Wir sehen also wenig später in der Turnhalle der Volksschule, die auch als Veranstaltungshalle dient, ein ambitioniertes Programm, das allen Altersgruppen eine
gute Bühne zur Selbstdarstellung bietet, und das meine ich nicht negativ. Ich finde es wirklich fein, dass diese Möglichkeit besteht. So ziemlich alle werden durch den Kakao gezogen, Frauen und Männer, VertreterInnen der örtlichen Politik und des Fußballvereins bekommen ihr Fett ab und manchmal gibt es wenig zu lachen, ein anderes Mal bleibt das Lachen im Hals stecken und oft genug darf es ungehindert raus. Nach einem weiteren Fußballspiel, diesmal die Champions-League-Begegnung zwischen Napoli und Barcelona, ein Match, das es vorher noch nie als Bewerbsspiel gegeben hat, und das unentschieden endet, gehe ich viel zu spät ins Bett, steht doch am Morgen ein Zahnarztbesuch am Programm. Und an eben jenem Morgen wache ich mit dem Gefühl auf, nachts ein weiteres Leben gelebt zu haben. Es ist außerdem zu früh für mich, ich stehe gerne zwischen halb acht und acht auf, aber um sechs? Das tue ich nur bei besonderer Motivation – wie etwa einer Reise oder einem Auftrag, bei dem auch das Börsel stimmt. Nun ja aber heute ist Zahnarzt. Und dort werden dann gleich 3 alte Plomben repariert. Meine Zahnärztin ist die Ruhe selbst, sie ist jung, aber eine absolute Profi und sie hat am Zahnambulatorium der Gesundheitskasse einen absoluten Knochenjob, Ordinationsstart täglich um 7 Uhr. Ich bewundere sie dafür. Problem diesmal: Nach der Behandlung habe ich Zahnschmerzen, die ich vorher nicht hatte. Ich komme um 9 Uhr heim, auch dort ist die Stimmung nicht viel besser. Vergangenes hat sich schmerzlich über die Familie gelegt, es droht auch die Zukunft zu verändern, wesentlich und … Meine Horrorszenarien, für die ich dann gerne Escape-Strategien entwickle, obwohl ich mich ungern damit beschäftige, tragen auch nicht zur Erheiterung bei. Obwohl Zuversicht jetzt angebracht wäre. Aber die Schmerzen lassen mich ein wenig Drama spielen. Zudem ist der Kostenvoranschlag der Glaserei in meinem E-Mail-Postfach, er war notwendig geworden, da mein Jüngster beim Fußballspielen eine Scheibe der Doppelverglasung unserer Abstellraumtür eingeschossen hat. Ich grüble also – zum Leidwesen meiner Liebsten, die jetzt Aufmunterung bräuchte vor mich hin, fühle mich nicht nur von meiner Glückskatze sondern mit ihr gleich vom ganzen Glück verlassen und spüre die Schmerzen noch heftiger. Nachdem ich im Ambulatorium niemanden telefonisch erreiche, meine homöopathische Medizin nicht umgehend anschlägt (was sie ja nie tut, sie braucht Zeit, um zu wirken, nur die will ich mir in diesem Moment einfach nicht nehmen), packe ich mich zusammen und fahre zurück in die Stadt. Dort erfahre ich von der Assistentin, dass es nicht unüblich ist, dass Schmerzen auftreten und dass ich am Freitag wiederkommen mögen, falls diese anhielten. Ich fahre heim, schmeiße mir zwei leichte Schmerzpulver ein und mache mich ans Mittagessenkochen. Auf der Reise in die Stadt sind mir plötzlich positive und konstruktive Gedanken gekommen, um das sich – zumindest in meinen Gedanken – anbahnende Drama anzugehen und dem Leben trotz allem ein Ja entgegenzuschleudern (Viktor Frankl). Meine Liebste und ich nehmen uns nach einem herrlichen Mittagessen Zeit, um Pläne zu schmieden. „Schau nach vorn, nicht zurück“, singt schon Udo Jürgens in seinem in meinem Geburtsjahr beim Eurovision Songcontest preisgekrönten Hit „Merci Cherie“ und auch Orpheus musste schmerzlich erfahren, was es heißt, das Vertrauen zu verlieren und zurück zu schauen. No, merci, das brauche ich wirklich nicht. Der Tag nimmt eine Wendung. Es wird ein gemütlicher Nachmittag – und mein jüngster Sohn macht mit seinem Handy auf DJ und bietet mir eine gute, stimmungsvolle Performance, die mich zur Leichtigkeit animiert und mein mich und mein Leben zum Tanzen bringt. So kann Tag 3 mit einem feinen Abendessen zu Ende gehen und Tag 4 mit Fußball starten. Es ist Champions League, heute Lyon gegen Juventus. Life‘s going on.
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Route 55
Dieser Blog begleitet mich durch mein 55. Lebensjahr, das ich mit einer Feier im Freundeskreis am Vorabend meines Geburtstages eingeläutet habe, das am 23.2.20 um 19.21 h tatsächlich begonnen hat und das sogar 366 Tage zu bieten hat, also mehr als viele andere meiner bisherigen Lebensjahre. Archiv
Februar 2021
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