Der neue Lebenstag begann mit dem italienischen Cupfinale zwischen Juventus Turin und SSC Neapel, ein durchaus spannendes Spiel, das nach einem 0:0 in der regulären Spielzeit in ein Elfmeterschießen ging. In diesem hielt Napolis Ersatztormann (der die Nr. 1 Ospina aufgrund einer Gelbsperre vertreten hatte) gleich den ersten Elfer von Superstar Dybala hielt. Auch den zweiten Elfer vergaben die Turiner und so gelang den Neapolitanern mit einem 4:2 der erste in dieser Saison vergebene Titel. Die Feiern in der süditalienischen Stadt waren laut Presse überbordend und leider auch jenseits jeglicher derzeit in Europa und speziell in Italien geltenden Verhaltensvorschriften.
Ich kam zu spät ins Bett, ich musste zu früh aufstehen, da ich schon um 9 Uhr in der Hauptstadt meine alle 14 Tage stattfindende Supervisionsstunde gebucht hatte. Die Zugfahrt unter „Masken-Bedingungen“ verlief problemlos, ich hätte nie gedacht, dass ich mich an diese Notwendigkeit gewöhnen würde. Ich nutzte das Schaukeln des Zuges, um genüsslich zu dösen, vor mich hin zu träumen und zu checken, was mich ausmacht. Zwei große Gedanken setzten sich dabei fest: zum einen galt es nun endlich die Idee des Rechts auf Bildung und der Bildungsräume umzusetzen, damit es für jene jungen Menschen, denen Schule und Schulsystem nicht entsprechen endlich auch einen legalen, „geraden“ Bildungsweg gehen könnten; zum anderen war es dringend notwendig eine Bewegung ins Leben zu rufen, die sich für Bildung, Umwelt und ein solides soziales Fundament für jeden Menschen stark machte. Beim Nachsinnen traf ich abermals auf meinen Schmerzpunkt, jener Wunde, die ich seit meiner Kindertagen herumtrage und die immer noch schmerzt. Mir fiel ein Zitat aus einem Rosa Roth-Krimi ein (diese Krimis begannen immer mit eine Zitat), das so lautete: „Der Regen fällt nicht mehr zurück nach oben. Wenn die Wunde nicht mehr schmerzt, schmerzt die Narbe.“ Wie wichtig war es, sich diesem Schmerz mit Haut und Haaren zu stellen und ihn nicht ständig weg zu rationalisieren. In der Supervision hatte ich wesentliche Erkenntnisse, ich konnte auch das eine oder andere betrauern und fühlte mich nachher um Wesentliches leichter. So fuhr ich mit meinem Wiener Rad im Regen zum vereinbarten Treffen mit meinem ältesten Freund. Das ursprünglich von uns ins Auge gefasste Lokal hatte geschlossen, auch eine zweite Möglichkeit konnte deswegen nicht genutzt werden. So nahmen wir mit dem vorlieb, was die Gegend bot und zogen uns in die dunkle Ecke eines Segafredo-Cafés zurück. Dort plauderten wir eine Stunde lang über Gott und die Welt, ich zog mir noch eine Bruschetta mit Tomaten und Mozzarella rein, damit ich den Nachmittag mit knapp 40 Präsentationen für Berufsorientierung und den abendlichen Präsenztermin mit meiner Berufsreifegruppe in Deutsch gut überstehen würde. Die Radfahrt vom Westbahnhof über‘s Wiental in die Höhen von Favoriten bei schwül-feuchten Wetter hatte zur Folge, dass ich von innen her nassgeschwitzt nach einer knappen halben an meinem Ziel anlangte. Die Präsentationen gestalteten sich äußert zäh und langwierig, man merkte, dass die Teilnehmenden durch die Situation der letzten Wochen vornehmlich Online-Unterricht gehabt hatten und nicht alle mit dieser Situation klar gekommen waren. Drei Teilnehmer*innen mussten wir daher trotz aller Bemühungen auch negativ bewerten. Aufgrund dieser überlangen Darstellungen kam ich erst mit einer halben Stunde Verspätung zu meinen Kandidat*innen für die Deutsch-Matura. Wir hatten dann aber eine intensive und bewegende Zeit, wir widmeten uns der Interpretation von zwei lyrischen Texten, die uns sehr tief in die Reflexion von Liebe führten.
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Route 55
Dieser Blog begleitet mich durch mein 55. Lebensjahr, das ich mit einer Feier im Freundeskreis am Vorabend meines Geburtstages eingeläutet habe, das am 23.2.20 um 19.21 h tatsächlich begonnen hat und das sogar 366 Tage zu bieten hat, also mehr als viele andere meiner bisherigen Lebensjahre. Archiv
Februar 2021
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