Ein Film in bester Besetzung mit ebenso guter Kritik fand zum Start des neuen Lebenstages bei mir keinen Anklang. Ich schlief früher ein als sonst.
Und am nächsten Morgen ging es recht früh schon ans Vorbereiten des Mittagessens, der Ofen musste angeheizt werden und die Kartoffel geschält, denn es gab Erdäpfelgulasch nach Art meines Vaters, allerdings weniger scharf, also familienkompatibel. Alles war rechtzeitig fertig und ich war mit dem Ergebnis der knapp zweistündigen Arbeit aufs Höchste zufrieden. Der Nachmittag dann eine Hochschaubahn der Gefühle. Zuerst ging ich unvoreingenommen zum Postkasten in Erwartung der beiden von mir bestellten Filme (Ich schrieb davon: Der Zauberer von Oz und Die unendliche Geschichte). Drin aber lag bloß ein blauer Brief. Bloß? Zuerst einmal war ich verblüfft, dass nun selbst blaue Briefe einfach ohne Empfangsbestätigung zugestellt werden, wahrscheinlich eine Regelung auf Basis der aktuellen Notfallsmaßnahmen. Mir fehlte die Motivation, mich hier schlau zu machen. Der Inhalt des Briefes ein seit geraumer Zeit erwarteter Beschluss des Bezirksgerichtes Linz, man habe nun einen Sachverständigen eingesetzt, um meine Einkommens- und Vermögenslage abschließend beurteilen zu können. Der Grund? Eine lange Geschichte, die ich hier in kurzen Worte erstmals einer größeren Öffentlichkeit preisgeben werde, ein Coming-Out der besonderen Art also. Begonnen hatte das ganze Schlamassel im Herbst 1994. Es war eine Zeit des Lebensumbruches, ich war ein halbes Jahr lang in einem zu jener Zeit sogenannten vegetativen Erschöfpungszustand verharrt und machte gerade die ersten Schritte in mein neues Berufsleben. Als seit sieben Jahren verheirateter Mann und Vater von zwei Töchtern galt es behutsam vorzugehen. Aber das Leben will es manchmal stürmisch – und wenn eines wohlerzogenen Menschen manipulierter Geist auf Wanderschaft geht, Herz und Seele befreit, dann brechen Dämme. Ich traf dazumals an meinem ersten Abend auf der Religionspädagogischen Akademie, an der ich sechs Jahre lang berufsbegleitend zum Religionslehrer für den gesamten Pflichtschulbereich (Volks-, Mittel- und Polytechnische Schule) ausgebildet wurde, jene Frau, die mir mein Leben ungemein schwer machen sollte, weil ich es viel zu lange zuließ. Eine junge Frau, im sechsten Monat schwanger mit einem Sohn, dessen Vater nichts davon erfahren sollte und dessen „geplanter“ Vater sich der Aufgabe nicht stellen wollte, Tochter eines katholischen Priesters (wie sich erst später herausstellen sollte), ein höchst ambivalentes Wesen aus einer Mischung aus Hilfsbedürftigkeit und Grenzenlosigkeit. Ich roch die Freiheit, ich fühlte mich in meiner Rolle als Frauenversteher und -retter angesprochen (was ich übrigens meiner Mutter zu verdanken habe, aber das ist eine andere lange Geschichte, die ich hier – noch - nicht explizieren will). Wir verloren uns dann für knapp ein Jahr aus den Augen, da sie sich vom Studium karenzieren ließ, aber, das was ich durch die Begegnung mit ihr geschnuppert hatte, war so aufregend und anziehend, dass in den Jahren danach kein Stein auf dem anderen blieb. Das Studium beendete ich zwar im Jahr 2000 mit meiner Diplomprüfung, ich übernahm auch schon ab 1997 Lehrverpflichtungen als Religionslehrer in Wiener Schulen, aber ich verlor meine Frau und wurde zu einem unzuverlässigen Vater für meine Töchter, obwohl ich sie weiterhin zweimal unter der Woche und alle zwei Wochenenden betreute. Meine Seele aber war nicht wirklich bei ihnen. Und im ersten Jahr des neuen Jahrtausends bezog ich mit jener Frau und ihrem Sohn eine gemeinsame Wohnung. Der Junge war mir sehr ans Herz gewachsen, auch seine Situation mit dem nunmehr dritten Vater seines jungen Lebens, der nun wieder verschwunden war, rührte mein Mitgefühl und meinen Retterinstinkt. Aus einer Wohngemeinschaft wurde eine Beziehung, aus dem jungen Mann wurde mein Sohn, da ich ihn durch Eintrag in die Geburtsurkunde als meine leiblichen Sohn anerkannte. Ich war wie ferngesteuert in all den Jahren, ich lief geradewegs in mein Unglück. Ich war das Opfer vieler Manipulationen, man, also jene Frau, suggerierte mir, dass ich das Problem sei, was ich bereitwillig glaubte, obwohl ich mich durch ihre Lebensart immer tiefer ins Schlamassel ritt, persönlich und finanziell, Als ich dann vor rund zehn Jahren weder ein noch aus wusste, begegnete ich meiner Liebsten, der Allerliebsten. Zuerst auf Facebook, dann im realen Leben. Was ich damals um keine Preis wollte, war eine neue Beziehung anzufangen. Was das Leben mit mir vorhatte, war, mich brutal aus meinem Zickzackkurs herauszureißen und mir Kalt-Warm zu geben. Meine Liebste und ich trafen uns, verliebten uns, liebten uns. Und noch an jenem Abend gab ich der einen zu verstehen, dass es aus sei und entschloss mich, mein Leben in einer neuen Beziehung, die sich für mich wie das ersehnte Zuhause anfühlte, weiterzuführen. Doch es war ganz und gar nicht so einfach. Jene Frau entzog mir ihren Sohn. Alle Kontaktversuche schlugen fehl. Ich wurde auf Unterhalt verklagt, wogegen ich mich zuerst sträubte, dann aber einsehen musste, dass ich mit der Übernahme der Vaterschaft (die auch nicht wieder rückgängig gemacht werden konnte) auch Alimente zu leisten hatte. Ich tat dies bis zur Volljährigkeit des Jungen, ich erhielt aber weiterhin keine Antwort auf meine Briefe an ihn. Ich verlor die von mir gegründete Schule, ich musste mich beruflich neu orientieren, ich heiratete meine Liebste und wurde sozialer Vater ihrer beiden Söhne. Und ich wurde wütend über meinen Sohn und schrieb ihm zu seinem achtzehnten Geburtstag, dass er sich nun entscheiden solle, ob er mich treffen und mich als Vater akzeptieren würde oder ob er sich lieber an seinen leiblichen Vater halten wolle. Ich erhielt keine Antwort. Ich verlor in dieser Zeit auch den Kontakt zu meinen mittlerweile erwachsenen Töchtern, die jüngere (von der ich schon erzählt habe, weil sie zum Auftakt dieses Lebensjahres bei meinem Geburtstagsfest da war) hatte zwar rund vier Jahre bei mir und jener Frau gelebt, es war aber eine durchaus schwierige Zeit für sie. Die Jahre vergingen, rasend schnell und geprägt von all dem, was ich mit meiner Ex und auch meine Allerliebste mit ihrem Ex auszufechten hatten (und noch immer haben). Wir hatten in unseren vorherigen Beziehungen offenbar genau den gleichen Menschentyp zu unseren Partnern gemacht, Wesen, die mit ihrer Persönlichkeit wie die Faust aufs Auge zu unserem Persönlichkeitstypus passten. Nun, die Jahre vergingen also, und wir waren aufs Land gezogen, lebten in unserer neuen Heimat schon mehr als ein halbes Jahr als plötzlich jener erste blaue Brief aus Linz kam, in dem ich von meinem mittlerweile 24-jährigen Sohn auf Unterhalt geklagt wurde – und zwar rückwirkend auf 3 Jahre, weil es das Gesetz ermöglicht. Ich ließ mich beraten und erfuhr, dass das nicht so einfach möglich sei. Der zuständige Rechtspfleger aber hatte eine andere Rechtsauffassung. Der Versuch eines Vergleichs schlug fehl, weil ich zu der Auffassung gelangt war, dass das aktuelle Studium des jungen Herrn, der sich trotz meiner alljährlichen Geburtstagswünsche nie bei mir gemeldet hatte, Liebhaberei sei und keine Berufsausbildung bzw. seine Berufsaussichten keineswegs verbessere. Nach einer abgeschlossenen Ausbildung zum Freizeitpädagogen hatte er einige Jahre später – ohne jemals erwerbstätig geworden zu sein und offenbar von seiner Mutter erhalten – ein Bachelorstudium zum Tanzpädagogen inskribiert. Da seine Mutter nun nicht mehr zahlen wollte, sah er sich genötigt, mich zu verklagen – ohne vorher den Versuch zu unternehmen, mit mir zu reden. Ich war fassungslos. Ich bin es bis heute. Und jener blaue Brief, von dem ich einleitend sprach, ist nun der nächste Schritt eines mittlerweile fast zweijährigen Verfahrens. Mein Ziel ist es, den jungen Mann zu einem Gespräch zu bringen, wobei dies aussichtslos scheint. Daher wird es jetzt hart auf hart gehen, denn unter den gegebenen Umständen bin ich keineswegs bereit, auch nur einen Cent zu zahlen. Wer mich kennt, weiß, dass man von mir alles haben kann. Aber dann darf man mir bitte nicht so blöd kommen. Es bleibt also spannend und so war ich froh, dass mein Interview mit Thomas Mohrs stattfinden konnte, es war ein sehr bewegendes Gespräch über Bildung und Schule in Zeiten von Corona und ohne bzw. danach oder mit. Ein Wermutstropfen war allerdings auch hier dabei. Thomas teilte mir die Einschätzung eines seiner Kollegen mit, der in einer „Corona-Kommission“ mitwirkt. Und der geht davon aus, dass die „Maßnahmen“ wohl mindestens bis zum Jahresende, wenn nicht sogar noch bis zu 18 Monate dauern könnten. Das Ziel sein nämlich die Entwicklung eines Impfstoffes oder eines Medikaments. Ach du liebe Güte. Ich brauchte Bewegung und so begleitete ich meine Liebste auf ihrem Weg zur Apotheke, die glücklicherweise rund 4 Kilometer entfernt liegt. Also rauf aufs Rad und nichts wie hin und wieder zurück, wobei wir auf dem Rückweg noch beim örtlichen Greisler Station machten, Osterschinken und Ostersüßigkeiten für unsere Junges kauften und ich eine Literflasche Almdudler aus Glas entdeckte und erwarb. An solchen finnischen Sommertagen Anfang April tut ein Radler nach dem Radeln richtig gut. Und mit ihm lässt sich auch die Dankbarkeit feiern, dass ich nun an die Richtige geraten war, die, mit der ich mir auch das gemeinsame Altwerden vorstellen kann.
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Route 55
Dieser Blog begleitet mich durch mein 55. Lebensjahr, das ich mit einer Feier im Freundeskreis am Vorabend meines Geburtstages eingeläutet habe, das am 23.2.20 um 19.21 h tatsächlich begonnen hat und das sogar 366 Tage zu bieten hat, also mehr als viele andere meiner bisherigen Lebensjahre. Archiv
Februar 2021
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