dem Wiener Bücherschmaus zum 1. Geburtstag gewidmet Ich kenne da einen Laden an einer Dreistraßenecke mitten im dichten Dickicht der großen Stadt, den keiner unverändert verlässt. Auch die, die meinen nichts abbekommen zu haben, werden sich einige Zeit später bewusst, dass sich ihr Leben gewandelt hat.
Die meisten bringen etwas, was sie loswerden wollen und hoffen damit eine gute Tat begangen zu haben, weil sie das Gebrachte nicht vorher schon weggeworfen haben und es auf diese Weise etwas Neues stiften könne: Freude oder Bildung oder Kompetenz oder „Ja-was-weiß-man-schon“. Nicht alles aber wird von den beiden Betreibern angenommen, weil es sonst nur in anderen Regalen verstauben würde als bisher. Da sind sie ganz streng die beiden, aber mit milden Worten. Er, der Betreiber, bildet dann Sätze, die sich in mehreren Windungen ohrwärts räkeln und meist dazu führen, dass man den Laden zwar unverrichteter Dinge aber mit guter Laune verlässt, immer um ein Lesezeichen oder einen guten Tipp reicher. So beginnt der Wandel. Sie, die Betreiberin, ist da von direkterer Art, aber keineswegs unfreundlich. Vielmehr verursacht ihr herber Blick über die Brillenränder ein Schmunzeln, mal auf den Lippen, mal nur im Inneren. Auch so fängt der Wandel an. Und wenn einmal die Hündin der beiden da ist, die auf den Namen eines herbstlich reifenden Steinobstes und einer griechischen Hafenstadt hört, dann bleibt ohnehin kein Herz unberührt und es fallen Worte, die sonst nicht gewechselt worden wären. Die, die nichts bringen, kommen dennoch, um etwas los zu werden: einen Wunsch, eine Qual, die schwer auf der Seele lastet oder auch ein Bedürfnis, mal ganz nah versorgt zu werden. Und das werden sie: mit einem feinen Ratschlag oder einem der besten türkischen Kaffees der Stadt, die der Meister des Hauses auf einer kleinen elektrischen Kochplatte ganz persönlich und in immer dem gleichen, genau festgelegten Ritual zubereitet oder gar mit dem Stoff, aus dem Lebensträume sind. Schon von außen spricht der Laden die Vorübergehenden an, jeder fühlt sich persönlich gemeint, manche aber ergreifen sobald sie die liebevoll gestalteten Auslagen sehen, sofort die Flucht, da sie das aus dem Alltag-Fallen fürchten, das auch ihr Leben verändern könnte. Jedes Kind mag hinein, nicht alle Eltern. Hinter den Schaufensterscheiben wimmelt es je nach aktuellem Angebot von unsäglich Selbstgemachtem (man erkennt unschwer, dass die Betreiberin hier höchst selbst Hand angelegt hat), auch vor der Eingangstür des Ladens lädt ein Tischchen mit zwei Stühlen zum Verweilen unter einer groß aufgeblasenen Sonnenblume ein, die – um vom Wind nicht verweht zu werden – fürsorglich an einer Schnur festgebunden ist. Die Liebe, nein die Passion der beiden Besitzer, spricht hier aus jedem Detail. Wer diesen Ort noch nicht kennt, hat mindestens etwas versäumt, wenn nicht sogar alles. Wer diesen einmaligen Raum, dieses lauschige Plätzchen nun stante pede kennen lernen möchte, um sich am Genuss seiner Waren zu laben, muss nur seinem Gusto auf Bücher folgen – und schon wird er fündig werden, in jenem kleinen Laden an der Dreistraßenecke mitten im Dickicht der großen Stadt. Und er darf voller Zuversicht sein, dass er auf solche Weise gewandelt auf noch besseren Spuren seines Lebens wandeln wird, wenn er einmal durch das Portal eingetreten ist, in jene Stätte, deren Wandregale voll sind mit allem, was man vom Leben erwarten darf.
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Februar 2021
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