Nach einem fast einstündigen Telefonat mit meiner jüngeren Tochter, die in der Bundeshauptstadt als Lehrerin in einer Volksschule arbeitet, in dem wir über die aktuellen Maßnahmen der Bundesregierung, ihre Arbeit mit ihren Schüler*innen im Lockdown und ihre herausfordernden Elterngespräche sowie über Aktuelles aus meinem Leben wie den Abschied von den Söhnen meiner Frau gesprochen haben, kam ich gerade rechtzeitig zum Mittagessen. Da ich mit ihr während eines Spaziergangs durch den Auwald telefoniert hatte, bemerkte ich die in unserem Haus aktuell herrschende sehr, sehr angespannte Stimmung deutlicher als zuvor.
In der vorvorletzten Stunde dieses Lebenstages sollte sie sich dann gewaltsam entladen. Nach dem Abendessen, dass an diesem Tag schon eine Stunde früher stattfand, da ich ab 18 Uhr einen Online-Workshop zum Thema „‘Schwierige’ Kinder sind Kinder in Schwierigkeiten“ mit Kindergartenpädagog*innen und Kindergruppenbetreuungspersonen zu leiten hatte, entspann sich aus dem Nichts ein folgenreicher Konflikt. Es ging darum, dass der jüngere, fast 15-jährige Sohn meiner Frau in die Dusche gehen wollte, aber noch alle Fenster und die Eingangstüre – so wie jeden Abend - zum Stoßlüften offen waren. Da wir noch aßen, forderte ich ihn auf, schon mal die Fenster zu schließen. Im Zimmer unseres Jüngsten musste ob seiner plötzlichen Wut, das Katzengitter dran glauben, da er das dortige Fenster mit großer Aggression zuschlagen wollte und es an der oberhalb des Fensters montierten Sicherung hängenblieb und diese aus der Verankerung gerissen wurde. Daraufhin stellte er kam er zornig an den Esstisch zurück und fragte neuerlich, ob er nun endlich duschen gehen könne. Ich verneinte verärgert und forderte ihn erneut auf, zuerst die Fenster zu schließen und das Katzengitter in Ordnung zu bringen. Nachdem er dieser Aufforderung nicht folgte sondern sich schimpfend in sein Zimmer zurückzog ohne die Türe zu schließen, folgte ich ihm. Als er das bemerkte, drehte sich um und begann mir aus Leibeskräften entgegen zu brüllen: „Ihr (gemeint waren augenscheinlich seine Mutter und ich) seid die größten Arschlöcher!“ Nachdem wir einen solchen Vorfall vor wenigen Wochen bereits mit seinem älteren Bruder erlebt hatten (der nur mich als solches und seine Mutter als „die dümmste Frau der Welt“ bezeichnet hatte), haben wir eine Vereinbarung geschlossen, dass diese Worte so nicht mehr fallen dürfen. Ich wies ihn zunächst darauf hin – und machte dann in meiner Emotion den folgenschweren „Fehler“ ihm zu sagen, dass er sich wohl woanders umschauen müsse, wenn er ein Arschloch finden wolle. Immerhin habe sein Vater seit einer Woche das Aufenthaltsbestimmungs- und nunmehr auch ein geteiltes Sorgerecht und habe sich offensichtlich noch nicht bei ihm gemeldet, um zu sagen, wann er denn nun nach Berlin abdampfen könne. Daraufhin am er auf mich zu und versetzte mir einen Faustschlag ins Gesicht, meine Oberlippe platzte innen auf und die beiden Vorderzähne waren danach locker. Zum Glück hatte ich mit dem Kopf eine schnelle Ausweichbewegung nach hinten gemacht und so ging die Sache noch harmloser aus, als möglich. Sein nun auch vom Esstisch herbeigeeilter, knapp 17-jähriger Bruder baute sich danach vor mir auf – während meine Frau sich um ihren gerade ausgerasteten kümmerte – und sagte zu mir, dass er mir, wenn ich seinem Bruder noch Weiteres antun würde, auch noch eine reinhauen würde. Während ich das schreibe, fällt mir ein, dass von ihm vor vielen Monaten schon einmal eine ähnliche Aussage gekommen war, damals hatte er mir mitgeteilt, dass sein Vater mir gerne eine reinhauen würde, damit ich endlich meinen Mund hielte. In den nächsten 36 Stunden ging ich durch die Hölle. Und ich war nahe daran auch vor die Hunde zu gehen. Es war ein ständiger Kampf in mir, diesen jungen Mann für seine Tat auf dem juristischen Weg zur Rechenschaft zu ziehen, andererseits fühlte ich mich total beschämt und gedemütigt – und geißelte mich wegen meiner unbedachten Worte. Nach zwei fast durchwachten Nächte, machte ich mich am heutigen Vormittag auf einen ausgedehnten Spaziergang durch die Winterlandschaft unseres Ortes, es hatte über Nacht rund 5 cm geschneit. Währenddessen – und in der klaren Luft dieses Wintertages, fasste ich Mut, eine Entscheidung zu treffen, und das Ereignis als Teil meines Lebens zu integrieren. Ich werde den jungen Mann nicht anzeigen, genauso wenig wie seinen Bruder, der mich schon Wochen davor der Manipulation seiner Mutter, meiner Frau, zu seinem Schaden bezichtigt hatte. Ich hatte ihm damals das Buch des österreichischen Aggressionsforschers Friedrich Hacker mit dem Titel „Freiheit, die sie meinen“ zum Lesen gegeben, das ich um 50 Cent in der Stadtbibliothek erworben hatte und in dem über den freien Willen berichtet wird, der durch Manipulation zu verbogen werden kann, dass er sich für alle, auch die Betroffenen, als frei darstellt, es aber letzten Endes nicht ist. Er und sein Bruder sind nämlich seit einem knappen Jahrzehnt mutmaßlich solchen Manipulationen ihres Vaters ausgesetzt gewesen – so wie es meine Frau in ihrer Beziehung mit dem Kindesvater auch über knapp 16 Jahre gewesen war. Diese Gehirnwäsche, dieser Kreuzzug bzw. Dschihad, dieser unheilige Krieg gegen meine Frau und vor allem mich, hatte dazu geführt, dass ich in all den Jahren trotz aller Bemühungen, um das Wohlergehen der beiden zum Sündenbock gestempelt wurde. Eine Rolle, die mir auch aus anderen Bereichen bekannt ist, da ich gerne in gutem Glauben und nach bestem Wissen und Gewissen Verantwortung übernehme, weil ich im Herzen ein Macher bin. Mit diesem Schlag ins Gesicht ist mir diese Rolle nochmals eindrücklich vor Augen geführt worden. In all den Jahren haben meine Frau und ich zahlreiche Unterstützung und auch Bestätigung durch Familienberatung und Therapie erhalten, wofür wir dankbar sind – gegenüber und von den offiziellen Stellen aber wurden wir immer nur auf unsere Fehler (die wir natürlich auch begangen haben) aufmerksam gemacht, während der Kindesvater, der uns über die Jahre mit zahllosen Vorwürfen und Anzeigen überschüttet hat, die sich letztlich allesamt in zahlreichen Überprüfungen durch Behörden und Sachverständige als unwahr herausgestellt haben, immer und das bis zuletzt außen vor blieb. Seine wortgewaltigen Anschuldigungen, seine laufenden Drohungen gegenüber meiner Frau und mir haben zwar von Amtswegen keine Bedeutung erlangt – die Übersiedlung nach Berlin erfolgt laut Beschluss ausschließlich aufgrund des Wunsches der mündig minderjährigen Kinder – in seinen Söhnen allerdings haben sie offenbar die Wirkung hinterlassen, dass gewaltvolles Vorgehen ein probates Mittel ist, um Ziele zu erreichen. Das zeigt sich auch darin, dass der Vater am Tag nach dem Übergriff seines Sohnes auf mich, plötzlich mit einem E-Mail an meine Frau zur Stelle war und sich damit erstmals nach seiner „Machtübernahme“ bezüglich seiner Söhne zu Wort meldete. Darin wurde meine Liebste aufgefordert, den „Täter“ umgehend zu einem Freund in die Hauptstadt zu schicken, wo er die Zeit bis zu seiner Abholung am Tag vor Weihnachten verbringen solle. Er wurde also aus dem Verkehr gezogen und eine Klärung mit ihm war mir damit nicht mehr möglich, der Versuch meiner Frau, alles mit ihm nochmals zu besprechen, scheiterte an seinem aktuell (noch) fehlenden Unrechtsbewusstsein. Der Ältere aber muss diese knapp 3 Wochen bis zur Übersiedlung auf Geheiß seines Vaters überraschenderweise noch bei uns verbringen. Nach meinem heutigen Spaziergang fasste ich also den Beschluss, dieses Kapitel in mein Leben zu integrieren, es damit und mit diesen offenen Worten, die ich auch der zuständigen Richterin und den beiden Burschen zur Verfügung stellen werde, aber auch abzuschließen. Ich werde keine weiteren juristischen Schritte einleiten, ich werde mir aber auch keineswegs den Mund verbieten lassen, dieses Ereignis auch in der Öffentlichkeit zu schildern – trotz meiner Scham und meines Schuldgefühls, die ich, wie so viele Opfer, paradoxerweise dabei empfinde. Ich werde mein weiteres Leben also nicht dafür hingeben, ich habe eine wunderbare Frau, die ich liebe und die mich liebt, einen mit ihr gemeinsamen selbstbewussten 9-jährigen Sohn, aus meiner ersten Ehe zwei tolle Töchter, von denen die ältere auch schon 2 Burschen in die Welt gesetzt hat, deren Großvater ich bin, während die jüngere im nächsten Jahr ihren langjährigen Lebensgefährten heiraten will. Und ich werde mich auch beruflich nicht davon abhalten lassen, weiterhin bei jeder Gelegenheit ein Plädoyer für das Wohlergehen von jungen Menschen zu ergreifen und die Erwachsenen dazu auffordern, sich mit den ihnen anvertrauten Kindern angemessen und intensiv auseinanderzusetzen. Ich selbst bin bei den Söhnen meiner Frau als männliche Bezugsperson, die sich sehr intensiv um sie bemüht hat an deren mutmaßlicher „Vatervergiftung“ und ihren Projektionen letztlich vorerst gescheitert. Aber vielleicht gelingt es den beiden – oder einem von ihnen – zu einem späteren Zeitpunkt, meine Sichtweise zu respektieren und die von mir ausgestreckte Hand zur Versöhnung zu ergreifen. Anm.: Ich habe mich entschieden, diesen Eintrag ausnahmsweise wieder digital zu verfassen, da ich noch während des Schreibens um die richtigen Worte ringen musste, um einerseits nichts schön zu reden und andererseits von meiner Seite kein weiteres Porzellan zu zerschlagen.
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Route 55
Dieser Blog begleitet mich durch mein 55. Lebensjahr, das ich mit einer Feier im Freundeskreis am Vorabend meines Geburtstages eingeläutet habe, das am 23.2.20 um 19.21 h tatsächlich begonnen hat und das sogar 366 Tage zu bieten hat, also mehr als viele andere meiner bisherigen Lebensjahre. Archiv
Februar 2021
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