Der Zug war pünktlich, wohl auch, weil der Teil nach Venedig gähnend leer war – no one wants to go to Italy. Und den Karneval haben sie ja auch abgesagt, weil ein tödlicher Virus durch die Welt reist. Wie immer, wenn ein solches Ereignis über die Menschheit hereinbricht, sind viele überfordert, auch die politisch Verantwortlichen. Und wie Viren nun mal sind, ist es schwer, sie in den Griff zu kriegen – aber es geht. Wenn dann PolitikerInnen von „Nur keine Panik“ sprechen, werde ich allerdings leicht panisch. Meine Erfahrung ist nämlich, dass dann mehr oder anderes dahinter stecken, als sie öffentlich zugeben wollen.
Das ist so wie wenn ein*e Redner*in sagt, dass er*sie sich kurz halten werde oder „In aller Kürze“ oder „Nur kurz noch“. Auch dann folgt in 99% der Fälle ein für die ZuhörerInnen langer Vortrag; möglicherweise hat er oder sie sich ja doch wesentlich kürzer gefasst als geplant, aber … In eine solche Situation brachte mich meine Neugier am Vormittag meines neuen Lebenstages. Ich fuhr zu einer Versammlung der Fußballfunktionär*innen. (Hier noch ein kurzer Exkurs zum *, der Asterisk – nicht Asteriks – genannt wird. Kurz vor meiner Erzählperformance bei meinem Geburtstagsfest habe ich von der Volkshochschule, in der ich Deutsch unterrichte, ein Schreiben erhalten, in dem ich über die richtige Aussprache des Asterisks unterrichtet werde. Hier lautet es wörtlich: „Mündlich wird der Asterisk, also das Sternchen, durch eine Atempause gekennzeichnet.“ Und da ich bei meiner Performance eine Woche zuvor vollmundig versprochen habe, immer wenn es um den * geht, eine Atempause einzulegen, verwende ich den * nun auch in meinen schriftlichen Ausführungen – wo ich früher lieber mit „I“ oder „_“ gearbeitet habe – um auch hier nötige Atempausen einzulegen. Glaubt mir, dass tut auch beim Schreiben verdammt gut und bringt mich auf Gedanken, die ich ohne Pause nicht gehabt hätte. - Exkurs Ende) Ich fuhr also zu einer Versammlung von Fußballfunktionär*innen mit, der * ist berechtigt, denn unter den rund 150 Teilnehmenden befanden sich meiner Wahrnehmung nach auch 4 Frauen. Und eine davon ist sogar in leitender Funktion als Kassierin einer so genannten Jugendhauptgruppe tätig. Ich erlebte Realsatire pur. Und das lag zum einen daran, dass in den Gremien die hier zusammentrafen (es waren ja eigentlich drei alle vier Jahre stattfindenen Hauptversammlungen parallel, nämlich jene zweier Jugendhauptgruppen und einer Hauptgruppe), ein hoher Altersschnitt herrschte und ich mit meinen 54 Lenzen am Buckel zu den Jüngeren zählte. Nun ist Alter per se nix Böses, aber Alter macht per se auch nicht automatisch weise. Zum anderen musst du schon ein Mensch sein, dem Vereinsmeierei etwas Bedeutendes ist. Ich denke, dass es auch anders ginge, aber so weit ist es noch nicht – und ich muss zu meiner Schande gestehen, dass ich mich trotz aller Wahrnehmungen und Ideen zur Verbesserung nicht dazu berufen fühle, die Vereinswelt auf den Kopf zu stellen. Also setzte ich mich dieser aus – pur und nüchtern. Wobei ich gestehen muss, dass ich nach 30 Minuten die Sehnsucht auf ein kleines, lieber sogar großes Bier bekam, was ich allerdings auf Grund eines sehr, sehr kleinen Frühstücks, das dem Morgenstress geschuldet war (wann stehe ich denn am Samstag schon um 7 Uhr auf? - Na ja, wenn ich es bedenke, öfter als es mir lieb ist, dann, wenn ich meiner Trainertätigkeit in der Erwachsenenbildung oder im Fußball nachgehe), dann lieber bleiben ließ. Wer weiß, was mir in einem leicht berauschten Zustand dann so alles über die Lippen gekommen wäre. In aller Kürze (Achtung! Zu Kürze siehe oben!): zuerst streikte die Technik, die Powerpointpräsentationen sollten durch 3 Beamer übertragen werden, wobei zwei davon streikten; der Rechenschaftsbericht des Obmann-Stellvertreters der einen Jugendhauptgruppe wurde mit den Worten „Ich werde mich kurz fassen“ eingeleitet (obwohl es immerhin vier Jahre zu rechtfertigen gab); dann, nach einigen wirklich kurzen Berichten, kam der Frauenreferent der Hauptgruppe zu Wort, auch er „kurz“ in der Ankündigung und lang in den Ausführungen; anfangs wurde auch der Referent für Spitzenfußball vorgestellt, ein Mittsiebziger mit starkem Übergewicht – aber ich denke, die Qualifikation für die Aufgabe darf man nicht einseitig an Alter und Körpergewicht bzw. Körperformen festmachen; als endlich alle berichtet hatten und entlastet wurden, schritt man zu den Neuwahlen, die Verlesung der Kandidat*innen fiel dem Wahlleiter nicht immer leicht, er umschiffte so mache brenzlige Situation dann mit einem unverständlichen Gemurmel, was insofern nicht störend war, als die Namen der Betreffenden auch über die mittlerweile einwandfrei funktionierenden Beamer dreifach in den Saal gestrahlt wurden; die Wahlen, die offen und mit Stimmzettel (in drei Farben, da ja drei Hauptversammlungen gleichzeitig stattfanden und drei verschiedene Wahlbrechtigungen zu berücksichtigen waren) durchgeführt wurden, endeten jeweils mit einem „Danke“ des Wahlleiters, worauf fußballtechnisch der ganze Saal „Bitte“ zu schreien gehabt hätte, das unterblieb aber aus Gründen der Vernunft, war man ja nicht im Stadion sondern in der Kaiserrast in Stockerau. Nun, die Wahlen waren vorbei, der nächste Tagesordnungspunkte lautete „Reden der Ehrengäste“, glücklicherweise fand sich nur einer bereit, das Wort zu erheben, immerhin befand man sich bereits in Minute 120 der Versammlung(en). So kurbelte der Präsident des bundesländlichen Fußballverbandes eine seiner unambitionierten Reden herunter, die auch unterbleiben hätten können, aber Ehre, wem Ehre gebührt. Und außerdem ist der Mann ja immerhin Bürgermeister i.R. und daher durchaus schon etwas eingerostet. Seis‘s drum. Das unvermeidliche Allfällige aber brachte dann noch die Verlängerung der Verlängerung, waren doch noch einige Ehrungen durchzuführen. Schließlich folgte nach knapp 135 Minuten der Schlusspfiff, der Teil des Saales, in dem ich meinen Platz gefunden hatte, musste unverzüglich wegen einer nachfolgenden Veranstaltung geräumt werden und so hatte ich einen guten Grund sofort die Flucht zu ergreifen. Nach einem solchen Vormittag braucht es eigentlich keinen Nachmittag mehr, dennoch war er durchaus befüllt. Nach einem Mittagessen ereilte mich, da ich den Spielbericht vom Spiel unserer Kampfmannschaft online stellte, die Erkenntnis, dass unsere U 23 in der örtlichen Arena ein Testspiel absolvierte, dessen zweite Hälfte ich besuchte, um auch hier einen einigermaßen authentischen Bericht für die Homepage unseres Fußballklubs erstellen zu können (wir verloren verdient 1:6), und es waren die wöchentlichen Putzdienste im Haus zu absolvieren. So neigte sich dieser 6. Tag schnell seinem Ende zu, es blieb die Frage, ob ich Tag 7 mit Sauna oder Dancing im Eventstage beginnen sollte.
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Route 55
Dieser Blog begleitet mich durch mein 55. Lebensjahr, das ich mit einer Feier im Freundeskreis am Vorabend meines Geburtstages eingeläutet habe, das am 23.2.20 um 19.21 h tatsächlich begonnen hat und das sogar 366 Tage zu bieten hat, also mehr als viele andere meiner bisherigen Lebensjahre. Archiv
Februar 2021
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