Die Tage werden spürbar länger, die Temperatur gleicht jener an finnischen Sommertagen. Wie wohl ich gestehen muss, dass während unserer letzten Finnlandaufenthalte im Sommer „indian summer“ herrschte. Auch wir hatten mitten im Wald, mitten am Land in der Nähe eines großen Sees etliche Nächte, in denen wir über 20 Grad Celsius maßen. Sauna war dennoch Pflicht, leistet sie doch einen wesentlichen Beitrag zur körperlichen und seelischen Gesundheit.
Mein Jüngster hatte Lust auf Fußballschauen, wir entschieden uns für einen deutschen Schlager und zwar für das Cupfinale aus 2012 zwischen dem BVB und den Bayern. Lewandowski stürmte damals noch für die Dortmunder, Alaba spielte schon für die Bayern, ein gewisser Jürgen Klopp coachte die Männer aus dem Ruhrpott und – ein weiterer wesentlicher Unterschied zu heute – die Schwarz-Gelben zerlegten die Mannschaft aus München mit 5:2 und holten damit in diesem Jahr sogar das Double. Im Anschluss begab ich mich ob des warmen Abends nach draußen und rauchte eine Selbstgedrehte. Bei unserer Fahrt zur Apotheke am Nachmittag waren meine Liebste und ich auch an der Trafik vorbeigekommen und ich hatte Lust, mir eine Packung Tabak zu kaufen. Es war die erste Zigarette seit über einem Jahr und sie schmeckte vorzüglich. Ich bin Genussraucher und aus diesem Grund bin ich mir sicher, dass der von mir gewählte Virginia ohne Zusatzstoffe irgendwann vertrocknen wird, noch bevor alles verraucht ist. Um den Genuss noch zu erhöhen genehmigte ich mir ein Achtel Rotwein von unserem Lieblingswinzer und kurze Zeit später gesellte sich auch meine Liebste zu mir und wir plauderten über dies und das, das Leben halt. Zum Schluss zerdepperten wir noch eine fast volle Flasche Rotwein, aber Scherben bringen bekanntlich Glück und so trugen wir‘s mit Fassung. Ein gelungener Abend. Nach dem Frühstück stand der wöchentliche Großeinkauf am Programm, zudem war eine Replik auf den blauen Brief vom Vortag zur Post zu bringen und Bargeld zu besorgen, um die nächste Lieferung vom Winzer bezahlen zu können und die Taschengeldschulden bei unseren Jungs zu begleichen (wir hatten nämlich aufgrund unserer geringeren Einkünfte durch die aktuelle Situation die Auszahlung reduziert). Während der Fahrt auf dem Rad zum Gewerbepark mit meiner Mund-Nasen-Bedeckung um den Hals hatte ich eine Vision. Ich könnte doch, so meine Gedanken, endlich meinen Kindheitstraum wahrmachen, und mich als Cowoboy durch die staubigen Straßen und in den Stores bewegen. Mein „Piratentüchl“ vor Nase und Mund und auf dem Kopf einen Cowboyhut vom Feinsten. Letzteren müsste ich allerdings noch besorgen. Auf diese Weise könnte der Humor das schlechte Gefühl des Gezwungen-Werdens besiegen, bin ich doch ein erklärter Gegner der „Maskenpflicht“, halte mich aber aus gelebter Solidarität (und nicht aus Gruppenzwang) daran, in der Hoffnung, dass sich die Sinnhaftigkeit der Maßnahme möglichst früher als später ad absurdum führt. Fürs Mittagessen bereitete ich gebundene Gemüsesuppe nach Omas Rezept und Milchreis mit Äpfeln zu. Es mundete der ganzen Familie, was mich freute. Kater Dario hat die Angewohnheit, wenn wir ans Tischdecken gehen (ob indoor oder outdoor), sofort zur Stelle zu sein, um durch eindrucksvolles Maunzen seinen Anspruch auf Verpflegung geltend zu machen. Aufgrund unseres Einkaufs hatte er erst am späten Vormittag mit seinem täglichen „Freigang“ begonnen, er verbrachte auch die Mittagszeit im Garten, fetzte durch die Gegend und jagte alles, was sich bewegte. Irgendwann gegen 16 Uhr schlief er dann erstmals tief und fest, geschützt zwischen den Wäscheständern, draußen ein. Da Germ momentan und weiterhin Mangelware ist, war ich gezwungen unseren Osterstriezel nicht selber zu machen, sondern zu kaufen. Junior Nr.1, unser Ältester, der verträumte Dichter und verwirrte Professor, packte diesen – wie ich, als ich das Brot fürs Abendessen schnitt, bemerken musste – in unseren Brotsack und stopfte obendrauf noch Brot und Toast, so dass sich der Striezel in Mitte gefaltet hatte und völlig außer Form geriet. Ich war verärgert. Es war an unserem Ältesten, hier einen Lösungsvorschlag zu entwickeln. Wir einigten uns schließlich darauf, dass er durch eine Einzahlung von seinem Taschengeld in die Haushaltskasse das Backwerk zu seiner Verwendung erwarb, und am nächsten Tag von uns Eltern ein neuer für die Familie gekauft würde, der auch so ansehnlich war, dass er einen gebührenden Platz am Feiertagstisch verdiente. Kater Dario hatte an diesem Tag auch ein Missgeschick zu vermelden. Wir hatten einen Teil des Holzstreus in unseren Brennholzkorb geleert, da wir seine „Außentoilette“ wegen fortwährender Nichtbenützung aufgelassen hatten und im Kastekisterl indoor noch kein Nachschub notwendig war. In seiner Freude über eine vermeintlich zweite Toilette, benutzte er diese auch. Allerdings hinterließ sein Geschäft eine Lacke unter dem Korb. Wir waren gnädig, ärgerten uns nur über uns selber, hatten wir das Missverständnis doch erst hervorgerufen. Der Nachmittag im Garten endete mit einem Abendessen im Freien und meiner Vorfreude auf einen weiteren Abend im Grünen.
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Route 55
Dieser Blog begleitet mich durch mein 55. Lebensjahr, das ich mit einer Feier im Freundeskreis am Vorabend meines Geburtstages eingeläutet habe, das am 23.2.20 um 19.21 h tatsächlich begonnen hat und das sogar 366 Tage zu bieten hat, also mehr als viele andere meiner bisherigen Lebensjahre. Archiv
Februar 2021
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