Der Zug war pünktlich, wohl auch, weil der Teil nach Venedig gähnend leer war – no one wants to go to Italy. Und den Karneval haben sie ja auch abgesagt, weil ein tödlicher Virus durch die Welt reist. Wie immer, wenn ein solches Ereignis über die Menschheit hereinbricht, sind viele überfordert, auch die politisch Verantwortlichen. Und wie Viren nun mal sind, ist es schwer, sie in den Griff zu kriegen – aber es geht. Wenn dann PolitikerInnen von „Nur keine Panik“ sprechen, werde ich allerdings leicht panisch. Meine Erfahrung ist nämlich, dass dann mehr oder anderes dahinter stecken, als sie öffentlich zugeben wollen.
Das ist so wie wenn ein*e Redner*in sagt, dass er*sie sich kurz halten werde oder „In aller Kürze“ oder „Nur kurz noch“. Auch dann folgt in 99% der Fälle ein für die ZuhörerInnen langer Vortrag; möglicherweise hat er oder sie sich ja doch wesentlich kürzer gefasst als geplant, aber … In eine solche Situation brachte mich meine Neugier am Vormittag meines neuen Lebenstages. Ich fuhr zu einer Versammlung der Fußballfunktionär*innen. (Hier noch ein kurzer Exkurs zum *, der Asterisk – nicht Asteriks – genannt wird. Kurz vor meiner Erzählperformance bei meinem Geburtstagsfest habe ich von der Volkshochschule, in der ich Deutsch unterrichte, ein Schreiben erhalten, in dem ich über die richtige Aussprache des Asterisks unterrichtet werde. Hier lautet es wörtlich: „Mündlich wird der Asterisk, also das Sternchen, durch eine Atempause gekennzeichnet.“ Und da ich bei meiner Performance eine Woche zuvor vollmundig versprochen habe, immer wenn es um den * geht, eine Atempause einzulegen, verwende ich den * nun auch in meinen schriftlichen Ausführungen – wo ich früher lieber mit „I“ oder „_“ gearbeitet habe – um auch hier nötige Atempausen einzulegen. Glaubt mir, dass tut auch beim Schreiben verdammt gut und bringt mich auf Gedanken, die ich ohne Pause nicht gehabt hätte. - Exkurs Ende) Ich fuhr also zu einer Versammlung von Fußballfunktionär*innen mit, der * ist berechtigt, denn unter den rund 150 Teilnehmenden befanden sich meiner Wahrnehmung nach auch 4 Frauen. Und eine davon ist sogar in leitender Funktion als Kassierin einer so genannten Jugendhauptgruppe tätig. Ich erlebte Realsatire pur. Und das lag zum einen daran, dass in den Gremien die hier zusammentrafen (es waren ja eigentlich drei alle vier Jahre stattfindenen Hauptversammlungen parallel, nämlich jene zweier Jugendhauptgruppen und einer Hauptgruppe), ein hoher Altersschnitt herrschte und ich mit meinen 54 Lenzen am Buckel zu den Jüngeren zählte. Nun ist Alter per se nix Böses, aber Alter macht per se auch nicht automatisch weise. Zum anderen musst du schon ein Mensch sein, dem Vereinsmeierei etwas Bedeutendes ist. Ich denke, dass es auch anders ginge, aber so weit ist es noch nicht – und ich muss zu meiner Schande gestehen, dass ich mich trotz aller Wahrnehmungen und Ideen zur Verbesserung nicht dazu berufen fühle, die Vereinswelt auf den Kopf zu stellen. Also setzte ich mich dieser aus – pur und nüchtern. Wobei ich gestehen muss, dass ich nach 30 Minuten die Sehnsucht auf ein kleines, lieber sogar großes Bier bekam, was ich allerdings auf Grund eines sehr, sehr kleinen Frühstücks, das dem Morgenstress geschuldet war (wann stehe ich denn am Samstag schon um 7 Uhr auf? - Na ja, wenn ich es bedenke, öfter als es mir lieb ist, dann, wenn ich meiner Trainertätigkeit in der Erwachsenenbildung oder im Fußball nachgehe), dann lieber bleiben ließ. Wer weiß, was mir in einem leicht berauschten Zustand dann so alles über die Lippen gekommen wäre. In aller Kürze (Achtung! Zu Kürze siehe oben!): zuerst streikte die Technik, die Powerpointpräsentationen sollten durch 3 Beamer übertragen werden, wobei zwei davon streikten; der Rechenschaftsbericht des Obmann-Stellvertreters der einen Jugendhauptgruppe wurde mit den Worten „Ich werde mich kurz fassen“ eingeleitet (obwohl es immerhin vier Jahre zu rechtfertigen gab); dann, nach einigen wirklich kurzen Berichten, kam der Frauenreferent der Hauptgruppe zu Wort, auch er „kurz“ in der Ankündigung und lang in den Ausführungen; anfangs wurde auch der Referent für Spitzenfußball vorgestellt, ein Mittsiebziger mit starkem Übergewicht – aber ich denke, die Qualifikation für die Aufgabe darf man nicht einseitig an Alter und Körpergewicht bzw. Körperformen festmachen; als endlich alle berichtet hatten und entlastet wurden, schritt man zu den Neuwahlen, die Verlesung der Kandidat*innen fiel dem Wahlleiter nicht immer leicht, er umschiffte so mache brenzlige Situation dann mit einem unverständlichen Gemurmel, was insofern nicht störend war, als die Namen der Betreffenden auch über die mittlerweile einwandfrei funktionierenden Beamer dreifach in den Saal gestrahlt wurden; die Wahlen, die offen und mit Stimmzettel (in drei Farben, da ja drei Hauptversammlungen gleichzeitig stattfanden und drei verschiedene Wahlbrechtigungen zu berücksichtigen waren) durchgeführt wurden, endeten jeweils mit einem „Danke“ des Wahlleiters, worauf fußballtechnisch der ganze Saal „Bitte“ zu schreien gehabt hätte, das unterblieb aber aus Gründen der Vernunft, war man ja nicht im Stadion sondern in der Kaiserrast in Stockerau. Nun, die Wahlen waren vorbei, der nächste Tagesordnungspunkte lautete „Reden der Ehrengäste“, glücklicherweise fand sich nur einer bereit, das Wort zu erheben, immerhin befand man sich bereits in Minute 120 der Versammlung(en). So kurbelte der Präsident des bundesländlichen Fußballverbandes eine seiner unambitionierten Reden herunter, die auch unterbleiben hätten können, aber Ehre, wem Ehre gebührt. Und außerdem ist der Mann ja immerhin Bürgermeister i.R. und daher durchaus schon etwas eingerostet. Seis‘s drum. Das unvermeidliche Allfällige aber brachte dann noch die Verlängerung der Verlängerung, waren doch noch einige Ehrungen durchzuführen. Schließlich folgte nach knapp 135 Minuten der Schlusspfiff, der Teil des Saales, in dem ich meinen Platz gefunden hatte, musste unverzüglich wegen einer nachfolgenden Veranstaltung geräumt werden und so hatte ich einen guten Grund sofort die Flucht zu ergreifen. Nach einem solchen Vormittag braucht es eigentlich keinen Nachmittag mehr, dennoch war er durchaus befüllt. Nach einem Mittagessen ereilte mich, da ich den Spielbericht vom Spiel unserer Kampfmannschaft online stellte, die Erkenntnis, dass unsere U 23 in der örtlichen Arena ein Testspiel absolvierte, dessen zweite Hälfte ich besuchte, um auch hier einen einigermaßen authentischen Bericht für die Homepage unseres Fußballklubs erstellen zu können (wir verloren verdient 1:6), und es waren die wöchentlichen Putzdienste im Haus zu absolvieren. So neigte sich dieser 6. Tag schnell seinem Ende zu, es blieb die Frage, ob ich Tag 7 mit Sauna oder Dancing im Eventstage beginnen sollte.
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Spät heimgekommen, aber immerhin mit dem Zug. Eine Woche vorher war es den ÖBB gelungen, den Nightjet vom Wiener Hauptbahnhof in die Landeshauptstadt aufgrund des Abwartens eines Anschlusszuges mit einer solchen Verspätung auf die Reise zu schicken, dass ich meinerseits meinen Anschlusszug in die Heimat versäumen musste. Und das war der letzte gewesen, der mich noch direkt in meinen Wohnort bringen konnte. Ich hatte also noch in Wien umdisponiert, fuhr an der Donau entlang und war immerhin eine halbe Stunde früher in der Bezirkshauptsatdt gewesen – allerdings ohne Möglichkeit zur Weiterfahrt nachhause. Da der Taxler meines Vertrauens nicht verfügbar gewesen war, hatte ich mich entschieden, die knapp 6 Kilometer zu Fuß in Angriff zu nehmen. Eine herausfordernde Erfahrung, die ich in einer knappen Stunde bewältigt hatte.
Aber das war – wie gesagt – noch in meinem alten Lebensjahr gewesen. Diesmal klappte es ohne Probleme. Ansonsten bot mir der Tag eine Menge Zeit, um mich dem Schreiben zu widmen, am Nachmittag dann neuerlich Aufbruch in die große Stadt, wo ich abends KindergruppenbetreuerInnen mit dem Thema Pädagogik konfrontieren durfte. Es wurde trotz des trocken anmutenden Inhalts eine sehr lebendige Veranstaltung. Wir hatten auch einen interessanten Austausch über Werte und deren Vermittlung an die Kids. Und wieder machte ich mich zur selben Zeit wie am Vortag auf dem Weg zum Hauptbahnhof, um den Nightjet zu erreichen. Wieder wird es spät, später als ich wollte, nach Fußball noch ein Blick in die ZDFNeo-Serie Dunkelstadt, reißt mich nicht vom Hocker eher in den Schlaf. Aber wie gesagt, es war schon spät.
Am Morgen ist es nun schon deutlich heller und ein lautes Vogelkonzert geht los. Seit die Katze nicht mehr im Haus ist, haben auch die Vögel wieder Kirtag in unserem Garten. Das war im ersten halben Jahr so – dem ohne Maria Mizzi-Kaze, momentan schaut es ganz nach einem Revival aus. Trotz Katze haben aber etwa die Rotschwänzchen auch im letzten Sommer zwei Gelege in den Nischen unserer Einfahrt bzw. des Stadels angelegt. Und der Nachwuchs war – im Vergleich zur menschlichen Spezies, auch relativ gesehen – sehr schnell aus dem Nest. Trotz anderer Vereinbarung hat uns die Mizzi-Katz auch 3 Vögel vor die Tür gelegt, worauf sie sich was anhören musste. Seither lag zumindest kein Federvieh mehr da, dafür die eine oder andere Maus. Das sind für mich die schwer zu akzeptierenden Charakterzüge einer Katze: ihre Jagd und das lange „Spielen“ mit dem Gejagten und schließlich Erlegten und ihr Hang zum Töten der ohnehin schon stark bedrohten Singvögel. Nicht nur das Vogelgezwitscher lag heute morgen ganz besonders laut in der Luft, auch eine gelöste Stimmung erfüllte diese Morgenstunden – und so bekam ich Lust, den Wochenendeinkauf beim rund 5 Kilometer entfernten Großmarkt gleich anzugehen. Ich lud die leeren Bierkisten vom Fest in den Kinder- Radanhänger, der schon seit einigen Jahren nur noch als Gepäcktransporter dient – und auf ging‘s in Begleitung meiner Liebsten und unseres Jüngsten. Der extreme Gegenwind machte uns bei der Hinfahrt arg zu schaffen – wie so oft wenn der Wind aus dem Westen oder Nordwesten weht. Dafür ist die Rückfahrt dann ein Leichtes, mit eben diesem Wind im Rücken. Am Nachmittag brach ich dann in die Bundeshauptstadt auf, um einem meiner Brotberufe nachzugehen. Die TeilnehmerInnen des eben gestarteten Vorbereitungslehrganges für die Berufsreifeprüfung Deutsch an der VHS hatten heute die Freude, sich mit einem Essay des österreichischen Autors Ilija Trojanow über das Reisen mit dem Titel „Setzt euch der Fremde aus“ auseinanderzusetzen. Und sie waren nach anfänglicher Zurückhaltung dann letztlich doch eifrig dabei, den Text auf sich wirken zu lassen und ihn als Impuls für eine Auseinandersetzung mit ihrem Leben zu nehmen. Von meiner Seite kamen Viktor Frankl und C.G. Jung ins Spiel, von ihnen eine differenzierte Sichtweise auf das moderne Urlauben im Verhältnis zum wahren Reisen. Nun für mich ist das ganze Leben eine Reise, in dem ich offenbar kaum ein Abenteuer auslasse, was mich manchmal nach jener Ruhe sehnen lässt, die ein wohlbehütetes Zuhause bietet. Und diese Heimat finde ich mal hier, mal dort – im Eigenen und auch im zunächst Fremden, das ich mir zu eigen machen durfte. Und so begleiteten mich die TeilnehmerInnen meiner Gruppe mit ihren Perspektiven und Gedanken in den nächsten Tag meines neuen Lebensjahres. Wir sehen also wenig später in der Turnhalle der Volksschule, die auch als Veranstaltungshalle dient, ein ambitioniertes Programm, das allen Altersgruppen eine
gute Bühne zur Selbstdarstellung bietet, und das meine ich nicht negativ. Ich finde es wirklich fein, dass diese Möglichkeit besteht. So ziemlich alle werden durch den Kakao gezogen, Frauen und Männer, VertreterInnen der örtlichen Politik und des Fußballvereins bekommen ihr Fett ab und manchmal gibt es wenig zu lachen, ein anderes Mal bleibt das Lachen im Hals stecken und oft genug darf es ungehindert raus. Nach einem weiteren Fußballspiel, diesmal die Champions-League-Begegnung zwischen Napoli und Barcelona, ein Match, das es vorher noch nie als Bewerbsspiel gegeben hat, und das unentschieden endet, gehe ich viel zu spät ins Bett, steht doch am Morgen ein Zahnarztbesuch am Programm. Und an eben jenem Morgen wache ich mit dem Gefühl auf, nachts ein weiteres Leben gelebt zu haben. Es ist außerdem zu früh für mich, ich stehe gerne zwischen halb acht und acht auf, aber um sechs? Das tue ich nur bei besonderer Motivation – wie etwa einer Reise oder einem Auftrag, bei dem auch das Börsel stimmt. Nun ja aber heute ist Zahnarzt. Und dort werden dann gleich 3 alte Plomben repariert. Meine Zahnärztin ist die Ruhe selbst, sie ist jung, aber eine absolute Profi und sie hat am Zahnambulatorium der Gesundheitskasse einen absoluten Knochenjob, Ordinationsstart täglich um 7 Uhr. Ich bewundere sie dafür. Problem diesmal: Nach der Behandlung habe ich Zahnschmerzen, die ich vorher nicht hatte. Ich komme um 9 Uhr heim, auch dort ist die Stimmung nicht viel besser. Vergangenes hat sich schmerzlich über die Familie gelegt, es droht auch die Zukunft zu verändern, wesentlich und … Meine Horrorszenarien, für die ich dann gerne Escape-Strategien entwickle, obwohl ich mich ungern damit beschäftige, tragen auch nicht zur Erheiterung bei. Obwohl Zuversicht jetzt angebracht wäre. Aber die Schmerzen lassen mich ein wenig Drama spielen. Zudem ist der Kostenvoranschlag der Glaserei in meinem E-Mail-Postfach, er war notwendig geworden, da mein Jüngster beim Fußballspielen eine Scheibe der Doppelverglasung unserer Abstellraumtür eingeschossen hat. Ich grüble also – zum Leidwesen meiner Liebsten, die jetzt Aufmunterung bräuchte vor mich hin, fühle mich nicht nur von meiner Glückskatze sondern mit ihr gleich vom ganzen Glück verlassen und spüre die Schmerzen noch heftiger. Nachdem ich im Ambulatorium niemanden telefonisch erreiche, meine homöopathische Medizin nicht umgehend anschlägt (was sie ja nie tut, sie braucht Zeit, um zu wirken, nur die will ich mir in diesem Moment einfach nicht nehmen), packe ich mich zusammen und fahre zurück in die Stadt. Dort erfahre ich von der Assistentin, dass es nicht unüblich ist, dass Schmerzen auftreten und dass ich am Freitag wiederkommen mögen, falls diese anhielten. Ich fahre heim, schmeiße mir zwei leichte Schmerzpulver ein und mache mich ans Mittagessenkochen. Auf der Reise in die Stadt sind mir plötzlich positive und konstruktive Gedanken gekommen, um das sich – zumindest in meinen Gedanken – anbahnende Drama anzugehen und dem Leben trotz allem ein Ja entgegenzuschleudern (Viktor Frankl). Meine Liebste und ich nehmen uns nach einem herrlichen Mittagessen Zeit, um Pläne zu schmieden. „Schau nach vorn, nicht zurück“, singt schon Udo Jürgens in seinem in meinem Geburtsjahr beim Eurovision Songcontest preisgekrönten Hit „Merci Cherie“ und auch Orpheus musste schmerzlich erfahren, was es heißt, das Vertrauen zu verlieren und zurück zu schauen. No, merci, das brauche ich wirklich nicht. Der Tag nimmt eine Wendung. Es wird ein gemütlicher Nachmittag – und mein jüngster Sohn macht mit seinem Handy auf DJ und bietet mir eine gute, stimmungsvolle Performance, die mich zur Leichtigkeit animiert und mein mich und mein Leben zum Tanzen bringt. So kann Tag 3 mit einem feinen Abendessen zu Ende gehen und Tag 4 mit Fußball starten. Es ist Champions League, heute Lyon gegen Juventus. Life‘s going on. Das Aufstehen nach einem langen Fußballabend, dem ich noch einen emotional aufgeladenen, actionreichen Krimi folgen habe lassen (Über die Grenze: Rausch der Sterne), fällt mir schwer, es wird spät, zudem meine Liebste heute einen Morgentermin in der Stadt hat. Ich rapple mich dennoch auf, komme aber schwer in die Gänge, mache immerhin Mittagessen für die ganze Familie, immerhin wollen auch drei Jungs versorgt werden. Für den Nachmittag steht Faschingsausklang am Programm, wir fahren gemeinsam in die Stadt und geben uns 18 Wagen, die durch die Fußgängerzone zum Pfarrplatz kurven. Das Piratenschiff, das auf einem Anhänger von einem Traktor gezogen wird, spricht mich am meisten an, es sollte dann später auch als Sieger bei der Prämierung der besten Darbietungen hervorgehen. An meiner Seite zuerst nur mein Jüngster, meine Liebste hat noch wichtige politische Gespräche am Telefon zu führen, die konstituierende Sitzung des Gemeinderats steht an, der vor wenigen Wochen gewählt wurde. Dazu vielleicht ein anderes Mal mehr, mir ist heute nicht nach Politisieren.
Es ist erst knapp nach vier Uhr nachmittags, die Stimmung dennoch längst feucht-fröhlich, bei manchen zeigt sich der Kater des nächsten Tages bereits deutlich an ihrer mangelnden Körperbeherrschung. Neben uns taucht ein „Muskelkater“ auf, ein als Kater verkleideter Mann, der eine Hantel hebt und senkt. Um keine Unklarheiten über seine Verkleidung aufkommen zu lassen,trägt er auch noch ein Schild, das seine Kostümierung wie oben angeführt benennt. Nachdem alle Wagen durch sind, gehen mein Jüngster und ich zur Bühne, um dem DJ auf die Finger zu schauen, immerhin sind wir seit einiger Zeit auch als DJ-Duo unterwegs, er als Key, ich als Maka (genauer gesagt DJ m.a.ka). Er spielt volkstümliches und Schlager, das, was das Volk hören will und was die Stimmung anheizt – und das macht er gut. Allerdings ist er offenbar beauftragt – oder wurde genau deshalb beauftragt -, weil er immer wieder Sprüche klopft, vor allem über‘s weibliche Geschlecht. #metoo ist hier noch nicht angekommen, aber mit einer solchen Aussage wird man ja schnell zur Spaßbremse und so halte ich mich nobel zurück, denn auch die anwesenden Damen sind davon durchaus angetan – und ich muss ja – obwohl Frauen- und Katzenversteher – nicht die bessere Katz und Frau sein als ihre Art- und Geschlechtsgenossinnen. Nach der Prämierung, schon ein wenig fröstelnd, fahren wir zu dritt heim, meine Frau hat sich in der Zwischenzeit zu uns gesellt. Ein wenig Aufwärmen und ein wenig Essen, kann nicht schaden, steht doch bei uns im Dorf, also im Ort (warum ich unseren Wohnort nicht als Dorf sehe, obwohl er durchaus mal ein solches gewesen sein wird, werde ich ein anders Mal erläutern) noch das alle zwei Jahre stattfindenden und von der örtlichen Musikkapelle veranstalteten Faschingeingraben am Programm. Und damit beginnt der dritte Tag auf meiner Route 55. Mein Leben sagt mir: Tritt mich nicht mit Füßen. Ich bin das beste, das du hast. Du hast es in der Hand, etwas daraus zu machen. Stell nicht so oft die dumme und sinnlose Frage „Warum?“ Gib eine Antwort auf die Fragen, die ich dir stelle. Dann wirst du den Sinn der Herausforderung und des Augenblicks erkennen. Ich habe nicht angenommen, dass die Dynamik des Wieder-Geboren-Werdens, meinem Leben eine entscheidende Wende geben wird, zu dicht ist Vergangenes verwoben mit Gegenwärtigem und Zukünftigem. Und in so manchen Momenten überfällt mich hinterrücks die Panik, die dem Älterwerden und dem Tod, dem keiner lebend je entrinnen kann, geschuldet ist. Und dann: „Warum?“ statt „Ja, danke!“
Nächte auf Montag und die ihnen folgenden Montage haben oft diese Heftigkeit, ein „Nein, warum?“ zu provozieren. Ich gehe dann seelisch auf Tauchstation, im Luftanhalten, das kein Atemholen zulässt, verliere ich auch noch meine letzte Kraft. Da hilft kein Zureden, da fehlt einfach die Katze. Aber als sie da war, fehlte sie da nicht auch? Jedenfalls habe ich sie nicht als Hilfe wahrgenommen, jetzt wünschte ich mir ihre Anwesenheit. Wie singen schon Passenger in ihrem Hit „Let her go“: „But you only need the light, when it's burning low / Only miss the sun, when it starts to snow / Only know you love her, when you let her go … and you let her go.“ Ich mache mir ein verspätetes Geburtstagsgeschenk und erfreue damit nicht nur mich: Ein Gratismonat eines Sportbezahlsenders, aber nicht jenes des Marktführers, weil es mir zu kostspielig ist. Und so schaue ich gleich mal Damentennis – und Tag 2 meines neuen Lebensjahres darf mit der Montagsbegegnung der Deutschen Bundesliga zwischen Eintracht Frankfurt und Union Berlin beginnen. Mein Jüngster freut sich, ist er doch ein Sportfan, besonders der Fußball hat es ihm angetan. Und ich weiß, was mir an Tagen wie diesem noch gut tut: ausreichend und in Ruhe essen. Kann ich mir alle Mal, ja sollte ich mir sogar öfter leisten. Auf‘s Idealgewicht habe ich noch 10 Kilo Spielraum. In meinen Geburtstag hinein feierte ich also - 24 Stunden vor meiner Geburtsstunde beginnend - mit einer Schar liebenswerter Menschen, die mein Leben bereicherten und nach wie vor bereichern. Als ich nach einem herausfordernden Arbeitstag aus Wien in mein Zuhause heimkehrte, war die Bude schon voll. Auch Kinder waren da, meine, aber auch zwei Gäste. Es ist faszinierend, sie beim Leben zu betrachten, sie leben – im Idealfall – aus der Fülle, wenn sie noch jung genug sind, sie sind gerade dabei etwas aus ihrem Leben zu machen, wie meine schon lange erwachsenen Töchter. Meine Generation hat schon das eine oder andere, manchmal auch mehr als gewünscht oder auch das, was nie gewünscht war, erlebt. Und das drückt sich bei den einen in einem enormen Lebenstempo aus, in dem Entschleunigung und Stagnation verpönt sind, bei den anderen äußert es sich dadurch, dass sie in den absoluten Lebensstillstand eintauchen und ihr Leben fortan quasi nur beobachten, wenn überhaupt. Zugegeben, beides sind Lösungsmöglichkeiten, die mir nicht fremd sind, Erfolgsrezepte sind sie beide nicht. Um die richtige Balance zu finden braucht es Weisheit, nicht immer ist sie mir gegeben und, wenn sie einmal aufblitzt, dann ist sie nicht von Dauer.
Geburtstage werden gerne als Neubeginn gesehen, obwohl sie willkürlich gesetzte Lebensmarken sind. Dennoch können von ihnen Impulse ausgehen, möglicherweise sogar entscheidende. Dieser Dynamik wollte ich mich auch heuer nicht verschließen. So plante ich eine Erzählperformance unter dem Titel „Ich werd‘ dir was erzählen – Von Katzen und Kindern, Männern und Mäusen, Frauen und Fußball“ mit Lesung dreier Texte (All die Welt, wildERei und Big Bang), anschließendem Partydancing und, zum Auftakt meines kalendarischen Geburtstages um Mitternacht, ein Freudenfeuer im Feuerkorb sowie einen Umtrunk mit Cider. Da alle angesagten Gäste pünktlich da waren und aufmerksam meinem Erzählen folgten, verlegte ich den Umtrunk auf die finnische Mitternacht, die eine Stunde vor unserer Zeit liegt, das Freudenfeuer zu entzünden, vergaß ich vor lauter Freude über den Jubel meiner Gäste. Und: mir fehlte eine sehr, die noch im Vorjahr dabei gewesen war und trotz der auch damals vielen Gäste und dementsprechender Lautstärke alles mit der ihr eigenen Fassung ertragen hatte: Maria Mizzi-Kaze, geb. Zenzi, die bei uns seit August 2018 lebende Glückskatze, hat uns im Sturmtief Sabine am 10.2. mittags verlassen und ist nicht wieder gekehrt. Ihr habe ich einen Blog mit Weisheiten gewidmet, sie besitzt auch ein eigenes Facebook-Profil. Meine Familie und ich müssen davon ausgehen, dass sie nimmer wieder kommt. Nie hätte ich gedacht, dass eine Katze als Seelentrösterin geeignet ist – und doch war sie es trotz oder gerade wegen ihrer Eigenwilligkeit. Mit ihr kannte ich mich aus, sie gab immer klar zu erkennen, woran man bei ihr war. Es war gewöhnungsbedürftig, doch ich gewöhnte mich gerne daran. Wären doch Menschen auch so klar und deutlich, mir, ich denke, uns allen, wäre extrem geholfen. So ging also dieser Geburtstag mit diesem erheblichen Wermutstropfen über die Bühne, was nur mir zu schaffen machte, meinen Gästen nur in meinen Erzählungen auffiel, der allseits gelösten Stimmung aber keinen Abbruch tat. Die Nacht setzte sich, nachdem uns die Gäste verlassen hatten, noch bis 3 Uhr fort, meine Liebste und ich tanzten zu Discoklängen in den Morgen. Ich erwachte dann gegen 10 h und machte mich nach einem kleinen, feinen Frühstück an die Aufräumarbeiten. Meinem Schreibtisch hat dies ausgesprochen gut getan, strahlt er doch nun wieder vor jener gähnenden Leere, die mir ein er-füllendes Schreiben möglich macht. Der Tag ging dann ganz in meinem Sinn sehr chillig zu, nicht nur, weil es mittags noch die Reste des von mir für die Gäste bereiteten Chilis für die Familie gab. Pünktlich um 19.21 Uhr, exakt zu meiner Geburtsstunde eröffnete ich im Kreise meiner Familie mit Kindersekt und Cider mein neues Lebensjahr, das 55. |
Route 55
Dieser Blog begleitet mich durch mein 55. Lebensjahr, das ich mit einer Feier im Freundeskreis am Vorabend meines Geburtstages eingeläutet habe, das am 23.2.20 um 19.21 h tatsächlich begonnen hat und das sogar 366 Tage zu bieten hat, also mehr als viele andere meiner bisherigen Lebensjahre. Archiv
Februar 2021
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