Den neuen Lebenstag startete ich mit einem bedrückenden Film. In der Sendereihe „Stralsund“ wurde ein Familiendrama aufgearbeitet – und das in Bestbesetzung. Bewegend für mich sind immer jene Geschichten, die zeigen, was ein Mensch aus einem ihm – in der Kindheit und Jugend -widerfahrenen Lebensereignis macht bzw. was das Leben aus ihm macht. Die einen finden Tritt, haben Menschen außerhalb der Familie, die sie begleiten, können das Geschehen irgendwann integrieren und im besten Fall sogar vergeben; die anderen gleiten ab, verstricken sich in Negativem, werden abhängig, werden sogar kriminell, scheitern und sterben – auch durch eigene Hand. Den Gescheiterten durfte Barnaby Metschurat spielen, ich habe ihn schon in so mancher Rolle gesehen, die tragischen „Helden“ kann er am besten, was für diesen Plot die Idealbesetzung bedeutete. Dementsprechend intensiv war die Inszenierung, dementsprechend tragisch ihr Ende. Und die Nacht war dementsprechend unruhig.
Auch der darauffolgende Tag sollte entsprechend unruhig werden, obwohl er sich anfangs ganz alltäglich anließ. Lernen mit dem Jüngsten, Kochen für das Mittagsmahl, eine kurze Mittagspause … und dann … setzte mich an meinen Schreibtisch und wollte meinen Computer aus der Pause wecken. Doch als ich den entsprechenden Schalter betätigte, tat sich nichts. Auch die Kontrollleuchte des von mir zur Aufladung angeschlossenen neuen Fahrradrücklichts blieb dunkel. Trotz aller Bemühungen, wie etwa der Kontrolle des Stromanschlusses konnte ich meinem Laptop kein Leben einhauchen. Oh Mann. Draußen nahm die schon seit dem Morgen herrschende Schwüle weiter zu und nach und nach bildeten sich dunkle Gewitterwolken am Himmel. Um 16.15 Uhr sollte das erste Fußballtraining meiner U9 stattfinden, das Wetter aber machte mich skeptisch. Bezüglich meines Laptops telefonierte ich mit unserem Computerfachmann in der Bezirkshauptstadt, ich sollte im Lauf des Nachmittagsvorbeikommen. Das aber kollidierte mit den beiden geplanten Fußballkindertrainings – ein Dilemma. Draußen war ein erstes Donnergrollen zu vernehmen, noch eine knappe Stunde bis zum Trainingsstart. Hinter mir mein Jüngster, der sich nach der langen fußballlosen Zeit schon sehr auf den Trainingsstart freute – das Dilemma wurde nicht kleiner. Ich entschied mich, unseren Jugendleiter zu kontaktieren, der eine Wetterapp hatte, die gute Daten lieferte. Er versprach sich zu melden. Draußen grollte der Donner häufiger. Der Jugendleiter meldete sich nicht und war auch nicht erreichbar. Mein Laptop schlief. Ich machte meinem Sohn auf sanfte Weise klar, dass ich es aufgrund der Wetterlage, vor allem der gewittrigen Stimmung wegen für gefährlich hielt, ein Training für Achtjährige durchzuführen, im gleichen Satz machte ich ihm einen Ausflug in die Bezirkshauptstadt schmackhaft, in dem ich ihm das erste Saloneis dieser Saison versprach. Er stimmte zu. Ich packte den Laptop in meinen Rucksack, wir wollten so schnell wie möglich zum Bahnhof aufbrechen, um den nächsten Zug, der um diese Zeit ja nur stündlich fährt, zu erreichen. Da meldete sich der Jugendleiter, entschuldigte sich, weil sein Akku leer gewesen war und er sich daher nicht melden hatte können, teilte mir mit, dass seine App von dem einen oder anderen Regenschauer in der geplanten Trainingszeit ausging, dass aber ansonsten nichts gegen ein Training spreche. Draußen donnerte es mittlerweile in sehr regelmäßigen Abständen. Das brachte ich ihm zur Kenntnis, ebenso meine Entscheidung, das Training unter diesen gewitterdrohenden Umständen abzusagen. Er stimmte mir zu, ich informierte die Eltern meiner Fußballkids. Mein Jüngster und ich packten unsere Sachen und wollten gerade zur Haustür hinaus, als ein heftiger Regenschauer einsetzte, der innerhalb von Sekunden in einen kräftigen Hagelschauer überging. Die Eiskugeln prasselten gegen die gartenseitigen Fensterscheiben und gegen das Haustor. Für unseren Jüngsten waren das erschreckende Klänge, unsere Großen blieben ruhig in ihren straßenseitig gelegenen Zimmern und bekamen kaum etwas von der sich anbahnenden Katastrophe mit. Der Schauer wollte und wollte nicht aufhören, der Hagel prasselte und während ich Sohn Nr. 3 zu beruhigen versuchte, hörte ich die Stimme meiner Frau „Michael, wir haben ein Problem“ sagen. Ich widmete ihr meine ganze Aufmerksamkeit und sah – was sie kurz zuvor gesehen hatte: Durch die Decke im Wohnbüro prasselte an 3 Stellen das Regenwasser auf Möbel, Teppich und Boden. Sofortiger Wechsel in den Notfallmodus war angesagt, unser Jüngster hatte dafür keine Nerven mehr. Dennoch oder gerade deswegen forderte ich ihn auf, uns bei den nötigen Schritten zu unterstützen. Die Möbel wurden beiseite geschoben, der Teppich entfernt, Kübel und Kochtöpfe als Regenauffangbehälter aktviert. Draußen prasselte der Hagel weiter vom Himmel. Die Blätter des Bambus waren zerfetzt, den Zustand der kleinen Pflanzen in unserem Hochbeet mochte ich mir in diesem Moment lieber nicht vorstellen, auch unsere Obstbäume waren schon in Mitleidenschaft gezogen. Kater Dario lief aufgeregt zwischen unseren Beinen, den Töpfen und Kübeln und dem Lärm des Unwetters hin und her. Ich machte mich trotzdem sofort auf den Weg unter unser Dach. Dort fand ich drei Stellen, an denen große Lacken standen, die durch den Boden und unsere Zimmerdecke quasi ausronnen. Ich holte einen Kübel und Bodentücher aus dem Abstellraum, begab mich wieder nach oben und wischte die Lacken so gut wie möglich auf. Draußen hatte es zu hageln aufgehört, es regnete noch. Der ganze Garten war mit Hagelkörnern übersät, der starke Wind hatte einen Großteil von ihnen an der Hausmauer entlang rund 10 cm aufgeschüttet. Ich wusste, dass ich sie so bald wie möglich von dort wegschaufeln wollte. Aber ein Schritt musste dem anderen folgen. Während meine Frau den Indoor-Regen unter Kontrolle hielt und unsere Vermieterin zu erreichen versuchte, dokumentierte ich mit der Handykamera das Geschehen und trocknete ich nach und nach die Pfützen auf dem Dachboden. Danach holte ich die Schneeschaufel aus dem Abstellraum und begab mich in den Garten, um die Hagelkörner zusammen zu schippen. Der Regen hatte nun vollständig nachgelassen. Zuletzt sprühte ich mit dem Gartenschlauch noch die Kanalgitter frei, damit im Fall eines neuerlichen Gewitterschauers, das Wasser wieder abrinnen konnte. Mittlerweile ging es auf 17 Uhr zu – ich musste mich schleunigst auf den Weg machen, wollte ich meinen Computer noch zum Check zu bringen und für das am folgenden Tag geplante Online-Meeting mit meiner Vorbereitungsgruppe auf die Deutschmatura fit machen lassen oder ein Ersatzgerät zu organisieren. Mein Jüngster war von meiner Idee nicht begeistert, er hatte Sorge, dass mich dadurch in Gefahr brächte. Ich beruhigte ihn und versprach, mich sofort zu melden, wenn ich mit dem Fahrrad den örtlichen Bahnhof erreicht hätte. Das beruhigte ihn. Gerade als ich aufbrechen wollte, rief die Vermieterin bei meiner Liebsten an. Ich lauschte dem Gespräch, obwohl es schon höchste Zeit zum Losstarten war. Die Erneuerung des nun betroffenen Dachteils (der andere Teil war mit dem Haus damals vor 10 Jahren gemeinsam renoviert worden) war uns schon im Vorjahr versprochen worden, da es keine passenden Angebote gegeben hatte und die Vermieterin mit ihrem Marillenbauernhof und dem Heurigenlokal extrem gefordert war, wurde sie aber sang- und klanglos verschoben. Nun aber war höchste Eile angebracht. In den kommenden Tagen sollte ein Dachdecker vorbeikommen, um den Schaden zu begutachten und die nötigen Maßnahmen einzuleiten. Die konnten wohl kaum in etwas anderem bestehen, als der kompletten Erneuerung des betroffenen Dachbereiches. Noch während meine Frau telefonierte, machte ich mich auf meinem Rad auf den Weg zum Bahnhof. Zwei whatsapp-Nachrichten an meinen Sohn später erreichte ich wohlbehalten den Computerladen und musste erfahren, dass möglicherweise sogar das Mainboard Schaden genommen hatte und in diesem Fall nur noch Datensicherung möglich wäre, der Laptop sein Leben aber ausgehaucht hätte. Ich blieb seltsam ruhig, erschöpft von den Anstrengungen der letzten Stunden, organisierte noch die Möglichkeit ein Leihgerät zu mieten und vereinbarte eine Information seitens des Computerfachmanns bis zum Mittag des nächsten Tages. Zuhause angekommen machte ich mir ein Bild über die Schäden in unserem Garten. Es war bestürzend – und dennoch hatte ich die Hoffnung, dass sich das eine oder andere wieder regenerieren würde, denn die Kraft der Natur ist für mich immer wieder erstaunlich und voller Wunder.
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Route 55
Dieser Blog begleitet mich durch mein 55. Lebensjahr, das ich mit einer Feier im Freundeskreis am Vorabend meines Geburtstages eingeläutet habe, das am 23.2.20 um 19.21 h tatsächlich begonnen hat und das sogar 366 Tage zu bieten hat, also mehr als viele andere meiner bisherigen Lebensjahre. Archiv
Februar 2021
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