s ist Sonntag Vormittag und es hätte über Nacht ergiebig regnen sollen, vor allem in der zweiten Nachthälfte. Was gestern Abend gegen 20 Uhr so vielversprechend mit einem kräftigen Regenguss aus dem wolkenverhangenen Himmel begonnen hatte, mündete in einige schwache und kaum ergiebige Regenschauer, die mich an das Kehren des Holzbodens in unserer Pfadfinderblockhütte erinnerten, die wir in meiner Kindheit über viele Jahre von den Bundesforsten gepachtet hatten (heute sind sie geschliffen und was ursprünglich den „Holzknechten“ zur Einkehr und später uns für Sommer- und Winterfreizeiten diente, musste schon vor Jhren der Jagd weichen, die sehr einträglich ist, vor allem für die sterbenden Gemeinden in dieser Gegend). Bevor wir mit den Reisigbesen ans Werk gingen, mussten wir mit Wasser kräftig aufspritzen, um das Staubaufwirbeln zu verhindern. Und so sieht‘s auch in unserem Garten aus, als wäre gerade aufg‘spritzt worden. Winzerfreude aus dem Weinviertel haben gerade auf Facebook ein Video mit einem kräftigen Landregen gepostet, ich hoffe, er bleibt ihnen den ganzen Tag erhalten. Wir erleben hier leider – wegen der aktuellen Situation um den „mächtigen“, alles verschlingenden Virus keinerlei Wahrnehmung dafür, dass wir gerade eine der größten Dürreperioden seit es Wetteraufzeichnungen gibt, erleben. Wir sind also in einer multiplen Krise gelandet und kriegen gerade eine Watschen nach der anderen. Oder wie es mein Professor-Freund aus Linz passend ausdrückte: „Zuvielisationsdämmerung. Unsere Hybris beginnt uns um die Ohren zu fliegen.“
Den neuen Lebenstag begann ich an diesem Donnerstagabend nach der „Be-Lehrung“ meiner StudentInnengruppe mit drei von sechs Folgen einer Miniserie auf ARTE, deren Hauptdarsteller der ehemalige Fußballstar Éric Cantona ist. Sie trägt auf Deutsch den Titel „Aus der Spur“, im französischen Original heißt sie „Dérapage“, was soviel wie „Entgleisung“ im metaphorischen Sinn, also sinnbildlich, bedeutet. Und tatsächlich entgleist im Lauf der ersten Hälfte der Serie eine von einer großen Technikfirma zur Führungskräfteauswahl inszenierte Geiselnahme. Um die „Befragung“ der Kandidat*innen durch die Geiselnehmer dem Zweck entsprechend zu gestalten, ist deren Anführer über Kopfhörer mit einem von zwei Personalrecruitern verbunden. Auch die beiden liefern sich einen Konkurrenzkampf, denn nur dem, der die erfolgreichen Fragen stellt, ist ein Job in eben jener Firm in Aussicht gestellt. Der eine, dargestellt vom Ex-Fußballprofi Cantona, ist ein ehemaliger Personalchef eines mittelständischen Unternehmens, der vor sechs Jahren aufgrund seines Alters gekündigt wurde und sich seither mit zum Teil demütigenden Gelegenheitsjobs durchkämpft. Und als er knapp vor der inszenierten Geiselnahme erfährt, dass er in dem Wettkampf um den Job als Recruiter nur eine Alibiperson ist, weil der nämlich seiner Konkurrentin bereits versprochen ist, nutzt er die gespielte Geiselnahme für seine Zwecke – und macht daraus eine echte. Am Ende von Teil 3 lässt er sich dann vom Sonderkommando der Polizei überwältigen. Was also wird noch geschehen in den drei restlichen Teilen? Ich bin schon gespannt. Für den nächsten Tag hat mein jüngster Sohn ab 11 Uhr ein „Sommerfest“ in der fiktiven „Ki&Co-Arena“ (Ki&Co ist ein Sporartikelhersteller und ein Verlag, der Name stammt natürlich vom Gründer Kimi - also Ki) im fiktiven „Mizland“ (gegründet von und für unsere verschwundene Glückskatze Maria Mizzi-Kaze) anberaumt, an dessen Vorbereitung er schon seit Tagen intensiv gearbeitet hat. Davor allerdings galt es noch den wöchentlichen Großeinkauf im Supermarkt im Gewerbepark zu machen. Meine Liebste hatte meine Idee aufgegriffen und sich über den virtuellen Flohmarkt einen Sommerhut im Westernlook zugelegt, um Mund und Nase band sie sich mein „Piratentüchel“, echt kess. Ich nahm jene „Maske“ in den Farben unseres Fußballvereins (blau-weiß) im Geschirrtuchdesign, an den ich mich schon gewöhnt hatte. Die Suche nach einem Cowboyhut war bei mir bislang erfolglos verlaufen, aber ich werde weiter dran bleiben, wird uns ja – hinter vorgehaltener Hand – von einer Dauer der Maßnahmen für mindestens zehn, wenn nicht sogar 18 Monate gedroht. Daher ist es immens wichtig, den Aufenthalt in diesen Einkaufsbuden so kurz wie möglich zu halten und bezüglich aller möglichen Waren auf Hauszustellung (idealerweise mit Fahrrad) direkt vom Hersteller (bzw. Ab-Hof-Verkauf) umzusteigen. Da habe ich gerade eine Rechercheaktion gestartet. Mal schauen, wie erfolgreich sie verläuft und was möglich ist bzw. dadurch möglich gemacht wird. Während meine Liebste nachmittags ihre nächste Sprachkurskundin liebevoll online im Finnischen weiterführte, machte ich mich auf den Weg in die Apotheke, um die nötigen Medikamente für unseren Kater Dario zu besorgen, die ihm beim Zahnwechsel unterstützen sollen. Nach meiner Rückkehr startete ich dann ins Sommerfest in Mizland. In Mizland sind die Maßnahmen bezüglich der weltweiten Pandemie schon gelockert, es gilt noch einen Meter Abstand zu halten und tunlichst in die Armbeuge zu niesen und zu husten. Das ist bei rund 35 Einwohner*innen auch leichter möglich als anderswo. Auch Veranstaltungen wie eben jenes Sommerfest sind daher möglich und die Fußballer*innen sind die modernen Gladiator*innen, die sich halt der Ansteckungsgefahr aussetzen, weil sie sich natürlich näher kommen. Aber bei 35 Einwohner*innen – alles kein wirkliches Problem, so mein Sohn. Am Anfang stieg die meisterschaftsentscheidende Begegnung zwichen FC Ki&Co Mumintal und FC Dosenöffner, die nach langem harten Kampf umentschieden endete, was beiden Teams nicht zum Titel verhalf, den FC Tiger mit einem Punkt Vorsprung ergatterte. Die Stimmung war dadurch getrübt, ich machte mich aber dennoch auf den Weg durch die Stationen, spielte eine Runde Tischfußball, holte mir Autogramme, spielte Tennis gegen die Wand, führte ein Interview mit dem Kapitän des FC Mumintal, lernte bei Kroki, dem Krokodil, ein Ultra zu sein und matchte mich abschließend gegen Superstart Tom Muminski, verlor nur knapp in drei Sätzen. Ich war stolz und erschöpft. Da ich an diesem Tag auch für den Kimi-Abend-Dienst zuständig war, die Bücher aus der Bibliothek (zuletzt de sehr witzige Kästner-Geschichte „Der kleine Mann und die kleine Miss“) aber schon alle ausgelesen waren, machte ich mich in der virtuellen AK-Bibliothek, die ich vor kurzem entdeckt und in die ich mich eingeschrieben hatte, auf die Suche und fand eine mir unbekannte Nöstlinger aus 1987 mit dem Titel „Der Hund kommt!. Beim Vorlesen mussten wir beide – und auch meine Frau, die von ihrem Schreibtisch aus mit einem Ohr zuhörte – sehr viel lachen. Ein Hund geht in die Welt und begegnet urigen tierischen und menschlichen Gesellen. Lesenswert, auch für Erwachsene.
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Route 55
Dieser Blog begleitet mich durch mein 55. Lebensjahr, das ich mit einer Feier im Freundeskreis am Vorabend meines Geburtstages eingeläutet habe, das am 23.2.20 um 19.21 h tatsächlich begonnen hat und das sogar 366 Tage zu bieten hat, also mehr als viele andere meiner bisherigen Lebensjahre. Archiv
Februar 2021
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