Leseprobe aus meiner Weihnachtsgeschichte für Jung & Alt mit Illustrationen von Irmi Studer-Algader Wo ist der Weihnachtsmann?
Er hatte lange warten müssen, fast eine halbe Stunde, doch dann saß er endlich im Bus. Das Ticket hatte bloß 2 Euro gekostet, billiger als erwartet. Für die Rückfahrt brauchte er nochmals dasselbe, also blieben ihm noch 6 Euro übrig. Da hätte er sich von Mama gar nichts ausborgen müssen. Olli ärgerte sich, denn wie er seine Lüge um die 5 Euro wieder in Ordnung bringen konnte, wusste er nicht. Er verschob diese Gedanken auf später und schaute gespannt in die Dunkelheit. Wo musste er nur aussteigen? Er traute sich den Busfahrer nicht zu fragen und beschloss bis zur Endstation zu fahren. Die Fahrt dauerte fast eine Stunde. Da stand er dann in der Kälte, weit weg von zuhause. Ihm war aber ganz warm, da sein Traum, den Weihnachtsmann zu treffen nun bald wahr werden würde. Vor ihm waren viele Häuser, einige wenige waren beleuchtet, und an fast jeder Ecke gab es einen Weihnachtsmann, allerdings nur aus Plastik. Die wenigen Leute, die mit ihm aus dem Bus gestiegen waren, verschwanden einer nach dem anderen in diesen Häusern und schon bald war er alleine auf der Suche nach dem Weihnachtsmann. Wo konnte der bloß stecken? Olli irrte eine lange Zeit zwischen den Häuserreihen herum, er wusste bald nicht mehr weiter und seine Freude wich zusehends einem unguten Gefühl in der Magengegend. Seine geniale Idee kam ihm jetzt plötzlich ganz, ganz dumm vor. Die Schultasche wurde auch immer schwerer. Er dachte an zuhause, an sein Zimmer, an den Ofen, der sicher schon heizte. Ein paar Tränen stiegen ihm in die Augen und er musste sich sehr beherrschen, dass er nicht gleich losheulte. - Verdammt noch mal, wo bist du blöder Weihnachtsmann, schluchzte er in die Nacht hinein, ich hab an dich geglaubt aber du bist nicht da! Olli blieb stehen und lauschte. Von der Straße war hie und da ein Auto zu hören, sonst war es ganz still. Er beschloss zurück zur Bushaltestelle zu gehen und lieber wieder nachhause zu fahren. In den vielen Gassen des Weihnachtsmanndorfes hatte er sich aber irgendwie verlaufen, alles sah gleich aus, der eine Weg wie der andere. Olli war nahe daran zu verzweifeln. Er blieb einmal mehr stehen und versuchte klare Gedanken zu fassen. Da hörte er plötzlich hinter sich Schritte im Schnee. Jetzt ging es darum, den ganzen Mut zusammenzunehmen, und den nächstbesten Menschen, der ihm begegnete nach dem Weg zu fragen, obwohl das Mama verboten hatte, jemanden Fremden anzusprechen. Olli drehte sich um und – da stand auf einmal der Weihnachtsmann vor ihm. Größer als er ihn sich vorgestellt hatte und nicht so dick wie auf den Bildern. Er hatte seine Mütze abgenommen und darunter war kein weißes, lockiges Haar. Als der Weihnachtsmann Olli sah, setzte er sich seine Mütze wieder auf und mit einem Mal hatte er auch wieder weiße Locken. Olli war kurz verblüfft, dann fasste er sich ein Herz und fragte auf Finnisch nach dem Weg zum Bus. Der Weihnachtsmann fragte ihn etwas, was er nicht verstand. Da sagte er ihm auf Finnisch, dass er noch nicht so gut sprechen und verstehen konnte. - Welche Sprache sprichst du denn (finnisch), fragte ihn der Weihnachtsmann. - Deutsch, antwortete Olli. - Gut, sagte der Weihnachtsmann, dann will ich versuchen auf Deutsch. - Ich habe einen Brief geschrieben, brach es aus Olli heraus, warum antwortest du nicht? Der Weihnachtsmann war verblüfft. Er schaute so drein, als ob er doch nicht so gut Deutsch verstünde. Olli wiederholte seine Frage. - Aber jetzt bin ich doch da, schmunzelte der Weihnachtsmann, was kann ich tun für dich? - Ich will zurück nach Wien, in meine Schule zu meinen Freunden und den Papa will ich auch wieder haben. - Das sind große Wünsche! - Aber du bist doch der Weihnachtsmann, sagte Olli wütend, und ich verzichte auch auf alle Geschenke an diesem Heiligabend. Und ich glaub an dich! Der Weihnachtsmann wurde stumm. Es wirkte so, als ob er nachdenken müsste. - Wo ist Papa, fragte er Olli dann. - Weiß nicht, sagte dieser, verschwunden! - Müssen wir ihn suchen! - Ja, bitte! - Vielleicht er ist schon gegangen nachhause? - Nö, da ist nur Mama. Und Mikko, mein Bruder. Und Teppo, der Hase, der bei mir wohnen soll. Das wünsche ich mir auch zu Weihnachten. - Große Wünsche, wiederholte der Weihnachtsmann und kratzte sich am Kopf, erst bringe ich dich zu Mama. Olli wusste nicht, was er darauf sagen sollte, aber da ihm bereits ziemlich kalt aber und er schon großen Hunger hatte, fand er die Idee gar nicht so schlecht. -Wo ist dein Haus, fragte der Weihnachtsmann. Olli nannte ihm die Adresse. - Ein weiter Weg, meinte der Weihnachtsmann, da wir nehmen Auto. - Nicht den Schlitten, erwiderte Olli. - Nur an Weihnachten, sagte der Weihnachtsmann, das dauert noch! Dann stapften sie durch die Häuserreihen und kamen zum Parkplatz bei der Straße, auf der auch der Bus gehalten hatte. Olli hatte ein blödes Gefühl, weil ihm Mama absolut verboten hatte, zu jemandem Fremden ins Auto zu steigen. Aber es war doch der Weihnachtsmann, beruhigte sich Olli. Bald schon fuhren sie in einem alten Pickup, einem Wagen mit einer großen Ladefläche durch die dunklen Straßen in Richtung Rovaniemi. Kurze Zeit später kamen sie bei Ollis Zuhause an. Das Haus war hell erleuchtet und auch Niina und der alte Olli waren da. Mama stand vor der Eingangstüre und telefonierte aufgeregt. Olli spürte gleich, dass etwas nicht in Ordnung war. - Nur Mut, sagte der Weihnachtsmann und klopfte ihm auf die Schulter, lass mich machen. Dann zwinkerte er ihm auch noch zu. Olli fühlte sich dennoch nicht sonderlich wohl. Der Weihnachtsmann nahm Olli an der Hand und begleitete ihn zur Veranda. Mama hörte auf zu sprechen, nahm das Handy vom Ohr und lief Olli entgegen. Ständig rief sie „Olli, Olli, wo warst du bloß!“ Dann umarmte sie ihn heftig. Das tat richtig gut. Und sie schien gar nicht böse zu sein. Da hatte Olli sich aber dann doch getäuscht, denn nur kurze Zeit später, fing Mama ganz wild zu schimpfen an. - Nicht schreien, Frau, sagte da plötzlich der Weihnachtsmann, ist alles gut. - Nichts ist gut, fuhr ihn Mama an. Und zu Olli sagte sie: Wie kannst du nur in das Auto eines fremden Mannes steigen? - Ist doch der Weihnachtsmann, sagte Olli mit tränenerstickter Stimme. - Das ist mir jetzt völlig egal, auch zum Weihnachtsmann darfst du nicht ins Auto steigen. - Alles gut, wiederholte nun der Weihnachtsmann. Ihr Kind ist wieder da. Hat große Wünsche. - Welche Wünsche denn? Mama war wirklich empört! Eine Zeit lang sprach niemand ein Wort. Dann hatte der Weihnachtsmann eine Idee. Er meinte, dass er an einem anderen Tag wiederkommen werde, um alles in Ruhe zu besprechen. Vielleicht tauche ja bis dahin auch mein Brief an ihn wieder auf. Mama war ganz entsetzt, dass Olli dem Weihnachtsmann ohne ihr Wissen geschrieben hatte, und meinte nur: „Mal schauen!“. Dann dankte sie dem Weihnachtsmann doch noch, dass er Olli wohlbehalten nach Hause gebracht hatte und während der wieder losfuhr, gingen sie ins Haus. Der Abend war alles andere als angenehm. Olli musste sich noch viele Vorwürfe seiner Mutter gefallen lassen, er hatte ein riesiges schlechtes Gewissen und als sie noch sein Elternheft sehen wollte, traute er sich nicht die Wahrheit zu sagen. - Hab ich vergessen, log er noch einmal. Er spürte, dass Mama ganz enttäuscht von ihm war. Sie hatte ihm auch gesagt, dass sie nun kein Vertrauen zu ihm habe und dass er ab sofort mit seinem großen Bruder gemeinsam nach Hause fahren müsse. Bis auf weiteres. Mikko hatte natürlich sofort protestiert: - Ich bin sicher kein Babysitter! Aber Mama war hart geblieben und so widersprach Mikko nicht weiter. Und auch Olli fügte sich Mamas Worten. Die Weihnachtsgeschichte für Jung & Alt ist in meinem Onlineshop als E-Book und als Hörbuch (zum Download oder als CD) sowie im Kombiangebot als E-Book und Hörbuch erhältlich!
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Es waren die ersten Tropfen seit Wochen. Bea konnte anfangs jedem einzelnen in ihrem Blickfeld folgen, sah den einen auf einem Blatt des Flieders landen und gleich darauf wieder in Richtung Rasen abrutschen, sah einen anderen auf einer der Waschbetonplatten des Gartenweges aufprallen, wo er einen kleinen dunklen Fleck hinterließ, sah einen weiteren den bemoosten Dachziegel netzen. Bald aber wusste sie nicht mehr, welchem der immer zahlreicher werdenden Regentropfen sie nachschauen sollte. Also schloss sie die Augen und lauschte dem Klang des dichter werdenden Regens, hörte dessen Tippen auf den Blättern der Linde über ihr, vernahm dessen Platschen am Fuße der undichten Dachrinne und folgte dessen Klimpern, das er an den Gläsern – eines leer, eines noch halb voll – verursachte. Simon war erst vor wenigen Minuten aufgebrochen, knapp vor Beginn dieses Wolkenbruchs, der sie nun zusehends durchnässte, obwohl sie unter dem dichten Blätterdach saß, das ihren Lieblingsplatz im Garten vor Sonne und normalerweise auch vor Niederschlag schützte. Die durch die Kleidung dringende Feuchtigkeit ließ sie frösteln. Es war ein wohliger Schauer, der ihren ganzen Körper erfasste, unbewusst griffen ihre Hände nach den Lehnen ihres Stuhls und ließen sie sich daran festhalten.
Ihr kurzes Haar fühlte sich an wie damals, als sie in ihrer Jugend regelmäßig mit ihrer Clique schon an den ersten wärmeren Frühlingstagen am Wasser gewesen war, um ihren Kopf neugierig unter dessen Oberfläche zu stecken. Nach dem Auftauchen waren ihr viele kleine Bächlein des Seewassers über die Stirn, die Nase und die Wangen geronnen. Manche von ihnen waren auf ihre Lippen zu gelaufen, wo sie sie einfach zum Spaß mit der Zunge abgeleckt hatte. Sie hatten anders geschmeckt als die Tropfen, die jetzt ihre Lippen berührten. Diese waren bitterer, so wie die Zeiten die sie jetzt durchlebte. Das mit der Süße der Jugend hatte offenbar doch seine Bewandtnis, dachte sie unvermittelt, ehe ihr der kräftige Geruch der mittlerweile durchfeuchteten Holzveranda in die Nase stieg. Wieder war sie zurückversetzt in längst Vergangenes und sah sich unter einem großen Badetuch sitzen mit Simon und den anderen. Rings um sie herum hatten die Himmel ihnen, den Gerechten, getaut und den von der an diesem Tag quälenden Sonne erhitzten Steg herrlich duftend langsam abgekühlt. Die Freiheit, die ihr damals vom Leben geschenkt worden war, war für sie selbstverständlich gewesen. Sie aber hatte immer noch mehr davon haben wollen, hatte tiefer hinein wollen und höher hinaus. Sie war schon als Kind bis zum Grund des Sees getaucht, zuerst bloß in Ufernähe, später in ihrer Jugend hatte sie sich dann von Simon hinausrudern lassen bis zu der Stelle, an der das Wasser laut den Einheimischen am tiefsten sein hatte sollen. Ganze zwei Minuten war sie da regelmäßig unter der Oberfläche gewesen, hatte mit kräftigen Tempi die Finsternis durchpflügt und das eine oder andere Mal auch etwas vom Grund mitgebracht. Einmal hatte sie sich an der Hand an einem rostigen, im Schlamm steckenden Metallteil geschnitten, den sie trotz höchsten Krafteinsatzes nicht bergen hatte können, wodurch seine Identität für immer im Dunkel blieb. Simon war wunderbar besorgt gewesen, hatte sie schnell aus dem Wasser ins Boot gezogen und dann ihre blutende Hand liebevoll in sein Handtuch gewickelt. Nur seiner Umarmung hatte sie sich schnell entziehen müssen. Die hatte sich unter diesen Umständen völlig unangemessen angefühlt. So schnell war er niemals zuvor und auch nur einmal danach zurück ans Ufer gerudert. Am Steg war sie prompt zu ihrer Großmutter losgelaufen, um sich von ihr verarzten zu lassen, die eingebundene Hand in die Höhe haltend um die Blutung weiterhin zu stoppen. Von da an war etwas anders gewesen in ihrem Verhältnis zu Simon, den sie schon seit Grundschultagen gekannt hatte. Die nächste Begegnung hatte sich so angefühlt, als wäre das Jetzt mit ihm dauerhaft und unangenehm beschattet. Dennoch war ihr dieser Simon trotzdem und trotz allem, was noch gefolgt war, bis in die Gegenwart geblieben; vor kurzem aber – nach dieser von ihr in einem Wirbel der Gefühle geäußerten und daher unbedachten Worte - war auch er gegangen. Die Heftigkeit seines Aufbruchs, die das Tischchen erzittern hatte lassen und die auf ihm befindlichen Gläser zum Vibrieren gebracht hatte, war ihr noch schmerzlich in Erinnerung. Der Schauder darüber, der ihr eine sie beengende Gänsehaut bescherte, ließ ihren Atem flacher werden. In diesem Augenblick stand zu befürchten, dass er diesmal für länger, wenn nicht für immer verschwunden war. Sie klammerte sich neuerlich an die Armlehnen ihres Stuhls. Warum nur musste es in diesen Situationen immer so enden, dass er ging? Vielleicht weil sie nicht zu gehen in der Lage war? Nicht mehr. Seither war immer er es gewesen, der sich von ihr entfernt hatte, mal schneller, mal langsamer, mal für kürzere, mal für längere Zeit. Aber nie hatte sie das Gefühl gehabt, dass es jetzt aus und vorbei wäre. Das war in diesem Moment anders. Der Regenschauer ließ langsam nach, seine Heftigkeit hatte den kleinen Gartentisch wie auch den Rasen rund um den Stamm in den Minuten ihres Nachsinnens mit einer Fülle an Lindenblüten bedeckt. Auch sie war von Kopf bis Fuß mit diesen duftenden Blättchen bedeckt. Sie strich sich durchs nasse Haar um es davon zu befreien. Da wurde sie plötzlich in jenen Moment nächster Nähe mit Simon zurückgeworfen, vor etwa 15 Jahren, knapp bevor ihr Leben die entscheidende Wendung genommen hatte, mit der sie sich bis heute nicht wirklich abzufinden vermochte. Damals an diesem Nachmittag am See war, als Simon sie nach einer ihrer Tauchgänge gerade zurück ans Ufer gerudert hatte, unvermittelt ein Gewitter losgebrochen. Sie erinnerte sich nicht mehr so genau, ob sie schon das Ufer erreicht hatten oder noch einige Meter draußen am Wasser gewesen waren, jedenfalls hatten sie noch im Boot gesessen. Der Blitz, dem sofort ein Donnerschlag gefolgt war, war einige Meter von ihnen entfernt in die Wasseroberfläche eingeschlagen und hatte ihren Kahn heftig zum Schaukeln gebracht. Simon und sie waren gleichzeitig aufgesprungen und hatten einander in die Arme genommen. Nach einer kurzen Schrecksekunde hatten sie ihre Umarmung gelöst und waren einander einige Zeit lang wortlos gegenüber gestanden. Dann war der Platzregen losgebrochen. Simon war wieder einen Schritt auf sie zugegangen und hatte ihr mit beiden Händen durchs Haar gestrichen. Sie hatte sich stante pede umgedreht, war über den Bootsrand gehüpft und Richtung Zuhause losgerannt. Simon hatte noch das Boot am Steg vertäut, bevor er ihre Verfolgung aufgenommen hatte. Als er bemerkt hatte, dass sie nicht stehen bleiben hatte wollen, war er aber zu sich nachhause gelaufen. Bea versuchte sich vom Garten ins Haus zu bewegen, der Regenguss aber hatte den Rasen so durchweicht, dass sie nicht von der Stelle kam. Sie fühlte sich in diesem Moment so hilflos wie nach ihrem Sturz, der ihr Leben in den Urzustand zurückkatapultiert hatte. Laut schrie sie nach Simon. Aber heute wie damals war er nicht für sie da. Tränen der Wut liefen ihr über die Wangen und sie bereute ihre Worte von vorhin genauso wie sie damals diesen schicksalhaften Flug bereut hatte. Mit ganzer Körperkraft versuchte sie sich aus ihrer ausweglos scheinenden Lage zu befreien, sie versuchte mit der ganzen Kraft ihrer Arme die Räder ihres Stuhls in Bewegung zu setzen. Doch da war nichts zu machen. Mit einer weiteren heftigen Bewegung ihres Oberkörpers fiel sie mitsamt ihrem Rollstuhl um und kam im nassen Rasen zu liegen. Da lag sie also rücklings wie Gregor Samsa in Kafkas Verwandlung nach seinem Erwachen im Körper eines Käfers und war bewegungsunfähig. So musste sie auch diesmal ausharren, denn Hilfe war weder in Hörweite noch in Sicht. Damals am Scheitelpunkt ihres alten Lebens war sie nach diesem Paragleiterflug, der sie hoch bis zur Sonne katapultiert hatte, und der in der Bö eines bevorstehenden Gewitters mit diesem Sturz aus rund 200 Höhenmetern geendet hatte, auf einer Futterwiese zu liegen gekommen. Niemand hatte ihren Sturz bemerkt und erst in der Dämmerung des nächsten Morgens hatte Simon sie gefunden. Er hatte sich schon am Abend auf die Suche gemacht und mit seinem Auto die ganze Nacht hindurch nach ihr Ausschau gehalten. Kurze Zeit später war sie mit dem Rettungshubschrauber ins Krankenhaus gebracht und dort notoperiert worden. Dennoch konnte ihre Querschnittlähmung vom 7. Brustwirbel abwärts nicht mehr verhindert werden. Sie schrie laut nach Simon, lag da am Rasen und ihr Herz raste vor Angst, ihr Leben nun endgültig verloren zu haben. Wie damals fühlte sie das pochenden Weh in ihrer Brust und die unendlich schmerzhafte Sehnsucht nach Leben. Ein nächster Wolkenbruch kam, Blitze zuckten, Donner grollte und Bea hielt sich beide Hände vor die Augen, um nicht sehen zu müssen, was da auf sie zukam, um auch nicht sehen zu müssen, was da hinter ihr lag. Da fühlte sie sich plötzlich von zwei starken Armen gepackt und hochgehoben. Sie öffnete die Augen. Simon. Er setze sie zurück in ihren Rollstuhl. Er strich ihr mit beiden Händen durchs nasse Haar. Er trocknete mit den Daumen seiner Hände die Tränen Ihrer Verzweiflung. Dann nahm er ihren Kopf zwischen seine Hände und küsste sie. Sein Kuss schmeckte so süß wie das Seewasser ihrer Jugend. |
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Februar 2021
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