Veröffentlichung auf der Homepage führte. Erst dann begab ich mich in den wohlverdienten Feierabend, an dem ich nach dem Abendessen und dem Zubettbringen meines Jüngsten noch die letzten beiden Folgen der ZDF-Serie Mirage anschaute – mit einem erwartbaren und durchaus ärgerlichen Ende. Am Vormittag des folgenden Tages fuhr ich nochmals in die Bezirkshauptstadt, ich hatte ein Treffen zur Übergabe einer Videokamera als Geburtstagsgeschenk zu seinem am kommenden Samstag bevorstehenden Ehrentag ausgemacht und mir vor wenigen Tagen online ein Buch zur Abholung in der Buchhandlung bestellt. Das Phantasien-Lexikon, das ich mir vom Geburtstagsgutschein meiner jüngeren Tochter kaufte, sollte meinen Horizont im Hinblick auf Michael Endes „Unendliche Geschichte“ erweitern, die ja so voller Symbolik und Tiefgründigem ist, das es zu erforschen gilt. Beide Termine absolvierte ich „in time“ und so war ich schon am späten Vormittag wieder zuhause. Die restliche Zeit bis zum Mittagessen nutzte ich mit Reparaturarbeiten im Garten (das Hochbeet hatte durch den anhaltenden und starken Regen der letzten Tage zwei seiner Bretter „verloren“, die zu kurzen Schrauben, die ich zu deren Fixierung verwendet hatte, hatten ihren Dienst aufgegeben) und zum Putzen der Fahrräder. Am Nachmittag stand eine weiteres U9-Training mit meiner Kinderfußballmannschaft an, das Wetter hielt, obwohl es anfangs ein wenig nieselte. Mein Co-Trainer war auch mit von der Partie und zum Ende hin gab es nach langer Zeit wieder einmal Ärger mit meinem Jüngsten, der sich ob seiner zwei verschossenen Elfmeter so grämte, dass er den Ball durch die Gegend schoss und sich vom Co-Trainer partout nicht verabschieden wollte, was ihm eine Moralpredigt meinerseits einbrachte. Glücklicherweise hatte er sich – ein ausgiebiges Abendessen später – bis zum Beginn der Bundesliga-Begegnung zwischen seinem Lieblingsclub Rapid und dem Serienmeister der letzten Jahre aus Salzburg wieder beruhigt. Und dafür brauchte er gute Nerven, denn nach der überraschenden Führung für seine Mannschaft, spielte nur noch der Gegner und am Ende musste eine 2:7-Niederlage verdaut werden. Er trug es mit Fassung – ich sowieso, hatte ich doch meine Hardcore-Fanzeiten schon lange hinter mir und die waren dem Erzfeind Rapids, der Wiener Austria, gewidmet gewesen. Die Nacht verlief unruhig, ich stand schon um 6.30 auf, erledigte diverse „Büroarbeiten“, schrieb an meinem Blog und plante den ersten Umbauschritt des Wohn-Arbeitsbereiches, war ich doch am wegen der Geburtstagsfeierlichkeiten für unseren Jüngsten am kommenden Wochenende auf diesen Tag vorverlegten Putztag für die Reinigung eben jenes Bereiches zuständig. Meine Liebste hatte mit unserem Ältesten einen Termin für seinen nächsten Ausbildungsschritt einige Kilometer weiter nördlich, so hatte ich sturmfreie Bude, um den auch ihr schon angekündigten „Umbauschritt“ zu setzen, bei dem ich mir einen Bereich schaffen wollte, in dem ich ungestört und für mich sein konnte, so oft ich wollte. Da dieser aber nur durch einen Vorhang vom Rest des Hauses getrennt sein würde, war dennoch Achtsamkeit und Respekt der anderen Familienmitglieder notwendig. Dennoch spürte sich die Sache sehr, sehr gut an. Die Aktion beanspruchte mich mehr als erwartet, ich musste unterbrechen, um Mittagessen zu kochen, machte mich aber gleich danach ohne Mittagspause wieder ans Werk und war am Ende sehr, sehr zufrieden. Abends war meine Maturagruppe zu begleiten, es waren nur zwei Teilnehmende im Zoom-Meeting anwesend und so waren wir mit unserem Programm schnell durch – der Feierabend konnte früher beginnen, was mir nach den Anstrengungen des Tages, die sich in einer erheblichen Müdigkeit zeigten, nur recht war. Am Vormittag des nächsten Tages machte ich mir nochmals im Garten zu schaffen, ich mähte die Spielwiese meines Jüngsten, der man momentan beim Wachsen zuschauen konnte, dann senste ich einen Teil unserer Blumenwiese rund um Birke und Tanne, da auch diese in den letzten Wochen so hoch gewachsen war, dass sie die beiden Bäumchen überwucherte. Am Nachmittag hatte ich am östlichen Ende der Hauptstadt zu tun, die Anreise mit den Öffis würde mich knappe drei Stunden kosten, ich hatte wenig Bock auf den fünfstündigen Workshop zum Thema Diversität, den ich dort in einer Kindergruppe mit den Betreuerinnen halten sollte. Pflichtbewusst machte ich mich dennoch auf den Weg, schon ein wenig früher, da ich noch einige Utensilien für den Geburtstag meines Jüngsten am bevorstehenden Wochenende einkaufen wollte. Trotz der langen Anreise war ich pünktlich vor Ort und erlebte eine sehr engagierte Gruppe von Frauen, die mir die Arbeit leicht machten. Außerdem war auch für das leibliche Wohl bestens gesorgt und so verging der Abend wie im Flug. Die Heimfahrt gestaltete sich dann schwieriger als erwartet, da mir Scotty zunächst mitteilte, dass mein Zug nachhause aufgrund eines technischen Defekts ausfallen würde und ich daher erst eine Stunde später fahren würde können. Das bedeutete für mich, erst gegen ein Uhr Früh zuhause sein zu können. Daher entschied ich mich, eine andere Strecke für die Rückfahrt zu nehmen, womit ich nur eine halbe Stunde verlieren würde. Unnachgiebig wie ich nun mal bin, befragte ich während der Straßenbahnfahrt nochmal Mr. „Beam-me-up“ und siehe da: Mittlerweile war eine Ersatzgarnitur – die sich wenig später als alter Schnellbahnzug herausstellte – bereit gestellt worden. Ich konnte also meine Fahrt mit der Straßenbahn schon früher beenden und meine Rückfahrt nach ursprünglichem Plan antreten. Was mir auf meiner langen Reise – deren Großteil ich in den Öffis der Hauptstadt verbracht hatte – besonders unangenehm aufgefallen war: es war ein Gewusel in den Verkehrsmitteln wie in der Stoßzeit und leider hielten sich nicht alle an die Verpflichtung zum Tragen eines Mund-Nasenschutzes. Diesen Menschen ging ich verärgert aus dem Weg, einmal stieg ich sicherheitshalber sogar aus und nahm das nächste Gefährt. Hier zeigte sich für mich das, was ich in diesen letzten Wochen schon öfter wahrgenommen hatte, nämlich, dass die Menschen schnell vergessen und nicht bereit sind, aus den Ereignissen zu lernen, sowohl im Kleinen (Abstand, Maske, etc.) als auch im Großen (was müssen wir ändern, damit wir Pandemien vermeiden können). Ich war an diesem Abend aber zu müde, um mich aufregen oder gar ärgern zu können. Und das war gut so.
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Zu Beginn des neuen Lebenstages stand neuerlich ein Fußballmatch am Plan, Sevilla und Barcelona matchten sich zu einem torlosen Unentschieden, das Spiel war aus meiner Sicht nur ansatzweise attraktiv. Wieder ging es später, als es sinnvoll war, ins Bett und als mich der Radiowecker um 6 Uhr aus den Träumen riss, war ich einigermaßen matschig.
Auf dem Weg in die Hauptstadt pflasterten Leichen meinen Weg. Auf der Radfahrt zum örtlichen Bahnhof traf ich auf einen großen Igel, der nachts auf überfahren worden war und mit heraushängenden Eingeweiden blutig mitten auf der Fahrbahn lag. Am Bahnhof der Bezirkshauptstadt lag ein großer Vogel tot auf den Gleisen. Ich erinnerte mich an Phasen in meinem Leben, als ich in den Morgenstunden auf dem Weg zu meiner damaligen Arbeit auf bei Unfällen verstorbenen Menschen getroffen war, einmal an einer U-Bahnstation den von einem Auto niedergemähten und am Gehsteig liegenden Menschen, ein anderes Mal einem Selbstmörder, der gerade von der Feuerwehr von den U-Bahngleisen geborgen wurde und ein weiteres Mal den „Teilen“ eines Selbstmörders an einer Bahnstrecke. Es gibt Phasen in meinem Leben, da mag ich mit dem Tod nichts zu tun haben, das sind jene Zeiten, in denen es unrund ist, in denen Dinge offen sind, die ich jedenfalls noch klären möchte. Und gerade dann fallen mir solche Ereignisse zu bzw. besonders auf. Aktuell befinde ich mich ja auch in einer solchen Phase, in der es für mich wichtig ist, zu entscheiden, wohin ich meine Aufmerksamkeit angesichts der Endlichkeit des Lebens richten möchte. Die beiden toten Tiere mahnten mich an diesem Morgen eindrücklich, diese Entscheidungen zeitnah zu treffen. Zudem war ich morgens aus einem Traum erwacht, in dem meine Familie und ich ohne die genauen Gründe zu kennen aus unserer Heimat abgeschoben werden sollten. Um wieder auf die Reihe zu kommen, schrieb ich auf der Zugfahrt in die Bundeshauptstadt an meinem Blog. In der Akademie, in der ich mich am Vormittag mit Elemetarpädagog*innen mit dem Thema Familie und Elternarbeit beschäftigen wollte, angekommen, war mir dann durchaus schon wieder wohler zu Mute. Für den Moment konnte ich ja einer sinnvollen Beschäftigung nachgehen und war dem häuslichen Stress entflohen. Pünktlich trat ich dann meine Rückreise in dem Bewusstsein an, dass mich zuhause jede Menge Aufgaben im Zusammenhang mit unserem Juhannus-Fest erwarteten. Das Wetter hatte sich eingetrübt, es regnete, also typisches finnisches Sonnwend-Wetter, zu kalt für das Fest, was allerdings zumindest bei den Finn*innen die Freude auf den Sommer verstärkte. Ich ließ mich davon nicht beeindrucken und machte mich sofort nach meiner Heimkehr an die Arbeit, Es galt den Griller anzuheizen, was ich diesmal mit selbstgemachter Holzkohle, so wie ich es in meinen Pfadfindertagen gelernt hatte, tat. Mein Jüngster hatte schon alles liebevoll vorbereitet, in unserer Hof-Einfahrt standen schon die Grillutensilien bereit, ebenso war der Esstisch bereits gedeckt, Ich konnte also umgehend an meinen Teil des Werkes gehen. Gleichzeitig mit dem Griller bereitete ich die Juhannus-Sauna vor, die an einem so frischen Tag wie diesem sicher ein Genuss werden würde. Grillen und Saunieren hatte ich noch nie nebeneinander betrieben, es war eine Premiere, die ich mit mich selbst überraschender Gelassenheit absolvierte. Zumindest bis zu jenem Moment, als ich meine Liebste fragte, ob sie Kartoffel und Kukuruz schon auf den Ofen gestellt hatte, was sie trotz ihrer Zusage aufgrund ihrer Aktivitäten vergessen hatte. Nun gut, gemeinsam schaffte wir auch diese Hürde und so konnten wir pünktlich nach der Sauna unser festliches Abendessen outdoor genießen. Die Würstel aus dem örtlichen Bioladen schmeckte ausgezeichnet, auch das Gemüse war hervorragend und die ganze Familie inklusive Kater Dario schmatzte. Zur musikalischen Untermalung unserer Festivität hatten wir YLE Radio Suomi über den Laptop laufen, was die Stimmung zusätzlich verbesserte. Während Sohn Nr. 1 und Nr. 3 nach dem Abendessen Brettspiele spielten, chillten meine Frau und ich, sie am roten Outdoorsofa und ich ihr gegenüber auf einem unserer Liegestühle. Wir plauderten, rauchten die eine oder andere Zigarette, tranken Bier und genossen, wegen der Kälte zugedeckt, unseren Abend. Nachdem sich der Älteste zurück gezogen hatte, machte unser Jüngster ein wenig DJ-Musik für uns, er erwartete voller Ungeduld den Sonnenuntergang um exakt 21:03, denn da wollte er jene Fackel anzünden, die er bei den Feierlichkeiten zum Jahreswechsel „am Berg“ geschenkt bekommen hatte. Aber auch damit gab er sich dann noch nicht zufrieden, hatte er doch herausgefunden, dass der Sommerbeginn heuer für 23:43 Uhr angekündigt war. So wurde es eine lange Nacht, die erst in den frühen Morgenstunden des Sonntags endete. Dieser Tag war dann weniger erfreulich, da es mit unserem Ältesten zu heftigen Diskussionen kam; es ging einmal mehr um Grundsätzliches, auch um seine Art und Weise wie er seit Jahr und Tag mit der Situation umzugehen pflegte, dass seine Eltern sich getrennt hatten und er nun in unserer Patchworkfamilie mit mir lebte. Sein grundsätzlicher Vorbehalt mir gegenüber, der von seinem Vater durch zahlreiche Aktionen (gegen mich) geschürt worden war und auch noch wird, ist für mich schwer zu ertragen. Seine Worte befeuerten meinen sehnlichen Wunsch nach einer Auszeit, der ja vor einer Woche sehr deutlich zum Vorschein gekommen war und mich veranlasst hatte, das eine oder andere in meinem Leben, ändern zu wollen. Nach einer langen Diskussion beim Mittagstisch verließ ich im strömenden Regen unser Zuhause, um mir Luft zu verschaffen. Ich spazierte durch das Dorf, auf dem Rückweg kam ich bei einer Birke vorbei und schnitt Zweige für unseren Juhannus-Buschen, den meine Liebste in Folge ihrer Arbeit am Tag davor nicht hatte vorbereiten können. Wieder zuhause entfernte ich das Exemplar vom Vorjahr und hängte den neuen wie immer über unserer Haustüre auf. Die mittägliche Diskussion mit Sohn Nr. 1 flammte nach dem Abendessen wieder auf, es war auch in diesem Moment hoffnungslos, seine Sichtweise auf seine Situation zurecht zu rücken und ihm zu verstehen zu geben, dass er diese auch als Bereicherung sehen konnte. So ging dieses Lebenswochenende mit Ärger und Knatsch und schlechten Gefühlen zu Ende. Karin Kiwus
Lösung Im Traum nicht einmal mehr suche ich mein verlorenes Paradies bei dir ich erfinde es besser allein für mich In Wirklichkeit will ich einfach nur leben mit dir so gut es geht. Johann Wolfgang von Goethe Erster Verlust Ach, wer bringt die schönen Tage, Jene Tage der ersten Liebe, Ach, wer bringt nur eine Stunde Jener holden Zeit zurück! Einsam nähr' ich meine Wunde, Und mit stets erneuter Klage Traur' ich um's verlorne Glück. Ach, wer bringt die schönen Tage, Jene holde Zeit zurück! Die Beschäftigung mit diesen beiden Liebesgedichten bereicherte den Beginn meines neuen Lebenstages. Die Teilnehmer*innen des von mir geleiteten Vorbereitungslehrganges für die Berufsreifeprüfung Deutsch, die ich diesmal wieder persönlich in der Volkshochschule vor mir hatte, ließen sich bereitwillig auf die vergleichende Interpretation der beiden Texte ein. Auch mich bewegten die Zeilen der beiden Dichter*innen, die rund zweihundert Jahre voneinander entfernt gelebt hatten. Auf diese Weise beschwingt schaffte ich die Radfahrt von Favoriten zum Westbahnhof trotz der späten Stunde und der lang gedehnten Steigung auf den letzten beiden Kilometern in einer knappen halben Stunde, womit ich mir noch ein Feierabendbier im Bahnhofsupermarkt kaufen konnte. Die Focaccia, die ich schon vorher erstanden hatte und eben jenes Bier versüßten mir die Zugfahrt, ich war ja mittlerweile schon geübt im „Nahrung-zu-mir-Nehmen“ mit Mund-Nasen-Schutz. Zuhause fiel ich recht schnell ins Bett und schon frühmorgens startete ich mit meinen Beiträgen zum wöchentlichen Putztag, den wir um einen Tag vorgezogen hatten, weil wir am Samstag gemeinsam mit den Finn*innen Juhannus, das Mittsommerfest zur Sommersonnenwende feiern wollten. Es ging diesmal nicht ganz ohne Hindernisse ab. Zuerst war eine Bescherung unseres Katers zu beseitigen, er hatte offenbar nachts einen Blumentopf vom Fenstersims gestoßen, dann waren meine Frau und ich uns uneins im Hinblick auf die Putzeinteilung, obwohl diese eigentlich am Kalender festgeschrieben war. Ich verbrachte dann mehr Zeit damit als mir lieb war, auch meine Liebste musste ihr Vormittagsprogramm letztlich canceln. Allgemeine Zufriedenheit sieht anders aus. In Ereignissen wie diesen zeigen sich die Auswirkungen der jahrelangen Anspannung im Hinblick auf unser Familienleben, leider. Wir müssen weiter lernen, den Fokus nach innen zu richten und uns nicht ständig von außen in die Suppe spucken zu lassen; hier sind wir immer noch viel zu oft willfährige Diener*innen jener Menschen, die uns das Leben schwer machen wollen. Auf dem Weg zum Bioladen verlor mein Rad auch noch alle Luft aus dem Hinterreifen. Ich musste es die rund 2 Kilometer voll beladen mit den Köstlichkeiten für unser Festessen am kommenden Tag nachhause schieben. Überraschenderweise blieb ich sehr, sehr gelassen, plante währenddessen sogar die Überführung des Rads zu meinem Fahrradmechaniker in der Hauptstadt für kommende Woche und wusste, dass ich in der Zwischenzeit für die örtlichen Wege das Fahrrad unseres Ältesten benützen konnte, also alles halb so wild. Danach, diesmal schon mitten am Nachmittag, war Feierabend, was angesichts des herausfordernden kommenden Tages schier angebracht war. Meine Liebste und ich planten den Ablauf, ich war ja von frühmorgens bis nachmittags in der Hauptstadt als Workshopleiter für Elementarpädagog*innen engagiert worden, danach plante ich den Grill und die Sauna anzuwerfen, um dem Juhannus-Tag sein wahres Gesicht zu verleihen. Meine Frau war damit beauftragt, die Birkenzweige für Vasta und unser Haus zu organisieren. Für mich war gleich beim Kennenlernen dieses finnischen Rituals der Bezug zu unserem Fronleichnamsfest, bei dem ja auch Birken den Weg der Prozession begleiten, aufgefallen, was sicher kein Zufall ist. Den frühen Feierabend verbrachte ich beim Chillen im Garten, auch Kater Dario genoss diese Ruhe vor dem Sturm. Der neue Lebenstag begann mit dem italienischen Cupfinale zwischen Juventus Turin und SSC Neapel, ein durchaus spannendes Spiel, das nach einem 0:0 in der regulären Spielzeit in ein Elfmeterschießen ging. In diesem hielt Napolis Ersatztormann (der die Nr. 1 Ospina aufgrund einer Gelbsperre vertreten hatte) gleich den ersten Elfer von Superstar Dybala hielt. Auch den zweiten Elfer vergaben die Turiner und so gelang den Neapolitanern mit einem 4:2 der erste in dieser Saison vergebene Titel. Die Feiern in der süditalienischen Stadt waren laut Presse überbordend und leider auch jenseits jeglicher derzeit in Europa und speziell in Italien geltenden Verhaltensvorschriften.
Ich kam zu spät ins Bett, ich musste zu früh aufstehen, da ich schon um 9 Uhr in der Hauptstadt meine alle 14 Tage stattfindende Supervisionsstunde gebucht hatte. Die Zugfahrt unter „Masken-Bedingungen“ verlief problemlos, ich hätte nie gedacht, dass ich mich an diese Notwendigkeit gewöhnen würde. Ich nutzte das Schaukeln des Zuges, um genüsslich zu dösen, vor mich hin zu träumen und zu checken, was mich ausmacht. Zwei große Gedanken setzten sich dabei fest: zum einen galt es nun endlich die Idee des Rechts auf Bildung und der Bildungsräume umzusetzen, damit es für jene jungen Menschen, denen Schule und Schulsystem nicht entsprechen endlich auch einen legalen, „geraden“ Bildungsweg gehen könnten; zum anderen war es dringend notwendig eine Bewegung ins Leben zu rufen, die sich für Bildung, Umwelt und ein solides soziales Fundament für jeden Menschen stark machte. Beim Nachsinnen traf ich abermals auf meinen Schmerzpunkt, jener Wunde, die ich seit meiner Kindertagen herumtrage und die immer noch schmerzt. Mir fiel ein Zitat aus einem Rosa Roth-Krimi ein (diese Krimis begannen immer mit eine Zitat), das so lautete: „Der Regen fällt nicht mehr zurück nach oben. Wenn die Wunde nicht mehr schmerzt, schmerzt die Narbe.“ Wie wichtig war es, sich diesem Schmerz mit Haut und Haaren zu stellen und ihn nicht ständig weg zu rationalisieren. In der Supervision hatte ich wesentliche Erkenntnisse, ich konnte auch das eine oder andere betrauern und fühlte mich nachher um Wesentliches leichter. So fuhr ich mit meinem Wiener Rad im Regen zum vereinbarten Treffen mit meinem ältesten Freund. Das ursprünglich von uns ins Auge gefasste Lokal hatte geschlossen, auch eine zweite Möglichkeit konnte deswegen nicht genutzt werden. So nahmen wir mit dem vorlieb, was die Gegend bot und zogen uns in die dunkle Ecke eines Segafredo-Cafés zurück. Dort plauderten wir eine Stunde lang über Gott und die Welt, ich zog mir noch eine Bruschetta mit Tomaten und Mozzarella rein, damit ich den Nachmittag mit knapp 40 Präsentationen für Berufsorientierung und den abendlichen Präsenztermin mit meiner Berufsreifegruppe in Deutsch gut überstehen würde. Die Radfahrt vom Westbahnhof über‘s Wiental in die Höhen von Favoriten bei schwül-feuchten Wetter hatte zur Folge, dass ich von innen her nassgeschwitzt nach einer knappen halben an meinem Ziel anlangte. Die Präsentationen gestalteten sich äußert zäh und langwierig, man merkte, dass die Teilnehmenden durch die Situation der letzten Wochen vornehmlich Online-Unterricht gehabt hatten und nicht alle mit dieser Situation klar gekommen waren. Drei Teilnehmer*innen mussten wir daher trotz aller Bemühungen auch negativ bewerten. Aufgrund dieser überlangen Darstellungen kam ich erst mit einer halben Stunde Verspätung zu meinen Kandidat*innen für die Deutsch-Matura. Wir hatten dann aber eine intensive und bewegende Zeit, wir widmeten uns der Interpretation von zwei lyrischen Texten, die uns sehr tief in die Reflexion von Liebe führten. Auf der Fahrt in die Hauptstadt sitze ich im Zug, höre Stefanie Wergers „Zügellos und frei“ und blicke zurück auf eine Woche, die sich wie ein Jahr anfühlt. Voll mit Ereignissen, vor allem im Inneren, hat sie mich zu meinem Schmerz gebracht, der mein Leben mehr bestimmt als mir lieb ist. Und dennoch – so weiß ich – ist dies der Weg, um tatsächlich frei zu sein. Das Reflektieren und „Behirnen“ ist letztlich auch nicht mehr als ein Davonlaufen und Schmerzvermeidung. Aber der Reihe nach.
Am Abend des Tages, an dem mein Jüngster seine Externistenprüfung so erfolgreich bestanden hatte, ging es noch zu einer Besprechung des Vorstandes unseres Dorf-Fußballklubs. Die Unsicherheit bezüglich der Zunkunft des Amateurfußballs hatte sich noch nicht gelegt, dennoch war es gelungen, fast alle Spieler zu halten und für die zwei Abgänge gute Nachbesetzungen zu finden. Der nächste Vormittag führte meinen Jüngsten und mich endlich wieder in die Stadtbücherei, es war einfach herrlich in den Regalen mit Büchern, CDs, Kassetten und DVDs zu „baden“ und eine gehörige Portion davon mit nachhause nehmen zu können. Beim Mittagsschlaf auf dem roten Outdoorsofa wich Kater Dario nicht von meiner Seite. Er schnurrte mich in einen angenehmen Powernap, aus dem ich erholt erwachte. Nachmittags dann kam Bewegung in die Dach-Geschichte. Unsere Vermieterin begutachtete die Situation gemeinsam mit ihrem Gatten, es wurde vereinbart, dass innerhalb von drei Wochen mit der Sanierung von Dachstuhl und Dach begonnen werden sollte. Der Donnerstag-Feiertag war dann zum zweiten Mal innerhalb von zwei Wochen dem Hendlgrillen beim örtlichen Fußballverein gewidmet. Wieder hatten jede Menge Menschen das Angebot angenommen. In Begleitung meines Jüngsten managte ich die Getränkeausgabe, am Ende wurden wir mit einem halben Grillhuhn belohnt, das wir uns teilten. Es schmeckte ob seiner Würzung vorzüglich, obwohl ich zugeben muss, dass ich eigentlich gar keine Lust drauf hatte, diesen Vogel aus Massentierhaltung zu mir zu nehmen. Abends fiel ich nach dem zweiten Teil des Amsterdam-Krimis auf ARD erschöpft schon um zehn ins Bett, ich erwachte morgens dafür schon sehr früh. Um sechs war ich bereits im Garten, um den Sonnenaufgang zu genießen. Kater Dario hatte sich zu mir gesellt und begehrte, auf den Arm genommen und gekuschelt zu werden – ein sehr harmonischer Morgen. Kurze Zeit später erklomm der Kater hinter meinem Rücken den alten und weit verzweigten Weinstock, um es sich am im ersten Stock der Nachbarwohnung befindlichen Fensterbrett bequem zu machen, er wollte den von ihm so geschätzten Vögeln näher kommen, wie wohl er schon mehrmals erfahren hatte, dass wir da ganz anderer Meinung waren. In den Wochen seines Hierseins und Aufwachsens hatte er beeindruckende Kletterkünste entwickelt. Angesichts der beim Nachbarn immer gekippten Fenster, überlegte ich mir eine Maßnahme, die das Erklimmen des Weinstockes erschweren bzw. verunmöglichen sollten. Noch vor dem Frühstück brachte ich auf halber Höhe ein Gitter an, so dass unser Kater nur noch bis unterhalb der Fensterbank klettern konnte. Neugierig wie er nun einmal ist, versuchte er kurze Zeit später sein Glück und musste trotz zahlreicher Versuche, die Barriere zu überwinden, erkennen, dass es nicht möglich war, zur Fensterbank im Obergeschoss vorzudringen. Für mich waren diese Minuten, in denen ich ihn nicht aus den Augen ließ, auch der beste Beweis, dass meine Maßnahmen die gewünschte Wirkung erzielten. Erschöpft von seinen Bemühungen ruhte er sich noch kurz am Weinstock aus, ehe er rücklings wieder abwärts kletterte. Am Nachmittag war ich zu meiner jüngeren Tochter in ihr Domizil eingeladen, ich hatte angeboten, die Rechtschreibung jener Texte, die sie für ihre neue Homepage geschrieben hatte, durchzugehen und dabei auch gleich ihr Haus im Weinviertel zu bestaunen. Mein Jüngster wollte sich diese Chance nicht entgehen lassen, seine Halbschwester wieder zu sehen und das Pool im Garten kennen zu lernen, das er im Sommer dann schwimmend zu erkunden gedachte. Die Strecke, die mit dem Auto in 45 Minuten zu bewältige war, kostete uns mit den Öffis rund 2 Stunden, auch weil wir in Stockerau 45 Minuten auf den Busanschluss warten mussten. Die Wartezeit nutzte mein Sohn dafür, sein Taschengeld im örtlichen Supermarkt auszugeben. Im Bus waren wir die einzigen Fahrgäste, worauf sich mir wieder die Frage stellte, ob es keinen Bedarf gäbe oder ob es aufgrund des zu geringen Angebots alle Anwohner ein eigenes Auto oder eine PKW-Mitfahrgelegenheit nutzten. Das wird sicher auch die größte Herausforderung eines zukünftigen Pushens der öffentlichen Verkehrs (wie etwa durch das geplante 1,2,3-Ticket) sein, Angebot und Infrastruktur so aufzustellen, dass sie von möglichst vielen Menschen genutzt werden können. Während meine Tochter und ich uns intensiv in ihre Homepage und das eine oder andere Gespräch über unsere Leben vertieften, saß mein Sohn auf der Terrasse ihres Hauses und nutzte die Zeit, seine vom Taschengeld angeschafften Neuerwerbungen zu lesen bzw. auszuprobieren. Dann gab er sich noch das eine oder andere Filmchen am Handy. Zuletzt aßen wir noch Kuchen, bewunderten die beiden Kater meiner Tochter und wurden nochmals für den Sommer zum Schwimmen für den dann gefüllten Pool eingeladen. Wir versprachen wiederzukommen und das in erweiterter Familienbesetzung. Unser Abendessen nahmen wir dann während der erneuten Wartezeit in Stockerau ein. Wir kamen gerade rechtzeitig heim, um das Freitagsspiel der Deutschen Bundesliga anschauen zu können. Danach fielen wir erschöpft in unsere Betten. Der darauffolgende Samstag diente dem Putzen und den wöchentlichen Großeinkäufen. Nachmittags stand das erneut Fußball, diesmal die österr. Bundesliga am Programm. Bei mir und meinem Jüngsten bemerkte ich leichte Verschleißerscheinungen wegen des vor kurzem zu Ende gegangenen Prüfungsstresses. Es lag eine gewisse gereizte Stimmung in der Luft und ich verspürte den Anflug einer Erschöpfungsdepression, die sich meiner schon öfter in meinem Leben – und zwar immer nach dem erfolgreichen Abschluss einer länger andauernden Aufgabe – bemächtigt hatte. Ich fühlte mich damit gar nicht wohl, waren doch in den nächsten Tagen und Wochen noch andere Herausforderungen zu bewältigen, die jede Menge Kraft brauchten. Für einen Hänger oder eine Pause schien jetzt wirklich keine Zeit zu sein. Am nächsten Tag dann, einem Sonntag, eskalierte die Angelegenheit insofern, als mein Jüngster beim gemeinsamen Schauen des Bundesligamatches zwischen WAC und Rapid (dessen Fan er ist) wegen der schlechten Leistung seines Lieblingsklubs bei einer weiteren vergebenen Chance die Nerven verlor und einen leeren Weinkarton, den ich für unseren Kater zum Spielen auf dem Boden platziert hatte, auf Kater Dario kickte. Daraufhin schickte ich ihn in sein Zimmer zur Beruhigung, genervter und schärfer als üblich. Im darauf folgenden Konflikt, den auch das 2:1 für Rapid nicht entschärfte, fühlte ich mich überfordert. Ich verspürte mit einem Mal den innigen Wunsch nach einer Auszeit, nach einer Zeit, die mir ermöglichte, das zu tun, worauf ich Lust hatte und nicht von einer Verpflichtung in die nächste zu torkeln. Dieses Bedürfnis äußerte ich auch gegenüber meine Frau heftig und mit Nachdruck – und stieß sie damit völlig vor den Kopf. Eine Lösung schien noch weiter entfernt als kurz vorher, zumal mir im Streitgespräch mit ihr einfach alles einfiel, was mir nicht passte. Da auf diese Weise keine Lösung zu erreichen war, nahm ich mir eine Auszeit und fuhr mit dem Fahrrad zum Heurigen, um – wie geplant – Traubensaft zu kaufen. Dort traf ich auf Bekannte, einer von ihnen lud mich auf einen G‘spritzten ein. Auf mehr hatte ich aber absolut keine Lust. Ich plauderte Belangloses, kippte den Spritzwein schnellstmöglich runter, zahlte den Traubensaft und dampfte wieder ab. Die Nacht verlief denkbar schlecht, die Spannung schnürte mir den Atem, mein Gefühl des „Einfach-Raus“ wurde stärker und stärker. Ich nahm mir also den nächsten Vormittag frei, schlief lang, frühstückte nicht, bestellte bei meiner Frau das gemeinsame Mittagessen ab und setzte mich auf mein Fahrrad. Ziellos fuhr ich los, um schließlich im Großmarkt und im Einkaufszentrum der Bezirkshauptstadt zu landen. Beim ersten kaufte ich im Angebot 5 Kilogramm einheimischer Erdbeeren und Gelierzucker, weil ich Lust hatte, die Jahresration an Erdbeermarmelade herzustellen. Im anderen erwarb ich Zigarettentabak, eine Vakuum-Tabakdose und einen Stein, der mit Wasser getränkt und zum Tabak gelegt, diesen feucht halten sollte, da ich ja – wie schon geschrieben – Genussraucher bin. Für meinen Jüngsten erwarb ich drei Hefte, die ihm dabei helfen sollten, seinen Vorsatz das Schönschreiben zum schulischen Jahresthema zu machen, gut umsetzen zu können. Ich kaufte mir auch noch einen kleinen Mittagsimbiss und einen Sommerhut. Es tat so gut, sich dem zu widmen, was mir wichtig war. Auf der Heimfahrt konnte der Gepäckträger meine Fahrrads das ihm auferlegte Gewicht der Einkaufstasche nicht halten und ließ bei einer Bodenwelle alles auf die Erde plumpsen. Ich klaubte Erdbeeren und die anderen Einkäufe die bunt gemischt auf der Straße lagen geduldig wieder auf und legte den weiteren Weg zu Fuß und mein Fahrrad schiebend zurück. Zuhause angekommen machte ich mich umgehend ans Marmelademachen und zwei Stunden später war alles in die dafür vorbereiteten Gläser gefüllt. Und weiter ging‘s zum Fußballtraining, das ich lieber ausfallen hätte lassen, was ich aber aus Pflichtgefühl nicht tat. Die Stimmung zwischen meinem Jüngsten und mir war noch angespannt, während des Trainings aber lockerte sich diese zusehends und wir fuhren guter Laune nachhause. Abends hatte ich dann noch die Jugendtrainerbesprechung im Fußballverein, der ich abwesender als sonst beiwohnte, weil ich mich immer noch nach Ruhe und Eigenzeit sehnte. Die nahm ich mir dann danach, in dem ich bis spätnachts Teil 3 und 4 des ZDF-Mehrteilers Mirage anschaute. Müde und erschöpft machte ich mich am nächsten Tag an die Gestaltung der letzten Ausgabe meiner Sendereihe „Nie-mehr-Schule“ auf Radio Orange. Die mehr als fünf Jahre, in denen ich dieses Magazin für alle, die Bildung verändern wollen, gestaltet hatte, haben mich in eine neue Bewusstseinsstufe bezüglich Bildung von (jungen) Menschen gebracht, Ich hatte viele Menschen kennenlernen dürfen, die mir einen neuen, differenzierten Blick auf das Thema geschenkt hatten und die mir letztlich jenen Impuls gegeben haben, der nun zum Ende meiner Radioshow führten. Ich will von nun an selber anpacken und nicht bloß darüber berichten. Dazu ein anderes Mal mehr. Für den Abend war ich zum jährlichen Open Space im Radio angemeldet, sagte aber aufgrund meiner aktuellen Situation und des dringenden Bedürfnisses nach Zeit mit mir selbst dann – schweren Herzens zwar – ab. Zudem hatte meine Frau den nächsten politischen Termin, nämlich Gemeindevorstandssitzung und unsere Jungs waren noch keineswegs auf diese Herausforderung, sich nämlich öfter mal selbst zu versorgen, vorbereitet. Auch das musste sich dringend ändern. Der Abend war dann doch eher wieder Sohn Nr. 3 gewidmet als mir selbst, aber auch er war durch die Ereignisse vom vergangenen Sonntag noch unrund. Angesichts eines am nächsten Tag bevorstehenden Zahnarzttermins schlief ich unruhig. Eine mir erst vor wenigen Wochen „verabreichte“ Plombe hatte sich vor wenigen Tagen in mehreren Etappen verabschiedet. Ich machte mir schlimme Gedanken, musste der Zahn womöglich wurzelbehandelt oder vielleicht sogar ganz entfernt werden? Nach dem Erwachen fühlte ich mich gerädert, machte mich nach einem kleinen Frühstück sorgenvoll auf den Weg zu meiner Zahndoktorin, die ich trotz ihrer Jugend bislang als äußerst kompetent erlebt hatte, im Gesundheitszentrum der Bezirkshauptstadt. Ich kam pünktlich an die Reihe, sagte ihr, wo der Schuh drückt und innerhalb von sieben Minuten war ich „geheilt“ wieder entlassen, so dass ich am Bahnhof den direkten Retourzug erreichte und die Meinen damit überraschte, dass ich eine Stunde früher als geplant zuhause war. Nachmittags dann ein weiteres Training mit meinem U9-Fußballteam, glücklicherweise war mein Co-Trainer anwesend und so konnte ich der stressigen Situation entkommen, dass ich gleich nach Trainingsende einen Onlinekurs zu geben hatte, den zweiten Teil meines Sprachförderungsworkshops für elementarpädagogische Fachkräfte, der kurz nach dem Shutdown hätte stattfinden sollen und der dann abgesagt bzw. verschoben wurde. Es war eine wunderbare Zusammenarbeit mit diesem fußballerfahrenen Mann, der sich einerseits sehr gut auf mich, andererseits ebenso gut auf die Jungs einstellen kann. So konnte ich ihm beruhigt die letzte Trainingsviertelstunde alleine überlassen und rechtzeitig zum Onlinemeeting zuhause am Laptop sitzen. Die Woche ging trotz ihrer Fülle wie im Wirbelwind vorbei – und der geplante Rückzug zu mir selbst fand einmal mehr nicht statt. Dennoch ließ sich der Schmerz meiner Ur-Wunde – wie ich sie nenne – nicht länger unterdrücken, er schwappte in verschiedenen Momenten, die ich hier nicht näher beschrieben habe, immer wieder hoch. Nur in der direkten Konfrontation mit ihm, liegt die Chance auf seine Heilung - oder sagen wir besser Integration. Mal sehen. Der Abend am Beginn dieses neuen Lebenstages war wegen meines wieder aufgeflammten Widerstands gegen das Schulsystem weiterhin angespannt. Ich widmete mich den Vorbereitungen für unsere zweistündige Reise zur Prüfungsschule, das von mir ins Auge gefasste Taxiunternehmen, hatte sich trotz mehrerer Versuche nicht zurückgemeldet, damit stand uns nach der Bahnfahrt auch noch eine zweieinhalb Kilometer lange Wanderung – noch dazu bergauf – bevor. Früh ging ich zu Bett, selbst mein Junior war zu diesem Zeitpunkt noch nicht in den Schlaf gesunken, was mir zwar Sorgen wegen seiner Fitness für die Prüfung machte, andererseits wusste ich, dass jede Intervention kontraproduktiv wäre und die Lage verschärfen würde.
Um 6.15 Uhr holte ich ihn aus den Federn, ich selbst war gegen vier Uhr das erste Mal wach und bereitete ab 6 Uhr Frühstück und Jause zu. Knapp vor sieben machten wir uns auf den Weg zum Bahnhof, stiegen auf der Fahrt drei Mal um und landeten gegen Viertel nach neun bei unserer Endstation. Der Fußweg bergauf ging trotz Muskelkaters bei meinem Jüngsten, der vom Fußballtraining am Vortag herrührte, in der geplanten Zeit von statten, er freute sich schon auf den Spielplatz nach der Prüfung, hatte dafür extra seinen Fußball eingepackt. Das Schulgebäude empfing mich trotz seines sprechenden Namens „Farbengarten“ mit all seiner Schwere, auch mein Sohn wirkte nun erstmals ein wenig angespannt. Und kurze Zeit später verschluckte ihn schon jener Raum, in dem er sich mit fünf anderen Kindern seiner Prüfung zu unterziehen hatte. Ich nahm am Sofa in der Aula Platz, klappte meinen Laptop auf und begann an diesem Blog zu schreiben. Eine knappe Stunde später hatte ich den gestrigen Tag und die Stunden des heutigen Tages beschrieben – und nun begann das bange Warte auf sein Prüfungsergebnis. Eine halbe Stunde später kam mein Sohn in Begleitung der prüfenden Lehrerin als letzter der 5 Kandidat*innen aus dem Prüfungszimmer, „geschafft“ wie sie konstatierte – und zwar im Sinne eines positiven Ergebnisses, Nun wurden wir zur Direktorin gebeten, die mit uns die Prüfungsergebnisse durchsprach. Es war eine beeindruckende Leistung, die mein Filius da fabriziert hatte, daher bekam er auch gute Noten, nämlich eine 2 in Mathematik und jeweils eine 1 in den anderen Prüfungsgegenständen. Mir war nach Jubelschrei, mein Jüngster nahm es gelassen zur Kenntnis und fragte mich, ob er nicht schon auf den Spielplatz vorausgehen könne, da ein anderer Prüfling auf ihn warte. Ich gab natürlich mein OK. Eine knappe halbe Stunde später holte ich ihn mit seinem Zeugnis im Rucksack am Spielplatz ab. Es hatte inzwischen zu regnen begonnen, das hielt uns aber nicht davon ab, noch eine Runde Fußball zu spielen, denn darauf waren wir zum ersten Mal in all den Jahren vorbereitet, der Ball war mitgekommen. Nach 15 Minuten waren wir innen und außen nass, ich schlug vor, dass wir uns beim örtlichen Greißler ein Getränk und Süßes kauften und dann an einem regengeschützten Ort (ich hatte nächst dem Spielplatz einen Pavillon entdeckt) unsere mitgebrachte Mittagsjause verzehrten. Junior Nr. 3 stimmte zu, ich kaufte Bier, er Limo und Gummizeug sowie 3 Packungen Mannerschnitten. Kurz darauf saßen wir im besagten Pavillon, der Regen hatte stark zugenommen, es schüttete wie mit Schaffeln. Also befragte ich mein Handy, wann der nächste Bus zum Bahnhof führe. Ich bakm die Auskunft, dass dies bereits in 10 Minuten so weit sei. Wir packten unser Picknick wieder ein und gingen zur Bushaltestelle. Mit einiger Verspätung traf er ein, wir waren noch ein wenig nässer geworden. An der Bahnstation hatten wir noch mehr als eine halbe Stunde bis zur Abfahrt unseres Zuges Zeit, also setzten wir in der dortigen Wartehütte unseren Imbiss fort. Auf der Heimfahrt erlaubte ich meinem Sohn auf meinem Handy Tom Turbo zu schauen, ich gönnte mir Musik, Musik, Musik … Zuhause angekommen machte sich mein Jüngster sofort an sein nächstes Projekt, er baute in seinem Zimmer ein Studio für seine TV-Sendung (auf „TAZN-TV“) „Die Nussballshow“ und nahm mit seinem Handy sofort ein paar Probeclips auf, die allesamt herrlich anzuschauen sind. Dann machte er noch ein Match mit sich selbst im Garten, dass er ebenfalls mit seinem Handy filmte. Da ich abends noch einen Besprechungstermin in unserem Dorf-Fußballclub hatte, wärmte ich mir jene Portion des von meiner Liebsten zubereiteten Mittagessens, das sie für mich aufbewahrt hatte. Um 18 Uhr war ich schon zurück in meinem Alltagsleben und im Büro unserer Fußballarena, um einer Vorstandssitzung beizuwohnen. Eine bedrückende Tatort-Episode aus Köln, viel Schweigen, jede Menge vielsagender Blicke, Mimik zählt - und die Story entwickelt sich entlang des Unausgesprochenen, also quasi zwischen den Zeilen. Mir ist die Sache eigentlich zu steil, aber ich will es wissen. Und das Ende macht mich noch betroffener als die vorhergegangenen 85 Minuten des Streifens. Wenn ein junger Mensch einen jungen Menschen so einfach aus dem Nichts mit dem Skateboard erschlägt und dessen Eltern gemeinsam mit ihm die Leiche des Jungen im Fluss entsorgen, dann muss einem einfach der Atem stocken und die Spucke wegbleiben. Zuletzt wurde auch noch das Thema „angemessene Bestrafung“ angesprochen, der noch nicht strafmündige Bub, aber auch seine Eltern kamen gemäß deutscher Gesetzeslage straffrei davon.
In diesem Zusammenhang stellt sich für mich immer die Frage, ob es eine angemessene Bestrafung geben kann – oder was den eigentlich einer einer solchen Tat angemessene Konsequenz wäre. Gefängnisse halte ich für eher ungeeignet, wie wohl ich anerkenne, dass manche Täter nicht gesellschaftsfähig sind und daher einen Platz außerhalb der Gemeinschaft brauchen. Re-Sozialisierung ist ein großes Wort, das auch schon heute seinen Platz im Strafvollzug hat, doch viel zu oft nicht mit dem nötigen Erfolg. Dieser kann aber unter Bedingungen, die in Haft- und Strafanstalten dieser Tage herrschen, auch nur eher zufällig eintreten, in den meisten Fällen bedeutet Haft eher eine weitere De-Sozialisierung. Eine weitere Frage, auf die ich noch keine Antwort habe, ist jene, ob eine Tat durch eine Verurteilung und eine darauffolgende Strafe an den Betroffenen oder dessen Angehörigen wieder gut gemacht werden kann. Zum einen gibt es für mich Taten, die nicht wieder gut gemacht werden können, etwa ein Mord, zum anderen gibt es sehr wohl Möglichkeiten der Wiedergutmachung, die aber durch eine Gefängnisstrafe auch verhindert werden, etwa bei Vermögensdelikten. Wie schon gesagt, eine schwierige Frage, auf die ich keine eindeutige Antwort habe, aber eine Tendenz, nämlich jene der Menschlichkeit und der daraus resultierenden Notwendigkeiten. Auch nachts kam ich nicht zur Ruhe. Die bedrohliche Stimmung des Krimis legte sich über meinen Nachtschlaf und in meine Träume. Morgens wachte ich voller Panik auf, auch die kurz bevorstehende Externistenprüfung unseres Jüngsten machte mir zu schaffen. Was wäre, wenn er sie nicht bestünde und im Herbst das Schuljahr in einer Schule wiederholen müsste? Mir schien so manches plötzlich vollkommen sinnlos, ich sehnte mich nach Leben, nach wahren Leben, in dem es darauf ankommt, dem eigenen Weg folgen zu können, zum Wohl für einen selbst und die Gemeinschaft, in der man lebt. Die Schule, das Dogma der Erwerbsarbeit als Grundlage jeglicher Existenzberechtigung, das herrschende Wirtschafts- und Gesellschaftssystem schienen mir in diesem Moment das genaue Gegenteil von Menschlichkeit. So in Gedanken versunken und durch sie auch körperlich verkrampft, machte ich, als ich das Toastbrot aus der Brotbox holte, eine kleine falsche Bewegung, die mein Kreuz plötzlich blockierte. Mein fünfter Lendenwirbel zeigte mir einmal mehr die sich aus meinen oft so angstvollen Gedanken herausbildende Verkrampfung, die mich in manchen Phasen am wahren Leben hindert. Ein Weckruf. Zuerst aber musste ich meinem Körper die nötige Unterstützung bieten, bevor ich mich der Gedankenwende widmen konnte. Ich hatte für diesen Fall glücklicherweise schon eine Strategie parat, die Massage der entsprechenden Akupressurpunkte machte dem Schlimmsten schnell ein Ende, die körperlich Bewegungsfähigkeit war letztlich nur ein wenig eingeschränkt – und mein Kreuz fühlte sich so an, als hätte es einen kräftigen Muskelkater. Das Paradoxon dieser Situation ist immer die nötige Lockerheit im und die notwendige Bewegung des betroffenen Bereiches, obwohl du dich in diesem Moment genau davor fürchtest, weil du meinst, jede weitere Bewegung würde alles noch schlimmer machen. Mit den Gedanken ging es leider nicht so leicht, denn die Stärke derselben ist enorm. Ich wünschte mir, ich könnte diese Kraft für das positive Denken aufwenden, dann könnte ich – biblisch gesprochen – den einen oder anderen Berg versetzen, ohne mich zu verheben. Allein mir fehlt immer wieder der Glaube. Nach dem Frühstück gab es noch eine letzte Wiederholungsrunde mit meinem Sohn für seine am nächsten Tag angesetzte Jahresprüfung. Ich war merklich angespannt, was ihm nicht behagte, dementsprechend bockig verhielt er sich, was mich zusätzlich nervte. Zur Entspannung widmete ich mich dem Kochen und dem weiteren Schreiben meines Blogs. Die Mittagspause ließ ich ausfallen, weil ich auch noch das Kinderfußballtraining vorbereiten wollte, obwohl das Wetter auch diesmal, wenn schon nicht Gewitter, so doch Regen erwarten ließ. Um 15.15 machte ich mich auf den Weg zum Sportplatz, mein neuer Co-Trainer kam im selben Moment wie ich an, er war mit einem Steyr Waffenrad angereist, was ihn mir noch sympathischer machte. Wir harmonierten von Anfang an gut – und das entspannte mich zum ersten Mal an diesem Tag, er wusste unausgesprochen um das, was ich wollte, und auch ich unterstützte seine Initiativen gerne. Die beiden 45-Minuten-Trainings vergingen wie im Flug – und nach dem Wegräumen der Trainingsutensilien blieb ich mit meinem Jüngsten noch, um den zweiten Teil des U14-Trainings, an dem unser Mittlerer teilnahm, zu beobachten. Pünktlich zum Abendessen waren wir zuhause – und ich genoss die Entspannung, in die sich aber allmählich wieder die Anspannung vor dem Schulbesuch mit Sohn Nr. 3 am nächsten Tag mischte. Zu oft hatte ich – trotz aller Reflexion und auch positiver Erlebnisse – die Schule als einen Ort struktureller Gewalt erlebt, als Schüler, als Lehrer, als Vater und auch als Mensch, der Pädagog*innen bei ihrer beruflichen Tätigkeit begleitet. Auch meine vor mehr als 5 Jahren ins Leben gerufene Sendung im freien Wiener Radio Orange hatte mir diese Tatsache trotz aller vorbildlichen Beispiele, die ich dokumentieren und präsentieren konnte, jedes Mal von Neuem bewusst gemacht. Ich versuchte, meine Gedanken zu bändigen, erfolglos wie ich einmal mehr erkennen musste, denn - wie ich schon lange wissen sollte - ließen sie sich bestenfalls loslassen. Aber da war ich bei einer weiteren Problemzone meiner Existenz angekommen, nämlich eben dem Loslassen. Krimi-Time zu Beginn des neuen Lebenstages, diesmal schaute ich einen Amsterdam-Krimi mit Hannes Jaennike in der Rolle eines ausrangierten deutschen Kommissars, der sich dank seiner Kolleg*innen in den Niederladen in der titelgebenden Stadt wieder aktiv einbringen darf. Der Plot war spannend, die Inszenierung temporeich, ein gelungener Auftakt in den letzten Werktag der Woche, der von mir ein Aufstehen um 5.30 h verlangte. Es ging so wie eine Woche zuvor in die Brigittenau, um die Teilnehmenden des Pflichtschulabschlusslehrganges an der dortigen Volkshochschule auf ihre Kompetenz in Berufsorientierung zu überprüfen; eine durchaus herausfordernde Aufgabe, waren bei diesem Termin einige sehr schlecht vorbereitete Prüflinge anwesend. Einer von ihnen schaffte keine positive Bewertung.
Da einige angemeldete Teilnehmer*innen nicht erschienen, konnte ich mich schon um 12.45 Uhr wieder auf den Heimweg machen. Mit bereits 14 Radkilometern in den Beinen trat ich auf meinem Zweitrad die Fahrt zum Westbahnhof an. Der schwere Rucksack hängte sich zusätzlich an den Rücken, am Gürtel kam ich in eine Rotphase nach der anderen, zudem zog sich die gesamte Strecke meist leicht bergauf. Erst zwei Minuten vor Abfahrt meines Zuges versperrte ich mein Fahrrad vor dem Bahnhof, den Zug erreichte ich nur deswegen, weil jemand die letzte Tür für einen Freund blockierte, der mit mir auf gleicher Höhe zum Einstieg eilte. Platt wie eine Flunder fiel ich in meinen Sitz, schnaufte einige Minuten durch und dampfte noch ein wenig länger aus. Die Fahrt über döste ich vor mich hin, da auch die vergangene Nacht zu kurz geraten war und ihren Tribut forderte. Zuhause angekommen ging es gleich weiter mit der Arbeit. Zuerst stellte ich mit meinem Jüngsten sein Portfolio für die am kommenden Dienstag bevorstehende Prüfung fertig, dann fuhren wir zum Supermarkt, um die nächste Bierration einzukaufen. Vor dem Markt schaute mein Jüngster auf ein Plakat, das ein Angebot für Biowürstchen anpries. Er dachte sofort an den vereinbarten Grillevent bei Bekannten am nächsten Sonntag und meinte, dass die dortige Hausherrin sicher diese Würstel kaufen würde. Beim Kühlregal fanden wir sie tatsächlich, genau jene Wurstwaren in ihren Einkaufswagen füllen. Als wir ihr von der Intuition von Sohn Nr. 3 erzählten, mussten wir alle herzlich lachen. Abends dann noch ein kurzer Abstecher zum neuen Bioladen – und damit konnte das echte Wochenende endlich beginnen. Weiter ging‘s mit dem Freitagspiel der Deutschen Bundesliga zwischen Freiburg und Mönchengladbach, das der Underdog nach einem durchaus sehenswerten Match überraschend gewann. Am Samstagvormittag stand der nächste Putztag am Plan, diesmal hatte ich mit WC und Schlafzimmer eine ziemlich leichte Aufgabe. Die eingesparte Zeit nutzte ich, um beim neuen Ab-Hof-Verkauf Eier einzukaufen, ich musste aber unverrichteter Dinge weiterziehen, da weder Eier noch die Hausherrn da waren. Ehe ich weiter fuhr, nahm ich noch drei vertrocknete Erdbeerpflanzen in meiner Fahrradtasche mit, die dafür zu berappenden 4,50 Euro werde ich bei nächster Gelegenheit begleichen, da ich nur einen Zehner einstecken hatte. Die Eier bekam ich dann beim Greißler. Zuhause hatte ich frühmorgens bereits Erdäpfel (aus dem Bioladen) auf unserem Küchenofen aufgesetzt, ich wollte einen Mühlviertler Erdäpfelauflauf kochen, kam dabei aber doch mehr in Stress, als ich mir gewünscht hatte, zumal mich meine Liebste wegen eines Online-Sprachkurstermins mich nicht unterstützen konnte. Die Mühe hatte sich jedenfalls gelohnt, der Auflauf schmeckte hervorragend. Nach der verdienten Mittagspause war noch eine letzte Lerneinheit mit meinem Jüngsten angesetzt, zumal der morgige Sonntag dem Grillen bei Bekannten gewidmet sein sollte. Und ab 17 Uhr stand dann die Liveübertragung eines Spiels aus der nächsten Runde der österreichischen Fußballbundesliga am Programm, die nach der so langen fußballfreien Zeit natürlich genossen werden wollte. Das Spiel allerdings hatte seine Längen, mein Jüngster beschäftigte sich zwischen durch mit anderem, ich genehmigte mir mein Fußball-Bier und chillte am roten Sofa in der Einfahrt vor dem laufenden Bildschirm. Meine Frau hatte abends auch noch einen politischen Termin, kurz davor trudelte eine whatsapp-Anfrage von lieben Freuden bei ihr ein, die zu einem abendlichen Drink in ihren Garten luden. Unser Jüngster und ich machten uns umgehend auf den Weg zu diesem schon lange vermissten Genuss. Es wurde ein langer, belebender Abend bei dem einen oder anderen Achtel Muskateller und vielen Gesprächen über Gott und die Welt. Sohn Nummer 3 verbrachte rund die Hälfte der Zeit indoor am Sofa, um einen Kinderfilm auf Amazon Prime zu sehen, um 23 Uhr ging es dann endlich ab nach Hause, wo wir und schnell ins Bett warfen, um für den nächsten freundschaftlichen Event, diesmal beim Grillen, gerüstet zu sein. Der Sonntag begann chillig, es war schön, einmal nicht kochen und auch keinerlei sonstigen Verpflichtungen nachkommen zu müssen. Gegen halb eins landeten wir dann zu fünft einige Häuser weiter in unserer Straße beim schon lange geplanten Grillevent. Das war ein Symposion im wahrsten Sinn des Wortes, Gegrilltes und Süßes, von unseren Gastgeber*innen mit Liebe und in Fülle vorbereitet, stärkten Herz und Magen, die Hausherrin spielte, weil sie es sehr gerne macht, auch noch mit unserem Jüngsten einige Gesellschaftsspiele, während der Rest der Gesellschaft über Gott und die Welt plauderte. Die Zeit verging wie im Flug und erst um 17.30 Uhr brachen wir wieder in unsere Heimat auf – wie wohl zu sagen ist, dass unsere beiden Großen schon um 15 Uhr die Segel strichen. Der Tag klang mit Fußball aus, der nach einer klaren 2:0-Führung schon sichere Sieger LASK stand am Ende gegen den WAC fast als Verlierer da, schaffte aber in aller letzter Minute noch den gerechten Ausgleich. Das Abendessen fiel anhand der Fülle des Mittagsmahles diesmal aus. Die österreichische Fußballmeisterschaft begann an diesem Abend nach der von der Regierung verhängten Zwangspause gleich mit dem Schlager zwischen Salzburg und Rapid – und das noch dazu live im österreichischen Fernsehen. Dem ORF war es gelungen mit jenem Privatsender einer Deal auszuhandeln, der sich die Rechte für sämtliche Liveübertragungen für die nächsten Jahre gesichert hatte. Kompliment.
Das Match selbst gestaltete sich sehr einseitig zu Gunsten des Serienmeisters der letzten Jahre, noch dazu musste der Wiener Rekordmeister im Lauf der Partie drei Spieler durch Verletzungen (Bänderriss, Bändereinriss und Muskelfaserriss) vorgeben, in den letzten fünfzehn Minuten der Partie spielte man sogar nur noch zu zehnt, das das Austauschkontingent bereits erschöpft war. Diese Verletzungen hatten Expert*innen ja prognostiziert, da die Trainingspause bzw. die veränderte Trainingsgestaltung einen anderen Belastungslevel darstellt. Na gut, die Salzburger gewannen letztendlich 2:0, mein jüngster Sohn, zeit seines bisherigen Lebens Fan des Großstadtclubs, nahm es ohne Groll zur Kenntnis, wollte sich aber nach dieser schlechten Leistung seiner bisherigen Lieblingsmannschaft ernsthaft überlegen, ob er ihr treu bleiben sollte. Die Alternativen aber waren aus seiner Sicht eh nicht vorhanden … Die Herausforderungen der vergangen Wochen, aber auch jene, die noch bevorstanden, hatten das eine oder andere Loch in mein Nervenkostüm gerissen, als meine Abendmeditation gestört wurde, wurde ich sehr, sehr ungehalten. Um einen schlimmeren Wutausbruch zu vermeiden, machte ich noch eine nächtliche Runde durch den Ort. Danach konnte ich beruhigter einschlafen. Am nächsten Morgen stand ich gleich nach dem ersten Wachwerden auf und nahm mir Zeit, die Notizen der letzten Tage in meinem Blog mit Hilfe des Computers meiner Frau zu verschriftlichen. Aufgehalten wurde ich nur durch den Spieltrieb unseres Katers Dario, der über Nacht eines meiner auf meinem Schreibtischkasten abgestellten Fläschchen mit homöopathischer Medizin heruntergeworfen hatte, wobei dieses zerbrochen war. Aber nach dem Wegräumen konnte ich mich sofort ans Schreiben machen. Meine Liebste war an diesem Vormittag politisch unterwegs, ich kümmerte mich um die Hagelschäden, heizte unseren Küchenherd an, damit die Decke im Wohnbüro weiter trocknen konnte, schaute mich im Garten um, stützte eine niedergedrückte Pflanze und stellte alles, was noch nass war, in die Sonne. Unruhig wartete ich auf dem Anruf des Computerfachmannes, legte mir schon die eine oder andere Strategie zurecht, falls mein Lieblingslaptop doch nicht mehr reparabel war. Im Inneren aber fühlte ich die ganze Zeit eine große Zuversicht, dass ich ihn bald zurück auf meinen Schreibtisch haben würde. Ich kochte Penne Carbonara für meine Familie, gestaltete mit meinem Jüngsten einen weiteren Teil des für seine Externistenprüfung notwendigen Portfolios und fiel nach dem Mittagsmahl in einen 25-minütigen Powernap auf dem roten Gartensofa. Um 15.30 Uhr erreichte mich der Anruf des PC-Technikers, der mir mitteilte, dass ich meinen Laptop abholen könne. Ich war so verblüfft, dass ich keine weiteren Fragen stellte, lud meinen Sohn ein, das gestern versprochene Eis heute nachzuholen – und ab ging‘s zum Bahnhof und mit dem nächsten Zug in die Bezirkshauptstadt. Im Schienenbus kam mir die Idee, den Kurzausflug dazu zu nützen, meinem Jüngsten einen prüfungstauglichen Haarschnitt verpassen zu lassen. Tatsächlich hatte sein Friseur Zeit, er musste bloß rund zehn Minuten warten. Während er schon im Geschäft Platz nahm, holte ich meinen Laptop, der für knapp mehr als 50 Euro wieder fit gemacht worden war. Ich war sehr dankbar. Nach dem Friseurbesuch löste ich endlich das Eisversprechen ein, die Tüte mit der gemischten Kugel schmeckte vorzüglich. Wieder zuhause zurück musste ich mich sputen, stand doch das nächste Zoom-Meeting mit meiner Maturagruppe an. Junior Nr. 3 und Nr. 1 zogen sich wie Donnerstagabend schon gewohnt in das Zimmer des Jüngeren zum DVD-Schauen zurück, da meine Frau zeitgleich einen Zoom-Finnisch-Kurs zu geben hatte. Alles wieder im Plan. Überraschend, wie schnell sich Leben in die eine und die andere Richtung innerhalb kürzester Zeit ändern kann. Den neuen Lebenstag startete ich mit einem bedrückenden Film. In der Sendereihe „Stralsund“ wurde ein Familiendrama aufgearbeitet – und das in Bestbesetzung. Bewegend für mich sind immer jene Geschichten, die zeigen, was ein Mensch aus einem ihm – in der Kindheit und Jugend -widerfahrenen Lebensereignis macht bzw. was das Leben aus ihm macht. Die einen finden Tritt, haben Menschen außerhalb der Familie, die sie begleiten, können das Geschehen irgendwann integrieren und im besten Fall sogar vergeben; die anderen gleiten ab, verstricken sich in Negativem, werden abhängig, werden sogar kriminell, scheitern und sterben – auch durch eigene Hand. Den Gescheiterten durfte Barnaby Metschurat spielen, ich habe ihn schon in so mancher Rolle gesehen, die tragischen „Helden“ kann er am besten, was für diesen Plot die Idealbesetzung bedeutete. Dementsprechend intensiv war die Inszenierung, dementsprechend tragisch ihr Ende. Und die Nacht war dementsprechend unruhig.
Auch der darauffolgende Tag sollte entsprechend unruhig werden, obwohl er sich anfangs ganz alltäglich anließ. Lernen mit dem Jüngsten, Kochen für das Mittagsmahl, eine kurze Mittagspause … und dann … setzte mich an meinen Schreibtisch und wollte meinen Computer aus der Pause wecken. Doch als ich den entsprechenden Schalter betätigte, tat sich nichts. Auch die Kontrollleuchte des von mir zur Aufladung angeschlossenen neuen Fahrradrücklichts blieb dunkel. Trotz aller Bemühungen, wie etwa der Kontrolle des Stromanschlusses konnte ich meinem Laptop kein Leben einhauchen. Oh Mann. Draußen nahm die schon seit dem Morgen herrschende Schwüle weiter zu und nach und nach bildeten sich dunkle Gewitterwolken am Himmel. Um 16.15 Uhr sollte das erste Fußballtraining meiner U9 stattfinden, das Wetter aber machte mich skeptisch. Bezüglich meines Laptops telefonierte ich mit unserem Computerfachmann in der Bezirkshauptstadt, ich sollte im Lauf des Nachmittagsvorbeikommen. Das aber kollidierte mit den beiden geplanten Fußballkindertrainings – ein Dilemma. Draußen war ein erstes Donnergrollen zu vernehmen, noch eine knappe Stunde bis zum Trainingsstart. Hinter mir mein Jüngster, der sich nach der langen fußballlosen Zeit schon sehr auf den Trainingsstart freute – das Dilemma wurde nicht kleiner. Ich entschied mich, unseren Jugendleiter zu kontaktieren, der eine Wetterapp hatte, die gute Daten lieferte. Er versprach sich zu melden. Draußen grollte der Donner häufiger. Der Jugendleiter meldete sich nicht und war auch nicht erreichbar. Mein Laptop schlief. Ich machte meinem Sohn auf sanfte Weise klar, dass ich es aufgrund der Wetterlage, vor allem der gewittrigen Stimmung wegen für gefährlich hielt, ein Training für Achtjährige durchzuführen, im gleichen Satz machte ich ihm einen Ausflug in die Bezirkshauptstadt schmackhaft, in dem ich ihm das erste Saloneis dieser Saison versprach. Er stimmte zu. Ich packte den Laptop in meinen Rucksack, wir wollten so schnell wie möglich zum Bahnhof aufbrechen, um den nächsten Zug, der um diese Zeit ja nur stündlich fährt, zu erreichen. Da meldete sich der Jugendleiter, entschuldigte sich, weil sein Akku leer gewesen war und er sich daher nicht melden hatte können, teilte mir mit, dass seine App von dem einen oder anderen Regenschauer in der geplanten Trainingszeit ausging, dass aber ansonsten nichts gegen ein Training spreche. Draußen donnerte es mittlerweile in sehr regelmäßigen Abständen. Das brachte ich ihm zur Kenntnis, ebenso meine Entscheidung, das Training unter diesen gewitterdrohenden Umständen abzusagen. Er stimmte mir zu, ich informierte die Eltern meiner Fußballkids. Mein Jüngster und ich packten unsere Sachen und wollten gerade zur Haustür hinaus, als ein heftiger Regenschauer einsetzte, der innerhalb von Sekunden in einen kräftigen Hagelschauer überging. Die Eiskugeln prasselten gegen die gartenseitigen Fensterscheiben und gegen das Haustor. Für unseren Jüngsten waren das erschreckende Klänge, unsere Großen blieben ruhig in ihren straßenseitig gelegenen Zimmern und bekamen kaum etwas von der sich anbahnenden Katastrophe mit. Der Schauer wollte und wollte nicht aufhören, der Hagel prasselte und während ich Sohn Nr. 3 zu beruhigen versuchte, hörte ich die Stimme meiner Frau „Michael, wir haben ein Problem“ sagen. Ich widmete ihr meine ganze Aufmerksamkeit und sah – was sie kurz zuvor gesehen hatte: Durch die Decke im Wohnbüro prasselte an 3 Stellen das Regenwasser auf Möbel, Teppich und Boden. Sofortiger Wechsel in den Notfallmodus war angesagt, unser Jüngster hatte dafür keine Nerven mehr. Dennoch oder gerade deswegen forderte ich ihn auf, uns bei den nötigen Schritten zu unterstützen. Die Möbel wurden beiseite geschoben, der Teppich entfernt, Kübel und Kochtöpfe als Regenauffangbehälter aktviert. Draußen prasselte der Hagel weiter vom Himmel. Die Blätter des Bambus waren zerfetzt, den Zustand der kleinen Pflanzen in unserem Hochbeet mochte ich mir in diesem Moment lieber nicht vorstellen, auch unsere Obstbäume waren schon in Mitleidenschaft gezogen. Kater Dario lief aufgeregt zwischen unseren Beinen, den Töpfen und Kübeln und dem Lärm des Unwetters hin und her. Ich machte mich trotzdem sofort auf den Weg unter unser Dach. Dort fand ich drei Stellen, an denen große Lacken standen, die durch den Boden und unsere Zimmerdecke quasi ausronnen. Ich holte einen Kübel und Bodentücher aus dem Abstellraum, begab mich wieder nach oben und wischte die Lacken so gut wie möglich auf. Draußen hatte es zu hageln aufgehört, es regnete noch. Der ganze Garten war mit Hagelkörnern übersät, der starke Wind hatte einen Großteil von ihnen an der Hausmauer entlang rund 10 cm aufgeschüttet. Ich wusste, dass ich sie so bald wie möglich von dort wegschaufeln wollte. Aber ein Schritt musste dem anderen folgen. Während meine Frau den Indoor-Regen unter Kontrolle hielt und unsere Vermieterin zu erreichen versuchte, dokumentierte ich mit der Handykamera das Geschehen und trocknete ich nach und nach die Pfützen auf dem Dachboden. Danach holte ich die Schneeschaufel aus dem Abstellraum und begab mich in den Garten, um die Hagelkörner zusammen zu schippen. Der Regen hatte nun vollständig nachgelassen. Zuletzt sprühte ich mit dem Gartenschlauch noch die Kanalgitter frei, damit im Fall eines neuerlichen Gewitterschauers, das Wasser wieder abrinnen konnte. Mittlerweile ging es auf 17 Uhr zu – ich musste mich schleunigst auf den Weg machen, wollte ich meinen Computer noch zum Check zu bringen und für das am folgenden Tag geplante Online-Meeting mit meiner Vorbereitungsgruppe auf die Deutschmatura fit machen lassen oder ein Ersatzgerät zu organisieren. Mein Jüngster war von meiner Idee nicht begeistert, er hatte Sorge, dass mich dadurch in Gefahr brächte. Ich beruhigte ihn und versprach, mich sofort zu melden, wenn ich mit dem Fahrrad den örtlichen Bahnhof erreicht hätte. Das beruhigte ihn. Gerade als ich aufbrechen wollte, rief die Vermieterin bei meiner Liebsten an. Ich lauschte dem Gespräch, obwohl es schon höchste Zeit zum Losstarten war. Die Erneuerung des nun betroffenen Dachteils (der andere Teil war mit dem Haus damals vor 10 Jahren gemeinsam renoviert worden) war uns schon im Vorjahr versprochen worden, da es keine passenden Angebote gegeben hatte und die Vermieterin mit ihrem Marillenbauernhof und dem Heurigenlokal extrem gefordert war, wurde sie aber sang- und klanglos verschoben. Nun aber war höchste Eile angebracht. In den kommenden Tagen sollte ein Dachdecker vorbeikommen, um den Schaden zu begutachten und die nötigen Maßnahmen einzuleiten. Die konnten wohl kaum in etwas anderem bestehen, als der kompletten Erneuerung des betroffenen Dachbereiches. Noch während meine Frau telefonierte, machte ich mich auf meinem Rad auf den Weg zum Bahnhof. Zwei whatsapp-Nachrichten an meinen Sohn später erreichte ich wohlbehalten den Computerladen und musste erfahren, dass möglicherweise sogar das Mainboard Schaden genommen hatte und in diesem Fall nur noch Datensicherung möglich wäre, der Laptop sein Leben aber ausgehaucht hätte. Ich blieb seltsam ruhig, erschöpft von den Anstrengungen der letzten Stunden, organisierte noch die Möglichkeit ein Leihgerät zu mieten und vereinbarte eine Information seitens des Computerfachmanns bis zum Mittag des nächsten Tages. Zuhause angekommen machte ich mir ein Bild über die Schäden in unserem Garten. Es war bestürzend – und dennoch hatte ich die Hoffnung, dass sich das eine oder andere wieder regenerieren würde, denn die Kraft der Natur ist für mich immer wieder erstaunlich und voller Wunder. Der geplante Fußballabend mit meinem jüngsten Sohn bildete den Auftakt in meinen hundertsten Lebenstag. Die Begegnung Köln gegen Leipzig war ein spannendes, torreiches Spiel, in dem sich der Favorit letztendlich klar und verdient mit 4:2 durchsetzte. Die Post-Match-Show langweilte diesmal auch meinen Jüngsten, wir hielten durch – deren zukünftiges Betrachten steht aber meines Erachtens nunmehr sehr, sehr in Frage.
Der Morgen begann stressig, es ist verblüffend welch unterschiedliche Qualität Wochenend- und Wochentage haben – obwohl ja diesmal sogar noch schulfrei war. Aber diese Wahrnehmung hatte ich auch schon an vielen Ferientagen gemacht – so eben auch an diesem Tag. Die Externistenprüfung von Junior Nr. 3 rückte näher, das Portfolio war dringend fertig zu stellen, ebenso wollte er sein Video mit der Powerpointpräsentation zum Thema Katzen nochmals aufnehmen. Wir suchten uns einen ruhigen Platz, diesmal nicht hinter dem Hoftor, sondern unter dem Dach über unserer zukünftigen Terrasse. Die Übung gelang und das Video wurde gleich danach an die Direktorin der Prüfungsschule geschickt, die prompt antwortete und ihre Freude ausdrückte, es bald anzusehen. Mittags machte ich einen Radausflug ins Einkaufszentrum der Bezirkshauptstadt, ich wollte die Schulsachen für Junior Nr. vor seiner Prüfung nochmals adaptieren, vor der Rückfahrt erreichte mich noch eine whatsapp-Nachricht meiner Liebsten, ob ich ihr gleich die schon vorbestellte Medizin aus der Apotheke mitnehmen könnte. Ich tat es, war es doch nur ein kleiner Umweg auf dem geplanten Heimweg. Die Mittagspause fiel diesmal wieder aus, denn gleich nach meiner Rückkehr startete die nächste Lerrnstunde mit meinem jüngsten Sohn. Danach hatte ich eine Supervisionsstunde gebucht, die ich noch einmal telefonisch absolvierte. In dieser kam die Sprache auch auf meine beiden Töchter, von der jüngeren habe ich berichtet, mit ihr bin ich seit dem Auftakt in mein neues Lebensjahr regelmäßig im Kontakt. Es ist eine wundervolle Beziehung auf Augenhöhe und ich staune jedesmal, was aus ihr geworden ist und gerade wird. Die ältere der beiden ist seit meinem letzten großen Lebensumbruch (und eigentlich auch schon davor) mir gegenüber sehr distanziert, es gibt nur alle heiligen Zeiten den einen oder anderen Glückwunsch in die eine oder andere Richtung. Vor etwa einem halben Jahr habe ich einen kräftigen Versuch gestartet, einen intensiveren Kontakt mit ihr wiederzubeleben. Damals erfuhr ich von ihr, dass sie sich durch manches Verhalten von mir von früher verletzt fühlte. Ich kann ihren Standpunkt sehr gut nachvollziehen, war sie doch mein erstes Kind und ich als sehr, sehr junger Vater durchaus überfordert. Dann kam, als sie 8 war, die Trennung vIm Anschluss an on ihrer Mutter, als sie 16 war verließ sie auch noch ihre Schwester, weil die damals zu mir gezogen ist. Mit diesen Situationen konnte sie meiner Wahrnehmung nach wirklich schwer umgehen. Es passierte noch dies und das – aus meiner damaligen Situation heraus unbedacht und mitunter auch nicht mit der nötigen Ernsthaftigkeit – und das führte dazu, dass sie ihren weiteren Lebensweg lieber im Umkreis ihrer Mutter und ihres Stiefvaters verbrachte. So heiratete sie auch ohne, dass ich davon wusste. Ich erfuhr es, als ein Schreiben von mir zurückkam und ich eine Meldeauskunft einholte und vom geänderten Familiennamen erfuhr. Einmal sah ich auf der Facebook-Seite meiner jüngeren Tochter, ihrer Schwester, ein Bild von ihr, auf dem sie einen kleinen Jungen an der Hand führte. Mir war sofort klar, dass dies ihr Sohn war. Dennoch respektierte ich ihre Vorgangsweise, denn, wenn Verletzungen passiert sind, müssen sie heilen können – und die Verletzte braucht ihre Zeit. In unserem letzten E-Mail-Wechsel vor gut einem halben Jahr hatte ich sie auch aus ganzem Herzen um Verzeihung gebeten für all das ihr auch unbewusst Zugemutete, von dem ich bislang noch keine Ahnung habe, weil sie noch nicht bereit ist, darüber zu reden. Nun kam also in der Supervision auch sie zur Sprache und ich folgte dem Impuls, umgehend danach eine whatsapp-Nachricht mit der Frage nach ihrem Befinden abzusetzen. Prompt kam eine Antwort, was mich sehr freute. Und binnen Sekunden war ich zum doppelten Großvater geworden, wurde sie doch vor kurzem ihres zweiten Sohnes entbunden. Das mitgelieferte Foto der glücklichen Familie berührte mich sehr. Ich machte gleich einen Ausdruck und hängte es anstelle des Fotos, das meine Tochter alleine zeigte, auf unsere Ahnenwand im Eingangsbereich unseres Hauses. Ich bin zuversichtlich, dass auch bei uns die Zeit die Wunden heilen wird, zumal ich bereit bin, meine Verantwortung zu übernehmen und ihr auch schon längst verziehen habe, dass sie mich in den letzten zehn Jahren so intensiv aus ihrem Leben ausgeschlossen hat. So hatte Tag 100 seinen Höhepunkt gefunden. Im Anschluss an das Gespräch mit meinem Supervisor und den whatsapp-Chat mit meiner älteren Tochter schwangen meine Liebste und ich uns auf unsere Räder und radelten zum neu eröffneten Bioladen in einem bekannten Weingut des Ortes. Wir erstanden – obwohl die Ware aufgrund des großen Andrangs bei der Eröffnung am Ende der vergangenen Woche schon ziemlich ausgedünnt war – Milch. Zwiebel und 10 dag von einem feinen Schinken, schauten uns nach dem sonstigen Angebot um, und wussten, dass wir wiederkommen würden, wenn am kommenden Freitag die neue Lieferung gekommen war. Es war ein langer Fußballabend, mein jüngster Sohn und ich hingen zuletzt schon ziemlich in den Seilen. Mich schwächte zusätzlich die Perspektive am nächsten Morgen neuerlich schon sehr früh, nämlich um 6 Uhr aufzustehen und danach eine knapp zweistündige Bahnfahrt nach Wien anzutreten. Das Match war durchaus spannend, obwohl nur ein Tor fiel und sich Leverkusen schließlich auswärts gegen Freiburg mit 1:0 durchsetzte. Die Post-Match-Show ist weiterhin nichts meins, diesmal meinte auch mein Jüngster, dass es ihm nicht so gut gefallen hätte. Trotzdem möchte er am Montagabend nach der Begegnung Köln gegen Leipzig wieder dabei sein.
Der Wecker läutete also um sechs, ich hatte schwere Beine und schwere Knochen. Die kilometerlangen Radfahrten der vergangenen beiden Tage, aber auch der völlig geänderte Lebensrhythmus hatten ihre Spuren hinterlassen. Ich war auch emotional leicht angeschlagen, frühstückte dennoch ausgiebig, versorgte mich auch mit Jause und kaltem Mittagsimbiss. Da ich schon einige Minuten vor der Abfahrt des Zuges am Bahnhof meines Heimatortes war, sah ich jenen Zug kommen, in den ich aufgrund einer etwas komischen Fahrplankonstellation erst in der Bezirkshauptstadt umsteigen konnte. Diesmal aber hielt er am Bahnsteig, ich dachte zuerst an einen Signalhalt, aber dann wurden laut zischend die Türen frei gegegeben und ich ich konnte einsteigen. Ein guter Beginn eines herausfordernden Kalendertages, ich richtete mir gleich meinen Platz ein, entschied mich diesmal nicht Plexiglasvisier sondern Mund-Nasenschutz zu tragen und döste vor mich hin. Nach dem notwendigen Zugwechsel in der Landeshauptstadt surfte ich ein wenig durch das Nachrichtenportal. Am Bahnhof in der Hauptstadt angekommen, empfing mich ein Cellist mit Leonard Cohens Hallelujah. Es war eine apokalyptisch anmutende Szene: Sich tummelnde Menschen mit Masken, verborgene Mimik, die Klänge des Cellos und ich mitten drin. Endzeit. Wendezeit? In der U-Bahn, die ich diesmal meinem Fahrrad vorzog, notierte ich jene Gedanken, die sich während des Cohen-Songs in mir gebildet hatten. Sie drehten sich um meine Zukunft, die meiner Familie und auch um nichts weniger als die der Menschheit: Selbstverwirklichung, Energieautonomie, Selbstversorgung, Grundauskommen, Förderung systemrelevanter Berufe, Kreativität und liebe-volle Begelitung von jungen Menschen auf ihrem Lebensweg zur Selbstentfaltung standen da am Papier, noch wenig konkret zwar aber mit viel Spirit. Letzteres passte gut zum gerade begonnenen Pfingstwochenende, den Tagen der Begeisterung und jenes Spirit, der die Welt verändern kann. Der Vormittag in der Akademie verlief bewegend. Drei von sechs Teilnehmerinnen aus der Elementarpädagogik waren anwesend, um mit mir zum Thema Diversität über Werte, Vorurteile und Stereotype zu reden und die gemeinsamkeiten trotz aller Verschiedenheit zu erkennen, sowie Wege zu entwickeln, wie eine solche respektvolle Haltung allen und allem gegenüber entwickelt werden kann, um damit Alice Miller folgend zum Vorbild für die begleiteten jungen Menschen zu werden. Am Heimweg gab ich dann noch die beiden Jahreskarten für die Öffis in der Hauptstadt zurück, wir hatten sie in den letzten Monaten nicht und werden sie wohl in der Zukunft kaum benutzen, da wir ja seit kurzem unser Zweitrad am Westbahhnhof zur Verfügung haben. Die knapp 65 Euro pro Monat, die wir uns damit ersparen, können andernorts sinnvoll eingesetzt werden. Da ich noch eine dreiviertel Stunde auf meinen Zug warten musste, gönnte ich mir im Bahnhofsupermarkt eine Flasche Zwickelbier und aß noch die Reste meines Reiseproviants. Währenddessen erhielt ich einen Anruf meines Jüngsten vom Handy meiner Frau aus. Es hatte Streit mit dem Mittleren gegeben, der ihn seinen Worten nach provoziert habe, worauf der die Rohrzange nach ihm geworfen habe. Daraufhin war er vom Mittagstisch verbannt worden. Wir fanden im gemeinsamen Gespräch eine Lösung, er machte sich einen kleinen Imbiss und wir vereinbarten nach meine Rückkunft gemeinsam die Hot Dogs zu essen, die schon vorbereitet waren. Nach diesem nachmittäglichen Mittagessen machten er und ich noch die restlichen Einkäufe im Gewerbepark, damit stand einem entspannten Pfingstwochenende mit einem zusätzlichen Feiertag am Montag nichts mehr im Wege Abends chillte ich zuerst und legte dann nach langer Zeit wieder einmal eine Dance-Night ein mit den von mir für meine Geburtstagsfest zusammengestellten Klängen. Erst nach Mitternacht ging es ins Bett, der nächste Tag forderte von mir wieder ein früheres Aufstehen, da ich zugesagt hatte, beim Hendlgrill unseres Dorf-Fußballklubs mitzuhelfen, Filius Nr. 3 begleitete mich. Wir hatten aufgrund der Vorbestellungen trotz Regens ein gutes Geschäft, es war fein, nach so langer Abstinenz vom Fußball wieder jene zu treffen, denen man sonst im Vierzehntagesrhythmus bei den Heimspielen unserer Mannschaft begegnet war. Um 13.30 Uhr was das letzte Hendl abgeholt, wir wurden noch auf eine Pizza eingeladen, was zu einiger Missstimmung bei meiner Frau führte, die für uns Hühner-Couscous gekocht hatte. Ich wusste nicht, dass sie damit auf uns wartete, ihre Antwort auf meine whatsapp-Nachricht an sie, dass wir später kämen, fiel dementsprechend verärgert aus. Um 15.30 Uhr waren mein Jüngster und ich wieder zuhause und legten eine verspätete Mittagspause ein. Damit wäre der Tag eigentlich auch schon gelaufen gewesen, hätte nicht Kater Dario auf seine Vernachlässigung durch mich aufmerksam gemacht, in dem er den Badezimmerteppich als Katzenklo benutzte. Ich widmete mich ihm nach der Reinigung des Teppichs intensiv – und wieder gut war‘s. Bei der Planung meines Abendprogramms stieß ich in der ORF TV-Thek auf die Wiederholung eines Fußballklassikers aus dem Jahr 1978. Damals war ich – als begeisterter Fan von Austria Wien - mit meinem Großvater regelmäßig bei den Heimspielen meines Lieblingsklubs. Ich hatte auch ein T-Shirt mit der Aufschrift „Austria Memphis“ (ja, das war damals noch möglich, dass eine Fußballmannschaft Werbung für eine Zigarettensorte machte, genauso wie es damals durchaus möglich war, dass Fußballer rauchten) und einen violetten Trainingsanzug einer No-Name-Marke, Aber zurück zu diesem Spiel: Im Halbfinale des Europacups der Cupsieger standen einander Dynamo Moskau und eben Austria Wien gegenüber, das Hinspiel in der russischen Hauptstadt war 2:1 für Moskau ausgegangen und die Austria brauchte ein 1:0 oder einen Sieg mit zwei Toren Unterschied. Ich erinnere mich heute noch an diese aufregenden Stunden in einem mit über siebzigtausend Besuchern ausverkauften Wiener Stadion. Ich stand eingequetscht zwischen meinem Vater (der meiner Erinnerung nach zum ersten und einzigen Mal bei einem Match mit dabei war) in eben jener Menschenmenge auf einem Stehplatz relativ weit oben hinter einem der beiden Tore. Nun sah ich dieses Spiel zum ersten Mal im TV und konnte meinem Jüngsten begeistert davon erzählen. Obwohl ich den Ausgang der Begegnung noch wusste, verriet ich ihm nichts. Die Partie ging in die Verlängerung, da die Russen in der allerletzten Minuten das 1:2 erzielten und die Erfüllung der Finalträume der Wiener nach hinten verschoben. Diese endete torlos, ein Elfmeterschießen musste her. Und dabei gewann mein Team, weil Tormann Hubert Baumgartner den fünften Elfer des Gegners abwehrte. Die Freude war grenzenlos! Im Finale im Pariser Prinzenparkstadion, dem ich via Fernseher beiwohnte, gingen die Wiener gegen Anderlecht aber sang- und klanglos mit 0:4 unter. Ein gelungener Abend, der auch meinem jüngsten Sohn Spaß machte. Der Pfingstmontag war dann zuerst dem wöchentlichen Putzen gewidmet, zu Mittag genossen wir wieder einmal Raclette, nach der Mittagspause mit Chillen am roten Gartensofa bereitete ich eine Sauna vor, die ich nach all den vielen Menschenbegegnungen der vergangenen Tage für psychisch und physisch wichtig hielt. Es war herrlich, die damit verbunden gewesenen Anstrengungen so richtig rauszuschwitzen, mit dem Gartenschlauch und kaltem Wasser abzuspritzen und danach ein kühles Bier zu genießen. Und das war‘s dann auch schon mit dem Fest der Begeisterung und mit meinem 99. Lebenstag. |
Route 55
Dieser Blog begleitet mich durch mein 55. Lebensjahr, das ich mit einer Feier im Freundeskreis am Vorabend meines Geburtstages eingeläutet habe, das am 23.2.20 um 19.21 h tatsächlich begonnen hat und das sogar 366 Tage zu bieten hat, also mehr als viele andere meiner bisherigen Lebensjahre. Archiv
Februar 2021
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