Ein Urlaub daheim stellt für mich eine große Herausforderung dar, weil ich ja dem All-täglichen entfliehen möchte und es dennoch Tag für Tag vor der Nase habe. Zudem bedingt der mir selbst gestellte Auftrag für diese Zeit der „holy days/holidays“ eine Absenz von genau jenem, das ich zumindest beim Aufwachen und beim Zubettgehen vor Augen habe – meinem Zuhause. Die Quadratur des Kreises müsse dennoch gelingen, sagte ich mir. Und fand in diesen ersten sieben Tagen kein wirkliches Rezept dafür. Ich schwamm in der eigenen Suppe und fand keine Postion über den eigenen Tellerrand hinaus zu blicken. Das machte mich unwirsch – mir selbst und auch meinen Nächsten gegenüber, die das zu spüren bekamen und diesem Zustand mit wenig Gelassenheit begegneten. Es regnete also Konflikte, mit meinen Jungs, mit meiner Liebsten und mit den Kollegen aus dem Fußballklub.
Wobei die letzteren auch ohne meine aktuelle Stimmung ihr Fett abbekommen hätten, denn dieser Zwist zieht sich nun schon ein gutes halbes Jahr dahin, ich glaube, ich habe schon früher mal darüber berichtet. Dennoch möchte ich die Geschichte noch einmal replizieren: Vor einem Jahr wurde ich zum Trainer einer Kinderfußballmannschaft befördert, ich machte dann im September des Vorjahres dann auch die nötige einwöchige Ausbildung im Sportzentrum Lindabrunn, absolvierte die praktische und theoretische Prüfung und legte fristgerecht meine Trainingsdokumentation vor, so dass ich im April dieses Jahres meine Trainercard in Händen hielt. Mein Co-Trainer, im Alter meiner jüngeren Tochter, hatte von Anfang an ein Problem mit seiner Rolle. Dazu noch Folgendes: Wir waren bis zu diesem Zeitpunkt schon ein halbes Jahr lang ein Gespann gewesen, er Haupt- und ich Co-Trainer einer altersmäßig bunt gemischten Gruppe aus 5-8-jährigen. Aufgrund der Fülle an Kids (nämlich 22) wurde beschlossen, dass wir die Teams in zwei Altersgruppen teilen, nämlich die 8-Jährigen und alle Jüngeren. Ich sollte die Älteren übernehmen und er mich als Co unterstützen, und bei den Jüngeren hatten wir die Rollen genau gegenverkehrt angelegt. Flexibel wie ich bin hatte ich kein Problem, seinem Trainingsweg in seiner Gruppe zu folgen. Umgekehrt aber verlief es vom ersten Tag an schief, denn meines Co‘s Plan war es – das hatte ich schon vergessen -, in beiden Teams den Haupttrainer zu geben, obwohl das de iure nicht möglich ist. Dennoch war es offensichtlich sein Ansinnen, denn seine Unterstützung endete innerhalb kürzester Zeit in Opposition zu meinen Trainingsplänen und -methoden. Die Situation gipfelte darin, dass er im Großvater eines Jungen, der in meiner Mannschaft spielte (und den ich unvorsichtiger Weise und ohne seine fußballerische Vita zu kennen als Unterstützung für das Tormanntraining gewinnen hatte können), einen Unterstützer für seine Sichtweise auf mein Training fand. Eines Abends, als ich gerade einen Workshop für Elementarpädagog*innen in Wien leitete, rief mich mein Jüngster an, um mir mitzuteilen, dass jener Junge ihm beim Training zu verstehen gegeben habe, dass sein Großvater meine, ich wäre ein total schlechter Trainer. Von mir zur Rede gestellt, leugnete dieser Mann seine kolportierte Aussage und schob seinem Enkel die Verantwortung in die Schuhe (Sie hätten momentan eine schwierige Zeit und der Junge hätte ihm damit eins auswischen wollen). Möge sich jede*r einen Reim darauf machen. Und prompt ging es weiter: nach einer verpatzten Herbstsaison mit einigen haushohen Niederlagen gingen die Wogen hoch. Die Verantwortung dafür wurde mir alleine in die Schuhe geschoben, mein Co und jener Großvater, die Teil des Trainerteams waren, spannen eine Intrige, die darauf hinaus lief, dass mich der Jugendleiter im Beisein meins Co‘s darüber in einem Gespräch in der örtlichen Pizzeria informierte, dass vier Kinder vor dem Absprung stünden und meine Mannschaft daher vor dem Zerfallen wäre. Daher wurde mir ein Trainerwechsel vorgeschlagen, die beiden Teams sollten wieder zusammen geführt und mein Co als Haupttrainer und ich als Co installiert werden. Man wolle mir so den Rücken stärken und mich aus der Schusslinie nehmen. Auf meine Frage, wer denn hier Probleme hätte, wollte man mir keine Namen nennen. Ich akzeptierte nicht, vielmehr führte ich mit allen Eltern – außer jenem Großvater - Gespräche, in denen sich überraschenderweise alle zufrieden zeigten. Für die Frühjahrssaison im heurigen Jahr gelang es mir, einen erfahrenen Co-Trainer zu engagieren (der schon einmal ein Kinder- und Jugendteam von der U 9 bis zu U 17 gecoacht hatte) und mich von meinem Co zu trennen, was dieser nur unwillig zur Kenntnis nahm. Doch der Zwist ging weiter. Aufgrund der Regierungsauflagen für das Fußballtraining bezüglich der aktuell weltweit herrschenden Situation war kein normaler Betrieb möglich, es gab auch eine lange trainingsfreie Zeit. Zwei Jungs sprangen ab, weil sie lieber Tennis spielen wollten, einer hatte die Lust verloren (er hatte in diesen Wochen auch gewichtsmäßig deutlich zugelegt) und der Enkel jenes Großvaters sollte auf dessen Geheiß in das Team seines neuen Wohnortes übersiedeln. Es folgte eine weitere Krisensitzung in der örtlichen Pizzeria, ich bestand darauf, dass mein neuer Co anwesend wäre. So verschob sich der Termin um eine ganze Woche. Und dann wurden die alten Zöpfe wieder ausgepackt, wieder wurde mir mitgeteilt, dass ein Spieler nicht mehr käme, weil er mit mir nicht könne. Ich quittierte dieses Meldungen letztlich mit einem genervten „Es geht‘s ma am Oasch“ und unterbreitete einen Gegenvorschlag, der keine Zustimmung beim Jugendleiter und meinem Ex-Co, der in der Zwischenzeit zum stellvertretenden Jugendleiter befördert worden war. Einmal mehr blieb alles beim Alten, was dazu führte, dass ich vor kurzem vom Jugendleiter davon informiert wurde, dass nun neuerlich eine Beschwerde über mich gäbe: ich hätte jemanden aus der Whatsapp-Gruppe meiner Mannschaft gelöscht, so sei ihm von meinem Ex-Co zugetragen worden. Wie wär‘s mit direkter Kommunikation, Leute? Ich sprach meinen ehemaligen Co an, er wollte aber keine Namen nennen. Kindergarten. Führungsqualitäten sehen anders aus. Urlaub auch. Auch innerfamiliär kochten alte Konflikte wieder auf. Ich nahm mich - nachdem ich den Fehler gemacht hatte, meiner Liebsten bei einer Attacke ihres älteren Sohnes beizustehen und dabei jede Menge abzukriegen, so gut es ging aus dieser Sache raus. Allerdings verwickelte mich meine Empathie für die Sorgen meiner Frau wieder stärker als gewünscht in Vergangenes, das die Gegenwart und unsere Beziehung seit mehr als zehn Jahren belastet. Ich drohte an der Spannung zwischen meinem Wunsch zur Entspannung und jenem, sie nicht alleine zu lassen, zu zerreißen – und ich zerriss; besser gesagt meine Nerven. So floh ich nach lautstarken und tiefgreifenden Auseinandersetzungen in mich selbst, wo es aber auch kaum auszuhalten war. An einem Nachmittag nahm ich den nächsten Zug und fuhr ein paar Orte weiter, um mich zu regenerieren. Anderntags verschrieb ich mir ein homöopathisches Mittel, um meine Fassung wieder zu gewinnen. Um diese ringe ich zwar immer noch, aber immerhin auf anderem Niveau. Wir werden diesen Konflikt im Sinne unseres familiären Zusammenlebens lösen, es braucht aber sehr viel mehr Klarheit und Bewusstheit für unsere Situation, für das diesbezügliche Empfinden eines jeden und das, was daher erforderlich ist, um so heil wie möglich durch bzw. raus zu kommen. Mehr möchte ich an dieser Stelle dazu nicht sagen, obwohl es genau diese ungelöste Angelegenheit im Hinblick auf die Söhne meiner Frau (unsere Buben Nr. 1 und 2) ist, die auf unser Leben und meine holy days einen breiten Schatten wirft. Doch wo viel Schatten, da auch viel Licht. So mit Sohn Nr. 3, unserem Jüngsten, der die Ferienzeit mit vollen Zügen genießt, sich Fußball, Detektivspielen und kreativem Gestalten widmet oder mit unserem Kater Dario, der langsam aber sicher ein richtiger Kater mit Ambitionen auf Ausweitung seines Reviers wird (der Dachboden ist interessant und auch das, was hinter dem Gartenzaun ist – den ich nun mit einem Gitteraufsatz vor einem Überspringen gesichert habe), aber ansonsten verschmust wie eh und je ist, oder mit den raren Stunden, in denen meine Liebste und ich zueinander finden, weil es uns gelingt, den Alltag beiseite zu schieben und uns auf das zu konzentrieren, was uns vor mehr als zehn Jahren zusammen geführt hat. Meine Fluchten vor und zu mir selbst führten mich in dieser ersten Urlaubswoche zum Fußball auf der Mattscheibe meines Laptops, in die Hauptstadt zu einem wunderbaren Essen mit meinem ältesten Freund, bei dem wir über mehr als zwei Stunden über Gott und die Welt plauderten und die Kraft unserer Freundschaft feierten, sowie in meinen Garten, wo es wie immer jede Menge zu tun gibt, wofür im Normalbetrieb kaum oder nur gehetzte Zeit ist. Ebenso widme ich mich Filmen (Nachtzug nach Lissabon, Wim Wenders „Lisbon Story“, Halbblut) und Büchern (Nachtzug nach Lissabon, Education for future, Das Handwerk der Freiheit, Achtsames Wirtschaften) sowie dem Schreiben (zwei Texte sind im Entstehen: die Kurzgeschichte „Der Kugelschreiber“ und der Blogbeitrag für „Nie mehr Schule“ mit dem Titel „Verkehrte Welt“). Auch habe ich einen fair produzierten Fußball erworben und meine Idee, fair produzierte Fußball-Ausrüstung aufzutreiben, wieder aufgegriffen. Folgende Gedanken aus den von mir gelesenen Büchern wurden mir in dieser Woche wichtig: „Man kann nicht etwas ändern ohne alles zu ändern.“ (Martin Buber zitiert von Richard David Precht in „Hirten, Jäger, Kritiker“) „Vergeh dich ruhig, vergeh dich an dir selbst und tu dir Gewalt an, meine Seele; doch später wirst du nicht mehr Zeit haben, dich zu achten und zu respektieren. Denn ein Leben nur, ein einziges, hat jeder. Es aber ist für dich fast abgelaufen, und du hast in ihm keine Rücksicht auf dich selbst genommen, sondern hast getan, als ginge es bei deinem Glück um die anderen Seelen … Diejenigen aber, die die Regungen der eigenen Seele nicht aufmerksam verfolgen, sind zwangsläufig unglücklich.“ (Marc Aurel zitiert in „Nachtzug nach Lissabon“, S. 43) „Wenn die Diktatur eine Tatsache ist, ist die Revolution eine Pflicht.“ (ebd. S. 88) „Wenn es so ist, dass wir nur einen kleinen Teil von dem leben können, was in uns ist, was geschieht mit dem Rest?“ (ebd. S. 29) „ … weil wir, oft ohne es zu wissen, auf eine solche Ganzheit hin leben und weil jeder Augenblick, der uns als lebendiger gelingt, seine Lebendigkeit daraus bezieht, dass er ein Stück im Puzzle jener unerkannten Ganzheit darstellt.“ (ebd. S. 243) Zum letzten Zitat möchte ich bemerken, dass für mich das Bild des Lebens nicht das eines Puzzles ist, für das wir Tag für Tag einen Stein nach dem anderen suchen finden, einsetzen und im Idealfall letztlich das ganze Bild vor Augen haben, sondern eher das eines Mosaik, in das wir Stein um Stein einfügen und das immer auch ein Ganzes ist, egal wann und wie es endet.
0 Comments
Your comment will be posted after it is approved.
Leave a Reply. |
Route 55
Dieser Blog begleitet mich durch mein 55. Lebensjahr, das ich mit einer Feier im Freundeskreis am Vorabend meines Geburtstages eingeläutet habe, das am 23.2.20 um 19.21 h tatsächlich begonnen hat und das sogar 366 Tage zu bieten hat, also mehr als viele andere meiner bisherigen Lebensjahre. Archiv
Februar 2021
|