Beitrag für "Dichter-Promenaden" der Grazer AutorInnen-Versammlung am 6.6.15 Es war einmal eine Zeit, in der machte die Porzeallangasse ihrem Namen alle Ehre. Von 1718-1864 befand sich hier die Wiener Porzellanmanufaktur des Claudius du Paquier. Wie wir im Vorbeigehen gesehen haben ist die Fabrik heute weit profaneren Gebäuden gewichen.
Aber damals vor knapp 300 Jahren da war was los in dieser Gassen, die bis 1778 noch Hauptgasse bzw. Landstraße geheißen hatte. Im Teil zwischen Berggasse und Bauernfeldplatz nannte man sie bis 1862 wegen der dort ansässigen Huf- und Wagenschmieden Schmiedgasse. Wie also konnte es soweit kommen, dass das Profane das Heilige dieser Gasse abgelöst hat? Das beruht auf einem großen Missverständnis, so wird erzählt: In den Aufstiegs- und Erfolgsjahren seiner Porzellanmanufaktur veranstaltete der Inhaber Claudius du Paquier alljährlich zur Sommersonnenwende ein großes Bahö. Er stellte die Ausschussware seiner Fabrik ab 15 Uhr mit der Auflage zur Verfügung, dass sie möglichst laut und ausdrucksstark zerschlagen würde. Jeder war eingeladen, sich an diesem Trara zu beteiligen. Es stand unter dem Motto: “Scherben bringen Glück”. Und so ließen es sich die Wienerinnen und Wiener nicht entgehen, einmal im Jahr dieses Glück durch die schallende Zerstörung des Porzellans des Herrn du Paquier zu beschwören. Das ging auch einige Jahre gut und alle hatten eine Riesen-Hetz. Aber die Zeiten ändern sich und mit ihr auch die Stimmung der Menschen, denen die Freude an der Volksbelustigung verging, spätestens als Napoleon kam und den Kaiser aus dem Schloss Schönbrunn jagte. Da machte sich erstmals die Kunde breit, dass der Spruch von den Scherben eigentlich anders gemeint war. Seine ursprüngliche Bedeutung habe darauf hinweisen wollen, dass die Scherben - wie gebrannte Tongefäße einst geheißen wurden -, wenn sie prall mit Lebensmitteln gefüllt waren, ein richtiger Segen waren. Die durfte man keineswegs zerstören, sonst war mit ihnen auch ihr Inhalt dahin, hin. Und es entstand das geflügelte Wort vom zerschlagenen Porzellan, dass wir auch heute noch verwenden, wenn jemand Unheil anrichtet. Es folgte eine Friedenszeit, in der die Manufactur das alte Brauchtum wider besseren Wissens neuerlich aufzunehmen pflegte. Als der Kaiser Franz Josef ahnte, dass diese lange Friedenszeit zu Ende gehen würde, soll er sich - so wird gemunkelt - , intensiv darum bemüht haben, in Böhmen billiger produzieren zu lassen, so dass die Porzellanmanufaktur 1864 endgültig geschlossen werden musste. Er wollte mit dieser Maßnahme verhinder, in ähnliche Schwierigkeiten wie sein Namensvetter zu kommen. Die Geschichte aber lehrt uns anderes. Es folgten unruhige Zeiten, die ein halbes Jahrhundert später im ersten großen Weltkrieg endeten. Der Kaiser überlebte nicht, aber dafür die Suche nach dem Glück, die so alt ist wie die Menschheit selbst. Und so haben sich noch bis vor kurzem, hier im Cafe Porzellan, die alten Damen und Herren bei Kaffee oder Bier nicht nur den neuesten Tratsch und Klatsch gewidmet sondern auch das eine oder andere Spiel am Automaten gewagt. Aber auch damit ist es nun endgültig vorbei, selbst das kleine Glück ist hier in Wien mittlerweile verboten und da dasselbe bekanntlich a Vogerl is, hat es sich sicher anderswo niedergelassen. Vielleicht tät sich’s lohnen danach außerhalb Wiens zu suchen, wer weiß?
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Februar 2021
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