Um am Morgen des ersten Tages der von der Regierung veranlassten Ausgangsbeschränkungen in Schwung und nicht auf negative Gedanken zu kommen, plane ich beim Frühstück mit unserem Jüngsten ein intensives Sportprogramm, wir aktivieren die Boccia-Kugeln, das verstaubte Tischfußballspiel von Arcofalk (Made in Italy!) und Junior verwandelt unseren Gartentisch in einen solchen, auf dem wir locker Tischtennis spielen können. Ich ziehe – wie so oft – in allen Disziplinen auch diesmal meistens den Kürzeren, aber das macht mir nichts aus, weil es einfach einen Heidenspaß macht, zu spielen und sonst an nix zu denken.
Eigentlich herrscht Ferienstimmung, wäre da nicht das Bewusstsein, dass all das doch erzwungen ist, erzwungen von einem Virus, der die politisch Verantwortlichen zu solchen Zwangsmaßnahmen angeleitet oder vielleicht auch verleitet hat. Die Kurven im Netz, die zeigen sollen, was diese Beschränkungen bringen, lassen sich auch so lesen: Sollten keine Einschränkungen passieren, wäre der Höhepunkt in Österreich mit Ende Mai und rund zwei Millionen Erkrankten überschritten, eine hohe Anzahl an Todesfällen inbegriffen. Die von der Bundesregierung ergriffenen Variante plant mit einer Verringerung der sozialen Kontakte um 25 %. Dadurch würde sich laut Modellrechnung der Peak auf Ende August verschieben, allerdings mit prognostizierten 360.000 Infizierten. Die Krise wäre demnach nach rund 400 Tagen endgültig vorbei, also in etwas mehr als einem Jahr. In Großbritannien setzt Premier Johnson auf Szenario eins und hofft auf schnelle Herdenimmunität. Wir haben also den direkten Vergleich. Am Nachmittag telefoniere ich mit der Bildungssprecherin der Grünen, Sibylle Hamann, für die nächste monatliche Ausgabe meiner Sendereihe „Nie mehr Schule – das Magazin für alle, die Bildung verändern wollen“ auf Radio Orange. Wir besprechen kurz die aktuelle Situation und dann länger, was von grüner Bildungspolitik im aktuellen Regierungsprogramm mit der ÖVP übrig geblieben ist. Zukunftsforscher Mathias Horx macht mir mit seinem Beitrag "Corona - eine Resilienz-Übung" Mut. Es gibt also Perspektiven. Dann wagen mein Jüngster und ich uns in den Gewerbepark, um nötige Einkäufe zu machen. Gespenstische Stimmung, aber dafür keine Schlangen an den Kassen. Ich entdecke in einem der dortigen Supermärkte, den ich nur selten frequentiere, eine mir bislang unbekannte österreichische Biersorte, nämlich Wurmhöringer Premium Märzen, und nehme ein paar Testflaschen mit. Für die Zeit vor dem Abendessen heize ich unsere Zeltsauna an. Wohltuend und entspannend für Leib und Seele. Und danach eine Flasche des mir noch unbekannten Biers, das mir sehr gut schmeckt.So kann ein Lebenstag zu Ende gehen. Nach der Sauna penne ich am Sofa ein, obwohl ich mich nur ein wenig ausruhen wollte. Der Jüngste weckt mich, weil er noch Zähneputzen will. Nachdem das Badezimmer nun endlich wieder frei ist, die großen Jungs geduscht und bettfertig sind, mach ich mich schlaftrunken auf den Weg ins Bad. Ich brauche eine knappe Stunde, um wieder auf Touren zu kommen, vielleicht hätte ich mich doch gleich betten sollen. Aber Finnland wartet, zumindest virtuell in „Arctic Circle“ Folgen 6-8. Kater Dario begleitet mich durch eine intensive Kuschelaktion durch den Start in meinen nächsten Lebenstag. Um 0.30 Uhr gehe ich endlich ins Bett und unser Vierbeiner widmet sich deinen nächtlichen Aktivitäten im Haus. Die Wochenendstimmung mit schalem Beigeschmack hält auch am Tag 2 der Ausgangsbeschränkungen an. Morgens komme ich schwer aus den Federn, es gibt viel zu tun und noch mehr zu befürchten. Ich bin nach außen krisenfest, im Inneren aber tobt es heftig. Diese Ambivalenz meines Daseins, macht es den anderen meist leicht und mir selbst und meiner Liebsten, die mein Innenleben bestens kennt, eher schwer. Das Wetter ist auch trüb und regnerisch, nicht unbedingt ein Stimmungsaufheller. Wie gut, dass es heute Würstchen mit Kartoffeln gibt. Und Mathias Horx, der mir mit seinem neuen Text "Die Welt nach Corona" neuerlich Mut und Perspektiven gibt. Arbeitstechnisch stehen Buchhaltungsarbeiten, ein Skype-Treffen mit einer Kollegin im Hinblick auf die Zivilcourage-Workshops für Wiener FreizeitpädagogInnen im Juli und August und die Zusammenstellung meiner Radiosendung am Programm. Meine Frau und ich holen dann unsere Wochenration Bier, diesmal nicht vom rund sechs Kilometer entfernten Großmarkt, sondern versorgen uns beim kleinen Supermarkt mit dem gestern neu entdeckten Gerstensaft. Die Jungs sind heute Abend sehr cool unterwegs, sie scheinen – nach dem ersten Schock – auf Kooperation umgestellt zu haben, sehr beruhigend. Mehr geht sich an diesem Tag nicht mehr aus – und es scheint mir ein halbes Leben weit entfernt, dass meine Frau als Gemeinderätin angelobt worden ist, obwohl das Ereignis erst eine Woche und einen Tag zurückliegt.
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Route 55
Dieser Blog begleitet mich durch mein 55. Lebensjahr, das ich mit einer Feier im Freundeskreis am Vorabend meines Geburtstages eingeläutet habe, das am 23.2.20 um 19.21 h tatsächlich begonnen hat und das sogar 366 Tage zu bieten hat, also mehr als viele andere meiner bisherigen Lebensjahre. Archiv
Februar 2021
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