Eine Lebenswoche startet, die mich zurück in den Alltag bringen wird, wobei Alltag insofern nicht richtig ist, als ich im „normalen“ Erwerbsarbeitsleben beständig zu vermeiden trachtete, dass ich gleich drei berufliche Verpflichtungen in Wien an drei aufeinander folgenden Tagen zu erledigen hatte. Diese Woche wird mich aber knapp vor ihrem Ende genau zu einer solchen Zusammenballung führen.
Der Sonntagabend war business as usual, ich war fürs Abendritual bei unserem Jüngsten zuständig, wir tauchten nach Phantasien ab, wo es ans Eingemachte ging, da die Träume und Phantasien (also eben Phantasien) durch ihre immer öfter stattfindende Mutation zum Erfundenen, also zum Lügen (oder um es neudeutsch zu sagen: zum Storytelling), das ganze Reich der Phantasie, in dem das „Tu, was du willst“ (nicht zu verwechseln mit dem „Tu, wozu du Lust hast“, denn es geht um den Wahren Willen) herrscht, in höchste Gefahr brachten. Endes „Unendliche Geschichte“ ist ein echter Traum. Der Abend klang mit Bloggen und einem Tatort aus Köln aus. Der Morgen nach kurzer Nacht brachte mich einerseits zum derzeit Alltäglichen (Lernstunden mit dem Jüngsten, Kochen, E-Mails beantworten) und andererseits zur Vorbereitung auf meine ersten Wien-Stunden ab Donnerstag. Um es so gut wie möglich zu vermeiden, in vollgestopften Öffis der Bundeshauptstadt fahren zu müssen, machte ich mich im Internetflohmarkt auf die Suche nach einem Zweitrad und wurde prompt fündig. In Schönberg am Kamp, rund 20 Bahnfahrtminuten von uns entfernt, gab es ein Puch Paceline Laser zu einem tollen Preis zu erstehen mit Zeug zum Erstrad. Ich bekam den Zuschlag und einen Besichtigungstermin für den nächsten Tag. Meine Liebste war in Sachen Gemeinderatssitzung eingespannt, es galt sich gut auf die abendliche Sitzung vorzubereiten und zahlreiche Gespräche zu führen. Und auch ich hatte nachmittags noch Organisatorisches zu erledigen, die Trainingseinteilung für das in der kommenden Woche startende Fußballtraining meiner U9 war vorzunehmen. Und während der eine Lebenstag ging und der nächste kam, während Reetta ihrer politischen Arbeit nachging, gönnte ich mir einen Krimi. In Laim und der letzte Schuldige, waren eine Menge berührender und bewegender Szenen zu sehen, ich war der guten Kritik des Filmes gefolgt und wurde nicht enttäuscht, obwohl die ersten Folgen der Serie mit Max Simonischek in der Hauptrolle absolut nicht das Gelbe vom Ei gewesen waren. Meine Frau kam spät, aber doch ein wenig früher als ich erwartet hatte, nach der Gemeinderatssitzung und der konstituierenden Zusammenkunft des von ihr geleitete Umweltausschusses nach Hause. Ich erfragte gleich das Wesentliche, um up to date zu sein. Es war nicht ohne Spannung und Spannungen abgelaufen. Dazu an anderer Stelle mehr. Der Nachmittag des nächsten Tages brachte mich in Begleitung meines jüngsten Filius nordwärts. In Schönberg wartete mein neues Rad – und als ich ihm von Angesicht zu Angesicht gegenüberstand, war es nicht nur Liebe auf den ersten Blick, sondern auch völlig klar, dass dies mein neues Erstrad werden würde. Beim örtlichen Greißler – und weil wir noch eine knappe Stunde auf den Zug warten mussten – gönnten wir uns ein Eis, danach noch einen Kurzbesuch am örtlichen Spielplatz, wo sich eine junge Mutter mit ihrer kleinen Tochter aufhielt. Beim Verlassen der Örtlichkeit fiel mir ein zum Wohnmobil umgebauter Kastenwagen mit einem oberösterreichischen Kennzeichen auf, der den beiden gehörte, die Tür zum Innenraum stand offen, er beherbergte Schlafstatt, Essplatz und Kochmöglichkeit. Ein solches Mobil steuern zu können, wäre der einzige Grund, in meinem Alter doch noch die mit 18 im wahrsten Sinne des Wortes hingeschmissene Fahrschule doch noch erfolgreich abzuschließen. Damals verließ ich den Wagen, da mein Fahrlehrer mitten auf einer dicht befahrenen Kreuzung auf sein Bremspedal gestiegen war, weil er gemeint hatte, dass ich nicht an der Haltelinie stehen geblieben wäre, bevor ich weitergefahren war. Ich stellte also mitten auf dieser Kreuzung den Motor ordnungsgemäß ab und verließ ohne ein weiteres Wort zu verlieren Fahrlehrer und Wagen. Eine – aus heutiger Sicht sinnlose – aber damals offenbar notwendige Aktion, war sie doch eine der wenigen – leider auch mir selbst schadenden – Befreiungsschläge gegenüber Menschen, die mich nicht ernst nahmen. Nun gut, hätte ich den Führerschein, hätte ich wohl ein anderes Leben. Ich wäre nicht nach Schönberg gefahren, um ein Rad zu kaufen. Zuhause angekommen empfing mich Dario im Badezimmer auf den auf der Waschmaschine zusammengelegten und gestapelten Saunahandtüchern als Prinz auf der Erbse. Nachts machte ich dann, nachdem ich das Fahrrad verkehrssicher gemacht und die Sattelhöhe auf meine Körpergröße angepasst hatte, eine erste Tour mit dem neuen Puch, es ging in den rund 4 Kilometer entfernten Nachbarort. Diese Bewegungseinheit tat Körper und Seele gut. Für den kommenden Vormittag war eine Familienkonferenz mit Unterstützung unseres Begleiters in der Bezirkshauptstadt angesagt, meine Frau wollte gemeinsam mit unseren Jungs die vergangen Wochen, die wir intensiv unter einem Dach verbracht hatten, Revue passieren lassen. Ich stärkte mich dafür mit meiner Morgenmeditation, die Dario auf meinem Schoß mit mir zelebrierte. Nach dem Frühstück fuhren auf unseren Rädern zum rund 8 Kilometer entfernten Konferenzort, dort erfuhren wir, dass unser Begleiter aufgrund eines Polizeieinsatzes in seinem Zug rund 30 Minuten Verspätung haben würde. So machten wir noch einen kleinen Spaziergang zur Schiffsanlegestelle und entlang der Donau. Die Gespräche liefen anfangs zäh, doch dann kam durch eine Wortmeldung unseres Mittleren Emotion und Bewegung in die Sache. Es ging ihm nochmals um die aus seiner Sicht unfaire Behandlung wegen des Geburtstagsgeschenkes für seine Mutter. Er bekam letztendlich recht, ich sponserte ihm die offenen € 1,50 – und Schwamm drüber. Meine Lehre aus der Sache hatte ich jedenfalls gezogen, meine Bemühungen, es allen recht zu machen, waren grandios gescheitert. Und das war gut so. Ich sollte endlich lernen, mich nicht um jeden Scheiß zu kümmern. Auf der Rückfahrt machten mein Jüngster und ich noch Zwischenstopp bei einem Supermarkt, der seit kurzem verschiedene Getränke in der 1l-Pfandfalsche anbot. Da mussten wir einen Test vornehmen, kauften Orangensaft, Cola und Kräuter-Limo sowie Schokolade. Nachmittags widmete ich mich nochmals meinen Rädern, ich besorgte im Baumarkt noch die fehlende Klingel und ein Reinigungsspray bzw, Kettenöl. Vor allem das alte Puch Sprint, das nun seinen Standort am Wiener Westbahnhof erhalten sollte, brauchte nach den Wintermonaten dringend einen Generalreinigung, vor allem der Kette. Innerhalb von 90 Minuten war auch das erledigt und ich konnte mich im Garten chillend auf einen Fußballabend freuen. Am Programm stand Rasenball (also eigentlich Red Bull) Leipzig versus Hertha BSC, gemeinsam mit meinem Jüngsten genoss ich ein recht ansprechendes Match der Deutschen Bundesliga, die ja durch den Sieg von Bayern München gegen den Tabellenzweiten Dortmund am Vorabend bereits so gut wie entschieden war. Junior Nr. 3 freute sich zudem auf die Post Match Show, die erstmals gesendet wurde, ein – wie ich meine – eher pubertärer Versuch, einem Match noch mehr Bedeutung zu geben, als es hatte. Ihm gefiel‘s, ich blieb an seiner Seite. Am kommenden Morgen machte ich mich mit Unterstützung von Sohn 1 und 3 (Sohn 2 war bereits wieder in der Schule) beim Kartoffelschälen an die Zubereitung des Erdäpfelgulasch, eine Portion davon wollte ich für mein Abendessen aufheben, das ich erstmals seit 11 Wochen wieder in Wien einnehmen würde. Der Küchenofen bollerte und das Gulasch war rechtzeitig fertig. Ich war den ganzen Tag über sehr angespannt, da ich mir noch nicht im Klaren war, wie es mir auf der knapp zweistündigen Bahnreise und dann beim 3-stündigen Unterricht in meiner Maturagruppe ginge. Zudem hatte ich noch das Puch Sprint von zuhause in die Bundeshauptstadt zu transferieren, ich wollte die defekten Bluetoothkopfhörer beim Elektromarkt umtauschen und dazu musste ich auch eine gute Fahrradstrecke vom Westbahnhof nach Favoriten auskundschaften. Eine gehörige Anforderung für einen ersten Nachmittag zurück im „normalen“ Leben. Ich machte mich früher als geplant auf die Reise, fuhr mit dem Rad zum Bahnhof in der Bezirkshauptstadt, womit ich mir einmal umsteigen ersparte, und kam samt Drahtesel nach knapp eineinhalbstündiger Bahnfahrt mit Maske gut an meinem Ziel an. Ich fand auch schnell einen guten Dauerparkplatz für das Rad und machte mich prompt auf die Fahrt zum Elektromarkt und zur Volkshochschule in Favoriten. Dort fasste ich mein Plexiglasvisier aus, das ich beim Unterricht zu tragen hatte, bekam einen anderen Raum als sonst zugewiesen, der schon auf die Hygiene- und Abstandsmaßnahmen adaptiert war und bereitete mich mental auf die neue Normalität vor. Der Unterricht war komischerweise ebenso angespannt wie ich den ganzen Tag über, wir machten nur eine kurze Pause zwischendurch und so konnte ich mehr als pünktlich meine Radfahrt zum Westbahnhof antreten, mein Rad platzieren und sogar noch ein Feierabendbier im Bahnhofsshop erstehen. Dieses genoss ich unter meinem Plexiglasvisier auf der Fahrt in die Landeshauptstadt. Die Zugfahrt ohne Maske war bedeutend angenehmer. Nachts in meinem Heimatort angekommen, musste ich diesmal – da das eine Rad in Wien und das andere zuhause geblieben war, zu Fuß vom örtlichen Bahnhof in mein Heimatdomizil gehen. Ich erinnerte mich an die ersten Wochen in unserem damals noch neuen Zuhause, an die vielen Fußwege – und ich war sehr dankbar für all das, was ich hier am Land erleben durfte. Der Kontrast zum Stadtleben war mir durch den Nachmittag in der Großstadt sehr deutlich geworden. Am nächsten Morgen weckte mich der Radiowecker schon um halb sechs. Ich musste um 9 Uhr in Wien sein, ich war als Prüfer für Berufsorientierung in der Brigittenau eingeteilt. Um 6.15 Uhr saß ich auf meinem neuen Rad, um pünktlich zum Bahnhof in der Bezirkshauptstadt zu gelangen, von wo mein Zug um 6.46 Uhr abfahren sollte. Um 8.10 kam ich in der Hauptstadt an, um 8.45 war ich nach einer knapp 7 Kilometer langen weiteren Radfahrt an meinem Ziel angelangt. Dort herrschten extreme Bedingungen, da rund 20 Prüflinge des Pflichtschulabschlusslehrganges im 10-Minuten-Rhythmus zu examinieren waren. Es musste auch ein bestimmtes Hygieneritual vollzogen werden, die Teilnehmer*innen gaben zuerst ihre Unterlagen bei mir ab, dann ihren USB-Stick oder das für die Präsentation vorbereitete Plakat bei der Kollegin. Dann mussten sie sich 30 Sekunden die Hände waschen, danach mit einem eigenen mitgebrachten Kugelschreiben auf der Anwesenheitsliste unterschreiben, um nach ca. 2-3 Minuten mit ihrem Vortrag beginnen zu können. Dadurch kam die gesamte Zeitplanung von Anfang an unter Druck, am Ende hatten wir einen Delay von mehr als 45 Minuten. Eigentlich hätte ich bereits 15 Minuten später bei einer von mir anberaumten Besprechung mit Kolleg*innen für den Zivilcourage-Workshop für Wiener Freizeitpädagog*innen am anderen Ende von Wien in Hietzing sein sollen. Geplant hatte ich eine rund 10 Kilometer lange Radfahrt, die hätte mich zumindest 40 Minuten gekostet. Außerdem waren meine Muskeln von den Fahrten am gestrigen Nachmittag bzw. Abend und vom heutigen Morgen sehr angestrengt und meine Lust, sie nochmals zu strapazieren gering. Ich nahm also mein Fahrrad und bestieg die U-Bahn. 45 Minuten später und mit einer Verspätung von 30 Minuten kam ich ans Ziel. Die Besprechung lief wie am Schnürchen und gegen 15 Uhr fühlte ich den Hunger, der sicher schon länger da war, hatte ich doch heute schon um 6 Uhr gefrühstückt und danach keinen weiteren Bissen zu mir genommen. Ich machte mich mit dem Fahrrad auf den Weg zum Westbahnhof, kaufte mir einen kleinen Imbiss und setzte mich in den nächsten Zug nachhause. Davor setzte ich natürlich noch meinen Mund-Nasenschutz auf, legte dazu meine Brille auf einen Prellbock aus Beton, um die Maschen der Maske gut hinter meinem Kopf verknoten zu können. Da hörte ich ein Geräusch, ein starker Windstoß hatte meine Brille fortgeweht. Ich blickte mich um, fand sie erst nach einiger Zeit auf den Gleisen hinter dem Prellbock liegend. Also schwang ich mich behände über die Absperrung und hob die Augengläser so schnell wie möglich auf, um unnötiges Aufsehen zu erregen. Alles gut! In meiner Heimat kam ich rund 30 Minuten später als geplant an, brachte mal, da meine Liebste ihrer neuen Beschäftigung im Kunsthaus Spörri in einem benachbarten Ort nachging, alles auf Vordermann. Es war Freitagabend und am nächsten Morgen stand die nächste Wien-Tour zu einem Workshop, den ich zu leiten hatte, für elementarpädagogische Fachkräfte mit dem Thema Diversität am Plan. Der Abend sollte also nicht zu lange werden, dennoch war ich bei guter Energie und entschied mich, mit meinem Jüngsten das Freitagmatch der Deutschen Bundesliga inklusive der 2. Ausgabe der Post Match Show anzuschauen.
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Auf Facebook entdeckte ich eine Watchparty der Gruppe „Insieme“, die ein guter Bekannter gepostet hatte. Es gab also zum Start in den neuen Lebenstag wunderbare italienische Melodien zum Mittanzen und Mitshaken. Oh wie habe ich diese Leichtigkeit vermisst – und auf welche Weise wird sie wieder in unserem Leben Einzug halten? Wird sie überhaupt?
Dazu sah ich mir ein „Talk spezial“ auf Servus-TV an, in welchem Michael Fleischhacker im Gespräch mit dem Professor für Öffentliche Gesundheit Martin Sprenger (nomen est omen), der die Taskforce der Bundesregierung Anfang April verlassen hatte, weil er mit der Weiterführung der strikten Maßnahmen und der „Angststrategie“ des Bundeskanzlers nicht einverstanden war. In dem Gespräch lobte er die konsequente Haltung der Regierung zu Anfang der Krise, ging nochmals mit der Weiterführung der Maßnahmen ab April ins Gericht, stellte die Maskenpflicht in Frage und meinte, dass die Ereignisse der letzten Wochen keine bleibende Veränderung in der Welt bewirken würden wie einstmals Dampfmaschine oder Kopernikus. Ich wurde nicht wirklich schlauer, es gilt wohl wirklich Schritt für Schritt vorzugehen, der eigenen Intuition zu folgen und so die Mitmenschen und sich selbst bestmöglich zu schützen. Das Problem ist hauptsächlich, dass kaum jemand in diesem Land mit der eigenen Intuition in Kontakt ist, hat uns doch das Bildungs- und Wirtschaftssystem dazu gebracht, zu funktionieren und auf einen „da oben“ (den Kaiser oder den Messias) zu hören, der uns ansagt, was wir zu tun haben. Ich ließ einen bereits älteren Beitrag in der ZDF-Mediathek folgen, Richard David Precht sprach mit der Politökonomin Maja Göpel über den (scheinbaren) Widerspruch von Ökologie und Ökonomie. Für mich war es befremdlich, dass der Philosoph sich sehr stark ins Gespräch einbrachte, ein Stil, der mir bei den von mir geführten Interviews fremd ist, halte ich mich doch immer sehr dezent zurück und lasse meine Gäste reden. Meine Liebste, die mir die Sendung empfohlen hatte, klärte mich dann darüber auf, dass Precht in seiner Talkshow immer so agiere und sie als Diskussion anlege. Ok, damit kann ich leben, muss man nur vorher wissen. Das Gespräch selbst war ein Schwanken zwischen dem zu Erhoffenden und dem zu Erwartenden. Es ließ mich ein wenig ratlos zurück, da es evident ist, was nötig ist, um Ökonomie und Ökologie in Einklang zu bringen. Precht nannte es die nachhaltige soziale Marktwirtschaft, in Österreich wurde ein ähnliches Modell vor drei Jahrzehnten entwickelt und in der Regierungserklärung der neuen Bundesregierung wieder aus dem Hut gezaubert, die so genannte Ökosoziale Marktwirtschaft. Der schale Beigeschmack, der blieb, betraf den Begriff Markt. Mit dem kann ich so gar nichts anfangen, und noch weniger mit dem Slogan, dass sich der Markt von selber regle. Kapitalismus in neoliberaler Reinkultur. Da bringe ich schon sehr viel mehr Sympathie für die von Christian Felber entwickelte Gemeinwohlwirtschaft auf. Ich hatte noch Lust auf mehr, nutzte die Stunde bis Mitternacht noch mit der aktuellen Ausgabe von „Willkommen Österreich“, einer Sendung, der ich sehr ambivalent gegenüberstehe. Es war erheiternd, nicht mehr und nicht weniger, kurz nach dem Wechsel des Kalendertages fiel ich mit meiner Liebsten ins Bett. Der Sonntag brachte anfangs sonniges, tagsüber dann wechselhaftes Wetter. Ich genoss diesen finnischen Sommertag mit einem Mix aus Regen, Wolken und Sonne sowie Temperaturen um die 20 Grad. Am Vormittag entdeckte ich auf orf.at, dass Felix Mitterer doch tatsächlich den fünften Teil seiner Piefkesaga plant, er meint, dass man an den Ereignissen rund um Ischgl, das zum Corona-Hotspot Europas geadelt wurde, einfach nicht vorbeischauen könne. Bin schon sehr gespannt, da ich diese Idee auch schon seit mehreren Tagen in meinen Gedanken getragen hatte. Am Vormittag bloggte ich zwei meiner Lebenstage, es gab kurzfristig Aufregung um ein verloren geglaubtes Schüttelpennal unseres Ältesten, dass nicht – wie er befürchtet hatte - bei seinem gestrigen „Zeichenausflug“ verloren gegangen war, sondern friedlich in seinem Rucksack schlummerte. Mittags kochte meine Liebste Dinkellaibchen und ich die Beilage, den Reis. Und schon knapp nach dem Mittagessen stand der nächste Fernseh-Fußballnachmittag am Programm, diesmal mit drei Spielen der 2. Deutschen Bundesliga. Kater Dario gesellte sich zu uns, um sich mit schmalen Augen von seinem Polster aus auch dem Fußball hinzugeben. Nach einer dreißigminütigen, verspäteten Mittagspause, schaute unser Jüngster den letzten Livestream des Cirkus Pikard, der ab Anfang Juni nun endlich doch auf Tournee gehen kann. Meine Liebste und ich werkten im Garten, ich stützte den sturmgebeutelten Bambus und unterstützte sie beim Einpflanzen von Wein-Stecklingen, die einmal unseren Outdoor-Ess- und den Eingangsbereich unseres Hauses vor der Sonne schützen sollen. Einem inneren Impuls folgend gestaltete ich noch ein Türschild für unser Hoftor, es trägt neben unserem Familiennamen noch den Titel „Halme-Hof“, eine Reminiszenz an Finnland. Halme bedeutet auf Deutsch „fruchtbares Land“ und das war unser Garten in den etwas mehr als zwei Jahren unseres Hierseins tatsächlich geworden. Wochenende, nach Feiertag und Fenstertag. Ich liebe die Freitagabende, und diesen ganz besonders. Doch bevor ich darüber schreibe, muss ich noch etwas vom letzten Lebenstag ergänzen. Meine Liebste war bei ihrer seit Tagen laufenden Erforschung von Möglichkeiten zum nachhaltigen Ab-Hof-Verkauf auf einen neuen Anbieter direkt in unserer Nachbarschaft gestoßen. Da wir Wein von unserem Lieblingswinzer holen wollten (und erstmals seit Monaten auch wieder im Winzerhof vorbeikommen konnten und ncht beliefert werden mussten), konnten wir gleich einen Abstecher dorthin machen. Zuerst aber deckten wir und mit Rot- und Weißwein sowie Rosé für die Woche ein, bekamen nach einer ausführlichen Plauderstunde noch einen Stamm wunderbar duftende Kamille geschenkt, und schoben unsere Räder dann drei Häuser weiter, um uns schlau zu machen. Zuerst war niemand anwesend, das Hoftor offen, aber eben niemand im Haus. Im auf der dem Hof gegenüberliegenden Entnahmestelle herrschte Leere, auch der Kühlschrank für die Eier war ohne Inhalt. Wir wechselten erneut die Straßenseite, ich versuchte via Handy eine Telefonnummer herauszubekommen, doch vergebens. Als wir unverrichteter Dinge wieder aufbrechen wollten, kam ein junges Paar von gegenüber auf uns zu. Wir konnten nicht nur einen Zehnerpack Eier mitnehmen, sondern auch die gewünschten Infos. Schon demnächst werden wir hier auch saisonales Gemüse und Obst beziehen können, das nachhaltig angebaut wird. Ein Segen. Zuhause angekommen bekam die Kamille ihren neuen Platz bei der Brombeerhecke, auch die Heidelbeere wurde nochmals versetzt, sollte jetzt aber an der richtigen Stelle stehen.
Und nun zu den ersten Stunden dieses neuen Lebenstages, die ich mit meinem jüngsten Sohn verbrachte. Das Lagerfeuer im Feuerkorb wurde entzündet, es brannte vorzüglich. Dann kam ich auf die Idee, noch ein Spiegelei auf der Schaufel zuzubereiten, entschied mich dann aber, das geerbte Bundesheergeschirr aus einer der Kisten im Abstellraum herauszukramen und es als Pfanne zu benützen. Als ich alles vorbereitet hatte, begann es zu nieseln. Ich schickte meinen Jüngsten um einen Regenschirm, um das Wasser, das vom Himmel fiel, vom Feuer fernzuhalten. Dann setzte ich die Pfanne auf, schlug drei Eier hinein und versuchte die Spiegeleier von beiden Seiten anzubraten, was nicht gelang. Immerhin wurde daraus dann eine leckere Eierspeis, die wir mit Toastbrot verzehrten. Trotz Regenschirm hatte das Feuer gelitten, die Holzstücke glosten bloß noch und es rauchte gewaltig. Ich musste gegen anfänglichen Widerwillen alle meine Pfadfinderkünste aufwenden, um den widrigen Umständen erfolgreich zu trotzen. Es machte entgegen meiner ersten Erwartungen auch eine Menge Spaß, mich meinem Sohn von meiner besten Seite zu zeigen. Wir saßen noch knapp zwei Stunden im Nieselregen beim Feuer, ich las ihm aus der Unendlichen Geschichte vor, wir plauderten über dies und das, ehe er sich in sein Zelt am Dachboden zurückzog. Ich ließ das Feuer und auch den Abend draußen verglimmen. Der Amselgesang erinnerte mich an meine Kindheit in einer kleinen Mietwohnung im fünften Bezirk der Hauptstadt, mein Zimmer, das ich mit meiner jüngeren Schwester teilte, ging nach hinten in einen begrünten Innenhof hinaus und ich genoss es schon damals, dem Abendlied der gefiederten Freude zuzuhören. Es vermittelte mir einmal am Tag (zumindest in der warmen Jahreszeit) das Gefühl von Freiheit und Gelassenheit in sehr, sehr herausfordernden Zeit. Kurz vor dem geplanten Schlafengehen brach plötzlich ein heftiger Sturm los, ich musste die Glut im Feuerkorb schleunigst löschen, wenig später prasselte ein schwerer Gewitterregen hernieder und ich flüchtete mich in unsere Hofeinfahrt unters Dach. Mein Sohn rief mir vom Dachboden aus zu, ich bat ihn nochmals zu überlegen, ob der die Nacht wirklich da oben in seinem Zelt verbringen wollte, er bestand darauf. In der nächsten Zeit lauschte ich bedächtig dem herrlichen Regen und freute mich an diesem kostbaren Nass, das auch unserem Garten gut tun würde. Gegen ein Uhr übersiedelte unser Jüngster zurück in sein Zimmer und in sein Bett. Am nächsten Vormittag war Putzen angesagt – und ich fand das von unserem Ältesten vermisste Smartphone hinter einem Bücherregal, nahe jenes Fensterbretts, an dem er es allabendlich abzulegen pflegte. Damit ar auch dieses Problem erfolgreich gelöst. Nach einem schnellen Mittagessen entschloss ich mich, den Biervorrat aufzufüllen, standen doch zwei Nachmittage mit Übertragungen aus der Deutschen Fußballbundesliga am Plan. Mein jüngster Sohn begleitete mich – und neben Bier landeten auch drei Tafeln Schokolade im Einkaufswagen. Jetzt mussten nur noch spannende Spiele her – und dem Glück wären keine Grenzen gesetzt. Nach sehr ansehnlichen Spielen und einem guten Abendessen brach ein noch heftigerer Gewitterregen as am Vortag über uns herein, die von meiner Liebsten frisch geputzten Fenster – und auch sie – litten stark. In unserem Garten schossen richtige Bäche über Pflaster und Wiese, der Bambus bog sich im Sturm, ich fürchtete, dass er bräche. Aber er wäre ja kein Bambus, wenn er dem Toben des Windes nicht standgehalten hätte. An diesem Abend nahm ich mir Zeit für einen Männerabend mit mir selbst, ich heizte eine Sauna ein und, weil es noch eine angenehme Außentemperatur um die zwanzig Grad hatte, traute mich erstmals zwischen den Saunagängen unter die „Gartendusche“, das heißt unter den durch einen entsprechenden Aufsatz zur Dusche erweiterten Gartenschlauch. Herrlich belebend. Ebenso das kellerkühle Bier danach.
Vor dem Schlafengehen war noch Teil 2 des Thrillers vom Vortag angesagt, auch er erfüllte meine Erwartungen, die Emotionen gingen hoch, das Ende shakespeare-like mit einem Haufen Toter. Ich hätte nichts gegen eine weitere Fortsetzung, zumal die Protagonistin als eine der wenigen Hauptdarsteller*innen überlebte. Der Neumondtag startete alltäglich und auch wieder nicht. Unsere beiden Großen verabschiedeten sich schon knapp nach dem Frühstück zu ihrer Großmutter in die Hauptstadt, sie waren sich zuletzt vor mehr als zwei Monaten begegnet, nun hatte die Oma die Initiative ergriffen und ein Treffen angesetzt. Meine Liebste hatte einen Termin in Krems in Sachen Staatsbürgerschaft, ich möchte an dieser Stelle nur Folgendes dazu verlieren: sauteuer, Bedingungen, die krass sind (so muss sie wohl, obwohl sie seit knapp 30 Jahren in Österreich lebt, seit zehn Jahren mit einem Österreicher, nämlich mir, verheiratet ist, Germanistik studiert, die 1. Diplomprüfung in Rechtswissenschaft an der Uni Wien absolviert hat und als Literaturübersetzerin sowie Deutsch-Finnisch-Sprachtrainer tätig ist, sämtliche Tests absolvieren, also auch den Deutsch- und Geschichtetest) und ein genereller Misstrauensvorschuss. Wenn sich meine Emotionen gelegt haben, kann ich vielleicht einmal mehr dazu schreiben. Filius #3 und ich nutzten die Zeit, um das Portfolio für die Externistenprüfung zusammenzustellen, er entschied sich dazu, ein Blatt zum Thema „Boccia“ zu gestalten, eine kleine Zeichnung und die Zusammenstellung der Spielregeln. Für Mittag hatte ich Lust auf Pizza von unserer örtlichen Pizzeria, nach einer kurzen telefonischen Rückfrage bei meiner noch in der Bezirkshauptstadt weilenden Liebsten, entschieden wir uns für Quattro Stagione, Calzone geklappt (meine Standardwahl) und eine Kinderpizza mit Salami. Auf dem Weg zum Abholen kehrten Junior und ich noch beim Greißler ein und er erstand eine Flasche „Korl“ (= Kola-Orangen-Limonade), ein Getränk, dass wir in meiner Jugend „Spezi“ nannten. Am schattigen Essplatz in unserem Garten genossen wir das Mittagsmahl in vollen Zügen. Auch heute wieder eine Mittagspause am roten Outdoorsofa in der Hofeinfahrt, danach eine weitere Lernstunde mit meinem Sohn, diesmal verfasste er einen Beitrag fürs Portfolio zum Thema „Tischtennis“. Danach galt es die Outdoorübernachtung meines Jüngsten vorzubereiten, wir entschieden uns, das Zelt diesmal nicht im Garten aufzustellen, sondern wetterfest am Dachboden. Innerhalb einer Stunde war es fertig aufgebaut und eingerichtet, amt zwei Matratzen, einem Schlafsack, zwei Kissen, einer Decke, der Leselampe, vieler Comics (Asterix und Donald Duck) und aller Kuscheltiere – eine Luxusherberge der Sonderklasse. Während des Abendessen hatte ich noch die geniale Idee, die Übernachtung meines Jüngsten in seinem Dachbodenzelt durch ein Lagerfeuer in unserem Feuerkorb im Garten einzuläuten. Ich hackte Holz, stellte sämtliche Utensilien auf seine „Spielwiese“ (wie wir die regelmäßig mit dem Spindelrasenmäher gekürzte Grünfläche in unserem Garten nennen), auch zwei Liegestühle, und lud ihn zum gemeinsamen Chillen ein. Was gibt es Schöneres als den Beginn des nächsten Lebenstages mit einem Bier und einer Selbstgedrehten im Garten zu zelebrieren? Ich genieße die Ruhe, ich lasse mich in die Dämmerung fallen, ich weiß um mich und meinen Lebensauftrag und eine wundervolle Kraft durchströmt mich, Mut und Zuversicht sind ihre Begleiter.
Gegen 23 Uhr ziehe ich mich auf mein rotes Sofa nach drinnen zurück, ich habe noch Lust auf Abenteuerliches, zumindest vor dem Bildschirm. Da entdecke ich einen deutschen Thriller aus 2016 mit dem Titel „Die Informantin“ und seine Fortsetzung aus 2019. Ich beginne mit der Fortsetzung, nach wenigen Minuten entscheide ich mich doch für den 1. Teil. Es zahlt sich aus, meine Erwartungen werden erfüllt. Ein krasser Plot voller Emotion, eher ein Schmachtfetzen denn ein Krimi, weil auch die Abgründe der menschlichen Beziehungs(un)fähigkeit ausgelotet werden. Tja, manchmal brauche ich genau solche Filme. Am Feiertagsmorgen geht es gleich in die Vollen. Heute ist wieder mal ein finnischer Donnerstag angesagt, zumindest kulinarisch. Damit stehen Erbsensuppe und Ofenpfannkuchen am Speisezettel. Dazu ist es notwendig, mal den CELUS-Küchenherd in Gang zu setzen. Das Wetter passt, der Kamin zieht sofort und innerhalb weniger Minuten kann ich die Suppe aufsetzen, zuerst den Speck und die Zwiebel anbraten, dann die über Nacht eingeweichten Trockenerbsen samt der Brühe dazugeben, um schließlich mit Salz, Majoran und Senf zu würzen. Damit die Erbsen schön weich werden und die Suppe wunderbar sämig, muss sie schon mal an die zwei Stunden vor sich hin köcheln. In der Zwischenzeit wird nun endlich unser Gemüsebeet urbar gemacht. Ich trage eine Schicht Erde ab, die unser Dario missverständlich das einen oder andere Mal als Katzenklo genutzt hatte, dann setze ich gemeinsam mit meiner Liebsten alles nochmals neu auf. Zuerst die groben Äste, die uns die Brombeerhecke alljährlich in Hülle und Fülle liefert, dann Laub und Grasschnitt, zuletzt noch halbverrotteter Kompost von unserem Komposthaufen, der sich somit halbiert. Darüber dann zum Abschluss noch die gestern erstandene torffreie Erde – und schon finden neun Tomatenpflanzen ein neues Zuhause. In zwei Ecken des Beetes werden Sonnenblumen gesät, im Beet selbst finden noch Erbsen, Mangold und Feldsalat ihren Platz. Höchste Zeit, mal wieder nach der Suppe zu schauen und den Teig für den Pfannkuchen vorzubereiten. Alles in time, wunderbar. Punkt zwölf schiebe ich das Backblech mit dem flüssigen Teig in den Ofen, während die Suppe ihre passende Konsistenz erreicht. Eine halbe Stunde später sitzen wir bei Tisch und genießen einmal mehr die Vorzüge dieser finnischen Nationalspeisen, die traditionellerweise immer donnerstags kredenzt werden. Die Mittagspause habe ich mir redlich verdient, ich genieße sie am roten Outdoor-Sofa mit dem Blick auf die alten Balken und Bretter des Dachbodens, der unsere Hofeinfahrt überspannt. Für eine knappe Stunde falle ich in einen angenehmen Mittagsschlaf. Danach habe ich unbändige Lust auf ein Eis, mein Jüngster hat Lust auf seinen ersten Spaziergang alleine nach langer Zeit. Wir finden eine Kombination und meine Liebste ist mit von der Partie. Er nimmt den Waldweg, wir die Straße, um zur Tanke im Gewerbepark zu gelangen, die sicher offen und ganz sicher Eis hat. Als wir vor Ort sind, müssen wir feststellen, dass es zwar Eis gibt – aber hinter verschlossenen Türen. Glücklicherweise gibt es auf der anderen Straßenseite eine weitere Tankstelle, die offen ist und Gefrorenes hat. Wir genießen – trotz des recht lebhaften Verkehrs, der uns umrundet und freuen uns am Leben. Auch als wir noch in der Großstadt lebten, suchten wir von Zeit zu Zeit die in der Nähe liegende Tankstelle auf, um uns ein Eis zu gönnen. Dort hatte ich auch einmal, als ich wieder mal Lust auf eine meiner Genusszigaretten hatte, die teuerste Zigarettenpackung meines Lebens gekauft, Gitanes – die in Österreich seit geraumer Zeit ärgerlicherweise nicht mehr erhältlich sind – um zehn Euro. Zum Ausklang dieses Lebenstages wurde der Garten mal wieder intensiv gegossen. Der Lebenstag beginnt mit Teil 2 meines Workshops zur Digitalisierung für Menschen im elementarpädagogischen Berufsfeld, es ist ein gelungener Abend, der alle inspiriert. In der Arbeit mit jungen Menschen gilt es aus meiner Sicht die richtige Dosis an Digitalem zu finden, es als Ergänzung zu verwenden und Kinder dazu zu animieren, sich nicht aufs Konsumieren zu reduzieren, sondern aufs konkrete kreative Gestalten mit Hilfe digitaler Medien.
Nach diesem zweiten fast dreistündigen Zoom-Workshop innerhalb von 24 Stunden freue ich mich auf einen chilligen Abend im Garten, atmen, Sternderl schauen und ein gutes Glas Wein trinken. Um 23 Uhr bin ich im Bett. Der Morgen dann stressiger als mir lieb ist, es gilt E-Mails zu beantworten, eine Lernstunde mit meinem Jüngsten zu absolvieren, der Prüfungsschule noch letzte Details zu senden und – nachdem der Vorstand des Fußballklubs am Vorabend entschieden hat, die Kinder- und Jugendtrainings unter strengen Auflagen wieder aufzunehmen, auch noch die Eltern über meinen Trainingsplan zu informieren. In meinem Perfektionismus gurke ich mit der Veröffentlichung der diesbezüglichen Infos knapp zwei Stunden herum. In der Mittagspause fahre ich mit meinem Jüngsten Erde für unser Beet kaufen, das wir schon vor zwei Jahren angelegt haben und das wegen des neu gebauten Hochbeets bislang das Nachsehen hatte. Nun gilt es aber die Tomatensetzlinge aus den Töpfen auszupflanzen – und das am besten am kommenden Feiertag. Danach mache ich noch eine Runde in die Apotheke, um Zitronensäure für den Hollerblütensirup zu erstehen. Ich mach daraus gleich eine kleine Radrunde durch Wald und Feld, was mir sehr gut tut. Am späten Nachmittag kommt dann ein guter Freund zu Besuch, den ich schon ewig nicht mehr gesehen haben. Mit dem nötigen Abstand kommen wir uns sehr nah, berührende Geschichten, feine Gedanken und am Ende die Freude auf ein baldiges Wiedersehen. Schön von ihm zu hören, dass er und seine Familie beschlossen haben, bei einer möglichen Impfpflicht nicht mitzumachen. Da meine Liebste abends politisch unterwegs ist, muss ich mich in der Diskussion mit unserem Ältestenwegen seines Zuspätkommens alleine zurecht finden. Ich merke, dass mir da an diesem Abend die Nerven fehlen und kürze die Sache radikal ab. Zumal mein Wunsch, er möge sich doch mit einem einfachen Satz dafür entschuldigen, gleich wieder in Grundsatzdiskussionen auszuufern beginnt. Und darauf habe ich am Vorabend eines Feiertags wirklich keine Lust. Unzufrieden zieht er ab, aber es ist wenigstens Ruhe. Lyrik war angesagt, besser gesagt die Analyse eines lyrischen Textes, insbesondere dessen formale Untersuchung. Ich bot den Lernenden Erich Kästner‘s Handstand auf der Loreley an. Es begeisterte, so wie es mich immer wieder aufs Neue begeistert. Kästners Gedichte sind überhaupt etwas, das mir sehr, sehr gut gefällt. Mit Humor und Augenzwinkern aber beinhart analysiert er die Umtriebe der Gesellschaft, er wird darin für mich zum Hofnarren der Moderne, einer wie er fehlt schmerzlich und mir gelang bislang kein einziger Versuch in seine Fußstapfen zu treten, sie sind mir viel zu groß und allein der Gedanke darin reicht an Größenwahn. Dennoch gilt es für de Dichter immer auch, sich mit den Großen zu messen, nicht aber sich mit ihnen zu vergleichen.
Da meine Stunden aufgrund geringer Beteiligung diesmal bereits zur Halbzeit endeten, konnte ich mich noch mit meinem Ältesten in ein vertiefendes Gespräch zu seinem (vermeintlichen?) Handyverlust einlassen, das uns auch in ganz andere Lebensbereiche aus seiner Vergangenheit, aus unserer Vergangenheit und seiner Zukunft führte. Ein Gespräch unter Männern, das aufgeregt begann und gemütlich endete. So geht Familie. Ich bin stolz auf uns. Am nächsten Morgen war die Gestaltung meiner aktuellen Ausgabe von „Nie-mehr-Schule – dem Magazin für alle, die Bildung verändern wollen“ angesagt. Neben dem Beitrag über Sonja Brauners Buch „Geniale Resilienz“ wollte ich auch einen kurzen Stimmungsbericht über Schule und Kindergarten, speziell den Restart im Pflichtschulbereich, bringen. Ich recherchierte und stieß auf eine unsägliche Formulierung des Herrn Bildungsministers, der sich doch tatsächlich – und ich denke mit voller Überzeugung – so ausdrückte, dass ihm das Öffnen der Schulen jedenfalls ein „tiefes Anliegen“ sei, gerade aus den Gründen, „dass es nicht zu einem Humankapitalverlust großen Ausmaßes kommt.“ Entlarvend. Wenn du schon als Schüler*in zum Humankapital verkommen bist, dann darfst du dich nicht wundern, dass der „Input“ – auch Unterricht genannt – zu einem solchen „Output“ führt. Und wieder kein Protest. Oder sind alle Beteiligten dankbar, dass die jungen Menschen dieses Landes zum Funktionieren gebracht werden? Vormittags noch einer der beiden wöchentlichen Einkäufe im örtlichen Gewerbepark, nach einem schnellen Mittagessen gestalte ich Teil zwei der Sendung, gebe noch meinem Senf zur aktuellen Situation im Schulsystem an und kündige an nach mehr als fünf Jahren und knapp 70 Sendungen mir bis Juni zu überlegen, ob ich Sendeschluss mache. Nicht allerdings ohne neue Pläne in petto zu haben. Ich informiere gleich danach den Programmchef von Radio Orange, er bedauert aber freut sich auch auf die neue Sendereihe. Aber mehr sei noch nicht verraten, denn erst in der Juni-Sendung möchte ich die Sache öffentlich machen. Ich lese auf orf.at davon, dass sich die Eltern wünschen, dass im Sommer für ihren Nachwuschs Feriencamps veranstaltet werden. Ich finde das traurig, aus mehreren Gründen: zum einen, weil Eltern, auch wenn sie intensiv Zeit mit ihren Kindern verbringen wollen, daran dadurch gehindert werden, weil sie ein Erwerbseinkommen erzielen müssen, um existieren zu dürfen, Kinder und Familie allein genügt nicht; zum anderen wegen jener jungen Menschen, die sich mehr Zeit mit ihren Eltern wünschen und die ihre Zeit nicht irgedwo mit irgendwem verbringen wollen, sondern in und mit der Familie. Es gibt auch Erfreuliches, die Fußballbundesliga wird wieder losgehen. Bin schon gespannt, ob es dem ORF gelingt, sich trotz der Sky-Übermacht die Rechte für die eine oder andere Liveübertragung zu sichern. Würde mich freuen. Ein weiterer, letzter Abend mit Juli Zeh und Neujahr. Das Ende erwartbar unerwartet. Davor aber noch ein Glas Rotwein und eine Selbstgedrehte im Garten. Auch an diesem Abend wird es wieder spät. Weil ich danach auch noch den Kölner Tatort schaue. Eine verstörende Geschichte um die psychische Befindlichkeit eines der beiden Kommissare und einer Frau, die in ihrer seelischen Verfassung hilflos unschuldig wirkt, sich aber am Ende (wie zu erwarten war) als die Schuldige herausstellt.
Der Morgen und der Vormittag im Alltagsrhythmus: meine Liebste um 6.30 Uhr wach, der Mittlere geht erstmals seit Wochen wieder zur Schule, er fährt mit dem Rad, um sich die 30 Minuten Bustour mit Maske und zu wenig Abstand zu ersparen, ein sechsstündiger Schultag im Klassenverband reicht, findet auch er. Ich dreh mich nochmals um, frühstücke später als üblich, schaffe dann aber doch noch meine Morgenmediation und bin pünktlich bei der Lernstunde mit meinem Jüngsten, die Externistenprüfung rückt näher, noch drei Wochen. Danach veröffentliche ich endlich den Hinweis auf die nächste Ausgabe meiner Radiosendung „Nie mehr Schule“ auf Radio Orange, das Interview mit Sonja Brauner über ihr Buch „Geniale Resilienz“, einen Statutsbericht über den Schulstart und die Situation in elementarpädagogischen Einrichtungen mit Corona, meinen Senf über „Die Schule ist tot, es lebe die Schule“ und guten Rat für jene, die aufgrund der aktuellen Situation nicht zur Schule gehen wollen. Ein schnelles Mittagessen, dann bereite ich mich auf den heutigen Abend vor, es gibt wegen des Donnerstagfeiertags eine Extra-Stunde für meine Vorbereitungsgruppe auf die Berufsreifeprüfung Deutsch. Danach bin ich noch herausgefordert, meinen Antrag auf Verfahrenshilfe auszufüllen und die nötigen Unterlagen zusammenzustellen, kostet mich schlappe zwei Stunden und macht überhaupt keine Freude. Ich schreibe auch der Prüfungsschule meines Jüngsten, da sich aufgrund der momentanen Situation einige Fragen stellen, nutze die Gelegenheit auch gleich, um nachzufragen, ob er auf einem guten Lernweg ist. Zur Entspannung geselle ich mich dann mit ihm zu unserem Gartentümpel, wir können Wasserflöhe, Gelsenlarven und Rattenschwanzlarven beobachten, die helfen mit, dass unser kleines Gewässer nicht völlig veralgt. Die zweite Lernstunde absolviert mein Jüngster dann ohne meine Unterstützung, ich bereite einstweilen meinen Zoom-Meeting-Room am Dachboden vor, um für den Unterricht ab 18 Uhr gewappnet zu sein. Es dauert fast zehn Minuten bis sich der erste Teilnehmer einfindet, zuvor haben sich schon vier wegen beruflicher Verpflichtungen entschuldigt. Es ist dies der vorläufig letzte Online-Abend, in zehn Tagen werde ich erstmals wieder vor Ort in der Volkshochschule in Wien unterrichten, mit Maske und/oder Plexiglasvisier. Auch für die Anreise wird der Mundschutz notwendig sein und so wird die Zugfahrt wohl weniger entspannend sein als früher üblich. Ich werde sehen. Es ist der Abend des dieswöchigen Donnerstagfeiertags und ich habe einen Männer-Saunaabend mit mir selbst vereinbart. Während der Saunaofen seinen Dienst aufnimmt, um meine Idealtemperatur zwischen 80 und 100 Grad Celsius herzustellen, widme ich mich meiner Route 55. Es gilt fünf Tage zu beschreiben, die hinter mir liegen, die voller Leben waren, herrlich, die voller Erfahrungen waren, voller Erfolge und voller Emotionen. Natürlich auch anstrengend, aber im Rückblick eine wundervolle Zeit meines Lebens in diesem, meinem 55. Lebensjahres. They never will be back.Ausatmen, loslassen, einatmen, Fülle erfahren.
Der Samstagabend, ein Abend mit Juli Zeh und Neujahr. Wunderbar herausfordernd – und lang. Das Sonntagsfrühstück spät, später als für mich üblich. Gleich danach eine Lerneinheit mit meinem Jüngsten, die wir am Freitagvormittag wegen unseres Kremsausflugs bei „Winterwetter“ versäumt haben. Diesmal bahnt sich ein Sommertag an. Wir essen unser Raclette, das wir zum zweiten Mal innerhalb kürzester Zeit auf Wunsch von Sohn Nummer 3 vorbereitet haben, im Freien. Kurz danach regiert König Fußball das weitere Geschehen, mein Jüngster und ich nutzen den zum Start der deutschen Bundesliga freien Zugang zur Sky-Konferenz und schauen die Sonntagsspiele der 2. Bundesliga. Rechtzeitig um 16 Uhr können wir zum Circus Pikard switchen, der seinen nunmehr 9. Livestream sendet, wieder mit Ausschnitten aus dem Programm, mit dem er demnächst seine diesjährige Tournee starten wird. Vor dem Abendessen wird unser Hochbeet nun endlich besiedelt. Ich schreibe an meine Blog. Ich spiele noch ein paar Runden Tischtennis. Im Lauf der Wochen sind mein jüngster Sohn und ich schon ganz schön in Form gekommen. Die Bälle fliegen nur so hin und her, sie werden aus unmöglich scheinenden Positionen retourniert, auch der eine oder andere Schnittball ist dabei. Herrlich. Das Abendessen schmeckt nach der körperlichen Anstrengung ebenso. Der neue Lebenstag begann mit einer Familien-Planungsbeprechung für das Wochenende. Da ich mich von den Aktivitäten des vergehenden Tages sehr erschöpft fühlte, machte ich mich zum Schriftführer des Meetings. Es galt unseren Ältesten beim Putztag und den Abendessensdiensten zu ersetzen, da er einen Comic-Zeichenkurs gebucht hatte und an beiden Wochenendtagen den ganzen Tag über auswärts weilen würde. Ebenso waren der Speiseplan für die kommende Woche und die dazugehörige Einkaufsliste zu erstellen. Alle halfen gut zusammen, so dass diese Herausforderung innerhalb kurzer Zeit bewältigt war. Auch das ist ein Zeichen dafür, dass unsere Familie in den letzten Wochen zusammengewachsen ist und die Weichen von allen Beteiligten auf Kooperation gestellt wurden.
Nachdem ich unseren Jüngsten mit der „Unendlichen Geschichte“ versorgt und wohlbehalten ins Bett gebracht hatte, widmete ich einem nächsten Buch von Juli Zeh, diesmal in der Hörbuchversion. „Neujahr“ erzählt die Geschichte eines Familienvaters, der an Panikattacken leidet, im Familienurlaub mit seiner Frau und seinen beiden Kindern auf Lanzarote. Am Höhepunkt seiner Radfahrt in einen fünfhundert Meter höher gelegenen Ort, landet er an einem Haus, das ihm einer traumatischen Erfahrung aus seiner Kindheit in Erinnerung ist – was er bis zu diesem Zeitpunkt ins Unterbewusstsein verdrängt hatte. Der Autorin gelingt es auch diesmal die Ereignisse eindrucksvoll und unter die Haut gehend zu erzählen. Möglicherweise war das nicht die ideale Gute-Nacht-Lektüre nach einer so anstrengenden Woche wie der vergangenen. Ich wachte gegen zwei Uhr morgens schweißgebadet und voller Todesangst auf. Diesmal in voller Bewusstheit – und nicht wie bis vor einigen Jahren so oft von heftigen Panikattacken geschüttelt. Nach einigen Minuten löste ich mich aus dieser Schockstarre, stand auf, genehmigte mir ein Glas Wasser und setzte mich an den Schreibtisch, um zwei Lebenstage in meinem Blog zu beschreiben. Es war ein heilsames Aufsetzen in der Gegenwart – und das schlimmste war innerhalb der beiden Stunden, die ich dafür aufwendete, überstanden. Der Morgen begann sehr früh – so wie geplant. Ich hatte mich bereit erklärt, den Familieneinkauf im Super- und im Drogeriemarkt zu erledigen, diesmal in umgekehrter Reihenfolge als zwei Wochen zuvor als ich in den Strom der Einkaufenden und fast unter deren Einkaufswagenräder gekommen war. Die Übung gelang und 45 Minuten nach meinem Aufbrechen war ich mit allem, was wir bei der Zusammenstellung der Einkaufsliste für nötig erachtet hatten, wieder zuhause angelangt. Nach einem kleinen Frühstück – diesmal nur ein schnelles Müsli und ein Häferl Kaffee – machte ich mich an Aufgabe zwei an diesem Vormittag: Ich putze das Wohnbüro, ich putzte das Badezimmer und ich unterstützte Junior 3 beim Wiederherstellen der Ordnung in seinem Zimmer. Knapp zwei Stunden später war ich bereit, das Mittagessen zuzubereiten, es gab Hot Dogs – eine einfache Sache. Zwischendurch gab es noch eine kleine Aufregung um unseren Ältesten, der sich schon frühmorgens mit dem Zug auf die Reise zu seinem Comic-Zeichenkurs begeben hatte. Offenbar war er zwischenzeitlich unsicher geworden und hatte in der Not weder seine Mutter noch mich angerufen, sondern seinen Vater in Berlin. Dieser bedachte meine Liebste wieder einmal mit einem Schwall – um es freundlich auszudrücken - „besorgter“ Kurznachrichten. Es hieß cool bleiben, was mir besser als meiner Frau gelang. Über dieses „Sorgenspiel“ zwischen Sohn Nr. 1 und seinem Vater, das absoluten Kontrollcharakter hat, habe ich schon früher geschrieben. Es endete damit, dass unser Ältester – als er pünktlich und wohlbehalten beim Zeichenlehrer angekommen war – seine Mutter anrief, und sie bat, seinen Vater zu verständigen, damit der sich „keine Sorgen machen“ müsse. Punktum. In einer kurzen Mittagspause hörte ich weiter Juli Zeh. Für 14 Uhr hatte sich meine jüngere Tochter angesagt, sie war meiner Einladung zu einer Plauderstunde beim Spazierengehen mit anschließender Jause im Familienkreis gefolgt. Und pünktlich stand sie vor der Tür. Wir begaben uns in den Auwald, umrundeten meinen Heimatort von links und von rechts und landeten zwei Stunden später bei Kaffee und Linzertorte bei mir zuhause. Unsere Gespräche drehten sich um Vieles, unter anderem den bevorstehenden Schulstart, Schule an sich, Wetter und Natur, Energetik und Familie. Auch bei der Jause ging uns der Gesprächsstoff nicht aus, es beteiligten sich dabei auch unser Jüngster und meine Liebste an der Plauderei. Die mehr als drei Stunden ihres Besuchs vergingen wie im Flug und hinterließen bei uns allen – aber auch bei ihr, wie sie später via whatsapp mitteilte – einen bleibenden Eindruck. Und da an diesem Nachmittag – parallel zum Besuch meiner Tochter - die Deutsche Bundesliga gestartet hatte und damit König Fußball endlich auch in unserem Leben wieder Fuß zu fassen beginnen konnte, setzten sich mein Jüngster und ich vor den Laptop und schauten uns die ARD-Sportschau mit der Zusammenfassung der Spiele dieses Tages an. So kam der aktuelle Lebenstag zu einem ihm gebührenden Ende! Nachdem ich meine Vorbereitungsgruppe für die Berufsreifeprüfung Deutsch heute zur Analyse der Ringparabel in Lessings Nathan der Weise begleitet hatte, machte ich mich auf einen nächtlichen Spaziergang durch unseren Ort. Es war herrlich meinen Körper nach so viel Starre, also nach der Anspannung und dem Stress des Tages in Bewegung zu bringen. Erinnerungen wurden wach an meine erste ähnliche Runde, die nach unserer Übersiedlung Mitte Dezember 2017 absolviert hatte. Ich war damals sehr, sehr erschöpft und dementsprechend unrund gewesen – doch die Runde hatte mich wieder rund gemacht. Diesmal musste ich nicht rund werden, aber meinen Körper wieder in eine gesunde Mitte bringen. Das gelang damals wie heute ausgezeichnet.
Zum Abschluss des Kalendertages las ich Julie Zeh‘s Corpus Delicti fertig. Die Dystopie erreichte kurz vor Schluss ihren Höhepunkt, die Protagonistin wurde zum Einfrieren auf unbestimmte Dauer (die „neue“ Scheintodesstrafe jener Zeit) verurteilt, um knapp vor Vollstreckung begnadigt zu werden, weil man sich staatlicherseits keine Märtyrerin leiste wollte, die das System womöglich zum Kippen brächte. Meine anschließende Abendmeditation brachte mich in einen guten Schlaf. Fit für die geplante Tour ins Innere der Bezirkshauptstadt erwachte ich. Aber: es regnete. Es regnete erstmals seit Monaten wirklich. Ein wunderbarer, aber kalter Landregen prasselte auf Wiese und Pflaster in unserem Garten. Wunderbar – zum einen, ein wenig abschreckend, was die Radfahrt betraf, auf der andere Seite. Dennoch machten wir uns nach dem Frühstück zu dritt auf den Weg. Der Regen ließ immer wieder nach, mein Jüngster und ich hatten uns gut in Regenhosen und Regenjacken verpackt, meine finnische Frau machte es „hardcore“ nur in Jeans und einer guten regenfesten Parka. Finnisch eben! In der Stadt machten wir unsere Cityrunde, erledigten und besorgten dies und das und kamen rechtzeitig heim, um das Mittagessen zuzubereiten. De Mittagspause liße ich diesmal ausfallen, um endlich die Unterlagen für den Gutachter zusammenzustellen, in knapp zwei Stunden war die Sache schließlich erfolgreich bewältigt. Währenddessen fand meine Liebste im Postkasten einen gelben Zettel, der mich über die erfolglose Zustellung eines Pakets aus Oberösterreich informierte. Die Birke war angekommen und ich durfte sie ab 16.30 h bei der örtlichen Poststelle beim Greißler in Empfang nehmen. Das tat ich dann auch mit großer Freude – und wurde dabei auch gleich das Einschreiben an den Sachverständigen los. Die Birke hatte ihre zweitägige Reise in einem einfachen Karton überraschend gut überstanden. Ihr Geäst war liebevoll zusammengerollt, der Wurzelstock mit Heimaterde in einem nassen T-Shirt eingewcikelt und in einem Plastiksack verpackt worden. Ihr neuer Standort in unserem Garten war schon Tage zuvor ausgewählt worden, es galt nun eine entsprechend große Grube zu graben, um ihr die neue Heimat schmackhaft zu machen. Der Regen, der mir doch einigermaßen heftig erschienen war, hatte – was ich beim Einstechen mit dem Spaten bemerkte – nur die oberste Schicht, also die Grasnarbe gut durchfeuchtet, fünf Zentimeter später war schon Schluss mit nass. Also musste der Gartenschlauch her, um den lehmigen Boden leichter bearbeitbar zu machen. Eine halbe Stunde später stand unser aktuell letzter Baum sicher an seinem neuen Platz. Mit seinen knapp sechzig Zentimetern Höhe ist er wesentlich kleiner als Apfel- und Kirchbaum, aber um ein bisschen größer als unser zweijährige Tanne. Ich muss zugeben, dass ich seinen „Stamm“ an einer Pflanzstange gut durchgestreckt an mehreren Stellen sanft angebunden habe, womit er diese „imposante“ Größe erreichte. Laut den mir vorliegenden Informationen wachsen Birken bis zu 40 Zentimetern pro Jahr. Aus Finnland weiß ich um die überbordende Vermehrung dieser Spezies und auch von ihrem schnellen Größer-Werden. Nun hatten wir also den finnischen Nationalbaum auch in unserem Garten – und damit ein Stück der Identität des Landes im Norden in unser Leben eingepflanzt. Kippis! Auch Kater Dario war vom Familienzuwachs so begeistert, dass er das Bäumchen intensiv beschnupperte und schließlich umarmte. Tags darauf – das nehme ich hier schon vorweg – musste ich die Brike aufgrund der Katerliebe zu ihrem Schutz mit einem dünnen Zaungitter umrunden, da ich um ihre Existenz fürchtete. Knapp vor dem Abendessen fanden sich plötzlich vier spatzengroße aber ziemlich bunte Vögel in unserem Garten ein, sie „pflückten“ während ihres hubschraubergleichen Standfluges die Grassamen und die Kleeblüten. Ich war begeistert und erkannte sie schließlich – nach meiner Internetrecherche – als Stieglitze bzw. Distelfinken, die vorwiegend in Naturgärten ihr Zuhause hatten. Somit war der endgültige Beweis erbracht, dass wir das an unserem Hoftor prangende Schild mit der Aufschrift „Natur im Garten“ wirklich redlich verdient hatten. Da ich an diesem Abend wieder zum Hinlegen von Sohn Nr. 3 zuständig bin, habe ich die Freude, ihm das erste Kapitel der „unendlichen Geschichte“ vorzulesen (nachdem meine Frau tags zuvor schon die Einleitung zum besten gegeben hatte). Ich bin abermals begeistert von der Sprache des Autors Michael Ende, von seinem Einfallsreichtum und seinem liebevollen Umgang mit den Worten. Auch mein Sohn freut sich daran und stellt fest, dass das Buch doch wesentlich anders ist als der vor kurzem gemeinsam betrachtete Film. Ja, es ist kein Vergleich – und im Gegensatz zu „Momo“, das kongenial verfilmt wurde (hier spielt ja der Autor in der Eröffnungsszene auch selber mit), setzt die Leinwandinszenierung dieses Buches viel zu viel auf optische Effekte.
Die Sauna vom späten Nachmittag hat mich müde gemacht, ich bin tatsächlich ziemlich erledigt, schreibe noch kurz an meinem Lebenstagebuch, beobachte Kater Dario bei der Fliegenjagd und widme mich einem Youtube-Video, das mir mein ältester Freund zum Anschauen empfohlen hat. Es berichtet von Aufstellungen im Zusammenhang mit CoVid19. Eine der – für mich wenig überraschenden – Erkenntnisse ist jene, dass die Demokratie am Boden liegt (d.h., dass die Person, die die Demokratie verkörperte, sich während der Aufstellungsarbeit tatsächlich auf den Boden gelegt hat). Weiters wird davon berichtet, dass diffuse Ängste, wie sie zur Zeit herrschen, allgemeine Lähmung hervorrufen, dass es aber Angstfreiheit eine Voraussetzung für Demokratie ist und Menschen somit dringend wieder in ihre Handlungsbereitschaft gebracht werden müssen. Mit diffusen Ängsten wache ich nach einer durchträumten Nacht auf. Morgens hatte mich noch ein Albtraum heimgesucht, ein kleiner Kapuzenmann (mir läuft jetzt noch die Gänsehaut den Rücken runter, wenn ich daran denke) mit einem rotleuchtenden ovalen Ring statt eines Gesichts begegnet mir, dann auch ein roter, durchsichtiger Plastikvorhang (der mich an den roten Samtvorhang in David Lynch‘s Twin Peaks erinnert), in dessen Inneren eine gelbe Scheibe eingenäht ist, die von einer Frau von außen hin und her bewegt wird. Skurril. Erklärungsbedürftig, aber letztlich unerklärbar, nur verbunden mit eben jenem Gefühl einer diffusen Angst, die mich den ganzen Vormittag über nicht loslässt. Kurz vor Mittag telefoniere ich mit Sonja Brauner, die ich vor vielen Jahren bei einer Tagung des Instituts für Kindergarten- und Hortpädagogik in Wien kennengelernt hatte und die vor kurzem ein Buch mit dem Titel „Geniale Resilienz“ veröffentlicht hat, in dem sie über 40 brilliante begabte Persönlichkeiten über ihr Erfolgsgeheimnis interviewt hat. Es war ein sehr berührendes Gespräch mit ganz vielen Impulsen für die notwendige Veränderung unseres Bildungssystems, das in voller Länge am Mittwoch der kommenden Woche in der nächsten Ausgabe meiner Sendereihe „Nie mehr Schule – das Magazin für alle, die Bildung verändern wollen“ auf Radio Orange ausgestrahlt werden wird. Was für mich so verblüffend ist, ist die Tatsache, dass die von mir interviewten Expert*innen zu sehr ähnlichen Schlussfolgerungen kommen – und dass die verantwortliche Politiker*innen diese immer noch standhaft ignorieren, sehr zum Schaden der Heranwachsenden und unserer Gesellschaft. Wieviel Leid könnte dadurch erspart werden, wieviel Potential geweckt und eine um wieviel bessere Zukunft gestaltet werden … Nach dem Mittagessen spreche ich meine Liebste auf die von mir den ganzen Tag gefühlte Angst an. Es stellt sich heraus, dass es mit ihr und einer neuerlich herausfordernden Situation mit ihren Jungs zu tun hat. Ich kann sie – und damit endlich auch mich – beruhigen. Und kurz drauf kommt noch ein schon lange erwartetes E-Mail meiner Steuerberaterin, das wesentlich zu einer weiteren Entspannung beiträgt. Es ermöglicht, dass ich dem Sachverständigen im Unterhaltsverfahren mit meinem erwachsenen Sohn (ich habe davon schon in diesem Blog berichtet) doch noch zeitgerecht alle Unterlagen zukommen lassen kann. Mit neuer Energie bereite ich, während mein Jüngster Teil 2 seiner anstrengenden Schreibarbeit erledigt, meine Stunden mit der Maturagruppe vor, stolpere via Facebook noch über ein Video mit dem Herrn Bundeskanzler, das ihn bei einem Auftritt im Kleinwalsertal in Vorarlberg zeigt, dem dortigen Bürgermeister die Hand schüttelnd und ohne Abstand zu seinen Begleitern zu halten. Auch das enthusiasmierte Volk kann sich und den von der Bundesregierung vorgeschriebenen Abstand nicht halten. Ich fühle mich in meiner Wahrnehmung bestätigt, dass die Maßnahmen mehr Alibi sind, als dass sie wirkten. Oder werde ich innerhalb der nächsten vierzehn Tage eines besseren belehrt und wir haben den nächsten Corona-Hotspot und einen an CoVid19 erkrankten Regierungschef? We‘ll see. Ein Abend mit 8 Damen und 2 Herren, die Kinder in elementare Bildungseinrichtungen begleiten. Sie alle sind sehr interessiert am Thema, wieviel Digitalisierung ein Kind braucht. Ich spräche gerne von Über-Digitalisierung, davon, dass es sinnvoll wäre, sich dem „wahren Leben“ zuzuwenden, weil ich schon oft erlebt habe, was digitale Medien mit Menschen, vor allem jungen, anstellen können. Dennoch weiß ich auch, dass diese technischen Errungenschaften nicht des Bösen sind, sondern dass es vielmehr notwendig ist, mit ihnen kompetent umzugehen und sie nicht nur als Konsument*in zu nützen sondern auch als Produzent*in. Ach bei und mit unseren Jungs gibt es diesbezüglich ambivalente Erfahrungen und wir haben als Eltern die Aufgabe, mit ihnen regelmäßig die richtige Dosis und die rechte Anwendung zu verhandeln. Ein Konfliktfeld.
Im Anschluss erwartet mich Kater Dario schon im Haus unten, um eine nächtliche Spielrunde einzuläuten. Er fällt über meine Beine her, gurrt und schnurrt, dribbelt mit einem seiner Bälle durch Küche und Wohnbüro, hält immer wieder mich mit Blicken zum Mitmachen auffordernd inne.Wie könnte ich ihn ignorieren? Nach einer intensiven Kater-Spielzeit mache ich mich mit einem Glas guten Rotwein von unseren Lieblingswinzern ans Schreiben von Route 55, um danach rechtschaffen müde in eine ausgezeichnete Nachtruhe zu gleiten. Es ist nach wie vor nicht einfach, dem Morgen die richtige Gestalt zu geben. Ich mag es, mich wichtigen Arbeiten (am Computer) zu widmen, wenn noch kein Familienmitglied wach ist. Gerne meditierte ich auch, wenn das Familiengewusel noch nicht begonnen hat. Und dann wäre ich noch gerne in einer Morgenrunde durchs gerade erwachende Dorf unterwegs. Und das alles gleichzeitig. Das geht sich nicht aus, vor allem, weil ich manchmal lieber ein bisschen länger liegenbliebe. Ein schier unauflösliches Dilemma. In diesen Wochen gilt es zudem meinen Jüngsten mit einem strikten Zeitplan und zumindest zwei Lernstunden pro Tag auf seine Externistenprüfung vorzubereiten. An diesem Morgen entscheide ich mich für Meditation und Frühstück, danach kümmere ich mich um dringende, aber auch wichtige, E-Mails und um eine Mathematikstunde mit Junior Nr. 3. Nach getaner Abend schmeißen wir beide und meine Liebste uns aufs Rad und machen uns auf eine Krems-Tour ins Einkaufszentrum und zum Großmarkt. Letzteren suchen wir mittlerweile nur noch alle vierzehn Tage auf, um jene Lebensmittel zu kaufen, die es nur dort gibt. Alle anderen Einkäufe haben wir in die Supermärkte im viel näheren Gewerbepark verlegt. Da die Sache zeitintensiver als gedacht ist, kehrt meine Frau schon früher um, weil sie einen Telefontermin hat. Als dann mein jüngster Sohn und ich heimkommen, hat der Mittlere im Auftrag seiner Mutter schon Pesto-Nudeln für uns gekocht. Kompliment. Es folgt eine stressige „Mittagspause“, in der sich mein energetisches Wissen und Können vom Wochenende bewähren kann, da es Dringendes vom Morgen weiterzuführen gilt Gut so. Nachmittags dann eine weitere Lernstunde, in der unser Jüngster seine Powerpointpräsentation über Katzen fertigstellt und sich durch die Verschriftlichung seiner Dario-Geschichte quält. Es mangelt ihm ja nicht an tollen Ideen, auch die Rechtschreibung ist nicht sein Problem. Woran es noch hakt ist die grafische Qualität. Da muss er wirklich durch. Eine herrliche Sauna rundet diesen intensiven Lebenstag ab und beendet ihn mit der dringend nötigen Entspannung. Beim Surfen in meiner Facebook-Community, fand ich ein inspirierendes Posting von Manfred Greisinger, Inhaber der Edition Stoareich, in einer deren Anthologien ich vor ewigen Zeiten eines meiner Waldviertler Gedichte publizieren durfte. Ich möchte es hier wortwörtlich wiedergeben, damit es wirkt:
„Bin ich ein Härtefall? Ist das Leben einer? - Gibt es da draußen eigentlich auch Menschen, die zwar Anspruch auf die diversen öffentlichen Härte-/Hilfsfonds/Notfall-Förderungen hätten, aber partout nicht zum Bittsteller werden möchten?! Die eine starke, unabhängige, freie Seele haben, die ihnen verbietet, Viren hin oder her, auf allen Vieren vor´s Amt zu kriechen, um mildtätige Almosen zu erbetteln?! DAS, nur diese Selbst-Demütigung, würde ICH als Härtefall empfinden! Ich sehe mich absolut nicht als Härtefall. Würde mich nie beim Härtefall-Fonds anstellen … Mein Vater lehrte mich, „lieber nur Erdäpfel oder Schnittlauchbrote essen, als seine Würde verlieren!“ Ich schätze übrigens diese Gourmet-Speisen! - Dabei würde ich wohl was kriegen – aus dem scheinbar unerschöpflich sprudelnden öffentlichen Steuertopf, in den ich als Selbstständiger seit fast vier Jahrzehnten brav einzahle. – Ich hab‘ in den letzten 8 Wochen ein Dutzend Bücher verkauft – zwei sogar vor Ort; ein paar Buch-Beratungen und individuelle Motivations-Coachings per Zoom/Skype machen dürfen. Meine wesentlichen Einnahmequellen – Vorträge, Seminare, Lesungen – sind total weggefallen. Mich wundert, dass ich so fröhlich bin … Vermutlich liegt´s daran, dass ich mich als – ja, ich hab‘ den Mut, mich so zu bezeichnen – „Künstlerseele“ für ein FREIES LEBEN entschieden habe. Ich lebe seit fast 38 Jahren – seit meinem 18. Geburtstag – ausschließlich von den Früchten meiner Kreativität. Ich biete in meinem Bauchladen Texte aller Art … Wortmeldungen … Schräge Gedanken … Motivierende Impulse … Das bringe ich ein in die Gemeinschaft – und ein paar, bislang ausreichend viele, finden das gut, so gut, dass sie mir Geld dafür geben. Aus freien Stücken. Keiner wird mit Waffe bedroht, ein Buch von mir zu erwerben. Und doch haben es in den letzten drei Jahrzehnten meiner Edition Stoareich mit 25 erschienenen Buchtiteln über 40.000 getan … Halt, bevor der Neid ausbricht, Insider wissen, dass pro verkauftem Buch nur ein paar wenige Euro zum Autor wandern … Also, bitte nachrechnen, glaubt mir, ich bin nicht STEINreich im Sinne von Mateschitz, sondern STOAreich im Sinne von „innerem – dafür grenzenlosem – Reichtum“. Ich will und kann nicht auf „Helft mir, ich bin so arm“ fokussieren. Ich hab mich in meinem Leben für die „künstlerische Selbstständigkeit“ entschieden. Was schon „Härtefall“ genug ist. Aber auch großartige Herausforderung. Ich hab immer gewusst: Wenn MIR nichts einfällt, dann BEKOMME ich NICHTS … Punkt. ICH bin der Regisseur/Verantwortliche für mein Sein. – Und wenn die Regierenden meinen, es dürfen bis Ende Juni nur Veranstaltungen mit maximal 10 Personen stattfinden, so werde ich mich nun für „exklusive Privat-VIP-Lesungen“ für bis zu 9 Interessierte anbieten … Vielleicht veranstalte ich auch im eigenen All ent steiger Garten "philosophische Zehner-Runden" … Ich plädiere allerdings für Gerechtigkeit: Warum dürfen in Schulklassen 18 „Wissbegierige“? Warum in den Landtagssaal 56 Volksvertreter? Warum bei einem SPÖ-Parteitreffen zuletzt über 150 Genoss/-innen? Und meine/unsere BUCHSCHREIBGRUPPE, die 12 Teilnehmer/-innen umfasst, die weder tanzen, singen, raufen, rotzen, sondern einfach nur achtsam Texte miteinander austauschen, lesen, entwickeln möchten – schon bisher mit 1 Meter würdigendem Abstand voneinander – müsste auch Ende Mai wieder AUSFALLEN??? Oder wieder in den unpersönlich-klinischen digitalen Raum verlegt werden?!? – Hier ist keine Gefahr: Wir stecken einander nur mit Inspiration an ... Das aber leidenschaftlich! Machen wir´s uns nicht zusätzlich hart! - Das Leben ist hart genug, sagen die einen, die anderen meinen jedoch, hart ist ein Leben nur, wenn die Hoffnung, die Zuversicht, die Kreativität schwindet …“ Danach nochmal Filmschauen: Ein Borchert-Krimi vom Donnerstag und ein Borowski-Tatort vom vorigen Abend. Beide nicht schlecht, aber es blieb dennoch der schale Nachgeschmack des „Zuviel-von-Etwas“. Ich schlief dennoch gut. Am Vormittag die übliche Lernstunde mit meinem Jüngsten, danach Einkauf im Supermarkt. Beim Zurückkommen lag „Die unendliche Geschichte“ vor unserem Hoftor, hatte sie doch nicht in unseren Postkasten gepasst. Ich freute mich schon aufs Vorlesen dieses Meisterwerks von Michael Ende. In der Mittagspause plante ich dann die Neugestaltung des gemeinsamen Arbeitsbereiches, und zwar fantasierte ich eine Raumteilung durch ein nach beiden Seiten offenes Bücherregal aufs Papier. Die Idee fand auch bei meiner Liebsten Anklang, es galt nun „nur noch“ jemanden zu finden, mit dem ich dieses Projekt umsetzen konnte und die Finanzierung zu sichern. Am Abend stand mein erster Onlinekurs mit elementarpädagogischen Fachkräften am Kalender, nach dem ich das Wochenende so erfolgreich mit meinem Laptop am Dachboden verbracht hatte, gestaltete ich dort für diesen Workshop einen durch alte Vorhänge abgegrenzten Raum. Zuerst kehrte ich, dann hängte ich, dann trug ich Tisch und Sessel und Laptop und Wasserkrug und Wasserglas und Unterlagen von unten nach oben, um für die fünfzehn Teilnehmer*innen (womit der Kurs ausgebucht war) zum Thema „Wieviel Digitalisierung braucht ein Kind?“ gewappnet zu sein. In der knappen halben Stunde, die bis zum Start blieb, half ich meinem Jüngsten noch seine Powerpointpräsentation zum Thema Katzen für die Externistenprüfung vorzubereiten, selbstverständlich auch in meinem neuen Video-Meeting-Room unter dem Dach unseres Hauses. Zum Auftakt des neuen Lebenstages war ich beseelt von der neuen Energie der letzten beiden Tage. Ich schmiedete den Plan, eine wöchentliche Mutrede (statt einer Wutrede) auf meinem Youtube-Kanal zu halten. Ich plante die ersten Stunden jedes neuen Lebenstages nicht dazu zu verwenden, mir einen Film anzusehen, sondern ihn zu Sinn-vollerem zu nutzen, also für meine Projekte wie den Bildungsraum und die kleinen Umbrüche für den Kinder-Fußball.
Heute aber standen diesem Vorsatz noch die letzten drei Folgen von „Wege des Herrn“ im Wege. Sie bildeten den wunderbar passenden Ausklang dieses Wochenendes, denn das Ende war „happy“. Alle hatten ihren neuen Platz in ihrer neuen Welt gefunden und ihre alte, zerstörte Existenz hinter sich gelassen. Was für eine Botschaft, was für einen Hoffnung, die mich zuversichtlich für mich selbst stimmte. Die nun kommende Woche hatte ohnehin wieder die eine und die andere große Herausforderung für mich parat. Der nächste Kalendertag begann sanft, ich war auch darauf bedacht, meine neu gewonnene Lebenskraft nicht gleich wieder auszugeben. Das Leben ermöglichte es mir, und auch ich ging die Vorhaben dieser sieben Tage nicht aktiv an sondern wartete zu. Die Post brachte das Kindertrainerdiplom und den dazugehörigen Ausweis, meine Trainercard. Das Wetter brachte ein wenig Regen und viel Sturm – einmal mehr. Zudem war es schwül, schwüler, am schwülsten. In der Mittagspause las ich Juli Zeh‘s Corpus delicti weiter, bedrückend zeitgemäß ihre Schilderung dieser unseligen Gesundheitsdiktatur, in der sich die Protagonisten mehr schlecht als recht zurechtfindet. Am Nachmittag kaufte ich die letzten Säcke mit Erde für das Hochbeet, es ist nunmehr wirklich startklar und wartet auf die Setzlinge, die in den Pflanzkisten nach und nach das Licht der Welt erblicken. Und das war er dann auch schon der Wochenstart, sehr harmonisch, ungewohnt – und beinahe wäre ich unruhig geworden, aber ich hatte ja an diesem Wochenende auch hart daran gearbeitet, dass mein Leben eben auch so sein kann. Wunder-voll! Auch zwei weitere Folgen von „Die Wege des Herrn“ brachten den Umschwung nicht, sie waren belastend, da sich auch hier Menschen in ein scheinbar unabänderliches Schicksal verstrickt und ihre Lösungskompetenz verloren hatten. Todmüde schlief ich nach Mitternacht ein.
Beim Erwachen fühle ich mich so schwer, dass mir ein Aufstehen unmöglich erscheint. Die Ereignisse der letzten Tage, ja der letzten Jahre quälen mich, eine Lösung scheint nicht in Sicht. Während der einen oder anderen nächtlichen Wachphase hatte ich versucht, auch konstruktive Gedanken zu fassen. Ich hatte mir vorgenommen, dem Zoom-Seminar über „Selbstheilung“ nicht von meinem Schreibtisch aus zu folgen, sondern mir ein feines Plätzchen auf unserem Dachboden einzurichten. Schließlich nutzte ich einen positiven Impuls, um mich aus den Federn zu erheben wie der Phönix aus der Asche. Ich frühstückte. Ich begann, meinen Platz oben unter dem Dach einzurichten, das Gartentischchen musste nach oben gebracht werden, ebenso mein Schreibtischsessel die steile Treppe hinaufgeschleppt werden, dann noch die Beleuchtung eingerichtet und mein Laptop, Schreibzeug, Handy und etwas zu trinken nach oben gebracht werden. Ich war pünktlich um 9 Uhr fertig – und fühlte mich mittlerweile in ganz anderer Verfassung. Kurz nach dem Beginn des Seminars war ich bereits in einem völlig anderen Energiezustand, vieles, was ich gelernt und erfahren hatte und was in den letzten Jahre verschüttet gewesen war, wurde auf wundersame Weise und schnell wieder aktiviert. Ich erkannte, ich plante und ich war inspiriert. Ich konnte mich wieder mit dem verbinden, was mich ausmacht, ich sah mich als den, der ich bin. Und ich bemerkte auch, dass ich auch in der letzten so herausfordernden Zeit Kurs gehalten hatte, allerdings hatte mich das eine oder andere Programm ganz schön im Griff gehabt und mir mein Leben schwer gemacht. Schön, dass es mir nun unter fachkundiger Begleitung meiner Pranic-Healing-Lehrerin (ich habe ja schon früher davon erzählt, dass ich eine Zeit lang auch als Energetiker in der Begleitung von Menschen zur Aktivierung von deren Selbstheilungskräften aktiv war) und der anderen Teilnehmer*innen so schnell möglich war, all dies zu erkennen. Mittags unterstützte ich meine Familie (da noch dazu der wöchentliche Putztag war), in dem ich das Mittagessen (Baguettes) zubereitete. Und am Nachmittag kümmerte ich dann wieder ausschließlich um mich selbst und erfuhr noch ganz viele Möglichkeiten, mein Immunsystem zu stärken. Dabei spielt natürlich (oder um es mit Thomas Bernhard zu sagen: naturgemäß) die Seele eine entscheidende Rolle. Mir ging ein Licht nach dem anderen auf, es wurde wieder hell in meinem Leben und das noch vor knapp zwölf Stunden vom Wahnsinn beschwerte Leben kam zu neuer Blüte. Vor dem Abendessen fuhren mein Jüngster und ich noch eine zwanzigminütige Radrunde, das war mir nach dem Tag des langen Sitzens ein großes Bedürfnis. Beim Abendessen bekam ich dann von ihm noch das wunderbare Kompliment, das die Wirkung des Tages bestätigte, dass ich so anders wäre – und damit meinte er positiv anders. Danach backte ich mit ihm noch ein Biskuit-Herz für den Muttertag und weil der Ofen schon mal an war auch gleich ein neues Dinkelbrot. Die Energie floß wieder - und ich hatte auch den Schalter gefunden, mit dem ich sie richtig dosieren konnte, ohne mich gleich wieder völlig auszupowern. Ein Segen. Die Wege des Herrn, dritter Abend – und plötzlich wendet sich auch hier alles zum Guten. Zufall? Ich schlief ausgezeichnet und war am Morgen topfit für Teil zwei des Selbstheilungsseminars. Auch dabei wieder wichtige Erkenntnisse, klare Pläne und ein Gefühl, dass ich alte Muster lassen und gut auf mich, also auf Körper, Geist und Seele achten könnte. Das Muttertagsessen wurde von den Jungs gemeinsam mit meiner Liebsten vorbereitet, so war es abgemacht. Ich half noch – wortlos – mit, dort wo ich gebraucht wurde. Es gab Burger. Für mich wurde die Mittagspause des Seminars auf eineinviertel Stunden verlängert. Und so konnte ich noch ein Ritual einleiten und begleiten, in dem jeder von uns Fünfen sagte, wofür er seiner Mutter dankbar wäre. Ich für meinen Teil stellte fest, dass ich ohne meine Mutter, die zum Teil psychisch sehr angeschlagen war, niemals so schnell und so gut kochen gelernt hätte, weil ich einfach schon sehr früh für meine Familie kochen musste. Danach sagte meine Frau noch allen ihren Jungs etwas zu ihrer Geburt und was sie an ihnen schätzte. Es war eine berührende Zeit. So kam ich einige Minuten zu spät auf den Dachboden, aber als ich auf den Bildschirm meines Laptops blickte, sah ich, dass das Seminar noch nicht begonnen hatte. Auch unsere Lehrerin hatte sich verspätet. Zufall? Im Lauf des Nachmittags spürte ich schon eine wohltuende Müdigkeit, ja sogar ein Erschöpftsein. Dennoch konnte ich für mich noch sehr konkrete Pläne für mein körperliches, mentales und seelisches Wohlbefinden entwickeln, die es in den Wochen bis zum Sommerbeginn in mein Leben zu implementieren und nachher dauerhaft weiterzuführen gilt. Dazu gehört auch die Gelassenheit dem Wahnsinn gegenüber, der unsere Familie und jeden einzelnen darin von außen immer wieder zustößt. Ich spürte, dass ich es in der Hand hatte, damit auf die eine – lebensfördernde - oder die andere - lebensverachtende - Weise umzugehen. Und damit hatte ich reichlich Erkenntnis gewonnen. Wunder-voll! Nach dem Maturavorbereitungskurs, der sehr gut gelaufen ist, ist es endlich so weit: Auf ARTE startet die zweite Staffel der dänischen Serie „Die Wege des Herrn“ über das Leben eines protestantische Pfarrers und seiner Familie. Ein Hammer, ein wirklich exzellent gemachter Film, der unter die Haut geht, über Religion und Spiritualität über Glauben und Wissen. Religion und Spiritualität, Glauben und Wissen – Hauptthemen auch meines Lebens.
Am nächsten Vormittag steht unser wöchentlicher Einkauf im Großmarkt am Programm. Meine Liebste ist in komischer Stimmung. Wir finden Knoblauch aus China (!) - und nur aus China – im Regal. Ich kriege eine Mordswut, ich muss unbedingt einen Brief, möglicherweise sogar einen offenen Brief an die Geschäftsleitung schreiben. Die Krise hat hier keine nachhaltige Wirkung entfaltet. Eine Katastrophe. Am Weg zum Drogeriemarkt informiert mich meine Frau über aktuelle Entwicklungen im Pflegschaftsverfahren ihrer Söhne, unserer beiden älteren Jungs. Das durch die aktuelle Situation unterbrochene Verfahren soll nun abgekürzt und so schnell wie möglich entschieden werden. Ich drehe durch, meine Emotionen kochen über – es ist heiliger Zorn über eine Justiz, die völlig überlastet ist und in so wichtigen und wesentlichen Entscheidungen den Holzweg nimmt – mit unabsehbaren Folgen. Ich tobe – und irgendwann ist die Luft raus. Ich bin völlig neben die Spur geraten. Das, was sich in der Nacht auf den Vortag schon angekündigt hatte, offenbart sich nun in Vollform. Ich empfehle meiner Liebsten noch, sich dieses Vorgehen in keinster Weise gefallen zu lassen und sich dringend und umgehend mit unserer Rechtsberaterin zu verständigen. Dann ist der Ofen aus. Ich schleppe mich, mein Fahrrad mit dem von den Einkäufen schweren Anhänger schiebend, nachhause. Ich bin hin und her gerissen zwischen Escape und Aufgaben, ich kann keinen vernünftigen Gedanken mehr fassen, die Welt stürzt über mir zusammen (oder wie die Gallier sagen: Der Himmel fällt mir auf den Kopf) und ich stürze ins Bodenlose meiner erdachten Worst-Case-Szenarien. An diesem Tag geschieht in mir und um mich nichts mehr als Drama, Drama, Drama, da kann auch die Lösung unserer Rechtsberaterin, die meine Liebste umgehend umsetzt, nichts mehr helfen. Nun randaliert auch meine Seele – und recht hat sie. Die einzige Hoffnung: Ich habe durch Zufall vor knapp zwei Wochen ein Wochenendseminar bei einer spirituellen Lehrerin und Begleiterin, die auch Heilerin ist, gebucht. Aber auch das kann ich in diesem Moment nicht als heilsam und hilfreich erkennen. Ich bin drauf und dran, alles abzusagen und … ja, was denn eigentlich? Tage wie dieser sind Wendepunkte, ob es dir bewusst ist oder nicht. Und in ihnen liegt der Auftrag, sich dem Wandel anzuvertrauen, denn so weitergehen darf es nicht. Lebensspendend oder todbringend. Das ist die Frage. Endlich nahm ich mir wieder Zeit,um an diesem, meinem Blog weiter zu arbeiten – diesmal mit Dario am Schoß und Schokolade zwischen den Zähnen. Während des Schreibens ein Impuls: ich erinnere mich an eine Doku über John Irvin, ich recherchiere, ich finde den Titel: „John Irving und wie er die Welt sieht“ - in Anklang an das Werk, das ihn einer breiten Öffentlichkeit bekannt machte, nämlich „Garp und wie er die Welt sah“. Dieses sah ich auf Video mit Robin Williams in der Hauptrolle, ebenso habe ich „Cider House Rules“ (zu Deutsch etwas pathetisch Gottes Werk und Teufels Beitrag genannt) mit Tobey Maguire als Film gesehen. Ich muss gestehen, dass ich keines der Werke Irvings weder in deutscher Übersetzung noch im Original gelesen habe. Das heißt ich habe eines versucht, ich weiß nicht mehr, welches, bin aber gescheitert, obwohl ich seine Ideen und den Stoff sehr faszinierend und lesenswert fand, die literarische Umsetzung aber hat mich bislang überfordert, genauso wie bei James Joyce‘s „Ulysses“ und Miguel de Cervantes „Don Qijote“. Aber vielleicht komme ich erst in das Alter, wo auch das geht.
Ich erinnere mich also während des Schreibens an den Dokumentarfilm, ich recherchiere, ich finde ihn – und kaufe erstmals auf iTunes ein. Diese sechs Euro sind absolut gut investiert, wie sich während des Schauens herausstellt. Ich werde auf alte Träume aufmerksam, ich werde inspiriert, mich dem zu widmen, was mich ausmacht, wofür ich hier – auf dieser Welt – gelandet bin. Ich schreibe danach ein whatsapp an meine jüngere Tochter und lade sie – bevor es bei ihr in der Schule wieder losgeht – auf einen Spaziergang und eine Plauderstunde ein. Ich lese auch den neuesten Blogbeitrag von Matthias Horx, der mich insgesamt sehr anspricht, auch wenn er gegen Ende aus meiner Sicht abflacht. Ich fühle mich plötzlich von einem heftigen Allergieschub heimgesucht – weiß der Teufel woher. Es wird spät, ich gehe zu spät ins Bett, ich schlafe schlecht, habe nachts das Gefühl als stünde ich kurz vor einem Asthmaanfall. Bitte, was soll das jetzt? Gerade so hoch geflogen und nun in einer Wirklichkeit gelandet, die so gar nichts mit mir zu tun zu haben scheint, wohl aber etwas zu hat, auch wenn ich noch nicht weiß, was genau. In den Morgenstunden überfallen mich auch noch üble Stressträume – irgendetwas läuft falsch. Wo bin ich da bloß wieder reingeraten, wo habe ich mich da nur weder reingebracht. Ich grüble … Morgenmeditation, ein homöopathisches Mittel für meinen nächtlichen Allergieschub, Frühstück, Lernen mit meinem jüngsten Sohn und die Reaktivierung meiner Klangschale. Die habe ich seinerzeit als Abschiedsgeschenk von meiner ersten Religionslehrerstelle in einer Volksschule im 21. Wiener Gemeindebezirk von meinen Kolleg*innen bekommen. Ich habe sie danach manchmal im Unterricht eingesetzt, immer mit der Gefahr verbunden, dass ich meinen Job verliere, weil Klangschale und römisch-katholischer Religionsunterricht auch im 21. Jahrhundert nicht zusammengehen. Später dann wurde sie zur „Schulglocke“ in der von mir gegründeten und geleiteten Privatschule in Niederösterreich. Und nun also entdeckt sie mein Jüngster und bekommt von meiner Liebsten die Info, dass sie zuletzt in ebendieser Verwendung gestanden hatte. Also wird ihr umgehend ein zweites Leben eingehaucht, nachdem sie ordentlich entstaubt worden war. Sie trennt fortan die Lerneinheiten von den Pausen. Meine Mittagspause fällt aus, da ich kurz vor dem Mittagessen von meiner Liebsten mit belastenden Neuigkeiten bezüglich unseres Ältesten versorgt werde. Ich werde hier dazu diesmal nichts Konkretes schreiben, aber dieses Ereignis war – aus der aktuellen Perspektive, jetzt, 5 Tage später, da ich an diesem Rückblick schreibe – ein weiterer Puzzlestein zu meinem Niedergang am Ende dieser Lebenswoche. Ich berate mich mit meinem Lebensbegleiter, wir finden eine gute Lösung, die auch sofort in die Tat umgesetzt wird, aber ich spüre eine enorme Schwäche in Körper, Geist und Psyche. Ich fahre Erde holen, die wir zum Befüllen des Hochbeets brauchen, ich befülle, ich gehe unruhig im Garten hin und her, ich bereite mich auf den nächsten Kursabend mit meinen Maturaschüler*innen vor. Aber eigentlich gehe ich am Zahnfleisch. Die Misere des Amateurfußballs ist herausfordernd – und noch ist bei vielen (wenn nicht sogar allen) Clubs unklar, wie es weitergehen wird. So auch in unserem Dorfclub mit der tollen Arena. Die Besprechung diente dazu, die eine oder andere Weiche unter den derzeit herrschenden Bedingungen zu stellen. Weiters fantasierten wir, welche Angebote wir in der fußballfreien Zeit für unsere Mitglieder entwickeln können, wie wir unsere Sonsor*innen bei Laune halten können und wie wir Training bzw. Kinder- und Jugendtraining wieder starten können. Es war ein sehr motivierender Abend – und die nächste Attraktion wird ein Grillhendlbraten sein. Unsere Gäste können diese dann in der Kantine am alten Platz abholen. Macht Spaß und es kommt auch Geld rein, vor allem, wenn wir die Aktivität an zwei Tagen im Abstand von 10-14 Tagen anbieten.
Am kommenden Vormittag stand unser Biereinkauf am Programm, die Maskierung erlebt zwar einen gewissen Gewöhnungseffekt, aber ich bin froh, wenn ich diese nach möglichst kurzer Zeit wieder abnehmen kann. Meine Stoffmaske baumelt dann an der Lenkstange des Fahrrads, wo sie durchgelüftet wird und abtrocknet. Zuhause folgt dann eine Handwäsche des Teils bei 60 Grad und das weitere Trocknen in der Sonne im Garten. Ich denke, dass ich damit auf der sicheren Seite bin. Am Nachmittag stand endlich das Befüllen unseres selbstgebauten Hochbeets auf der Tagesordnung. In den Pflanzschalen sind nämlich schon die ersten Triebe sichtbar – und es gilt fürs Umsetzen vorbereitet zu sein. Meine Liebste und ich verarbeiteten die alten Zweige, vor allem jene der wuchernden Brombeerhecken und der Weinranken, dann bauten wir unseren Kompost ab, füllten das Hochbeet mit Laub und Heu bzw. Gras, um zuletzt noch halbverrotteten Kompost aufzuschütten. Nun stand dem Auffüllen mit Erde, die allerdings noch gekauft werden musste, nichts mehr im Wege. Danach war mir nach Sauna, ich reinigte also den Saunaofen und bereitete alles für den Saunagang vor. Der starke Wind verhinderte meinen Plan allerdings, auch das Zuwarten bis nach dem Abendessen brachte windtechnisch keine Verbesserung, das Saunazelt wurde durchgebeutelt und der zusammensteckbare Schornstein schwankte wild hin und her. Schade. Unser Jüngster zeigte uns seine neueste Zirkusvorführung in seiner selbstgebauten Manege und ich erhielt für Juni neue Aufträge der Volkshochschule als Prüfer für Berufsorientierung im Pflichtschulabschlusslehrgang sowie als Kursleiter im Institut für Kindergarten- und Hortpädagogik, Hygienevorschriften inklusive. Daher werde ich also demnächst mit Plexiglasvisier zu bewundern sein. Spürt sich irgendwie besser an, als der Mund-Nasenschutz. Den ganzen Nachmittag über gab es lauten Kinderlärm bei unseren Nachbarn. Deren Tochter Ronja hatte offenbar Besuch von Freund*innen oder verwandten Kindern. Es war eine Herausforderung für Ohren und Nerven, da sehr oft, sehr viel und langanhaltend geweint wurde. Das ist generell eine Situation bei unseren Nachbarn, von den Eltern her herrscht sehr viel Unzufriedenheit mit ihrer etwa vierjährigen Tochter, die Kleine muss sehr oft um ihren Willen kämpfen und wird deswegen häufig gemaßregelt, meiner Wahrnehmung nach mehr vom Vater als von der Mutter. Aber wer sein Kind nach der Räubertochter ins Astrid Lindgrens gleichnamigem Buch nennt, der darf sich über so viel Freiheitsstreben nicht wirklich wundern. Ronja und „brav“ geht wirklich absolut nicht zusammen, wobei ja „brav“ auch keine Erziehungskategorie sein sollte. „Wie ich lernte bei mir selbst Kind zu sein“ – die Empfehlung meines ältesten Freundes: eine Verfilmung eines Buches von André Heller mit stark autobiographischen Zügen, aus meiner Sicht gut gelungen und mit wunderbaren schauspielerischen Leistungen, vor allem von Karl Markovics (wie nicht anders zu erwarten) und dem jungen Valentin Hagg (der mich sehr beeindruckte). Ansonsten viel Heller, Ver-rücktes, Phantasie-volles und Abgründiges. Einige seiner Lieder sind mir im Ohr, viele seiner Shows kenne ich vom Hören-Sagen, ich weiß, dass er die Urania-Puppenbühne übernommen hat, aber ich wusste nicht, dass er eine bedeutende Rolle bei der Vorbereitung der Fußball-WM in Deutschland spielte. Ein Tausendsassa.
Aus dem Film selbst blieb mir ein Zitat im Gedächtnis. Es stammt von Perikles und lautet: „Das Geheimnis der Freiheit ist der Mut.“ Bei meiner Recherche stieß ich auf zwei Variationen, nämlich: „Das Geheimnis des Glücks ist die Freiheit, und das Geheimnis der Freiheit ist der Mut“ bzw. „Zum Glück brauchst du Freiheit, zur Freiheit brauchst du Mut“. Es war ein gelungener gemeinsamer Filmabend mit meiner Liebsten auf unserem roten Outdoor-Sofa, ich blieb dann noch – trotz leichten Regens - bis knapp nach Mitternacht unter freiem Himmel und ließ meiner Phantasie freien Lauf, träumte zu den Sternen hin und fühlte mich mutig und frei. Eine gute Basis für die nächsten Herausforderungen. Aufgrund des feuchten und kühleren Wetters fand die Morgenmeditation erstmals indoor statt, aber Dario ließ sich auch die nicht entgehen und begleitete mich ins Innere auf meinem Schoß sitzend und laut schnurrend. Fürs Mittagessen bereitete ich für die Familie Semmelknödel (nach Omas Rezept) und eine Champignonsauce (diesmal nicht mit Creme fraiche oder Sauerrahm, sondern mit einer Bechamelsauce) zu. Zwischendurch musste ich die Zivilcourageworkshops für Freizeitpädagog*innen nochmals umorganisieren, da es gelungen war, einen Veranstaltungsort für die Julikurse zu finden, aber zu nochmals geänderten Bedingungen. Nach jeweils 2 Stunden sei eine einstündige Pause zur Desinfektion und zum Lüften abzuhalten, die Kurse würden demnach von 8-10, von 11-13, von 14-16 und von 17-19 Uhr stattfinden. Na bumm. Aber was bleibt mir über, wenn ich mein Einkommen wieder in geordnete Bahnen lenken will. Am Nachmittag ein wenig Schul- (mein Jüngster lernte das schriftliche Dividieren und stellte sich von Anfang an sehr geschickt an) und Gartenarbeit, vor allem die auch heuer wieder krass wuchernde Amerikanische Goldrute musste mit Butz und Stingel entfernt, also entwurzelt, werden. Die Übung gelang. Während des Kochens für das Mittagessen, hatte ich auch Brot in den Ofen geschoben, ich fand es um 17.30 Uhr völlig durchgebacken, zwar durchaus essbar, aber ungewürzt, hatte ich doch – wie mir erst jetzt bewusst wurde – dem Teig weder Salz, noch Brotgewürz und auch keinen Essig hinzugefügt. Merde, wie der Chef de Cuisine sagt. Das zusätzliche Problem war, dass es galt um 18 Uhr bei der Besprechung des Fußballvereins dabei zu sein und bis dahin auch noch das Abendessen (mit Brot!) vorzubereiten war. Ich sprang aufs Rad und hatte Glück, denn unser Greißler konnte mir den letzten Wecken verkaufen. Ich konnte noch ein schnelles Abendessen einwerfen, meine Liebste hatte die beiden restlichen Knödel geröstet und mit Ei verfeinert, schmeckte herrlich – und es war frevelhaft, dass ich sie nicht so wirklich genießen konnte. Aber immerhin war ich dann pünktlich bei der Sitzung. Abends bringe ich meinen Jüngsten zu Bett, wir lesen Käthe Recheis‘ Buch von der Katzenbande, er vertieft sich danach noch in einen Asterix-Band, ich in einen Blogbeitrag von Matthias Horx, um den Possibilismus kennen zu lernen, der mich sehr anspricht und dem ich mich ebenso nahe fühle wie dem Pessimismus. Überraschenderweise leben Pessimisten länger als Optimisten, wenn es und weil es ihnen gelingt, sich mit dem worst-case-Szenario vertraut zu machen und auf das Schlimmste gefasst zu sein.
Auch der Facebook-Beitrage eines lieben Bekannten über sein Arcofalk-Tischfußballspiel, das er auf dem Dachboden seiner Eltern gefunden und an diesem Nachmittag erneuert hat, bewegt mich. Auch ich hatte ein solches Stück in meiner Kindheit, des ist irgendwann „verloren“ gegangen. Vor rund drei Jahren waren wir dann bei einem Bekannten in seinem Garten eingeladen, dort stand zur Belustigung der Jugend ein ebensolches Teil. Mein Jüngster und ich spielten, was das Zeug hält – und er wünschte sich ein solches daraufhin zum Geburtstag. Sein Wunsch ist ihm – second hand über den Internetflohmarkt - erfüllt worden, das gute Stück ist mit uns in unser Haus übersiedelt, ich habe es auf neue, massive Beine gestellt, so dass es den Anforderungen unserer heißen Matches gerecht wird. Mein abendlicher Zeitvertreib (Ein interessanter Begriff, wie ich finde – und er hat viel Wahres, denn es gibt Momente, da mir nichts anderes im Sinn steht, als die Zeit zu vertreiben, weil ich noch nicht schlafen gehen will, doch meine Glieder schon so schwer sind, um noch Sinnvolles zu machen. In diesen Phasen kann ich auch die Langeweile nicht produktiv und konstruktiv nutzen.), mir einen ver-rückten Polizeiruf 110 reinzuziehen, scheitert an einer wackeligen Internetverbindung bzw. am wackeligen Player der Mediathek. Also gehe ich schon gegen zehn ins Bett. Am Morgen mache ich mich gleich an Unangenehmes, das erledigt werden muss. Es gelingt und ich bin erleichtert. Ich danke unserem Kater Dario, der mir eine ruhige Stunde dafür ermöglicht hat, da er uns schon gegen halb Acht – ganz gegen seine sonstige Gewohnheit – mit Maunzen, Miauen und Auf-uns-Herumtrippeln aus dem Schlaf gerissen hat. Ich telefoniere mit meinem ältesten Freund, er erzählt von einem Film über André Heller auf ORF, ich merke ihn für Abend vor. Ich brate Cevapcici und koche Reis, der Familie schmeckt‘s. Ich erfahre, dass meine Zivilcourage-Workshop für Freizeitpädagog*innen an Wiener Schulen stattfinden werden, allerdings als Präsenzkurse (und nicht online) und voraussichtlich nur im August und nicht wie geplant auch schon im Juli. Aber, was bleibt mir übrig, ich muss mich nach der Decke strecken, schon allein aus den Gründen, meinen Beitrag zum Erhalt der Familie zu leisten und die derzeit gestundeten Zahlungen an die Sozialversicherung nachüberweisen zu können. Privatkonkurs kommt nicht in Frage. Und die Förderung aus Phase zwei für mich und die vielen anderen von der Krise betroffenen Einpersonenunternehmer*innen überfordert immer noch die Antragsteller*innen und ihre Steuerberater*innen – so wie auch mich und die meine. Nach einer kurzen Mittagspause folgt eine heftige Diskussion mit unserem Ältesten über Handyzeiten und Bewegung im Freien. Die Verknüpfung von beidem hat sich bei ihm absolut nicht bewährt, er geht mit dem Handy telefonierend durch den Ort und informiert die Bevölkerung über sein Befinden und seine Befindlichkeiten. Aus drei Gründen wird das so nicht mehr stattfinden: zu seinem Schutz, zu unserem Schutz und zum Schutz derer, die sich das alles mitanhören müssen. Punktum. Wir bleiben ruhig trotz seiner panischen Unruhe, und finden auch dafür eine Lösung. Ich klopfe uns anerkennend auf die Schultern – virtuell zwar aber stolz. Was sind wir doch für prächtige Eltern! Dieses Lob spende ich mir momentan häufig, bin ich doch ein sehr selbstkritischer Mensch. Aber im Fall unserer beiden Ältesten ist es wenig hilfreich, sich ständig selbst zu kritisieren, das übernimmt in einem Übermaß ohnehin deren Vater. Also gilt es mutig zu den Dingen zu stehen,da sie doch wirklich auch immer durch Diskussion und Gespräch zustande kommen und niemals von oben herab angeordnet werden. Unser Jüngster erfreut uns mit einer Zirkusvorstellung im Garten. Er hat in Anlehnung an den Stream des Circus Pikard vom Vortag, in der eine aufblasbare Manege für dessen Vorführungen in die Wiese gestellt wurde, eine solche umrahmt von Bananenkartons aufgebaut. Kompliment! Vor dem Abendessen fordert uns Kater Dario nochmals zum Spielen auf. Seine Lieblingsspiele sind die abgefallene Quaste einer Weihnachtsmannmütze und ein Weinkorken. Im Abfangen der beiden Utensilien ist er mittlerweile Meister, auch hohe Passes zwischen mir und meinem Jüngsten hält er mit Bravour. Wir haben ihm daher den Spitznamen „Der Panther von Rohrendorf“ gegeben, den hat er wirklich redlich verdient. Es ist Mittwochabend. Wieder sind ganze vier Tage vergangen, in denen ich nicht einen Buchstaben geschrieben habe, der Alltag forderte mich in jeder Minute. So sitze ich also erst heute hier an meinem Schreibtisch mit dem Blick in den Garten, schaue aufs neue Hochbeet, auf die Pflanzkisten, auf die mittlerweile üppig wuchernde Blumenwiese. Eben gesellt sich auch Kater Dario zu mir, stellt sich fordernd auf meinen Schoß, will gestreichelt werden. Ich weise ihm mit sanftem Druck seinen Platz auf meinen Oberschenkeln zu, denn ich will schreiben, streicheln nur zwischendurch oder später. Er versteht und rollt sich zusammen. Gut so! Also kann ich endlich loslegen, um den ersten der vier noch offenen Tage zu beschreiben.
Ich begebe mich in die Welt der vermeintlichen Verschwörungstheoretiker: des Biologen Clemens G. Arvay, des Psychiaters Raphael Bonelli und des Mikrobiologen und Infektionsepidemiolgen Sucharit Bakhdi. In einer Welt, die so oft – viel zu oft – nur aus einer Perspektive auf die Wirklichkeit schaut und die andere Blickwinkel abwertend in ein bestimmtes Eck stellt (so wie es gerade eben auch passiert), ist es mir ganz wichtig, mir meine eigene Meinung zu bilden und auch meine Intuition bzw. innere Wahrnehmung auf den Prüfstand zu stellen. Das ist belebend. So wie die Videos der drei oben Angeführten. Auch hier lade ich meine Leser*innen herzlich ein, sich nicht den Blick vernebeln zu lassen. Jene drei haben mit keinem Wort gesagt, dass ihre Meinungsgegner*innen unrecht haben, sie haben sie auch in keine wie immer geartete Ecke gestellt (wie die bösen Buben früher in der Schule), sondern sie fordern einfach auf, das eigene Hirn einzuschalten und auch mal anders auf das Offensichtliche zu schauen. Belebend, wie gesagt. Erhellend, ent-ideologiesierend. Und wie heißt es so schön? Die Wahrheit ist eine Tochter der Zeit – und die absolute Wahrheit ist schlicht eine Illusion. Sonst wäre die Erde immer noch eine Scheibe und hellsichtige Kräuterkundige wären immer noch Hexen. Danach geht es noch einmal nach Frankreich ins chalet des glaces, wo es das Verschwinden einer Familie aufzuklären gilt. Die Wahrheit ist hier erschreckend, weil hier Leben wegen Geld und Vorurteilen geopfert werden. Der Rachefeldzug der Überlebenden aber ist auch nicht von schlechten Eltern. Am Ende bleiben nur Verlierer*innen. Auch so ist das Leben, leider viel zu oft. Das vielgepriesene win-win ist oft nicht einmal das Papier wert, auf das es geschrieben wurde, Kompromisse oft so faul, dass sie stinken und Konsens sowie die Notwendigkeit schwerwiegender Einwände (vgl.Soziokratie), um eine Entscheidung zu kippen oder zu verschieben, Fremdworte im Lexikon einer narzisstisch-gestörten Gesellschaft. Es wird eine lange Nacht, um drei Uhr liege ich endlich in den Federn, meine Liebste schläft schon längst den Schlaf der Gerechten. Nach nur vier Stunden bin ich wieder wach, versuche nochmals einzuschlafen, aber meine Gedanken spielen mir einen Streich. Ich setze mich an den Computer und schreibe an meiner Route 55, danach frühstücke ich, danach widme ich meinen Aufgaben im Rahmen des Putztages: Wohnbüro, Vorzimmer und das Zimmer unseres Jüngsten. Mittags bereite ich gemeinsam mit meiner Liebsten alles fürs Raclette vor. Unser Essen dauert mehr als eine Stunde. Dann lege ich mich aufs Ohr, es wird ein schwerer, intensiver Mittagsschlaf, aus dem ich knapp eineinhalb Stunden später nicht wirklich erholt aufwache. Die Nacht wirkt nach. Ich bin weiter unrund, backe Muffins. Ich erhalte die Info der AK-Bibliothek, dass das von mir vorbestellte E-Book „Corpus delicti“ der Brandenburger Verfassungsrichterin und Autorin Julie Zeh zum Download bereitsteht. Ich lade und lese. Schwere Kost. Die Dystopie einer Gesundheitsdiktatur einer Gesellschaft, die aufgrund eines Virus zum Maskentragen und zum permanenten Gesundheitscheck via App verdonnert ist. Geschrieben in prophetischer Voraussicht im Jahr 2009. Hallelujah! Um vier nachmittags dann ein weiterer Livestream des Circus Pikard, ich mache meinem Jüngsten die Freude und schaue mit ihm eine knappe Stunde mit Ausschnitten aus dem aktuellen Programm dieses Jahres, das noch nicht aufgeführt werden durfte. Und dann nehme ich mein Rad und mache mich auf den Weg in die Bewegung, die mir in all den Wochen so schmerzlich fehlt. Ich bin eine Stunde unterwegs, aus der kleinen Runde wird eine große, rund 12 Kilometer lege ich zurück und werde dabei langsam eins mit mir. Beim Radfahren spinne ich Fußballideen, vor allem überlege ich Möglichkeiten, wie ein Kindertraining in naher Zukunft sinnvoll gestaltet werden kann, so dass es den jungen Menschen auch Freude bereitet. Auf ARD entdecke ich eine Miniserie aus Frankreich mit dem Titel „Le Chalet“. Mit meinem Hoxx-VPN auf Firefox bin ich dabei. Die ersten drei von sechs Folgen führen mich in eine wunderbare Alpenregion, ein kleines Dorf mit nur mehr wenigen Einwohner*innen, in denen ein altes Blockhaus zu neuem Leben erweckt und für den Tourismus ausgebaut wurde: Le chalet des glaces. Freunde treffen einander, eine Doppelhochzeit soll gefeiert werden. Doch das Haus hat eine dunkle Vergangenheit, zwanzig Jahre zuvor ist ein Dopplemord geschehen und alles sieht danach aus als wäre nun die Zeit der Abrechnung gekommen. Die Handlung klingt sehr einfach gestrickt, tatsächlich aber ist sie sehr komplex, anfangs sogar ein wenig unüberschaubar. Die Personen sind alle miteinander verstrickt, wie sich herausstellen wird, sie haben eine gemeinsame Geschichte, die sie in eine Katastrophe führen wird. Immer wieder erinnere ich mich an die Urlaube in dem kleinen Dorf in der Obersteiermark am Fuße der Alpen, das in meiner Kindheit und Jugend zu meiner zweiten Heimat geworden war.
Obwohl ich sehr spät ins Bett gekommen bin, funktioniert mein innerer Wecker, den ich auf 7.30 Uhr gestellt habe. Um 8 Uhr bin ich – nach einem schnellen Müsli – schon im örtlichen Gewerbepark, um im Drogeriemarkt die wöchentliche Futterration für unseren Kater zu besorgen. Beim Blick auf den Parkplatz des benachbarten Supermarkts, in dem ich den Wocheneinkauf an Lebensmittel machen möchte, steht schon ein Auto neben dem anderen, bei den Einkaufswagen herrscht reges Treiben. Ich habe bei meinem Plan, so früh wie möglich da zu sein, um damit den großen Run zu vermeiden, offensichtlich nicht bedacht, dass durch den Feiertag am Vortag Gott und die Welt unterwegs ist, um sich mit Essbarem einzudecken. Na gut, auch ich stürze mich also ins „Vergnügen“, maskiert und mit dem Unwohlsein des Gestressten. Seit dem vergangenen Feiertag gelten in unserem Land zwar neue Regeln – die Ausgangsbeschränkungen wurden aufgehoben – aber die Maske und der Mindestabstand sind beim Einkaufen (laut Regierungsangaben bis zur Entwicklung eines Impfstoffes oder eines wirksamen Medikaments) Pflicht. Die hier anwesenden Kund*innen halten aber offenbar – in einer Art Freiheitsrausch – nicht viel davon, Abstände sind kein Thema mehr und eine Vielzahl von Masken ist unter die Nase gerutscht. Ich als bekennender Maskenskeptiker bin dennoch „not amused“. Vor allem habe ich im Praxistest festgestellt, dass das korrekte Anlegen und Tragen des Mund-Nasen-Schutzes nicht durchführbar ist, die empfohlenen Hygieneregeln nicht einhaltbar sind. Ich müsste vor dem Anlegen und nach dem Abnehmen meine Hände waschen und das Stückchen Stoff sofort einem Waschgang mit 60 Grad und Seife unterziehen. Das hieße, dass ich die Maske zu Hause anlegen und dann auch erst zuhause wieder abnehmen müsste. Dazwischen liegt eine Fahrt auf dem Rad, bei der Atmen ganz wichtig ist. Also: Ist das ganze eine ernstgemeinte und nützliche Sache? Dann müsste sie unter anderen Bedingungen stattfinden. Oder ist es eine Alibiaktion? Für letzteres spricht auch, dass in öffentlichen Verkehrsmitteln ab sofort kein Mindestabstand mehr gilt oder besser gesagt: Die Regel vom Mindestabstand gilt nur, wenn es die Anzahl der Reisenden erlaubt. Und wie uns ja ausgiebig geschildert wurde, schützt die Maske „nur“ die anderen, nicht aber mich selbst. Ein Zirkelschluss? Ich mache also meine Runde. Ich brauche doppelt so lange als üblich, vor allem, weil ich bedacht bin, den Mindestabstand einzuhalten. Ich umkurve, pausiere, drehe mehrere Ehrenrunden und warte schließlich an einer von vier (!) geöffneten Kassen in einer langen Schlange, und das um 8.30 Uhr. Vor mir mehrere Kund*innen mit vollen Einkaufswagen, die an die 200 Euro schwer sind. Ich gebe für unsere fünfköpfige Familie knappe 60 Euro für die Woche aus. Ich habe die Befürchtung, dass so manches Eingekaufte aus den anderen Wagen im Müll landen wird. Schöne neue Post-Corona-Welt. Tja – und noch eine Hoffnung hat sich in nur wenigen Tagen zerschlagen: Die Gemüseregale sind prall gefüllt mit Waren aus Spanien. Die österreichischen Produkte firmieren ab sofort wieder unter „ferner liefen“. What the fuck … Zuhause dann endlich meine Morgenmeditation, war auch dringend nötig. Dario umkreist mich derweil im Garten, um dann auf meinen Schoß zu springen und sich knapp 30 Minuten intensiv streicheln zu lassen. Danach ist der den Großteil des Tages outdoor unterwegs, mittags nehme ich ihn, weil einige Regentropfen fallen, mit hinein, er schläft während meiner Pause auf meinen Beinen. Vor lauter Faszination – da erinnert er mich an junge Menschenkinder – vergisst er zu fressen, erst um 16 Uhr (nachdem ich mir schon die eine oder andere Sorge gemacht habe) kommt er zum „Frühstück“. Das ist dann allerdings der Auftakt für das Nachholen aller „Mahlzeiten“ und als ich am nächsten Lebenstag gegen 3 Uhr (nach einem Servus-TV-Interview mit Professor Sucharit Bakhdi und den drei abschließenden Folgen von Le Chalet) schlafen gehe, hat er alles aufgeholt. Fürs Mittagessen bereiten meine Liebste und ich Pitafalafel zu. Schon wieder so ein Festessen. Auch in der nächsten Woche wird noch das eine oder andere folgen, zumindest gemäß des von mir auf Basis des diesmal von mir alleine erstellten Speiseplans getätigten Einkaufs. Im Lauf des Tages gelingt es mir, vier Tagebucheinträge zu verfassen, ich bemerke, dass die Quantität doch deutlich auf die Qualität abfärbt, bin aber froh, dass es mir gelingt das Wesentliche dieser Woche endlich „auf‘s Papier“ gebracht zu haben. Ebenso ersucht mich mein Jüngster gemeinsam mit ihm eine Lösung für die von ihm geplante „Konfetti-Explosion“ zu finden. Dazu hat er mehrere Luftballons mit selbstgemachten Konfetti gefüllt. Sein Zimmer sieht dementsprechend aus. Er bittet mich, sie aufzublasen. Der erste zerplatzt während dieses Vorgangs, obwohl ich sehr vorsichtig war, es gibt einen machtvollen Crash und der Inhalt des Ballons verteilt sich in der ganzen Küche. Aufräumarbeiten sind angesagt, ebenso ein neuer Plan, da die „echte“ Explosion outdoor stattfinden soll, und das bei starkem Wind. Aber wir finden eine Möglichkeit. Um 16.30 Uhr ist es schließlich so weit. Der vom ihm an einer Schnur, die an einem Haken am Dachstuhl befestigt ist, angebrachte Luftballon baumelt im Wind vor unserem Schlafzimmerfenster. Ich stehe mit dem ausgeklappten Stichel meines Taschenmessers und meiner Handykamera in Position, während Junior eine Decke hält, um die Verbreitung der Konfetti auf ein Minimum zu reduzieren. Ich steche zu, es knallt, in Millisekunden ist alles vorbei – und wir machen uns sofort ans Kehren, damit der kräftige Wind nicht alles in die Wiese weht.Gut, dass wir den Crash auf Video festgehalten haben, ich bearbeite es umgehend, so dass es in Zeitlupe zu sehen ist. Eindrucksvoll, wenn auch das Zerplatzen nur im Fensterspiegel zu sehen ist. Da habe ich die Kamera nicht richtig mitbewegt. Trotzdem haben wir unsere Freude. Nachher spielt Kimi noch ein Fußball-Miniturnier gegen sich selbst im Garten mit 4 Mannschaften aus Mizland (FC Ki&Co Mumintal, FC Dosenöffner, FC Tiger und FC Radio Mizland), ich schaue zu, meine Liebste gesellt sich zu uns und wir plaudern über dies und das. Zum Abendessen kriegen wir dann von unserem Mittleren nicht nur die Speisen serviert, sondern ein paar Botschaften von seinem Vater aus Berlin. Er tritt in den Widerstand und wirft uns Worte an den Kopf, die nicht aus seinem Wesen stammen, sondern die wir aus anderen Quellen kennen. Es ist zum Verrücktwerden und ich wanke. In der fast einstündigen Diskussion bleiben sowohl meine Liebste als auch ich ruhig, aber bestimmt. Nachher bin ich schwer erschöpft, weil er ordentlich und sehr verletzend ausgeteilt hat, es geht, wie die SMS seines Vaters in den letzten Tagen schon deutlich gemacht haben, um Eskalation – nicht von seiner Seite. Er ist hier – wie auch sein großer Bruder – der Spielball des Mächtigen (oder des Mächtig-Agierenden). Und das in einer Phase, in der es noch größere Unsicherheit als vor zwei Monaten gibt, in der Zukunft kaum planbar ist und sich Entscheidungsprozesse massiv verzögern. Das Agieren des Vaters ist gelinde gesagt unverantwortlich, der Druck bei unserem Mittleren extrem hoch. Den wird er los, in dem er ihn uns mit Worten und auf Biegen und Brechen drüberschüttet. Als ich ihn ein wenig später in seinem Zimmer aufsuche, wirkt er beruhigt. Ich denke, er ist für‘s Erste los, was ihn so getrieben hat, wir haben ihm schon verziehen, weil er ja eigentlich nichts dafür kann. Und ich habe die Worte im Ohr: „Lass dich bitte nicht verrückt machen.“ Leichter gesagt als getan, aber meine Aufgabe in Zeiten wie diesen. Also bestelle ich mir über die AK-Online-Bibliothek die von meinem lieben Freund empfohlene „Weisheit der Stoiker“. Und dann esse ich endlich mein Abendessen, der neue Lebenstag hat schon längst begonnen. Ein neuer Borchert-Krimi zum Auftakt des neuen Lebenstages, obwohl vom Kritiker nicht optimal bewertet, findet er bei mir sehr großen Anklang.
Auch an diesem Tag wieder Abendmeditation. Auch am nächsten Tag wieder Morgenmeditation. Danach eine Runde im Garten und ein Blick auf all das, was in den letzten Tagen zu wachsen und zu sprießen begonnen hat: die Hollerblüten, die Rosen, die ersten Blüten unserer Bienenwiese, die Tomaten in den Saattöpfen, die Maiwipfeln der Tanne, unser Bambus. Ja, es ist herrlich, wie es die Natur schafft, sich Jahr für Jahr zu regenerieren, eine Fähigkeit, die dem Menschen in dieser Fülle fehlt. An einem chilligen Vormittag nehme ich mir Zeit, in aller Ruhe Brennholz für den Küchenofen und die Sauna vorzubereiten, ich reinige die Öfen, ich mache in der Küche Feuer für das Mittagessen, die Vappu-Würstchen und die Tippaleipä. Den Erdäpfelsalat habe ich ja schon tags zuvor vorbereitet, er konnte über Nacht in der Speisekammer gut durchziehen, was seinem Geschmack sehr dienlich war, wie sich beim Mittagessen herausstellt. Kater Dario ist den ganzen Tag in „Fetz“-Laune, jagt durch den Garten und durchs Haus, snackt zwischendurch ausgiebig und freut sich seines Lebens. Als ich nachmittags die Sauna anheize, ist er verschwunden, um mich dann beim Nachlegen im Saunazelt zu überraschen. Er ist schon mal vorgegangen und genießt die Wärme unter dem dort befindlichen Schaukelstuhl unseres Jüngsten. Freunde meiner Liebsten in Helsinki haben auch einen Saunakater. Und auch unsere Maria Mizzi-Kaze hat die Wärme unserer Schwitzhütte genossen, allerdings immer erst dann, wenn die Glut schon am Abkühlen war und sich niemand mehr im Zelt aufgehalten hat. Unser Dario allerdings ist offenbar ein anderes Kaliber, denn er bleibt auch ein Zeit mit uns im Zelt, ehe er dann nach draußen geht und mit den Bändern am Zippverschluss zu spielen beginnt und uns damit gut unterhält. Danach gibt es einen Filmnachmittag für die Familie mit der „Unendlichen Geschichte“ (sic!). Ein beeindruckender Film, der Michael Endes Meisterwerk natürlich nicht gerecht wird, worüber sich der Autor auch zu Lebzeiten intensiv beschwert hat. Dennoch ist auch die Botschaft dieses Streifens, in dem Fantasien in der letzten Minute durch ein Kind vor dem Untergang gerettet wird, wertvoll: Wenn die Menschen ihre Träume aufgeben, dann sind sie von den Mächtigen manipulierbar. Wenn die Fantasie endet, dann endet ein menschliches Leben und die Unmenschlichkeit obsiegt. Also: Lasst uns träumen, weiter träumen von einer besseren Welt und von den wundervollen Veränderungen, die uns durch die aktuelle Krise ergeben werden. |
Route 55
Dieser Blog begleitet mich durch mein 55. Lebensjahr, das ich mit einer Feier im Freundeskreis am Vorabend meines Geburtstages eingeläutet habe, das am 23.2.20 um 19.21 h tatsächlich begonnen hat und das sogar 366 Tage zu bieten hat, also mehr als viele andere meiner bisherigen Lebensjahre. Archiv
Februar 2021
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