Nach den Anstrengungen des Wochenendes hatte ich Lust auf eine Zeit für mich außer Haus. Ich entschied, mein Fahrrad mit dem „Patschen“ am Hinterrad doch nicht erst am Ende der Woche in die Hauptstadt in meine Lieblingsfahrradwerkstatt zu bringen, sondern doch in die Bezirkshauptstadt, hatte ich doch am Abend zuvor große Lust auf eine Fahrradrunde bekommen, um mir den Frust von der Seele zu strampeln. Also pumpte ich das Hinterrad nochmals kräftig auf, um zum Bahnhof zu kommen, fuhr mit dem Zug weiter und legte die letzten Meter nochmals mit dem Rad, dessen Hinterreifen die Luft immer noch behalten hatte zum Radladen. Dort wurde mir zugesagt, dass ich meinen Drahtesel schon nachmittags – und damit gerade so, um rechtzeitig wieder zuhause zu sein und das Fußballtraining mit meiner U9-Mannschaft leiten zu können – abholen könne. Ich entschied mich, in der Stadt zu bleiben, obwohl es doch knappe fünf Stunden waren, aber immerhin fünf Stunden für mich. Zuerst spazierte ich zum Einkaufszentrum, dort wartete schon seit Wochen das nunmehr zum zweiten Mal reparierte Handy meiner Frau. Danach wanderte ich zurück in die Innenstadt, ging in mein Lieblingscafe, das zwar den Besitzer und den Namen (der mich nicht besonders anspricht), aber weder Personal noch Angebot und Atmosphäre gewechselt hatte. Die ehemalige Eigentümerin hatte sich vom neuen Besitzer anstellen lassen, womit für Kontinuität gesorgt war. Ich gönnte mir den Tagesteller und ein kleines Bier, arbeitete ein wenig am mitgenommenen Laptop und genoss die Freizeit.
Danach ging ich weiter zur Stadtbücherei, um einerseits zwei DVDs für meinen Jüngsten zu borgen, andererseits wollte ich auch für mich zwei, drei Bücher leihen. Ich fand sowohl die beiden vom Sohnemann begehrten „Kunststoffscheiben“ als auch die zwei von mir gewünschten Bücher – und noch ein drittes. Mit Erich Kästner‘s „Blauem Buch“ (sein „geheimes“ Kriegstagebuch) und zwei Werken von Henning Mankell (seinem nunmehr ins Deutsche übersetzten ersten Roman aus 1973 „Der Sprengmeister“ und einem Werk aus 2004 mit dem Titel „Tiefe“) setzte ich mich wenige Meter weiter auf eine Bank unter einen wunderschönen, großen und schattenspendenden Linde, wo ich die Zeit bis zum Fahrradabholen lesend (im „Sprengmeister“) und sinnierend verbrachte. Beim Fahrrad waren in der Zwischenzeit Schlauch und Mantel getauscht worden, ich erwarb noch einen Vorderstrahler sowie ein Putzmittel, um das bis dato trotz seines Alters so gut gepflegte Rad weiterhin so gut in Schuss zu halten. Zuhause dann leichte Hektik, da das Kinderfußballtraining anstand, aber auch da ging alles gut und ich musste mich nicht stressen. Abends dann holte ich mit einem rührigen Bekannten, der ein Auto samt Anhänger hatte, die Minitore aus dem Turnsaal der Volksschule in der Nachbargemeinde ab, die dort seit dem Ende der Hallentrainingssaison Mitte März gewartet hatten. Ich lud ihn danach noch auf ein Glas Wein zu uns nachhause ein, wir plauderten noch eine ganze Stunde lang, so lange bis uns die Nachbarin knapp vor zehn mit einer Klage drohte. Von unseren Nachbarn mit der Tochter Ronja, die jeden Morgen ab 5 Uhr ihr Schreikonzert veranstaltet, habe ich schon berichtet. Wir gut haben es die drei mit uns, weil wir so geduldig sind und nicht einmal im Traum an eine diesbezügliche Klage gedacht haben. Der nächste Morgen brachte mich einmal mehr um 5.30 Uhr aus den Federn, in der Hauptstadt warteten an die 40 Menschen aus dem Pflichtschulabschlusslehrgang in der VHS Großfeldsiedlung, um ihre Berufsorientierungs-Präsentation zu absolvieren. Von 8.30 bis 15.45 war ich vor Ort, hörte, fragte und motivierte, danach ging es wieder zurück in meine Heimat, wo ich gegen 18 Uhr noch Kurzinterviews mit den drei Neuzugängen unserer Fußballklubs zur Veröffentlichung auf der Homepage führte. Erst dann begab ich mich in den wohlverdienten Feierabend, an dem ich nach dem Abendessen und dem Zubettbringen meines Jüngsten noch die letzten beiden Folgen der ZDF-Serie Mirage anschaute – mit einem erwartbaren und durchaus ärgerlichen Ende. Am Vormittag des folgenden Tages fuhr ich nochmals in die Bezirkshauptstadt, ich hatte ein Treffen zur Übergabe einer Videokamera als Geburtstagsgeschenk zu seinem am kommenden Samstag bevorstehenden Ehrentag ausgemacht und mir vor wenigen Tagen online ein Buch zur Abholung in der Buchhandlung bestellt. Das Phantasien-Lexikon, das ich mir vom Geburtstagsgutschein meiner jüngeren Tochter kaufte, sollte meinen Horizont im Hinblick auf Michael Endes „Unendliche Geschichte“ erweitern, die ja so voller Symbolik und Tiefgründigem ist, das es zu erforschen gilt. Beide Termine absolvierte ich „in time“ und so war ich schon am späten Vormittag wieder zuhause. Die restliche Zeit bis zum Mittagessen nutzte ich mit Reparaturarbeiten im Garten (das Hochbeet hatte durch den anhaltenden und starken Regen der letzten Tage zwei seiner Bretter „verloren“, die zu kurzen Schrauben, die ich zu deren Fixierung verwendet hatte, hatten ihren Dienst aufgegeben) und zum Putzen der Fahrräder. Am Nachmittag stand eine weiteres U9-Training mit meiner Kinderfußballmannschaft an, das Wetter hielt, obwohl es anfangs ein wenig nieselte. Mein Co-Trainer war auch mit von der Partie und zum Ende hin gab es nach langer Zeit wieder einmal Ärger mit meinem Jüngsten, der sich ob seiner zwei verschossenen Elfmeter so grämte, dass er den Ball durch die Gegend schoss und sich vom Co-Trainer partout nicht verabschieden wollte, was ihm eine Moralpredigt meinerseits einbrachte. Glücklicherweise hatte er sich – ein ausgiebiges Abendessen später – bis zum Beginn der Bundesliga-Begegnung zwischen seinem Lieblingsclub Rapid und dem Serienmeister der letzten Jahre aus Salzburg wieder beruhigt. Und dafür brauchte er gute Nerven, denn nach der überraschenden Führung für seine Mannschaft, spielte nur noch der Gegner und am Ende musste eine 2:7-Niederlage verdaut werden. Er trug es mit Fassung – ich sowieso, hatte ich doch meine Hardcore-Fanzeiten schon lange hinter mir und die waren dem Erzfeind Rapids, der Wiener Austria, gewidmet gewesen. Die Nacht verlief unruhig, ich stand schon um 6.30 auf, erledigte diverse „Büroarbeiten“, schrieb an meinem Blog und plante den ersten Umbauschritt des Wohn-Arbeitsbereiches, war ich doch am wegen der Geburtstagsfeierlichkeiten für unseren Jüngsten am kommenden Wochenende auf diesen Tag vorverlegten Putztag für die Reinigung eben jenes Bereiches zuständig. Meine Liebste hatte mit unserem Ältesten einen Termin für seinen nächsten Ausbildungsschritt einige Kilometer weiter nördlich, so hatte ich sturmfreie Bude, um den auch ihr schon angekündigten „Umbauschritt“ zu setzen, bei dem ich mir einen Bereich schaffen wollte, in dem ich ungestört und für mich sein konnte, so oft ich wollte. Da dieser aber nur durch einen Vorhang vom Rest des Hauses getrennt sein würde, war dennoch Achtsamkeit und Respekt der anderen Familienmitglieder notwendig. Dennoch spürte sich die Sache sehr, sehr gut an. Die Aktion beanspruchte mich mehr als erwartet, ich musste unterbrechen, um Mittagessen zu kochen, machte mich aber gleich danach ohne Mittagspause wieder ans Werk und war am Ende sehr, sehr zufrieden. Abends war meine Maturagruppe zu begleiten, es waren nur zwei Teilnehmende im Zoom-Meeting anwesend und so waren wir mit unserem Programm schnell durch – der Feierabend konnte früher beginnen, was mir nach den Anstrengungen des Tages, die sich in einer erheblichen Müdigkeit zeigten, nur recht war. Am Vormittag des nächsten Tages machte ich mir nochmals im Garten zu schaffen, ich mähte die Spielwiese meines Jüngsten, der man momentan beim Wachsen zuschauen konnte, dann senste ich einen Teil unserer Blumenwiese rund um Birke und Tanne, da auch diese in den letzten Wochen so hoch gewachsen war, dass sie die beiden Bäumchen überwucherte. Am Nachmittag hatte ich am östlichen Ende der Hauptstadt zu tun, die Anreise mit den Öffis würde mich knappe drei Stunden kosten, ich hatte wenig Bock auf den fünfstündigen Workshop zum Thema Diversität, den ich dort in einer Kindergruppe mit den Betreuerinnen halten sollte. Pflichtbewusst machte ich mich dennoch auf den Weg, schon ein wenig früher, da ich noch einige Utensilien für den Geburtstag meines Jüngsten am bevorstehenden Wochenende einkaufen wollte. Trotz der langen Anreise war ich pünktlich vor Ort und erlebte eine sehr engagierte Gruppe von Frauen, die mir die Arbeit leicht machten. Außerdem war auch für das leibliche Wohl bestens gesorgt und so verging der Abend wie im Flug. Die Heimfahrt gestaltete sich dann schwieriger als erwartet, da mir Scotty zunächst mitteilte, dass mein Zug nachhause aufgrund eines technischen Defekts ausfallen würde und ich daher erst eine Stunde später fahren würde können. Das bedeutete für mich, erst gegen ein Uhr Früh zuhause sein zu können. Daher entschied ich mich, eine andere Strecke für die Rückfahrt zu nehmen, womit ich nur eine halbe Stunde verlieren würde. Unnachgiebig wie ich nun mal bin, befragte ich während der Straßenbahnfahrt nochmal Mr. „Beam-me-up“ und siehe da: Mittlerweile war eine Ersatzgarnitur – die sich wenig später als alter Schnellbahnzug herausstellte – bereit gestellt worden. Ich konnte also meine Fahrt mit der Straßenbahn schon früher beenden und meine Rückfahrt nach ursprünglichem Plan antreten. Was mir auf meiner langen Reise – deren Großteil ich in den Öffis der Hauptstadt verbracht hatte – besonders unangenehm aufgefallen war: es war ein Gewusel in den Verkehrsmitteln wie in der Stoßzeit und leider hielten sich nicht alle an die Verpflichtung zum Tragen eines Mund-Nasenschutzes. Diesen Menschen ging ich verärgert aus dem Weg, einmal stieg ich sicherheitshalber sogar aus und nahm das nächste Gefährt. Hier zeigte sich für mich das, was ich in diesen letzten Wochen schon öfter wahrgenommen hatte, nämlich, dass die Menschen schnell vergessen und nicht bereit sind, aus den Ereignissen zu lernen, sowohl im Kleinen (Abstand, Maske, etc.) als auch im Großen (was müssen wir ändern, damit wir Pandemien vermeiden können). Ich war an diesem Abend aber zu müde, um mich aufregen oder gar ärgern zu können. Und das war gut so.
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Route 55
Dieser Blog begleitet mich durch mein 55. Lebensjahr, das ich mit einer Feier im Freundeskreis am Vorabend meines Geburtstages eingeläutet habe, das am 23.2.20 um 19.21 h tatsächlich begonnen hat und das sogar 366 Tage zu bieten hat, also mehr als viele andere meiner bisherigen Lebensjahre. Archiv
Februar 2021
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