Zu Beginn des neuen Lebenstages stand neuerlich ein Fußballmatch am Plan, Sevilla und Barcelona matchten sich zu einem torlosen Unentschieden, das Spiel war aus meiner Sicht nur ansatzweise attraktiv. Wieder ging es später, als es sinnvoll war, ins Bett und als mich der Radiowecker um 6 Uhr aus den Träumen riss, war ich einigermaßen matschig.
Auf dem Weg in die Hauptstadt pflasterten Leichen meinen Weg. Auf der Radfahrt zum örtlichen Bahnhof traf ich auf einen großen Igel, der nachts auf überfahren worden war und mit heraushängenden Eingeweiden blutig mitten auf der Fahrbahn lag. Am Bahnhof der Bezirkshauptstadt lag ein großer Vogel tot auf den Gleisen. Ich erinnerte mich an Phasen in meinem Leben, als ich in den Morgenstunden auf dem Weg zu meiner damaligen Arbeit auf bei Unfällen verstorbenen Menschen getroffen war, einmal an einer U-Bahnstation den von einem Auto niedergemähten und am Gehsteig liegenden Menschen, ein anderes Mal einem Selbstmörder, der gerade von der Feuerwehr von den U-Bahngleisen geborgen wurde und ein weiteres Mal den „Teilen“ eines Selbstmörders an einer Bahnstrecke. Es gibt Phasen in meinem Leben, da mag ich mit dem Tod nichts zu tun haben, das sind jene Zeiten, in denen es unrund ist, in denen Dinge offen sind, die ich jedenfalls noch klären möchte. Und gerade dann fallen mir solche Ereignisse zu bzw. besonders auf. Aktuell befinde ich mich ja auch in einer solchen Phase, in der es für mich wichtig ist, zu entscheiden, wohin ich meine Aufmerksamkeit angesichts der Endlichkeit des Lebens richten möchte. Die beiden toten Tiere mahnten mich an diesem Morgen eindrücklich, diese Entscheidungen zeitnah zu treffen. Zudem war ich morgens aus einem Traum erwacht, in dem meine Familie und ich ohne die genauen Gründe zu kennen aus unserer Heimat abgeschoben werden sollten. Um wieder auf die Reihe zu kommen, schrieb ich auf der Zugfahrt in die Bundeshauptstadt an meinem Blog. In der Akademie, in der ich mich am Vormittag mit Elemetarpädagog*innen mit dem Thema Familie und Elternarbeit beschäftigen wollte, angekommen, war mir dann durchaus schon wieder wohler zu Mute. Für den Moment konnte ich ja einer sinnvollen Beschäftigung nachgehen und war dem häuslichen Stress entflohen. Pünktlich trat ich dann meine Rückreise in dem Bewusstsein an, dass mich zuhause jede Menge Aufgaben im Zusammenhang mit unserem Juhannus-Fest erwarteten. Das Wetter hatte sich eingetrübt, es regnete, also typisches finnisches Sonnwend-Wetter, zu kalt für das Fest, was allerdings zumindest bei den Finn*innen die Freude auf den Sommer verstärkte. Ich ließ mich davon nicht beeindrucken und machte mich sofort nach meiner Heimkehr an die Arbeit, Es galt den Griller anzuheizen, was ich diesmal mit selbstgemachter Holzkohle, so wie ich es in meinen Pfadfindertagen gelernt hatte, tat. Mein Jüngster hatte schon alles liebevoll vorbereitet, in unserer Hof-Einfahrt standen schon die Grillutensilien bereit, ebenso war der Esstisch bereits gedeckt, Ich konnte also umgehend an meinen Teil des Werkes gehen. Gleichzeitig mit dem Griller bereitete ich die Juhannus-Sauna vor, die an einem so frischen Tag wie diesem sicher ein Genuss werden würde. Grillen und Saunieren hatte ich noch nie nebeneinander betrieben, es war eine Premiere, die ich mit mich selbst überraschender Gelassenheit absolvierte. Zumindest bis zu jenem Moment, als ich meine Liebste fragte, ob sie Kartoffel und Kukuruz schon auf den Ofen gestellt hatte, was sie trotz ihrer Zusage aufgrund ihrer Aktivitäten vergessen hatte. Nun gut, gemeinsam schaffte wir auch diese Hürde und so konnten wir pünktlich nach der Sauna unser festliches Abendessen outdoor genießen. Die Würstel aus dem örtlichen Bioladen schmeckte ausgezeichnet, auch das Gemüse war hervorragend und die ganze Familie inklusive Kater Dario schmatzte. Zur musikalischen Untermalung unserer Festivität hatten wir YLE Radio Suomi über den Laptop laufen, was die Stimmung zusätzlich verbesserte. Während Sohn Nr. 1 und Nr. 3 nach dem Abendessen Brettspiele spielten, chillten meine Frau und ich, sie am roten Outdoorsofa und ich ihr gegenüber auf einem unserer Liegestühle. Wir plauderten, rauchten die eine oder andere Zigarette, tranken Bier und genossen, wegen der Kälte zugedeckt, unseren Abend. Nachdem sich der Älteste zurück gezogen hatte, machte unser Jüngster ein wenig DJ-Musik für uns, er erwartete voller Ungeduld den Sonnenuntergang um exakt 21:03, denn da wollte er jene Fackel anzünden, die er bei den Feierlichkeiten zum Jahreswechsel „am Berg“ geschenkt bekommen hatte. Aber auch damit gab er sich dann noch nicht zufrieden, hatte er doch herausgefunden, dass der Sommerbeginn heuer für 23:43 Uhr angekündigt war. So wurde es eine lange Nacht, die erst in den frühen Morgenstunden des Sonntags endete. Dieser Tag war dann weniger erfreulich, da es mit unserem Ältesten zu heftigen Diskussionen kam; es ging einmal mehr um Grundsätzliches, auch um seine Art und Weise wie er seit Jahr und Tag mit der Situation umzugehen pflegte, dass seine Eltern sich getrennt hatten und er nun in unserer Patchworkfamilie mit mir lebte. Sein grundsätzlicher Vorbehalt mir gegenüber, der von seinem Vater durch zahlreiche Aktionen (gegen mich) geschürt worden war und auch noch wird, ist für mich schwer zu ertragen. Seine Worte befeuerten meinen sehnlichen Wunsch nach einer Auszeit, der ja vor einer Woche sehr deutlich zum Vorschein gekommen war und mich veranlasst hatte, das eine oder andere in meinem Leben, ändern zu wollen. Nach einer langen Diskussion beim Mittagstisch verließ ich im strömenden Regen unser Zuhause, um mir Luft zu verschaffen. Ich spazierte durch das Dorf, auf dem Rückweg kam ich bei einer Birke vorbei und schnitt Zweige für unseren Juhannus-Buschen, den meine Liebste in Folge ihrer Arbeit am Tag davor nicht hatte vorbereiten können. Wieder zuhause entfernte ich das Exemplar vom Vorjahr und hängte den neuen wie immer über unserer Haustüre auf. Die mittägliche Diskussion mit Sohn Nr. 1 flammte nach dem Abendessen wieder auf, es war auch in diesem Moment hoffnungslos, seine Sichtweise auf seine Situation zurecht zu rücken und ihm zu verstehen zu geben, dass er diese auch als Bereicherung sehen konnte. So ging dieses Lebenswochenende mit Ärger und Knatsch und schlechten Gefühlen zu Ende.
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Route 55
Dieser Blog begleitet mich durch mein 55. Lebensjahr, das ich mit einer Feier im Freundeskreis am Vorabend meines Geburtstages eingeläutet habe, das am 23.2.20 um 19.21 h tatsächlich begonnen hat und das sogar 366 Tage zu bieten hat, also mehr als viele andere meiner bisherigen Lebensjahre. Archiv
Februar 2021
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