Erstaunt blickte ich aus dem Fenster des Busses. Ich glaubte zu träumen, konnte mich verbüffenderweise nicht mehr daran erinnern, jemals so viel Wald gesehen zu haben, obwohl ich die Gegend erst fünf Tage vorher verlassen hatte, um die Hauptstadt zu besuchen. Wo waren bloß die Häuserreihen hin, die den Alltag der vergangenen Woche geprägt hatten, wo die Kraftfahrzeuge, wo die Menschen, die ein enormes Tempo vorlegten, gehetzt durch die Straßen und Parks eilten, mit ihren Blicken und ihren Gedanken immer schon dort, wo sie hin wollten, oder noch weiter.
Der Kontrast, ja der Widerspruch zwischen Stadt und Land war mir schon lange nicht mehr so deutlich bewusst geworden. In den meisten Jahren meines Lebens waren die Stadt, später dann der Stadtrand, manchmal eine Kleinstadt und zuletzt ein 2000-Seelen-Dorf, das auf Stadt machte, mein Lebensmittelpunkt, die Natur spielte höchstens am Wochenende oder im Urlaub eine Rolle. Daher gewann ich den grauen Fassaden, die sich aneinanderreihten, mal dichter mal weniger dicht, doch immer auch etwas ab. Ging wahrscheinlich auch nicht anders, denn meine sich nach dem Natürlichen sehnende Seele wäre wohl sonst kollabiert. Seit meinem Umbruch, tatsächlich die Natur zum Mittelpunkt meines Lebens zu machen, mal hier, mal da, dem Städtischen den Rücken zu kehren und nur in Ausnahmefällen zu ihm zurückzukehren, wollte meine Seele das Natürlich offenbar in großen Schlucken trinken, sich damit an-, ja sogar abfüllen, trunken werden vom Grün, vom Blau, vom Licht, vom Schatten, der Sonne auf der Haut, dem Duft der Frühlingsblüten, der Sommerwiesen, des Herbstlaubs und des bevorstehenden Schneefalls, des Baumharzes, der feuchten Erde nach dem Regenfall, dem Leben in der und mit der Natur. Schon wenige Stunden nach meiner Ankunft in der Großstadt begannen meine Sinne abzustumpfen, der Regen ließ mich frösteln, der Wind zittern, meine Nase nahm die Autoabgase als Gestank wahr, der mich ekelte. Ich fühlte mich verwaist, verlassen von dem, worin ich mich geborgen fühlte. Ich hielt fünf Tage lang durch, Familienraison. Und als ich dann knapp vor der Ankunft plötzlich der Wälder gewahr wurde, konnte ich es nicht glauben, dass sie tatsächlich existierten. Noch im Bus stellten sich all meine Sinne um und brachten mich erneut auf den Geschmack, mich dem natürlichen auszusetzen. Als ich dann nach meinem Aussteigen an der Haltestelle den ersten Atemzug tat und meine Lungen mit der Luft und dem Duft der Birken, Kiefern und Fichten füllte, der trotz der bereits vorwinterlichen Witterung deutlich zu erkennen war, da wusste ich, wo ich wirklich zuhause bin. Und ich war glücklich, dass mich mein Leben endlich - und diesmal wohl auch auf Dauer - diesen Weg aus dem Asyl des Städtischen in die Arme von Mutter Natur geführt hatte.
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Er flatterte mir zu. Als ich an diesem nasskalten Herbsttag aus der vom Küchenofen wunderbar geheizten Stube nach draußen ging, um Holz aus dem Schuppen zu holen, zog er gerade seine Kreise durch den Garten. Zu meiner Verwunderung brachen sich in dem Moment ein paar Sonnenstrahlen ihren Weg durch die dichten, grauen Wolken und brachten die regenfeuchte Wiese herrlich zum Glitzern. Der Falter, dessen Namen ich erst später herausfand, nutzte einen dieser sonnenbestrahlten Plätze, um sich niederzulassen und seine Flügel auszubreiten. Auch diese, dunkelbraun mit einem weißen Rand und einzelnen kleinen blauen Augen, begannen herrlich zu glitzern.
Ich blieb stehen und konnte nicht anders, als den Schmetterling inständig zu betrachten. Wie zart war sein Körper, wie filigran seine Flügel, die durch den einen oder anderen Windstoß in Bewegung gerieten. Und doch blieb er stabil an seinem Platz, gerade so, als wollte er mir etwas sagen, mich etwas lehren, mich mit seinem ganzen Sein in mein Sein zurückholen, das durch all die Alltäglichkeiten abgestumpft und durch all das Hoffen auf ein besseres Morgen verloren schien. Mein nächster Schritt war anders als jener, den ich vor dem Innehalten getan hatte. Auch setzte ich den übernächsten und den danach bewusster auf den Boden, ich nahm das Rundherum mit meinen Atemzügen in mich auf, trug auch das Holz ganz anders aus dem Schuppen zum Haus als noch am Tag davor. Als ich auf diesem Weg noch einmal auf dem Platz meiner Begegnung mit dem Falter vorbeikam, war dieser schon dahin. Doch ließ er mich zutiefst bereichert und freudig bewegt zurück, mit seiner Botschaft vom einzigen Moment der zählt: der gegenwärtige Augenblick. |
Thema"Momente der Geborgenheit" heißt ein Buch des norwegischen Autors Erik Fosnes Hansen aus dem Jahr 1999. Es hat mich beim Lesen damals fasziniert - und es hat eine Fortsetzung versprochen, endet es doch mit dem Hinweis, dass hier der erste Teil ende. Bis heute ist diese allerdings nicht erschienen. Für mich blieb die Schilderung der Natur und der Stimmungen eindrücklich in Erinnerung. In meinem Blog habe ich den Titel angepasst, inhaltlich möchte ich mich all dem widmen, was uns mit der Welt, dem Leben, den anderen Menschen, einfach Allem verbindet. Vom Stil her werde ich versuchen, Stimmungen einzufangen und die Natur, die diese einmalig und einzigartig hervorzubringen versteht, ins Spiel zu bringen. Archiv |