Nun habe ich doch glatt mehr als 2 Tage Auszeit vom Schreiben eingelegt, nach den Worten über Tag 39, die ich am Freitagvormittag (Tag 40) geschrieben habe, nahm ich mir eine lange Atempause bis zum Sonntagabend (Tag 43). Ich war nicht in der Stimmung. Nun ist sie aber glücklicherweise zurückgekehrt und meine Kurznotizen wollen endlich in lange (aber nicht zu lange), hoffentlich interessante (und nicht lang-weilige) Sätze gefasst werden.
Nun, Tag 40 begann mit einer lange Fernsehnacht. Nachdem ich meinen Deutschunterricht gegen Viertel vor Neun beendet hatte, übersiedelte ich mit meinem Laptop vom Schreibtisch zum Roten Sofa. Dieses elektronische Ding, ein sogenannter Convertible (also ein Gerät, dass sowohl als Laptop als auch als Tablet zu verwenden ist, ist ein echter Tausendsassa und begleitet mich in allen Lebenslagen, ob als Dichter, als Lehrender, als Lernender, neuerdings als DJ oder in meiner Freizeit, wenn ich Fußball, Dokus oder Filme schaue. Bekommen habe ich ihn vor knapp drei Jahren, zu einer Zeit als ich mit meiner Familie noch am westlichen Stadtrand von Wien lebte. Kennengelernt habe ich eine wesentlich aufgemotztere Version bei einem Arbeitskollegen, bei diesem schien mir sowohl die Preisklasse als auch der Funktionsumfang für meine Verhältnisse weit übertrieben. Also machte ich mich auf einer sehr beliebten Plattform für Privatverkäufe (auf der meine Liebste auch unser Haus hier am Land gefunden hatte, weil es dort zur Miete ausgeschrieben war) auf die Suche – und wurde rasch zu einem guten Preis fündig, der noch dazu um die Hälfte unter de Verkaufspreis lag. Und das für ein Gerät, das erst vor wenigen Monaten erworben und mit Kassazettel (also mit Garantie) feil geboten wurde. Dazu musste ich nach Krichberg am Wagram fahren, mit der Mutter des Verkäufers hatte ich einen Treffpunkt in der Bahnhofshalle ausgemacht. Auf dem Weg befielen mich Zweifel, ob ich tatsächlich so viel Geld für das Gerät ausgeben sollte. Am Bahnhof traf ich eine sehr freundliche Frau in meinem Alter, die mir mitteilte, dass ihr Sohn momentan auf Urlaub wäre. Ich testete den Laptop und alles passte (sowohl die Technik, die ich in der Kürze der Zeit überprüfen konnte, als auch mein – und das war wesentlich wichtiger – mein Gefühl). Da ich dann noch eine knappe Stunde bis zur Rückfahrt Zeit hatte, wanderte ich mit dem neuen Laptop in der Tasche auf den Kirchberg, kaufte mir in der einzigen offenen Kneipe am Hauptplatz eine Flasche Bier zum Mitnehmen und ging gleich wieder zurück zur Zug-Haltestelle, um meine Heimfahrt anzutreten. Damals war mir – obwohl wir schon auf der Suche nach einem neuen Zuhause am Land gewesen waren – in keinster Weise klar, dass ich schon ein halbes Jahr später regelmäßig mit dem Zug an diesem Ort vorbeifahren würde. Nun, also ich schaute, mit Dario am Schoß, einer Flasche Bier und Knabberzeugs am Roten Sofa fern. Auf ARD stand eine Verfilmung von Sigfried Lenz‘ Roman „Der Überläufer“ am Programm, da mich zwei andere Lenz-Verfilmungen in der Vergangenheit sehr angesprochen hatten, ließ ich mich bereitwillig auf viermal 45 Minuten Fernsehen ein. Der Roman, den der Autor schon 1951 geschrieben hatte, der aber erst 2016 posthum veröffentlicht worden war, weil er dem Verlag zur Zeit seiner Entstehung zu brisant gewesen war (berichtet er doch von zwei Überläufern aus der deutschen Wehrmacht zur russischen Armee), trägt durchaus dick auf, um die Gräuel des Krieges zu veranschaulichen. Nun bedarf ich dieser Veranschaulichung nicht, um Krieg als die schlechteste aller Konfliktlösungsstrategien zu erkennen, die Abscheu dagegen ist mir als Sohn eines Berufssoldaten von meiner Mutter schon in die Wiege gelegt worden, was möglicherweise nicht die allerbeste Grundlage für Pazifismus ist, aber immerhin erzielte ihr diesbezügliches Wirken seine Wirkung. Der Protagonist wird hin- und hergewirbelt zwischen Pflichterfüllung und Desertion, die Liebe macht aus ihm schließlich jenen Überläufer, der dem Werk seinen Titel gab. Während es im Buch die Beziehung zur Schwester ist, stellt der Film seine Beziehung zur polnischen Partisanin in den Mittelpunkt – und muss zum Schluss (leider!) auch noch eins drauflegen. Der Film endet nämlich erst im Jahr 1956 – und der Protagonist sieht seine verlorengeglaubte Liebste in einer deutschen Samstagabend-Fernsehshow, wo sie als Sängerin auftritt. Noch während der Ausstrahlung steht er aus dem Fauteuil auf, zieht sich an und verlässt seine Frau und seine zwei Kinder. In der Schlussszene sieht man ihm am Lenkrad seines Autos. Der Morgen brachte eine unangenehme Überraschung. Ein wichtiges Kabel für meinen Audiorekorder war offenbar gebrochen, ich konnte das das geplante Telefoninterview mit Prof. Thomas Mohrs von der Pädagogischen Hochschule Linz für die nächste Ausgabe meiner Sendereihe „Nie mehr Schule“ auf Radio Orange nicht aufnehmen, da ich in Zeiten wie diesen so kurzfristig auch keinen Ersatz kaufen konnte, und musste es absagen. Online bestellte ich ein Ersatzkabel in einem Wiener Musikhaus und wurde damit meinem Schwur, kein Geld zu Amazon wandern zu lassen, gerecht. Für‘s Mittagessen richtete ich den Weitling meiner Oma her, um in ihm die Semmelknödel nach dem Rezept meiner Oma herzustellen. Sie sind und bleiben ein echter Leckerbissen, den die ganze Familie jedesmal mit Begeisterung schnabuliert. Diesmal ergänzte meine Liebste diesen Schmaus um eine herrliche Sauce mit feinsten Bio-Champignons. Auf diese Weise wurde ein stinknormales Mittagessen zum Festmahl. Da der CELUS-Küchenherd nun schon mal angeheizt war, machte ich mich nach langer Zeit erstmals wieder daran, ein einfaches Schwarzbrot aus Dinkelvollkornmehl zu backen. Es bekam, da ich es – weil ich die Geschichte unseres Fußballklubs für die im Herbst erscheinende Dorfchronik unserer Heimatgemeinde in die Endfassung brachte – im Ofen beinahe vergaß, eine schöne dunkelbraune Kruste, die sich aber als wunderbar knusprig und schmackhaft herausstellte. Glück im Unglück. Unsere Wein- und Obstbäuerin lieferte den bestellten Wein und teilte uns mit, dass die Marillenernte aufgrund des extremen Nachtfrosts der letzten Tage leider heuer zu 100 % ausfallen würde. Ein warmer Winter, ein frühes Austreiben der Blüten, ein Wintereinbruch Ende März – und schon ist‘s um die süßen Früchte geschehen. Wohl auch etwas, womit wir in Zukunft häufiger rechnen müssen, der Klimawandel vergrößert ja leider die Chance auf solche Wettersituationen. Sie trägt es aber auf die ihre eigene Weise mit Fassung – und um diese Fassung beneide ich sie. Sie ist mir nicht gegeben. Da unser Biervorrat planmäßig am Ende war, machte ich mich auf den Weg zum Supermarkt, wo man mir aber mein gewünschtes neues Lieblings-Bier nicht bieten konnte, war es doch die ganze Woche in Aktion gewesen. Ich zog unverrichteter Dinge wieder ab und widmete mich der Planung des Familienabends. Ein Film musste her, ich fand aber keine passenden in unserer Mediathek, machte mich unzufrieden im Internet auf die Suche und fand den lange schon gewünschten „Zauberer von Oz“ (mit Judy Garland aus 1939) und die Verfilmung der Unendlichen Geschichte zum Onlinekauf (wieder nicht auf Amazon) zu einem sehr günstigen Preis – und schlug zu. Auch auf die Gefahr hin, dass mit einem Familienkinoabend nichts werden würde. Der Abend war aber dennoch gemütlich, da ich meinem Jüngsten die letzten Kapitel von Erich Kästners „Der kleine Mann“ vorlesen konnte, eine wirklich unterhaltsame und vergnügliche Lektüre. Gleich nach dem Ende hatte ich Lust, den vier Jahre später verfassten Band „Der kleine Mann und die kleine Miss“ anzufangen, aufgrund der fortgeschrittenen Stunde, ließ ich es aber. Ich kenne diese Lust am Weiterlesen auch von meinen Büchern, vor allem bei Autor*innen, die mehrere Werke verfasst haben, die noch dazu als Reihe aufgebaut sind (wie etwa Mankells Wallander). Doch diesmal ließ ich meine Lust, wie schon gesagt und startete mit Satire in den neuen Lebenstag.
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Route 55
Dieser Blog begleitet mich durch mein 55. Lebensjahr, das ich mit einer Feier im Freundeskreis am Vorabend meines Geburtstages eingeläutet habe, das am 23.2.20 um 19.21 h tatsächlich begonnen hat und das sogar 366 Tage zu bieten hat, also mehr als viele andere meiner bisherigen Lebensjahre. Archiv
Februar 2021
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